Protocol of the Session on June 1, 2023

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abgeordneten werden wie immer in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen. Wir beginnen mit der Wahl.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Ich frage Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Sind noch Abgeordnete im Saal, die nicht gewählt haben? – Die Mitglieder unserer Wahlkommission geben gerade ihre Stimmen ab. Das ist jetzt erfolgt. Ich schließe damit die Wahlhandlung und bitte unsere Wahlkommission, die Stimmen auszuzählen. Ich schlage Ihnen vor, dass die Wahlkommission die Auszählung außerhalb des Plenarsaals, im Saal 2, vornimmt und wir in der Zwischenzeit mit der Sitzung fortfahren. Nach

der Feststellung der Ergebnisse durch die Wahlkommission wird der Tagesordnungspunkt erneut aufgerufen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kehren zum Tagesordnungspunkt 2 zurück:

Zweite Aktuelle Debatte

17. Juni 1953: Gedenken an 70 Jahre Volksaufstand –

Von der Sehnsucht nach und dem Bewahren von Freiheit

Antrag der Fraktion CDU

Als Antragstellerin hat zunächst die CDU-Fraktion das Wort. Das Wort ergreift jetzt Herr Kollege Hartmann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine schlichte Datumsangabe, aber diese steht für einen großen Kampf um Freiheit in unserer deutschen Geschichte. Der 17. Juni zeigt, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Sie gilt uns heute oftmals als selbstverständlich, aber zur Erkenntnis gehört dazu festzustellen: Sie muss immer und immer wieder aufs Neue erkämpft und verteidigt werden.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen die Debatte zum 17. Juni heute nicht nur, um an den 70. Jahrestag des Aufstandes zu erinnern oder um der mutigen Frauen und Männer zu gedenken, die damals auf die Straße gingen. Wir führen diese Debatte auch, weil ein Leben in Freiheit und Demokratie in seinen unterschiedlichen Facetten eine flüchtige, ja geradezu zerbrechliche Errungenschaft ist.

Im Jahr 1953 war das alles noch viel deutlicher sichtbar. Auf der einen Seite befand sich ein Staat, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zwar mit eingeschränkter Souveränität, aber doch in politische und ökonomische Freiheit entlassen wurde. Demgegenüber stand ein Staat, in dem das Unrechtssystem des Sozialismus und damit fast übergangslos der Wechsel von einer Diktatur in die nächste vollzogen wurde.

Am Vortag des 17. Juni 1953 kam es zu ersten Arbeitsniederlegungen auf zwei Großbaustellen in Berlin. Die Unzufriedenheit über die Erhöhung der Arbeitsnormen wuchs sich in Streiks, Demonstrationen und Massenproteste aus. Am 17. Juni kam es in über 700 Orten in der DDR zu Aufständen, Protesten und Demonstrationen. Zu den wirtschaftlichen Forderungen kamen sehr schnell Forderungen nach gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. Hunderttausende setzten dem sozialistischen System der DDR die Idee der Freiheit entgegen. Die Stimme der Freiheit wurde 1953 von der sowjetischen Besatzungsmacht brutal und blutig niedergeschlagen. 55 Menschen starben, mehr als 10 000 wurden verhaftet. Noch Jahre später entschied die Antwort auf die Frage: „Wo waren Sie eigentlich am 17. Juni 1953?“ über den Aufstieg und den Fall im sozialistischen System, und zwar beruflich wie privat.

Bis zum Bau der Mauer drehten rund 2,7 Millionen Menschen der DDR den Rücken und flüchteten. Sie gaben ihrer Ablehnung mit der Republikflucht Ausdruck. Diese Republikflucht – daran muss man erinnern – war in der angeblich demokratischen sozialistischen Republik ein Straftatbestand.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde der 17. Juni noch im Sommer 1953 zum Feiertag erklärt. In der DDR führten seine Ereignisse zu einer weiteren Verschärfung von Maßnahmen, die der Herrschaftssicherung und Verfestigung von individueller, sozialer und ökonomischer Unfreiheit dienten. Es bildete sich ein sozialistischer Unrechtsstaat mit ausgeprägtem Unterdrückungsapparat, ideologischer Indoktrination, uniformiertem Alltag und einer politischen Beteiligung, die nicht mehr war als eine Fassade.

Doch der Funke der Freiheit glomm weiter und brach sich, wie immer, wieder seine Bahn. In Ungarn im Jahr 1956, in Prag 1968, in Polen 1970 und 1980 und schlussendlich wieder auf dem Boden der ehemaligen DDR im Jahr 1989.

