Protocol of the Session on April 26, 2023

Guten Tag.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Kumpf für die AfD-Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE jetzt bitte Antje Feiks.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Zweite Medienänderungsstaatsvertrag liegt noch kein Jahr zurück, und der Vierte wirft schon seine Schatten voraus. Es ist also fast schon Routine – aber nicht ganz, sollte doch dieser Dritte Änderungsstaatsvertrag sich schwerpunktmäßig mit dem Programmauftrag und der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigen.

Die Erwartungen waren entsprechend groß. Herausgekommen ist die gemeinsame Schnittmenge von 16 Landesregierungen, und die ist dann doch eher klein. Ändern können wir als Landtag an dem Ergebnis nichts.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, klarzumachen, welche Erwartungen DIE LINKE an eine Aufgaben- und Strukturreform der öffentlich-rechtlichen Medien hatte und immer noch hat. Wir LINKEN befürworten und verteidigen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber wir müssen dabei auch nichts schönreden. Ich würde mich bei meiner Kritik auf den Inhalt des Dritten Medienänderungsstaatsvertrags beziehen und nicht von Videotheken und anderem sprechen.

Beginnen wir einmal damit, für wen der öffentlich-rechtliche Rundfunk da ist. „Für alle“, heißt es jetzt neu im Staatsvertrag. Das lässt in unseren Augen zu viel Spielraum für Interpretationen. Die Formulierung darf zum Beispiel nicht als Begründung dafür dienen, dass auch schlechter Journalismus und seichte Unterhaltung noch Zuschauer finden und schon allein deshalb gerechtfertigt sind – wie es in der Vergangenheit leider zu oft der Fall war.

Nein, öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss sich gerade dadurch auszeichnen, dass er das bietet, was in einer privatwirtschaftlichen, allein am kommerziellen Erfolg ausgerichteten Medienwelt zu kurz kommt: Qualitätsjournalismus und anspruchsvolle Unterhaltung. Darauf müssen sich Zuschauerinnen und Zuschauer, müssen sich Zuhörerinnen und Zuhörer verlassen können. Davon ist die Formulierung jedoch weit entfernt.

Nehmen wir weiter das Schlagloch – das war ein Freud‘scher Versprecher –, das Schlagwort „Flexibilisierung der Angebote“ in den Blick. Natürlich gehen wir davon aus, dass nicht alles so bleiben muss, wie es ist. Heute sind die Zuschauerinnen und Zuschauer weder an ihre regionalen Sendeanstalten noch an feste Sendezeiten gebunden.

Es ist daher vermutlich nicht mehr nötig, dass alle dritten Programme artgleiche Verbrauchermagazine, Gesundheits- oder Ratgebersendungen produzieren. Hier könnte durch Kooperation wirklich gespart und verschlankt werden.

Auch bei den 59 Hörfunkprogrammen kann reduziert werden. Um nicht missverstanden zu werden: Ich will nicht, dass am Ende nur ein einziges Klassikradio, ein Infokanal und eine Schlagerwelle übrig bleiben – es muss eine Auswahl geben. Aber vielleicht doch etwas weniger, dafür aber überschaubarer und qualitativ hochwertiger.

Die regionalen Medienanstalten der ARD bedienen heute nicht mehr nur ein Sendegebiet, sondern sie haben vielmehr die Verantwortung, Informationen, Bildung und Kultur aus ihrem Zuständigkeitsbereich für den gesamten deutschsprachigen Raum aufzubereiten. Diese Art der Flexibilisierung findet sich allerdings im neuen Staatsvertrag nicht.

Stattdessen sehen wir Flexibilisierung an der falschen Stelle; denn theoretisch kann der Kinderkanal künftig zur Disposition gestellt werden. Ich behaupte nicht, dass das bei ARD und ZDF aktuell irgendjemand möchte; allerdings lastet auf den Anstalten ein enormer Einsparungs- und Kostendruck. Genau hier wäre ein entgegengesetztes Signal notwendig gewesen: Der Kinderkanal und das Jugendangebot Funk hätten ausdrücklich beauftragt und von der Kür zur Pflicht erhoben werden müssen.

