Protocol of the Session on June 1, 2023

Momentan muss Frau V. aber das kleine Erbe ihres Lebensgefährten erst einmal aufbrauchen, um dann Anspruch auf Sozialhilfe zu haben. Können Sie sich vorstellen, was das mit den Betroffenen macht? Es ist hochgradig entwürdigend und unsagbar ungerecht.

Laut Statistik lag die Durchschnittsrente 2021 bei Frauen bei 1 075 Euro und bei Männern bei 1 310 Euro. Die von mir herangezogenen Beispiele und Schicksale sind keine bedauerlichen Einzelfälle, sondern können zur bitteren Realität für Tausende Sächsinnen und Sachsen werden, zum Beispiel für das Ehepaar, bei dem der Partner oder die Partnerin ins Pflegeheim gehen muss. Sie gelten als Bedarfsgemeinschaft und müssen somit für den Unterhalt des Pflegebedürftigen aufkommen. Die Pflegebedürftigkeit des einen bedeutet somit das Abrutschen in die Armut für den anderen.

Die Landesregierung hatte den Bundesgesundheitsminister aufgefordert, dringend zu prüfen, ob die Pflegeversicherung der Lebenswirklichkeit noch gerecht wird. Was letzten Freitag im Bundestag verabschiedet wurde, ist völlig unzureichend und von der Lebensrealität meilenweit entfernt. Die Kostensteigerungen der letzten Jahre sind mit dieser Pflegereform bei Weitem nicht ausgeglichen. Wir brauchen eine Pflegereform, die ihren Namen verdient. Wir müssen die Pflegeversicherung zu einer echten Vollversicherung umgestalten.

Lassen Sie uns in Sachsen unsere Hausaufgaben machen. In Ihrem Koalitionsvertrag steht auf Seite 95: „Wir sorgen für gute Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben […] in einem lebenswerten Umfeld. Jeder, der Pflege braucht, soll sich auf ein verlässliches und bezahlbares Hilfesystem mit einer großen Angebotsvielfalt verlassen können.“

In Sachsen sind die Eigenanteile im letzten Jahr um 19 % gestiegen. Damit liegen wir über dem Bundesdurchschnitt, der bei 13 % liegt. Durch höhere Löhne und teurere Preise, unter anderem bei Lebensmitteln, sind die Eigenanteile der Bewohnerinnen und Bewohner rasant gestiegen.

Die Inanspruchnahme guter Pflege darf Menschen nicht arm machen. Bis es endlich entsprechende Bundesgesetzregelungen gibt, müssen wir kurzfristige Maßnahmen treffen. Wir können unseren Anteil dazu leisten, um der Steigerung der Pflegekosten entgegenzuwirken. Lassen Sie uns die Gewährung finanzieller Zuschüsse zu den Investitionskosten der Einrichtungen der Altenpflege in Sachsen beschließen. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen nach § 9 SGB XI und der Regelungen des § 82 können sich die Bundesländer unmittelbar an dem betriebsnotwendigen Investitionsaufwand der Pflegeeinrichtungen beteiligen. Auch ein Pflegewohngeld wäre eine Möglichkeit, um als Land Betroffenen kurzfristig zu helfen. Ich werde dazu noch mehr in meinem Schlusswort ausführen.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Kollegin Schaper, die erste in der Rederunde. Jetzt kommt Frau Kollegin Daniela Kuge zum Zuge. Sie spricht für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch zu dieser späten Stunde, liebe Frau Schaper, wiederhole ich mich gern. Ich schätze Sie sowohl fachlich als auch als Kollegin sehr. Ihre Anträge greifen wichtige Themen auf, so auch heute. Ich stimme Ihnen zu, dass wir Pflegebedürftige unterstützen und sicherstellen müssen, dass sie ein würdevolles Leben im Alter führen können. Die Kosten für die Pflege sind zweifellos eine enorme finanzielle Belastung für viele Menschen.