Ich finde, am 70. Jahrestag dieses Ereignisses geht es um viel. Es geht um den Respekt vor den Menschen, die damals gezeigt haben, dass ein Leben in Freiheit selbstverständlich sein sollte. Und es geht darum, zu erinnern und zu mahnen, dass diese Freiheit immer und immer wieder verteidigt werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen es im Osten dieser Republik tun – der Westen dieser Republik hat die besondere Bedeutung dieses Tages leider schon vergessen.

(Martin Modschiedler, CDU: Ja!)

Deshalb ist es unsere Verantwortung, an diesen Tag zu erinnern.

Mehr in der zweiten Runde. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE)

Die Debatte ist eröffnet durch Christian Hartmann für die CDU-Fraktion. In der weiteren Reihenfolge hören wir die AfD, DIE LINKE, BÜNDNISGRÜNE, SPD, Fraktionslose und, wenn gewünscht, die Staatsregierung. Jetzt hat das Wort für die AfD-Fraktion Herr Kollege Urban.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Panzer, die am 17. Juni 1953 durch die Städte der DDR rollten, rollten nicht, um einen äußeren Feind abzuwehren und sie rollten nicht, um die Bevölkerung zu verteidigen. Im Gegenteil: Sie rollten gegen die eigenen protestierenden Bürger.

Diesen ging es um die Einheit Deutschlands, gerechte Arbeitsbedingungen, um die Freilassung politischer Gefangener und um echte demokratische Wahlen. Vor allem ging es den Demonstranten des 17. Juni um Freiheit; konkret um die Freiheit von der damaligen sozialistischen SED-Diktatur – der Diktatur einer Partei, deren rechtliche und geistige Erben im Landtag sitzen und erneut vom Sozialismus träumen.

(Beifall bei der AfD)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Gedenken an den Volksaufstand vom 17. Juni ist heute wichtiger denn je; denn aufs Neue haben wir in Deutschland eine politische Situation, in der die Freiheitsrechte der Bürger von verantwortungslosen oder korrupten Politikern außer Kraft gesetzt werden. Wer hätte vor der Coronakrise geglaubt, dass deutsche Regierungen ohne mit der Wimper zu zucken Freiheitsrechte, Grundrechte außer Kraft setzen, nebst Bevölkerungsbeschimpfung?

(Oh-Rufe von der Staatsregierung, den BÜNDNISGRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE)

Wer hätte geglaubt, dass eine sächsische Gesundheitsministerin auf die Idee kommen könnte, gesunde, symptomfreie Menschen als Quarantäne-Verweigerer in Lager zu sperren?

(Widerspruch von der CDU, den LINKEN,

den BÜNDNISGRÜNEN, der SPD

und der Staatsregierung –

Oh! –

Das ist doch nicht Ihr Ernst! Lager?!

Ausgerechnet Sie sollten nicht über Lager reden!)

Auch heute gilt, wie im Jahr 1953: Die Bürger haben das Recht und die Pflicht, den Feinden der Freiheit entgegenzutreten.

(Beifall bei der AfD – Zurufe)

Meine Damen und Herren, egal ob 1953, 1989 oder heute: Ich bin stolz auf jeden mündigen Bürger, der angesichts staatlicher Willkür Mut beweist, auf die Straße geht und sagt: Es reicht; bis hierher und nicht weiter.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Und verstehen Sie mich nicht falsch: Mir ist klar, dass man die aktuellen Versuche für Freiheitsbeschränkungen nicht eins zu eins mit den Panzern von damals vergleichen kann.

(Sabine Friedel, SPD: Ach was! – Weiterer Zuruf: Das machen Sie aber!)

Aber, wer eine Aktuelle Debatte mit Freiheit betitelt, wie es die CDU tut, der muss es sich gefallen lassen, dass man seine Einstellung zur Freiheit hinterfragt.

(Lachen des Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE)

Mit Debatten wie dieser gibt die CDU sich nämlich gern ein freiheitlich-bürgerliches Gesicht.

(Martin Modschiedler, CDU: Sagen Sie!)

Der Wunschbürger der heutigen CDU ist jedoch nicht der Bürger, der wie im Jahr 1953 auf die Straße geht. Die CDU wünscht sich vielmehr willfährige, hörige Steuerzahler, die sich für jeden Irrsinn auspressen lassen.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Oh, nee!)

Die irrsinnigen Arbeitsnormen von damals sind heute die irrsinnigen CO2-Steuern auf Kraftstoffe, Heizenergie und Lebensmittel.

(Beifall bei der AfD)