Der Programmanteil der Kinder- und Jugendangebote, egal ob Fernsehen, Hörfunk oder online, muss deutlich erhöht werden. Bisher gaben ARD und ZDF für Kinderangebote 1,2 % ihres Gesamtetats aus. Der Bevölkerungsanteil der unter Zwölfjährigen beträgt aber 12 %; das heißt, er ist zehn Mal so hoch. Der Blick in die Zukunft hört aber nicht bei den Kinder- und Jugendangeboten auf.

Perspektivisch muss es eine Aufgabe öffentlich-rechtlicher Medien sein, wieder gemeinsame digitale Gesprächsräume für unsere Gesellschaft zu schaffen, die gegenwärtig in Echokammern sogenannter sozialer Netzwerke mit undurchschaubaren Algorithmen zerfallen.

Ich weiß, das ist sehr leicht gesagt und viel schwerer zu realisieren. Aber wenn wir wollen, dass es auch künftig eine faktenbasierte gemeinsame Wirklichkeit gibt, müssen wir uns dieser Aufgabe stellen. Auch davon steht nichts im vorliegenden Text.

Ein weiterer Punkt. Warum werden mit Beitragsgeldern erstellte Programmangebote noch immer depubliziert? Aus unserer Sicht müssen sie dauerhaft zugänglich sein. Öffentlich-rechtliche Medien müssen zum digitalen Gedächtnis der Gesellschaft werden. Es mag sein, dass das an technische Grenzen stößt – an medienrechtliche sollte es jedenfalls nicht stoßen.

(Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)

Ich könnte die Aufzählung unserer Kritikpunkte fortsetzen, will am Ende aber doch noch etwas zum Geld sagen, war doch das Dogma der Beitragsstabilität aus unserer Sicht der

falsche Ausgangspunkt der Debatte. Die Vorstellung, in der gegenwärtigen Zeit mit ihrer galoppierenden Inflation und den wachsenden Umsätzen kommerzieller Medien könnte man Rundfunkbeiträge dauerhaft absolut begrenzen, ist absurd.

Aber das heißt nicht, dass wir uns dem Geldbeutel der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler nicht verpflichtet fühlen. Uns geht es bei der Diskussion vor allem um die Frage, wofür Geld ausgegeben wird: nicht für hohe Intendantengehälter oder überteuerte Sportrechte, sondern zum Beispiel für eine faire und angemessene Bezahlung der zuliefernden Produktionsfirmen und der vielen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anstalten, von denen wir auch einen wesentlich höheren Anteil festangestellt sähen, da sie dauerhafte Aufgaben wegtragen.

Diese Themen haben es bisher übrigens noch nie in die verbindlichen Texte der Medienstaatsverträge geschafft, sondern allenfalls in unverbindliche Protokollerklärungen.

Aus den genannten Gründen erachten wir den vorliegenden Staatsvertrag als ungenügend und lehnen ihn ab. Aber wir werden weiter dafür kämpfen, dass die wirklich wichtigen Aufgaben endlich angegangen werden.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Dirk Panter, SPD)

Das war Anje Feiks für die Fraktion DIE LINKE. Für die BÜNDNISGRÜNEN jetzt bitte Frau Dr. Maicher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die Zustände im RBB im letzten Jahr aufgedeckt wurden, hat die öffentliche Diskussion über den öffentlichrechtlichen Rundfunk noch einmal deutlich an Brisanz gewonnen. Zu Recht wurden Konsequenzen gefordert, und die Länder steuern nun nach. Der Vierte Medienänderungsstaatsvertrag hat die Landtage bereits erreicht.

