Protocol of the Session on June 1, 2023

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Mayer, ich glaube, Sie haben gemerkt, wie entsetzt der große Teil dieses Hauses darüber war, was Sie gerade gesagt haben. Ich habe eine Frage, die ich nicht stellen konnte. Ich kleide sie jetzt in eine Kurzintervention. Mir fehlt einfach die intellektuelle Fantasie, worin Sie den Unterschied zwischen der Diktatur der DDR und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland und Sachsen erkennen können. Ich ahne, dass Sie es nicht erkennen können, aber vielleicht helfen Sie mir. Können Sie Unterschiede zwischen diesen beiden Gesellschaftsordnungen erkennen?

Herr Mayer, bitte.

(Zurufe von der CDU)

Herr Richter, die Regierung, die Sie als Koalition tragen, hat die Freiheit der Menschen in vielen Punkten permanent und massiv eingeschränkt. Das habe ich gerade vorgetragen. Das ist die Lehre, die Sie alle aus dem ziehen sollten, was geschehen ist. Sie sind bereit, für eine Grippewelle die Freiheit der Menschen massiv einzuschränken.

(Empörung bei den LINKEN)

Darüber habe ich gerade Ausführungen gemacht. Das zeigt, wie weit Sie gehen und bereit sind, zu gehen.

(Zuruf der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Das ist das Erinnern an den Ruf nach Freiheit. Bewahren Sie bitte in Zukunft die Freiheit, und denken Sie darüber nach, ob Sie das noch einmal machen wollen!

Danke schön.

(Beifall der AfD – weitere Zurufe – Unruhe)

Gibt es vonseiten der Fraktionen noch Redebedarf? – Bitte, Herr Abg. Hartmann.

Herr Mayer, es stellt sich gelegentlich folgende Frage: Glauben Sie wirklich selbst das, was Sie hier erzählen?

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, den BÜNDNISGRÜNEN und der SPD)

Wir haben eine pandemische Situation in diesem Land erlebt, die wir in dieser Form das letzte Mal vor circa

100 Jahren mit der Spanischen Grippe erlebt haben. Jetzt können Sie sagen: Klar, es war eine Grippe, und das können Sie sagen, weil Sie durchgekommen sind. Auch dazu soll es unterschiedliche Sichtweisen geben.

Diese Regierung hat es sich nicht einfach gemacht, auf der Grundlage von Informationen Entscheidungen zu treffen, und ja, wir haben das selbstkritisch angemerkt. Wir haben die Diskussionen intensiv geführt, dabei sind auch Fehler gemacht worden – wie denn auch nicht, wenn Sie mit einer Situation konfrontiert sind, bei der Sie keine Erfahrung haben und Entscheidungen treffen müssen. Sie ist auch repräsentativ für das Land der Fußballspieler, wo nach jedem Spiel 20 Millionen Bundestrainer genau wissen, warum das Spiel schiefgegangen ist. Danach Haltungsnoten zu geben, das kann jeder. Aus einem Gefreiten wird dann ganz schnell ein General.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war keine einfache Zeit, und ja, es sind Fehler gemacht worden. Aber diese Regierung hat Verantwortung getragen, und zwar im Rahmen der rechtlichen Regelungen und der Ermächtigung. Der Unterschied, um Ihnen zu helfen, Herr Mayer, wäre vielleicht ein Ansatz einer Antwort gewesen. Es gibt hier unabhängige Gerichte, es gibt ein Bundesverfassungsgericht und einen Sächsischen Verfassungsgerichtshof, die Entscheidungen – übrigens auch Verwaltungsgerichte – der Exekutive und des Landtages prüfen und unabhängig bewerten – und das ist ein elementarer Unterschied.

Es gibt eine unabhängige Justiz. Jedes dieser Dinge, über die Sie sich beschweren, können Sie zur Anzeige bringen, und dann wird es ein Gericht beurteilen. Danach kann man – das können Sie alle tun – die richterliche Entscheidung beanstanden, aber im Kern besteht die Dreiteilung der Gewalten seit Montesquieu – das hat man mal in der Schule gehabt: Legislative, Exekutive und Judikative.

Es gibt noch einen Unterschied. Ich verstehe ja, dass Sie im vorgeklapperten Wahn, in der Euphorie und der Hoffnung sind, dass es für Sie reicht.

Der mündige Bürger wird nächstes Jahr entscheiden, und dann wird es ein Wahlergebnis geben. Noch einmal: Es wird die Aussage geben, dass die CDU eine Zusammenarbeit mit Ihnen ausschließt. Das gilt vor und nach der Wahl. Da weiß jeder Wähler, wie er sich zu entscheiden hat. Dann wird man mit dem Wahlergebnis umgehen.

Aber klar ist, dass Sie sich im Grunde in eine Außenseiterrolle bringen – so, wie Sie hier auftreten, reden und sich benehmen. Das wird für uns keine Basis sein.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Fall. Dann wird es nach der Wahl eine Entscheidung geben: Gelingt es Ihnen, eine Mehrheit zu haben und eine Regierung zu bilden oder nicht? Das wird demokratisch entschieden. Ich sage Ihnen, ich bin der Letzte – – Wenn Sie Mehrheiten haben, dann wird es so sein.

