Protocol of the Session on June 1, 2023

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zum Breitbandausbau ist zunächst nicht falsch, aber auch nicht wegweisend; denn worum geht es im Detail? Sie wollen ein besseres Berichtssystem, einen guten eigenen sächsischen Breitbandatlas, Koordinationsstellen schaffen, die Abstimmung verbessern und Bürokratie abbauen. Kollege Dietrich sprach sogar davon, dass flächendeckendes Internet ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge sei. Wie gesagt, das sind per se alles keine falschen Forderungen – nur sind sie eben nicht neu.

Ich kann mich erinnern, Ähnliches für meine Fraktion bereits vor sieben Jahren gefordert zu haben, sehr geehrter Herr Thumm.

(Sören Voigt, CDU: Hui! – Heiterkeit bei der SPD – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die habe ich schon unterschrieben vor sieben Jahren, die Anträge!)

Schön, dass die AfD ein Jahr darauf von uns abgeschrieben hat, aber egal. Damals hörten wir vom zuständigen Wirtschaftsministerium, dass jetzt alles gut werde, wir auf einem guten Weg seien und bald die rote Laterne abgeben würden. Der zuständige Minister redete gern und viel von der neuen digitalen Welt und sprach von Funklösungen; ganz so, als würde dies einen Glasfaserausbau bald überflüssig machen.

(Staatsminister Martin Dulig: Das Gegenteil habe ich gesagt!)

Na, das klang damals aber etwas anders.

(Staatsminister Martin Dulig: Glasfaser ist die Grundvoraussetzung!)

Das habe ich Ihnen immer gesagt. Sie haben immer gesagt, wir machen 5G, dann brauchen wir gar nicht mehr so viel. Aber ist egal; das kann man in Protokollen nachlesen.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Doch wie sieht die Realität aus? Ja, wir haben schnelle Breitbandverbindungen. Ja, wir haben 5G-Netze, aber all das hat nach wie vor große Löcher. Oder anders gesagt: Dort, wo Verbindungen bereits gut waren, sind sie oftmals besser geworden. Allerdings: Dort, wo bisher wenig geschah, geht es auch heute nur quälend langsam voran.

Wer zum Beispiel mit dem Zug im Land unterwegs ist, erlebt jeden Tag, dass die Funklöcher die gleichen sind, wie vor sieben Jahren, und dass sie auch nicht kleiner geworden sind.

Es ist ja nicht so, dass in der Zwischenzeit nichts passiert wäre. Wir haben Kompetenzzentren gegründet, Koordinatoren eingerichtet und mehrfach Zuständigkeiten neu verteilt. Wir haben vieles richtig gemacht, zum Beispiel, dass wir in den Haushalt Geld für die Telemedizin in großem Konsens eingestellt haben.

Nur kann das eben nicht landesweit wirken, weil die Netzinfrastruktur fehlt, und daran ist auch schuld, dass wir über Jahre sehenden Auges in Sackgassen gerannt sind. Wir haben unter dem Label der Technologieoffenheit Vectoring gefördert, obwohl bereits damals schon alle wussten, dass das eine Sackgasse ist und an optischen Datenleitungen kein Weg vorbeiführt. Und heute schlagen Sie Dinge vor, die eigentlich seit vielen Jahren problemlos funktionieren sollten.

(Thomas Thumm, AfD: Hört, hört!)

Auch wenn das jetzt ein Koalitionsantrag ist, kann das Ganze nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Koalition selbst, insbesondere das von ihr getragene Finanzministerium, die Umsetzung von Bundesprogrammen zum Breitbandausbau nicht nur nicht unterstützt, sondern nach Kräften sabotiert hat.

Bereits zur Verabschiedung des vorletzten Doppelhaushaltes wollten wir als LINKE Kofinanzierungsmittel für das Graue-Flecken-Programm des Bundes zur Verfügung stellen. Das wurde von Ihnen abgelehnt, und vom Finanzminister kam die wegweisende Begründung, man könne sich ruhig Zeit lassen, denn die anderen Länder hätten im Moment schließlich auch kein Geld.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das stimmt!)