Heute geht es aber um den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag und damit um die Grundfrage, welchen Auftrag der öffentlich-rechtliche Rundfunk heute und vor allem in Zukunft wahrnehmen soll.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte daran erinnern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur dann seine Funktion für die Demokratie erfüllen kann, wenn er mit der gesellschaftlichen und medialen Entwicklung mitgeht. Die Anstalten müssen ihre Angebote dringend reformieren, um eine breite Akzeptanz und Nutzung zu erreichen. Dafür muss die Politik, dafür müssen wir einen passenden Rahmen setzen.

Wir BÜNDNISGRÜNEN haben hier immer wieder darauf hingewiesen – und das auch mit eigenen Fraktionsbeschlüssen unterlegt –, dass es neben der Effizienzsteigerung eine zeitgemäße Angebotsentwicklung braucht. Wir können nicht hinnehmen, dass Teile der Gesellschaft nicht erreicht werden und die gesellschaftliche Vielfalt zu wenig abgebildet wird.

Die öffentlich-rechtliche Qualität ist unverzichtbar in einer digitalen Welt, in einer sich rasant wandelnden, krisengeprägten Gesellschaft, in einer Zeit, in der Falschmeldungen und immer weiter um sich greifender Populismus an der Tagesordnung sind.

Ein zentraler Punkt des Staatsvertrags betrifft den Auftrag. Er wird nicht gänzlich neu definiert, aber er wird geschärft. Oberste Ziele sind eine breite Zielgruppenstrategie und ein hoher Qualitätsanspruch. Unterhaltung bleibt ein wichtiger Angebotsbereich, soll aber weniger auf Massengeschmack und Quote fixiert sein. Gerade mit fiktionalen Formaten können breitere Bevölkerungsgruppen mit meinungsbildenden Angeboten erreicht werden, jenseits von verbaler Auseinandersetzung zwischen Politik, Wissenschaft und Interessengruppen.

Wir BÜNDNISGRÜNEN begrüßen vor allem auch die stärkere Ausrichtung auf Kinder, auf Jugendliche, auf junge Menschen, auf Inklusion sowie auf die Vielfalt der Lebensrealitäten in unserem Land.

Dass nicht nur die Inhalte stärker am Gemeinwohl orientiert werden, sondern auch das Auffinden der Inhalte, wird zu einer neuen Schlüsselfunktion der öffentlich-rechtlichen Medien innerhalb des dualen Mediensystems.

Der Staatsvertrag hebt deshalb auf Empfehlungsalgorithmen ab, die nicht die Aufmerksamkeitslenkung der TechKonzerne nachahmen, sondern vielfältige Perspektiven sichtbar machen und gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirken. Durch die Flexibilisierung der Ausspielwege werden einzelne Spartenkanäle nicht mehr von der Politik festgelegt. Die Anstalten entscheiden künftig selbst, wie sie welche Zielgruppen erreichen: ob über lineares Programm oder zeitunabhängige Abrufangebote und auch internetspezifische Angebote.

Ich finde, es ist gut, dass das nicht als Sparprojekt angelegt ist. Ich will es hier noch einmal klar sagen: Das ist kein Kostensenkungsstaatsvertrag, und das ist gut so. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll durch die Flexibilisierung aber auch nicht größer werden, sondern besser. Er muss den neuen Handlungsspielraum für eine zielgenaue, effiziente und datenbasierte Verbreitungsstrategie nutzen, und zwar übergreifend über das öffentlich-rechtliche Angebot, über den gesamten Verbund.

Wie man auf bisher noch wenig erreichte Zielgruppen zugeht und auch neue Formate erprobt, dafür kann die Entwicklungsstrategie des MDR ein Vorbild sein. Die Entwicklung hin zu einer gemeinsamen Plattform ist ein weiterer wesentlicher Faktor für das Gesamtgewicht am Medienmarkt. Es kommt dabei aber auch auf eine gute Wahrnehmbarkeit regionaler Inhalte und themenspezifischer Angebote sowie auf bedarfsgerechte Verweildauern an.

