Protocol of the Session on April 26, 2023

Zweitens setzt die Bewilligungsfunktion ein Verfahren voraus, in dem alle Anträge für das Förderprogramm in einem kurzen Zeitraum eingehen; ansonsten hätte die Bewilligungsstelle bei beschränkten Haushaltsmitteln keinen Überblick über alle Anträge, bevor sie Entscheidungen treffen müsste. Werden Anträge, die sie zum Beispiel für vorzüglich hält, erst später gestellt, wenn die Haushaltsmittel aufgrund einer Bewilligungsfunktion schon gebunden sind, muss sie diese Anträge ablehnen. Der Gesetzentwurf führt daher noch mehr als bisher, meine Damen und Herren, zu einem Windhundrennen um die beschränkten Fördermittel, und das kann auch nicht im sachlichen Interesse des Freistaates Sachsen sein.

Drittens kann die Bewilligungsfunktion – –

(Dirk Panter, SPD: Bewilligungsfiktion, Herr Barth! Keine Funktion!)

Danke.

(Dirk Panter, SPD: Bitte! – Rico Gebhard, DIE LINKE: Damit es funktioniert! – Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Darf ich mit meiner Rede weitermachen, oder haben Sie noch sachdienliche Hinweise für mich? Die könnten Sie jetzt alle aufnehmen.

Fahren Sie fort, Herr Kollege!

(Zuruf des Abg. Sören Voigt, CDU)

Von der CDU lasse ich mir nicht helfen. Das habe ich nicht nötig. –

(Zurufe von der CDU)

Der Sprung wäre einfach

(Sören Voigt, CDU: Zu hoch!)

zu weit, nicht zu hoch.

Fahren Sie bitte fort, Herr Kollege!

Drittens kann die Bewilligungsfiktion auf EU- und viele andere Bundesförderprogramme nicht angewendet werden, da zwingende Vorschriften des Förderverfahrens enthalten sind, die der Freistaat beachten muss. Eine Ausnahme hierfür haben Sie, Herr Gebhardt, in Ihrem Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Viertens würde die Bewilligungsfiktion rein gar nichts dazu beitragen, die Ursachen des Problems der langen Bearbeitungszeit zu lösen. Die Ursache ist in der Regel zu wenig Personal, um die Anzahl eingehender Anträge zeitnah bearbeiten zu können. Dafür sind weitere Gründe denkbar. Dazu gehören neben Ausscheiden, Krankheit, Fortbildung

von Kollegen auch eine unerwartet hohe Anzahl von Anträgen sowie die allgemein knappe Besetzung von Bewilligungsstellen.

Herr Gebhardt, wenn wir das Gesetz heute durchgehen ließen und schauen würden, was mit den Wohngeldanträgen, die bei sächsischen Kommunen herumliegen – – Die sächsischen Kommunen werden von der Bundeskoalition mit gut gemeinten Gesetzen überschüttet, aber mit Geld und Personal im Rückstand gelassen. Jeder, der einen Wohngeldantrag stellt, würde Wohngeld bekommen, weil die Behörden völlig überlastet sind. Das könnte nicht sachlich geprüft werden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist doch kein Fördergeld! – Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Das ist eine Leistung!)

Das würde auch darunter fallen, wenn Sie Ihr Gesetz grundsätzlich anwenden würden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nein! – Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Nein! – Zuruf des Abg. Nico Brünler, DIE LINKE – Weitere Zurufe von den LINKEN und den BÜNDNISGRÜNEN – Unruhe)

Meine Damen und Herren!

(Sören Voigt, CDU: Sollen wir doch helfen?)

Ich brauche Ihre Hilfe nicht. Das habe ich schon gesagt! – Durch Ihre Bewilligungsfiktion üben Sie – auch das müssen wir sagen – einen erheblichen Druck auf die Bearbeiterebene aus, die teilweise nicht in die Lage versetzt wird, alle Anträge innerhalb der im Gesetzentwurf genannten Frist sorgfältig zu bearbeiten. Dieser Zeitdruck, den Sie den Mitarbeitern mit diesen Fristen setzen, erhöht bei diesen zudem die Gefahr von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Krankheitsausfällen und erhöht darüber hinaus auch die Fehleranfälligkeit von Bescheiden.

