Solange der in der Öffentlichkeit am stärksten diskutierte Vorschlag zum Strukturwandel in der Lausitz der Vorschlag des Ministerpräsidenten ist, den Truppenübungsplatz auszubauen, braucht man gar nicht über den Truppenübungsplatz als solchen zu sprechen, um zu erkennen, wie plan- und visionslos das Wirtschaftsministerium industriepolitisch ist.
(Beifall bei den LINKEN – Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. André Barth, AfD)
Kommen wir zum Thema Fachkräfte. Ich bin, offen gesagt, etwas enttäuscht darüber, dass Sie nichts zu dem von Ihnen in dieser Woche offiziell eingeweihten Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit – ZEFAS – gesagt haben. Schließlich war das – wie auch auf Ihrer Homepage nachzulesen – eines Ihrer Schlüsselprojekte. Man muss natürlich sagen, auch ich als Linker: Gegen gute Arbeitsbedingungen kann man nicht sein. Als Chemnitzer freue ich mich auch, dass dieses Zentrum in Chemnitz eröffnet wurde. Aber worin sein tatsächlicher und konkreter Mehrwert besteht, ist nach wie vor nebulös und muss sich noch zeigen.
Letztlich ist es eine ganz einfache Gleichung: Wenn es nicht genug Nachrücker gibt, um freie Stellen zu besetzen, dann stoßen Sie auch mit dem ZEFAS unweigerlich auf das gleiche Problem wie in den Fachkräfteallianzen. Wenn die Decke zu kurz ist, dann können Sie zwar wild daran ziehen, aber irgendetwas schaut immer heraus.
Aufgrund der demografischen Lage wird Sachsen sein Fachkräfteproblem nicht ohne Zuzug von außen klären können. Da sich das Problem auch anderswo in Deutschland ähnlich darstellt, wird dieser Zuzug vorrangig von außerhalb kommen müssen. In den nächsten Jahren werden in Sachsen rund 260 000 Zuwanderer im arbeitsfähigen Alter benötigt, einfach nur, um die bestehende Wirtschaftsstruktur aufrechtzuerhalten.
Bereits jetzt sind 45 000 Stellen langfristig unbesetzt; mein Vorredner sprach schon davon. Auf Handwerker muss man in einigen Regionen und Branchen inzwischen über ein halbes Jahr lang warten. Im Lebensmittelhandwerk sind derzeit rund 2 500 Stellen frei geblieben. Auf 24 Plätze fand sich im Schnitt nur ein Bewerber. Das ist zwar schön für die Azubis, die die Qual der Wahl haben, beschreibt
aber auch das riesige Problem der Fachkräftesicherung. Da wird das ZEFAS allein wahrscheinlich nicht ausreichen.
Größtes Hindernis, um auf dem sächsischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, bleibt die Anerkennung der Berufsabschlüsse von Menschen, die eben nicht hier geboren sind. Das wurde auch mit dem neuen Fachkräftezuwanderungsgesetz bisher nicht behoben. Dies wird aktuell zwar bei ukrainischen Geflüchteten anders gehandhabt – was auch gut und richtig ist –, aber warum gilt das nicht grundsätzlich? Die nur teilweise Anerkennung von Berufsabschlüssen führt oft dazu, dass gut qualifizierte Menschen als Hilfskräfte billige Arbeitskräfte sind und dass ihr eigentliches Potenzial verloren geht. Das schadet allen, sowohl den Betroffenen als auch der einheimischen Wirtschaft.