Dazu muss man sagen: Respekt – so geht Gestaltungswille!

Nun haben Sie es zwar mit mehreren Jahren Verzögerung geschafft, sich dazu durchzuringen, die Landesmittel dafür aufzubringen. Nebenbei bemerkt, ist Ihnen aber auch nichts anderes als Deckungsquelle eingefallen als das, was wir Ihnen damals vorgeschlagen hatten. Herr Thumm, das war auch der Grund, warum wir Ihrem Antrag nicht zugestimmt haben. Sie wollten die Gelder aus dem Sozialhaushalt nehmen. Das wollten wir nicht.

(Thomas Thumm, AfD: Jetzt hört es aber auf! Wir haben das im Haushalt eingestellt, Herr Brünler!)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben eben länger dafür gebraucht.

An dieser Stelle Glückwunsch an das Wirtschaftsministerium! Wir haben Ihre Pressemeldung über 600 Millionen Euro sehr wohl gelesen, aber Sie wissen genauso wie wir, dass in der Vergangenheit ähnliche Meldungen allzu oft an der sächsischen Haushaltspolitik gescheitert sind.

(Staatsminister Martin Dulig: Das wissen wir ja!)

Sie wissen ja auch, wo die Mehrheiten liegen, und die liegen dort.

(Thomas Thumm, AfD: Die liegen aber falsch!)

Wenn Kollege Panter vorhin von dem Glasfaser-Projekt der Achtzigerjahre in der Bundesrepublik sprach, dann muss ich sagen: Das ist einerseits ein schrulliges Beispiel, aber hätten Sie nicht gesagt, dass das „Achtzigerjahre Bundesrepublik“ gewesen wäre, hätte ich nicht gesagt, das ist „2000er-Jahre Sachsen“.

Wir als Freistaat können endlich einmal selbst aktiv werden. Wir hatten ja schon einmal vergeblich die Bildung einer eigenen Landesgesellschaft für den Breitbandausbau gefordert und damit, den Ausbau der Glasfaserinfrastruktur in die öffentliche Hand zu legen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Der Staat profitiert von den rentablen Teilen der Infrastruktur, was die Finanzierungsfrage zumindest entspannt. Unternehmen und Haushalte in ländlichen Regionen sind nicht mehr auf die Gunst eines privaten Anbieters angewiesen, die die Preise durch ihre Monopolstellung willkürlich festsetzen können.

Das alles hat auch wirtschaftspolitische Bedeutung. Eine Erhöhung der Breitbandverfügbarkeit von 1 % kann das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt um bis zu 850 % erhöhen und sie steigert auch die Produktivität von Unternehmen. Wir würden einen echten Beitrag zum Strukturwandel und

zum Erhalt der Industrie gerade im ländlichen Raum leisten.

Das ist das Wichtigste: Man kann an den Bedarfen für Koordinierung deutlich sparen. Beispielhaft seien hier nur die Kombinierung mit anderen Tiefbaumaßnahmen oder der Wegfall der adressscharfen Abgrenzung zwischen gefördertem und nicht gefördertem Ausbau genannt.

Da Sie das alles leider nicht wollen, koordinieren und unterstützen Sie doch wenigstens den Breitbandausbau durch kommunale Unternehmen, beispielsweise von „eins energie“ in Chemnitz!

Meine Damen und Herren, wir stimmen Ihrem Antrag heute zu, haben aber keine großen Erwartungen hinsichtlich dessen, dass er irgendetwas bewirkt.

(Thomas Thumm, AfD: Da sind wir schon mal mehr!)

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Nico Brünler für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Das sehe ich nicht. Dann, bitte, Herr Staatsminister Dulig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir durch die Digitalisierung vor einer riesigen Modernisierung unserer Gesellschaft, unseres Industrie- und Wirtschaftsstandortes stehen, muss ich hier nicht noch einmal betonen.