Die Eigenbeteiligung für einen Pflegeheimplatz – das haben wir heute schon einmal besprochen – liegt in Sachsen durchschnittlich bei 2 241 Euro im Monat und nimmt ab, je länger man sich in einer Pflegeeinrichtung befindet. Wer mehr als drei Jahre in einem Pflegeheim lebt, zahlt in Sachsen knapp 800 Euro weniger als am Anfang. Der einrichtungseigene Anteil wird sogar um 70 % reduziert. Außer Frage steht, dass die Eigenbeteiligung eine große Belastung darstellt. Das möchte ich hier nicht kleinreden. Von den Gewinnen einiger Einrichtungen möchte ich heute nicht sprechen.

Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass wir im Freistaat darüber nachdenken sollten, wie wir Pflegebedürftige entlasten können, doch ohne die Unterstützung vom Bund ist dies nicht möglich. Wenigstens der Anteil der Investitionskosten sollte übernommen werden. Aber wie Sie alle wissen, ist der sächsische Doppelhaushalt 2024 bereits verabschiedet. Für die nächsten Haushaltsverhandlungen im Land und im Bund sollte man im Vorfeld das Ministerium bitten, dies entsprechend im Blick zu haben.

Sie sprechen in Ihrem Antrag unter anderem von der solidarischen Pflegeversicherung. Mit Blick auf den demografischen Wandel in Deutschland und in Sachsen bin ich mir nicht sicher, ob eine Vollkasko-Pflegeversicherung, wie ich sie an dieser Stelle einmal nennen möchte, solidarisch gegenüber den kommenden Generationen ist und ob Ihr Antrag durchfinanziert ist. Eine mögliche Vollkaskoversicherung wird nach Ansicht der Experten dazu führen, dass deutlich mehr Menschen in stationäre Pflege kämen.

Für uns als CDU gilt das Subsidiaritätsprinzip in Kombination mit einem christlichen Menschenbild, das die Eigenverantwortung der Menschen mit dem sozialen Beistand der Gemeinschaft für Hilfebedürftige verbindet. Letztlich würden die höheren Pflegekosten durch höhere Steuern auf alle Bürgerinnen und Bürger umgelegt werden. Da müssen wir uns vor den Bürgerinnen und Bürgern einfach ehrlich machen.

Zur Erinnerung: In der vergangenen Wahlperiode des Bundestags wurde auf Druck der Union erreicht, dass Angehörige nur dann für ihre Eltern einspringen müssen, wenn das Jahresgehalt des Kindes über 100 000 Euro liegt. Im Übrigen hat 2021 die damalige Regierungskoalition der CDU

mit der SPD auf Bundesebene einen sehr guten Mechanismus gefunden, um die Steigerung der Eigenbeteiligung zu dämpfen. Wir hätten Anfang 2021 auf Bundesebene gern eine größere Entlastung für die Pflegebedürftigen erreicht. Allerdings stellte der damalige Finanzminister Scholz lediglich 2 Milliarden Euro für die Pflegereform bereit. Jens Spahn von unserer Union forderte damals 5 Milliarden Euro.

Leider liegt zum heutigen Antrag die Antwort der Staatsregierung nicht vor. Mich hätte interessiert, was die Staatsregierung antwortet. Aber Sie haben an meiner Rede sicher gemerkt, dass wir diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war Frau Kollegin Kuge für die CDU-Fraktion. Jetzt spricht für die AfD Herr Kollege Schaufel. Nein, Frau Schwietzer. Herr Schaufel ist krank. Er hat sich entschuldigt. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, werte Linksfraktion, für Ihren Antrag. Über die gleichen Forderungen haben wir hier im Plenum bereits vor ziemlich genau drei Jahren debattiert und abgestimmt. Warum Sie heute wieder mit den gleichen Forderungen um die Ecke kommen, bleibt wahrscheinlich Ihr Geheimnis.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das habe ich ja gesagt! Aber dann müssen Sie zuhören und nicht irgendwelchen Quatsch vorlesen!)

Es geht Ihnen wahrscheinlich nur darum, die Debatte vom Freitag im Bundestag zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz hier noch einmal aufzugreifen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Lesen Sie jetzt die Rede von Herrn Schaufel vor?!)