Es passiert zwar aktuell etwas, allerdings nur für bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel für Pflegekräfte oder für Menschen bestimmter Herkunft. Dabei gibt es konkrete und oftmals erstaunlich einfache Maßnahmen, um wirklich konkret zu helfen. Eine zertifizierte Zeugnisübersetzung kostet im Schnitt 400 Euro. Wenn damit eine ausgebildete Fachkraft gewonnen werden kann, ist festzustellen, dass das eigentlich eine lächerlich geringe Summe ist. Der Freistaat fördert sinnlosere Dinge mit deutlich höheren Beiträgen. Wenn dann Abschlüsse aus formalen Gründen nur teilweise anerkannt werden und die Wartezeiten dafür so lang sind, dass dies aufenthaltsrechtliche Probleme nach sich zieht, dann stellt man fest, dass auch das wieder ein Baustein ist, wie man, statt ein Problem zu lösen, ein neues schafft.
Es ist allgemein die Frage zu stellen, wie weltoffen man ist, sowohl als Verwaltung als auch allgemein als Gesellschaft. Leider kommt man dann zu dem Schluss, dass Sachsen, was das anbelangt, keinen Standortvorteil hat, im Gegenteil.
Hinzu kommt: Sachsen steht auch beim Lohnniveau im Wettbewerb mit anderen Regionen. Auch das muss man so deutlich sagen.
Grundsätzlich gilt: Wer Fachkräfte haben möchte, muss endlich mit dem Niedriglohnland Sachsen Schluss machen. Das Brötchen ist hier nicht billiger als in Dortmund, und auch die Miete zahlt sich im Osten nicht von selbst. Auch an der Zapfsäule gibt es keinen Sachsenrabatt. Nur auf dem Lohnzettel gibt es auch 30 Jahre nach der Wende noch eine Sonderbehandlung. Ja, auch das hat mit Fachkräftesicherheit zu tun.
Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE sprach Kollege Brünler. Nun übergebe ich das Wort an die Fraktion BÜNDNISGRÜNE, an Herrn Kollegen Liebscher. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich starte, habe ich noch eine Information für Herrn Peschel. Er ist zwar nicht da, aber vielleicht können Sie ihm diese Information weitergeben. Er hat vorhin bemängelt, dass MAN den Standort in Plauen geschlossen hat. Was nicht ins Konzept passte – und deswegen hat er es nicht erwähnt –, ist Folgendes: Mit Hilfe der Staatsregierung wurde der Standort von der Firma BINZ übernommen. Diese Firma ist auf Wachstumskurs, und sie hat auch die meisten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen. So viel zu diesem Thema.
Zurück zum eigentlichen Thema. Ein dramatischer Einschnitt, eine historische Zäsur, eine Zeitenwende – das ist der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Das ist er in allererster Linie für die ukrainische Zivilbevölkerung. Seit dem 24. Februar 2022 verfolgen wir die erschütternden Entwicklungen und Bilder von Gewalttaten, wie wir sie in Europa nicht mehr glaubten wiedersehen zu müssen. Erinnerungen an Kriegsverbrechen in Butscha, Mariupol, Charkiw und anderen Orten brennen sich schmerzhaft in unsere europäische Geschichtsschreibung ein. Den Angehörigen der zivilen und militärischen Opfer und den Vertriebenen, den Menschen, die vor Ort ihr freies Land verteidigen und dem russischen Vormarsch gegenüber unermüdlich Widerstand leisten, diesen Menschen gilt unsere Solidarität.
Wir heißen alle Schutz suchenden Menschen im Freistaat herzlich willkommen. Viele Sächsinnen und Sachsen leisten schon seit Wochen ihr Äußerstes, um die Geflohenen aufzunehmen und ihnen eine Grundversorgung zu ermöglichen. Im April gab die Landesdirektion in Hochrechnungen bereits an, dass über 25 000 Vertriebene – in der Zwischenzeit sind es einige mehr – in Sachsen eine Bleibe gefunden haben. An dieser Stelle gilt mein Dank all den engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die Menschen auf der Flucht und bei ihrer Ankunft hier in Sachsen unterstützen.