(Zuruf des Abg. Dr. Joachim Keiler, AfD)

Man muss deutlich sagen: Wir sind mittendrin. Dass die Digitalisierung alle Bereiche der Gesellschaft – Bildung, Kommunikation, Kultur, Arbeit, Ökonomie – betrifft, dazu muss ich auch nicht viel sagen, und dass die Grundvoraussetzung dafür ein gutes Breitbandangebot ist, darüber diskutieren wir gerade.

(Thomas Thumm, AfD: Was Sie verschlafen haben!)

Schnelles Internet ist heute Daseinsvorsorge und damit auch staatliche Aufgabe. Das muss kommen. Es muss Geld dafür zur Verfügung stehen. Und das machen wir. Punkt.

Genau das haben wir auch getan, denn die Staatsregierung hat sich diese Woche geeinigt. Wir haben als Kabinett die Kofinanzierung des sogenannten Dunkelgraue-FleckenProgramms beschlossen und werden den Landtag nun bitten, die notwendigen Mittel zur Fortsetzung der Breitbandförderung durch eine Änderung des entsprechenden FondsGesetzes bereitzustellen. Damit können wir die Förderung von Projekten zur Erschließung sogenannter dunkelgrauer Flecken – das sind Anschlüsse, die derzeit nicht mit 200 Mbit im Down- und Upload versorgt sind – starten.

Das ist ein wichtiger und großer Schritt für die Erhaltung der Zukunftsfähigkeit des Freistaates. Es geht um die

Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Freistaat Sachsen, damit künftig für alle Haushalte, Unternehmen und Einrichtungen eine Versorgung mit gigabitfähigen Infrastrukturen ermöglicht werden kann.

Wir werden dafür den Fonds für digitale Teilhabe und schnelles Internet, den Digi-Fonds, mit weiteren Bindungsermächtigungen in Höhe von 600 Millionen Euro ausstatten. Die kommunale Familie wird sich an dieser Förderung mit einem kommunalen Eigenanteil in Höhe von 10 % der Gesamtkosten beteiligen. Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, können dazu beitragen, dass dies schnell umgesetzt werden kann. Denn es geht wie in so vielen anderen Bereichen darum, ins Machen zu kommen.

Wir alle wissen, dass der Aufbau des Glasfasernetzes nach unserer Rechtsordnung zuallererst die Aufgabe der privaten Telekommunikationsunternehmen ist. Der Staat darf nur dann mit Fördermitteln eingreifen, wenn im formalen Verfahren rechtssicher festgestellt worden ist, dass kein Privater innerhalb der nächsten drei Jahre das Gebiet eigenwirtschaftlich erschließt.

(Sören Voigt, CDU: Das interessiert die AfD ja nicht!)

Das hat zweierlei Konsequenzen: Zum einen konnte die Staatsregierung für das gesamte Gebiet des Freistaates nie ein Glasfasernetz aus einem Guss planen und realisieren, auch wenn dieser Wunsch oft geäußert wurde. Zum anderen wird der geförderte Ausbau erheblich gebremst, weil der Staat berechtigterweise immer abwarten muss, ob sich private Unternehmen engagieren.

Sachsen hat schon im Jahr 2017 die richtige Konsequenz gezogen, dass sinnvollerweise nur die modernste Technologie, Glasfaser, verbaut werden sollte. Herr Thumm, Sie haben da nicht die Wahrheit gesagt.

(Dirk Panter, SPD: Ja, das war gelogen!)

Wir haben seit 2017 nur auf Glasfaser gesetzt. – Punkt. Der Bund zog erst nach. Der Bund hat erst Mitte 2018 mit der Novellierung die Förderrichtlinie geändert, um auch selbst zu sagen, dass nur Glasfasernetze gefördert werden.