Daher werden wir Ihren gut gemeinten, aber schlecht gemachten Gesetzentwurf leider ablehnen müssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Nico Brünler, DIE LINKE)

Kollege Barth sprach für die AfD-Fraktion. Nun spricht Frau Kollegin Schubert für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf soll Zuwendungsverfahren durch zwei Maßnahmen beschleunigen. Wir haben das eben schon gehört. Erstens soll eine Bewilligungsfrist von grundsätzlich sechs Wochen festgelegt werden und zweitens soll eine Bewilligungsfiktion eingeführt werden. Das hieße, dass nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Bewilligungsfristen die jeweils beantragte Zuwendung – wir

reden heute nicht über Leistungen, sondern über Zuwendungen, das will ich einfach nach der Debatte noch einmal richtig stellen – dann als bewilligt gilt, ohne dass die Bewilligungsbehörde darüber entschieden hat.

Zum Gesetzentwurf haben wir im Januar 2023 eine öffentliche Anhörung durchgeführt sowie im Ausschuss auch die Folgen und Grenzen einer solchen Bewilligungsfiktion intensiv diskutiert. Es ist dort eben nicht gelungen, die rechtlichen Bedenken auszuräumen. Auch deswegen werden wir den Gesetzentwurf ablehnen, aber es sind auch weitere Gründe für uns BÜNDNISGRÜNE ausschlaggebend. Erstens wurden in dieser Legislatur bereits umfassende Maßnahmen angeschoben, um Sachsens Förderprogramme und auch die Förderstrategie auf Eignung und Praktikabilität zu prüfen und neu auszurichten. Zweitens streift der vorliegende Gesetzentwurf die Koalitionsvereinbarung nur geringfügig und greift leider die Ergebnisse der Förderkommissionen überhaupt nicht auf.

Zu erstens. Die Erarbeitung von Förderrichtlinien und die Durchführung von Förderverfahren sind exekutives Handeln. Sachsen hat – und das wissen Sie alle – in den vergangenen drei Jahrzehnten sehr hohe Summen an Drittmitteln vom Bund und von der EU erhalten. Über Jahre war es tatsächlich auch erklärtes Ziel, dieses Geld über Förderprogramme ins Land zu bringen. Einen gewissen Wildwuchs kann man da auch nicht absprechen. Wenn so etwas über eine so lange Zeit praktiziert wird, dann stellen sich auf allen Seiten Gepflogenheiten ein, die sich in kleinteiligen, sehr detaillierten Richtlinien, zeitaufwendigen Verfahren, aber eben auch in Erwartungshaltungen widerspiegeln. Wir denken, dass das nicht mehr zeitgemäß ist und auch keine Zukunft hat. Wir sehen das also sehr kritisch. Die Haltung von uns BÜNDNISGRÜNEN war und ist auch, dass man das grundsätzlich mit dem Besen durchgehen muss. Wir haben daher mit der SPD und mit der CDU im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Effizienz und Leistungsqualität der Staatsverwaltung verbessern wollen. Dazu gehört eben auch, Verwaltungsprozesse zu optimieren, Bürokratiekosten abzubauen, Standardvorgaben zu überprüfen und die Förderverfahren zu vereinfachen. Das heißt, wir wollen eine einfache, bürokratiearme Förderlandschaft, und dafür sind eben auch Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen.