Werte Damen und Herren! Bundeskanzler Olaf Scholz wählte das Bild der Zeitenwende, um die Zäsur zu kennzeichnen, die der russische Überfall bedeutet: Das ist ein Riss, der das sicherheitspolitische Gefüge eines demokratischen Europas ins Wanken bringt und unser wirtschaftspolitisches System vor plötzliche Herausforderungen stellt. Für uns BÜNDNISGRÜNE ist unumstößlich klar, dass die Antworten, die wir bieten, weiter reichen und tiefer greifen müssen als die Aufrüstung der Bundeswehr und die Unterstützung der ukrainischen Verteidigungen mit deutschen Waffen. Zeitenwende, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, meint nicht weniger als eine Befreiung aus der Pfadabhängigkeit, in die wir uns selbst hineinbegeben haben. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen
Deutliche Folgen sehen wir bereits durch die Unterbrechung von Lieferketten, die zerstörte ukrainische Landwirtschaft und die tiefe Abhängigkeit Deutschlands von russischen Rohstoffen, insbesondere von fossilen Energieträgern, die signifikante Preissteigerungen verzeichnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine naive Blauäugigkeit, mit der man sich hierzulande in die zunehmende Abhängigkeit von Russland begeben hat, tritt nun zutage. Seit dem Jahr 2014 hat man die Warnungen unserer osteuropäischen Partner in den Wind geschlagen. Man hat kritischen Stimmen, die vor einem Ausbau von Nord Stream 2 und damit vor einer wachsenden Abhängigkeit von Russland warnten, die Instrumentalisierung von Menschenrechten vorgeworfen, während Moskau die Gasspeicherbestände taktisch zurückhielt und Devisen aufbaute. Wir sollten eines aus diesem sinnlosen Krieg lernen: Warnungen der Zukunft scheinen immer abstrakt; doch wenn wir abwarten, bis die kommenden Krisen ihre Drastik physisch erfahrbar machen, sind unsere Handlungsspielräume gering. Wenn wir früh genug bewusst gestalten können, können wir planvoll vorgehen.
Diese Zeitenwende erfordert eine Energiewende. Wir müssen heute unsere wirtschaftliche Souveränität sichern, indem wir unsere Energieversorgung umbauen. Kurzfristig bringen wir uns dadurch in die Lage, wirtschaftliche Sanktionen durchzuhalten und für mögliche Lieferstopps gewappnet zu sein.
Als ostdeutsche Länder tragen wir aufgrund der infrastrukturellen Voraussetzungen eine besondere Verantwortung, auch in Sachsen. Sachsens Regierung steht laufend im engsten Austausch mit dem Bund und der Energiewirtschaft. Die Versorgungslage wird als gesichert eingeschätzt. Die kommende Novellierung des Energiesicherungsgesetzes wird die kritische Infrastruktur zusätzlich absichern. In Abstimmung mit der Bundesebene werden alle Vorkehrungen zur Sicherung der Versorgung getroffen. Bereits jetzt ist ein anteiliger Rückgang der Gas- und Ölimporte aus Russland zu verzeichnen, wobei die Unabhängigkeit von russischen Erdölimporten bis Ende des Jahres erzielt werden soll. Eine substanzielle Reduktion der Abhängigkeit von russischem Erdgas soll innerhalb der nächsten zwei Jahre umgesetzt werden.
Der schnellste und wirkmächtigste Hebel, mit dem wir uns unabhängig von fossilen Brennstoffen machen können, ist die Reduktion unseres Energieverbrauchs. In Sachsen muss dieses Potenzial noch besser genutzt werden. Das gilt sowohl für das nachhaltige Beschaffungswesen, die Umstellung von Industrieprozessen als auch für Bewusstseinsbildung innerhalb unserer Bevölkerung.
Unser Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dreht derzeit jeden Stein um, um unsere Energieversorgung zu diversifizieren.