Ob Sie damit punkten, ist fraglich. Alles Weitere wird folgend erwähnt.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Frau Schaper, Sie werfen uns immer vor, dass wir über Anträge debattieren lassen, wofür noch keine Stellungnahme vorliegt. Und wo ist Ihre Stellungnahme? Diese können wir erst in zwei Wochen erwarten. Wir stehen aber hier und debattieren.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Was ist mit Ihrem Antrag auf Asyl? Da habt ihr auch keine Stellungnahme abgewartet!)

Ein Sprichwort sagt, wer im Glashaus sitzt, sollte lieber nicht mit den Steinen werfen.

(Zurufe von der AfD: Genau!)

Genau das tun Sie aber, werte Linksfraktion. So viel zu den Formalien. Ich komme jetzt zum Inhaltlichen: Die ins Unermessliche gestiegenen Pflegekosten sind ein enormes Problem für die Pflegebedürftigen und im Weiteren auch

für die Angehörigen. Der Eigenanteil im Pflegeheim beträgt aktuell im sächsischen Durchschnitt 2 184 Euro. Das sind 900 Euro bzw. 70 % im Monat mehr, als es noch 2019 zu Beginn der Wahlperiode war. Dies wurde schon erwähnt.

(Susanne Schaper, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag in Sachsen liegt mit 1 310 Euro bei den Männern und 1 075 Euro bei den Frauen etwa bei der Hälfte des Eigenanteils.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Da bin ich jetzt wirklich sehr überrascht!)

Die Frage ist daher klar: Wer kann sich die Pflege aktuell und zukünftig eigentlich noch leisten? Dann die nächste Frage: Wie viel bleibt überhaupt noch zum Leben übrig? Die Zahl der Pflegebedürftigen, die sich ihre Pflege nicht mehr leisten können und dadurch auf Sozialhilfe angewiesen sind, steigt durch die Preissteigerung stark an. Leider ist die Statistik sehr langsam. Die aktuellen Daten sind von 2021. Aber auch hier gab es schon einen Anstieg der Sozialhilfefälle von 26 Prozent im Vergleich zu 2019 bei den Bewohnern in Pflegeheimen.

Wenn das so weitergeht, wird die Situation womöglich ähnlich sein wie in den Neunzigerjahren vor der Einführung der Pflegeversicherung. Damals waren nicht nur die Kommunen durch die sehr hohen Sozialausgaben überlastet, nein, es gab auch ein massives Versorgungsdefizit für diejenigen, die sich die Pflege nicht mehr leisten konnten. Und das 1990. Dies muss natürlich verhindert werden. Eine Möglichkeit, die Pflegebedürftigen zu entlasten, sind die Investitionskosten in den Pflegeeinrichtungen. Das haben Sie von der Linksfraktion schon richtig erkannt. Da gehen wir auch mit.

Eine Studie aus dem Jahr 2001 untersuchte die Wirkung und die Einsparung bei der Sozialhilfe nach Einführung einer Investitionskostenförderung in verschiedenen Bundesländern. Auch in Sachsen wurden die Investitionskosten bis zum Jahr 2005 bereits gefördert. Im Freistaat reduzierte sich die Anzahl von Pflegehilfeempfängern von 1994 bis 1998 um 73 %. Der Grund für den Rückgang war ganz klar nach dieser Studie die Investitionskostenförderung. Die Lösung liegt daher auf der Hand. Führen Sie die Investitionskostenförderung wieder ein, werte Regierung!

Im Übrigen haben wir von der AfD-Fraktion diese bereits 2019 beantragt. Sie von den LINKEN haben das damals abgelehnt. Jetzt kommen Sie mit den gleichen Forderungen um die Ecke. Frau Schaper, Sie sagten damals zu unserem Antrag Folgendes – ich zitiere, wenn ich darf –: „Man muss aber aus unserer Sicht konkretisieren. So sollen doch bitte“, und jetzt haben wir wieder einen Dissens, „nur kommunale

und landesrechtlich organisierte und gemeinnützige Pflegeeinrichtungen von der Investitionspflegekostenfinanzierung profitieren. Sonst landet am Ende nur noch mehr Steuergeld in den Taschen von tatsächlich privaten Investoren und Aktionären.“

Frau Schaper, jetzt frage ich Sie: Wo bitte steht jetzt in Ihrem Antrag, dass private Pflegeeinrichtungen leer ausgehen sollen? Das steht nämlich nicht in Ihrem Antrag. Sie haben damals zu unserem Antrag ein Scheinargument eingebracht, damit Sie nicht der AfD zustimmen müssen, und jetzt wollen Sie Gleiches, ohne dass Sie Ihre damalige Kritik berücksichtigen.