Wir glauben aber nicht, dass das, was Sie vorschlagen, Erfolg hat. Ich will Ihnen das auch noch einmal erklären. Denn was wird denn passieren? Für meine Fraktion kann und will ich sagen: Wir werden das Thema nicht über Zeitdruck auf die Mitarbeitenden in den Bewilligungsbehörden regeln. Denn wenn es diese sechs Wochen gäbe, dann wird es in allererster Linie zu mehr Ablehnungen führen. Das heißt, der Zeitdruck ist da. Es wird lieber erst einmal abgelehnt, dann gibt es einen Widerspruch, es kommt zu einem Pingpong. Es gibt Mehraufwand und mehr Frust. Wir denken, dass das, was Sie vorschlagen, eben genau dazu führen würde und eben nicht zu weniger.

Die Verfahren und Prozesse – und da sind wir bei Ihnen – müssen geprüft und überarbeitet werden. Sicherlich ist

auch zu klären, ob es alle Richtlinien braucht und wo strukturell Zusammenführungen definitiv notwendig sind. Um das Thema aber anzugehen, hat es einerseits geholfen, dass der Bund mit dem Online-Zugangsgesetz die Länder verpflichtet hat, ihre Verwaltungsleistungen elektronisch anzubieten. Idealerweise gelingt es andererseits auch in Sachsen demnächst, Fördervorgänge digital zu bearbeiten.

Sachsen hat zwei Förderkommissionen eingerichtet: 2018 die Förderkommission I und 2021 die Förderkommission II. Die Berichte sind informativ, weil sie immer den Umfang und das Ausmaß der sächsischen Förderlandschaft sichtbar gemacht und den Fokus tatsächlich auf das Ausmaß gerichtet haben. Es gibt sehr viele Vorschläge zur Konsolidierung von Förderprogrammen sowie zur Weiterentwicklung der sächsischen Förderstrategie. Die Empfehlungen, die dort ausgesprochen worden sind, liegen nicht nur öffentlich vor, sondern sind auch Diskussions- und Arbeitsgrundlage. Glauben Sie mir: In den Ministerien, in den Behörden und im Kabinett wird hart miteinander darum gerungen. Das ist auch meines Erachtens der Komplexität der Sache angemessen.

Als Parlament unterstützen wir die Arbeit der Kommissionen bzw. auch die Umsetzungen der Empfehlungen, indem wir notwendige haushalterische Voraussetzungen schaffen. Das haben wir auch getan. Sie können sich das anschauen. Im Einzelplan des Finanzministeriums wurden Mittel zur Umsetzung des Förderportals bereitgestellt. Das wird zusammen mit der Sächsischen Aufbaubank erarbeitet. Diese digitalisiert bereits jetzt alle neuen Programme und berichtet auch öffentlich über den Stand. Auch im Einzelplan 02 sind Gelder für die Förderplattform und das Portal vorgesehen.

Sie fordern mit Ihrem Gesetzentwurf als Linksfraktion ausschließlich und nur schnellere Bewilligungen. Das Anliegen ist nachvollziehbar. Das habe ich dargestellt, aber der Vorschlag greift zu kurz. Ich hatte Ihnen ausgeführt, was unsere Befürchtungen sind, wohin das eher führt. Das heißt: Zeitlicher Druck wird das Bearbeitungsproblem nicht lösen. Hier brauchen wir andere, geeignetere, zielführendere Verfahren. Ich glaube, wir sollten mit dem Thema Druck nicht so unkritisch umgehen. Das wollen und werden wir, die BÜNDNISGRÜNEN, nicht unterstützen. Wir wollen eine strategisch ausgerichtete Förderlandschaft, die nachhaltig ist, die zukunftsfest aufgestellt ist, in der man sich gut orientieren kann.

Dafür braucht es eine gemeinsame Vorstellung, wie öffentliche Förderung tatsächlich aussehen soll, nicht nur jetzt, sondern auch in drei, fünf oder in zehn Jahren, und welche Rolle dabei sowohl die Kommunikation zwischen Behörde und Antragstellenden als auch die Digitalisierung haben können. Sachsen hat sich auf den Weg gemacht. Wir werden weiterhin die Staatsregierung bei der Umsetzung der Empfehlungen unterstützen.