Aber ich werde jedem, der es wissen will oder nicht, schon im Vorfeld sagen: Wir haben eine klare Aussage getroffen.

Dann werden wir uns anschauen, werden nach der Wahl sehen, wie Mehrheiten funktionieren.

Im Übrigen, um noch einmal auf den 17. Juni zurückzuschauen – oder vorauszuschauen und dies in den Blick zu nehmen –: Die Ereignisse des 17. Juni gilt es zu bewahren. Deswegen braucht es eine lebendige Erinnerungskultur. Diese lebendige Erinnerungskultur ist eine permanente gesellschaftspolitische Aufgabe von uns allen; das ist nicht Frage einer Institution. Politik hat einen Beitrag dazu zu leisten. Es ist wichtig, dass wir diese Ereignisse in Erinnerung behalten und kontextualisieren.

Das Erinnern und die Aufarbeitung der SED-Diktatur sind aber keine rein ostdeutschen Themen, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es braucht ein gesamtdeutsches Bewusstsein für das in der DDR begangene Unrecht und die Folgen daraus. Es braucht einen dauerhaften Zugang zu den Stasiakten, ein Festhalten an der weiteren Aufarbeitung, das Erinnern an das Schicksal aller Opfergruppen kommunistischer Gewaltherrschaft, die Etablierung einer Bildungs- und Vermittlungsarbeit sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, die Schärfung des Bewusstseins vor allem der aktiven Teilnahme am öffentlichen Leben als Fundament unser freiheitlich

demokratischen Gesellschaft, die Kooperation mit den Nachbarländern und die Etablierung gemeinsamer Projekte. Das ist die Voraussetzung, um dies – nach der Generation, die es erlebt hat – in eine Zukunft zu tragen.

Eine Erkenntnis erlauben Sie mir auch für meine Fraktion mitzunehmen, eine Erkenntnis, die sich aus dem 17. Juni ableiten lässt. Die eigene Geschichte lehrt uns, dass die Freiheit zur Selbstentfaltung sich mit dem Anspruch verbinden muss, an öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen und mit den materiellen Bindungen dieser Freiheit auch verantwortungsvoll umzugehen. Wir brauchen mündige Bürger als Leitbild, die Freiheit und Verantwortung gleichermaßen leben.

Wir wollen nicht, dass eine zunehmend kleinere Gruppe die Verantwortung für das Gemeingut übernimmt und der überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger sich zurückzieht und in Beschränkungen sein gesellschaftliches Leben führt. Vielmehr wollen wir den Diskurs, die Auseinandersetzung oberhalb der Gürtellinie und auf Augenhöhe. Das bringt dieses Land, das bringt diese Demokratie weiter.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den BÜNDNISGRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Gibt es jetzt weiteren Redebedarf? – Bitte, Herr Barth.

Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe den Debattenbeiträgen sehr genau zugehört. Das veranlasst mich, mich

hier noch einmal ans Redepult zu stellen. – Zunächst einmal, lieber Herr Gebhardt: Sie sind ganz klar Rechtsnachfolger

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Habe ich auch nicht bestritten!)

der Partei von Erich Honecker und Walter Ulbricht.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Habe ich gar nicht bestritten!)

Wenn sich eine Abgeordnete Ihrer Fraktion in ihr Wahlkreisbüro Plakate mit der Aufschrift „Free Lina E.!“ hängt und damit im Prinzip indirekt die Gewaltaufrufe für den berühmten „Tag X“ unterstützt, dann frage ich mich: Wie weit ist Ihr Verständnis für Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit wirklich ausgeprägt? Aber das müssen Sie, Herr Gebhardt, mit sich alleine ausmachen.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Muss er nicht mit sich alleine ausmachen! – Zuruf von der CDU)

Zu Ihnen, Herr Hartmann, sage ich: Ihnen droht die Gefahr, dass sich die Verhältnisse von 1953 im Jahr 2024 wiederholen,

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Ah!)

dass nämlich eine CDU gemeinsam mit einer Linkspartei das Land regieren muss, weil es eine starke Oppositionspartei in diesem Lande gibt, der Sie eine Zusammenarbeit schon vorab verweigern.

(Zuruf von der CDU: Richtig! Richtigerweise!)

Dann arbeiten Christdemokraten und Kommunisten in unserem Freistaat womöglich wieder Hand in Hand.

(Beifall bei der AfD)

Das wären dieselben Zustände wie 1953.

(Zuruf von der CDU: Demagogie! – Sabine Friedel, SPD: Was haben Sie denn geraucht? Meine Herren!)

Wenn Sie sich in der Debatte Mühe gegeben hätten – – Herr Richter ist Ihnen als Sekundant zur Seite gesprungen.

(Unruhe)

Er wies auf Georg Dertinger hin. Ihnen fiel noch der Name Hugo Hickmann ein. Ich sage Ihnen: Jakob Kaiser, Ernst Lemmer, Walther Schreiber, Andreas Hermes. Das waren die Gründer der Ost-CDU nach dem Zweiten Weltkrieg.