Ich sage nur wieder Stichwort: Glaaashaus, Frau Schaper.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Der nächste Punkt, den Sie ansprechen, ist ein Landespflegegeld.

(Christin Melcher, BÜNDNISGRÜNE: Glaaashaus!)

Auch das ist eine richtige Forderung. Auch wir haben dies schon beantragt, auch wenn wir mit unserem Landespflegegeld vornehmlich die ambulant Gepflegten und damit vor allem durch Angehörige Gepflegte unterstützen wollen.

Bei Ihrer Forderung zum Landespflegegeld war ich aber etwas verwirrt, Frau Schaper. Denn, wenn man sich die Antragshistorie der Linksfraktion einmal genauer ansieht, dann wird man feststellen, dass Sie nicht einmal selber wissen, was Sie eigentlich da wollen. Im November 2019 forderten Sie pauschal ein Landespflegegeld für ambulant und stationär Gepflegte. Mit dem heutigen Antrag fällt die Beschränkung auf ambulant und stationär Gepflegte weg. Dafür haben Sie aber jetzt eine einkommensabhängige Zahlung vorgesehen. Im Gegensatz zu diesen beiden Anträgen hatten Sie in den letzten Haushaltsverhandlungen einen Gesetzentwurf eingebracht. Er war ein billiges Plagiat des bayerischen Pflegegeldes. Hier sollten alle Pflegebedürftigen 1 000 Euro im Jahr bekommen, und das ohne Einkommensprüfung. Frau Schaper, vielleicht können Sie uns ja gleich noch einmal erklären, was Sie jetzt nun eigentlich wollen und wie Ihre heutige Forderung mit denen aus der Vergangenheit zusammenpasst.

Ihr großes Ziel, so steht es in Ihrem Antrag, ist dann die Pflegevollversicherung. Die Pflegevollversicherung haben wir zuletzt 2019 zu einem Ihrer Anträge debattiert. Damals hat unsere Fraktion unsere Position deutlich gemacht. Bei Einrichtung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 ging man von einer Verantwortung der Generationen untereinander aus. Pflege war also in erster Linie die Angelegenheit der Familien. Die Pflegeversicherung sollte einen Zuschuss leisten, diese Pflege zu ermöglichen. Daher übernimmt auch heute noch die Pflegeversicherung nicht alle pflegebedingten Kosten. Dass sich an der Be- und Überlastung der Pflegebedürftigen etwas ändern muss, halten wir auch für dringend notwendig.

Hier bietet sich beispielsweise die Anhebung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung an. Die Notwendigkeit, das Subsidiaritätsprinzip jetzt aber komplett abzuschaffen, ist für uns nicht gegeben. Zudem bleibt uns die Gegenfinanzierung völlig unklar. Sie wollen zwar die Einnahmebasis verbreitern, indem Sie übergangsweise Steuerzuschüsse für versicherungsfremde Leistungen einführen wollen, aber was ist nach dieser Übergangszeit? Soll der Beitragszahler dann die kompletten Kosten tragen? Wir haben schon heute enorm hohe Belastungen der Arbeitnehmer bei den Sozialabgaben. Was eine Pflegevollversicherung kostet, hat die Hochschule Osnabrück berechnet. Schon heute wären gute 13 Milliarden Euro zusätzlich fällig. Aber die Anzahl der Pflegebedürftigen wird rasant steigen. Also, auch diese Kosten und damit auch die Kosten einer Vollversicherung. Im Jahr 2060 wäre dann zur Finanzierung einer Vollversicherung ein Beitragssatz von 6 % nötig; derzeit sind es nur etwas mehr als die Hälfte. Ich glaube nicht, dass man das den Arbeitnehmern in dieser wirtschaftlichen Lage und Situation zumuten kann. Daher können wir Ihrem Antrag leider nicht zustimmen.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Gott sei Dank!)