Uns GRÜNEN fehlt bei der Plattformstrategie noch die Kooperation mit weiteren Anbietern von Public-value-Inhalten. Die Verknüpfung mit anderen öffentlich finanzierten Inhalten, zum Beispiel über Museen, Theater, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, hat ein großes Potenzial. Wir begrüßen die stärkere gesellschaftliche Beteiligung an der

Angebotsentwicklung, indem die Gremien entsprechende Maßstäbe aufstellen. Die Leistungsfähigkeit der Gremien wird dann zusammen mit Regelungen zu Transparenz und Compliance im Vierten Medienänderungsstaatsvertrag Thema sein. Der effiziente Umgang mit den Beitragsgeldern durch Bündelung von Verwaltung und Programmaufwand sowie die Regelung zur Finanzierung werden in weiteren Staatsvertragsverfahren zu klären sein.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der heute vorliegende Staatsvertrag gibt als wichtiger Zwischenschritt innerhalb der Gesamtreform einen Modernisierungsschub hin zu einem zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Dienste des Gemeinwohls. Dieser ist unverzichtbar für die demokratische Meinungsbildung und deswegen werden wir ihm zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN)

Das war Frau Dr. Maicher für die BÜNDNISGRÜNEN. Für die SPD-Fraktion jetzt bitte Dirk Panter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag. Nun ist inhaltlich viel gesagt worden, aber ich bin immer noch erschüttert über die Ausführungen des Kollegen Kumpf von der AfD-Fraktion, der noch nicht mal die Chuzpe hat, anwesend zu sein, wenn wir zu seinen Ausführungen Stellung nehmen. Ich kann ihn im Saal nicht erkennen, oder entgeht mir etwas?

(Jan-Oliver Zwerg, AfD: So, geht es jetzt los?)

Ja, wahrscheinlich ist er unter den Tisch geklettert. Das hätte ich nach diesen Ausführungen auch gemacht. Offensichtlich hat der Kollege Gahler sie ihm aufgeschrieben und er hat sie einfach nur abgelesen. Er hätte sich aber vorher einmal informieren sollen.

Es geht im Dritten Medienänderungsstaatsvertrag um den Programmauftrag und Strukturoptimierung. Und dazu hätte ich gern von der AfD-Fraktion einmal ein paar Ausführungen gehört. Denn dieser Medienänderungsstaatsvertrag soll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf eine aktualisierte Grundlage stellen. Wir sind davon überzeugt, dass er das tut, und wir werden diesem Staatsvertrag zustimmen. Wenn ich aber höre, dass hier vermeintliche Experten zitiert werden, die die AfD-Fraktion bestellt hat, die von einem „uferlosen Auftrag“ sprechen und dann der Kollege Kumpf der ARD „Verfassungsbruch“ vorwirft und das von einer Fraktion, die noch nicht einmal zum Thema Grundversorgung und dazu, was das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, hier ordentlich vortragen kann, dann muss ich sagen, bin ich wirklich erschüttert.

(Beifall bei der SPD)

Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist vielfältig ausgeurteilt, auch vom Bundesverfassungsgericht. Man kann Gesetze ändern. Dazu braucht man Mehrheiten.

Wenn man die nicht hat, muss man das zur Kenntnis nehmen und dann um Meinungsänderungen oder Mehrheiten kämpfen. Hier aber nur mit Schmutz zu werfen, in der Hoffnung, dass irgendetwas hängen bleibt, das wird der Sache sicherlich nicht gerecht.

Es geht aber noch viel weiter. Wenn ich hier Vokabeln oder Sätze höre wie „muss ausgelöscht werden“, dann ist diese Rhetorik entlarvend und ich darf sagen, es widert mich an. Sie haben gesagt, Herr Kumpf: „Dann muss es ausgelöscht werden.“

(Mario Kumpf, AfD: Das ist ein Fachbegriff. Kann man bei Wikipedia nachlesen!)