Ihren Vorschlag lehnen wir ab. Ich habe Ihnen begründet, warum: Wir sind nicht vom Erfolg Ihres Ansatzes überzeugt und wünschen uns, dass wir darüber noch einmal in eine ganzheitliche Debatte einsteigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN)

Kollegin Schubert sprach für die BÜNDNISGRÜNEN. Kollege Panter spricht nun für die SPD-Fraktion. Bitteschön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Völlig unstrittig ist, dass Förderverfahren in Sachsen zu lange dauern. Ich kann auch sagen, dass es ein Anliegen der SPD-Fraktion und der Koalitionsfraktionen insgesamt ist, Förderverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Leider Gottes können wir dem Gesetzentwurf, wie er vorliegt, nicht folgen, weil er zwar die richtigen Ziele verfolgt, die Instrumente dafür aber nicht geeignet sind. Dazu möchte ich kurz drei Punkte aufgreifen.

Erst einmal geht es ganz grundsätzlich darum, dass eine automatische, ungeprüfte Bewilligung gegen das Haushalts- und Zuwendungsrecht verstößt. Unserer Meinung nach schließt das schon das Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes aus. Daraus leiten sich die §§ 23 und 24 der Sächsischen Haushaltsordnung ab. Auch Artikel 94 der Sächsischen Verfassung besagt, dass nur so viele Anträge bewilligt werden dürfen, wie Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Das zeigt, dass das nicht funktioniert. Anträge bedürfen weiterhin einer Einzelfallprüfung und auch einer Prüfung des staatlichen Interesses. Wir können auch nicht Förderfälle über und unter 150 000 Euro unterschiedlich behandeln. Das wäre auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Zweitens ist eine Bewilligungsfiktion haushaltsrechtlich nicht möglich. Es kann kein Rechtsanspruch auf eine Zuwendung bestehen. Es geht auch um die Antragsqualität. Förderprogramme haben ein begrenztes Budget, und da kann nicht schon bei der Einreichung klar sein, dass am Ende die Förderung bewilligt wird, falls ein gewisser Prüfungszeitraum nicht eingehalten wird. Das ist nicht möglich. Ich habe auch nicht verstanden, Kollege Brünler, wie dem abgeholfen werden soll. Wir haben diese Kritik in der Anhörung gehört. Bisher ist aber auch kein Änderungsantrag vorgelegt worden. Sie haben hier auch gesagt, dass das gar nicht der Fall und gar nicht beabsichtigt sei. Ich lese es aus dem Gesetzentwurf so raus. Ich habe mir ihn auch angeschaut. Ich kann nicht erkennen, wie das funktionieren soll. Vielleicht hören wir gleich noch mehr dazu.

Drittens müssen wir auch das Risiko einer Budgetüberschreitung sehen. Das wäre auch eine Beschneidung des Budgetrechts des Landtages. Wir diskutieren über Haushalte und legen Haushaltsansätze fest. Dann können wir aber nicht über eine Bewilligungsfiktion Anträge bewilligen, ohne den Rahmen einzuhalten. Das funktioniert nicht.

Vielleicht ganz grundsätzlich zu dem, was Kollegin Schubert gerade gesagt hat: Wir haben im Freistaat eine Förderkommission I und II. Diese haben – leicht unterschiedlich, aber doch sehr klar – deutlich gemacht, dass wir Förderver

fahren vereinfachen müssen. Mit diesen Ergebnissen beschäftigt sich – das darf ich, wie auch Kollegin Schubert bereits gesagt hat, unterstreichen – die Staatsregierung momentan sehr intensiv. Ich bin guter Dinge, dass wir einiges sehen werden, das zur Vereinfachung von Förderverfahren beitragen kann. Ich möchte jedoch der Staatsregierung nicht vorgreifen; denn es ist Hoheit der Staatsregierung, sich damit zu beschäftigen. Wir sind guter Hoffnung, dass dies alsbald passiert und müssen diesen Antrag leider Gottes ablehnen, auch wenn wir das Ziel teilen. Dem Weg können wir nicht folgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den BÜNDNISGRÜNEN)