In dem Osterpaket legte sein Ministerium die umfangreichste energiepolitische Novelle seit Jahrzehnten vor, die den Ausbau erneuerbarer Energien maßgeblich beschleunigen soll. Das Versorgungsziel bis zum Jahr 2030 heißt: 80 % des Strombedarfs werden aus erneuerbaren Energien gesetzt. Im Jahr 2035 soll somit eine rein regenerative Stromversorgung gewährleistet werden. Planungsrechtlich wird also regenerativer Energie klar der Stellenwert des überragenden öffentlichen Interesses eingeräumt.
Kommunen sollen verstärkt am finanziellen Erfolg ihrer Wind- und Sonnenenergie teilhaben und naturschutzfachliche Vorgaben bei Freiflächenanlagen unterbreiten können.
Verbraucherinnen und Verbraucher werden deutlich entlastet. Die EEG-Umlage wird auf null abgesenkt, was auch das Energierecht entbürokratisiert.
(Zurufe der Abg. André Barth und Thomas Thumm, AfD – Zuruf von der AfD: Genau, und Zweitsteuer einführen!)
Das BMWK schafft zudem regulative Grundlagen, um in Hochgeschwindigkeit Lücken beim Ausbau der Infrastruktur zu schließen und den Netzausbau entsprechend dem Ziel der Klimaneutralität zu gestalten.
Ergreifen wir jetzt die Chance, den dringend überfälligen Aufbau einer nachhaltigen Energiesouveränität anzustoßen. Laut der im März veröffentlichten Umfrage unseres sächsischen Energieministeriums steht die große Mehrheit der Sächsinnen und Sachsen dem Ausbau erneuerbarer Energien positiv gegenüber. Als Freistaat müssen wir nun Vorkehrungen treffen, die notwendigen Flächen bereitzustellen.
Hier ist noch viel Luft nach oben; das muss ich Ihnen nicht erläutern. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen die Solarpotenziale auf Sachsens Dächern erschließen: öffentliche Gebäude, Verwaltungen, Kitas, Schulen ebenso wie Industriegebäude und bereits versiegelte Flächen. All diese können zügig zu Energieflächen werden. Wir fordern daher die Solarpflicht für öffentliche und gewerbliche Neubauten.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Unser Freistaat hat ausgezeichnete Voraussetzungen beim Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft, wie wir das heute schon mehrmals gehört haben. Wir haben eine starke Wasserstoffstrategie, die grünen Wasserstoff zu einem zentralen Energieträger
der Zukunft machen soll. Wir haben leistungsfähige Cluster, Spitzenforschung, sächsischen Anlagen- und Komponentenbau, und wir haben Unternehmerinnen und Unternehmer, die im Strukturwandel auf alternative Technologien umsteigen wollen.
Ich muss es Ihnen heute noch einmal sagen: Die elementaren Zutaten für das Hochlaufen von Wasserstoff in Sachsen ist der Hochlauf der regenerativen Energien. Eine Zeitenwende erfordert eine Ressourcenwende. Die Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe für die sächsische Wirtschaft ist – wie wir sehen – von sensiblen internationalen Lieferketten abhängig. Gleichzeitig bedroht unser Ressourcenhunger weltweit Ökosysteme und die Lebensgrundlage der Menschen.
Ein weiterer Baustein zur wirtschaftlichen Souveränität ist die ressourceneffiziente Kreislaufführung unserer Rohstoffe. Für uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Wir müssen unseren Bedarf an Primärrohstoffen ganz drastisch
reduzieren. Gleichzeitig können wir in Sachsen auf breites technisches Know-how in der Kreislaufwirtschaft zurückgreifen. Die dramatische Preisentwicklung im Rohstoffsektor, zum Beispiel bei Bitumen, Stahl, Legierungen oder Aluminium, ist ein klares Signal. Wir können und müssen jetzt unser Innovationspotenzial im Bereich der Kreislaufführung heben. Die wirtschaftlichen Potenziale gilt es, in Rücksprache mit der Industrie zu fördern und regulativ zu unterstützen.
Eine Zeitenwende erfordert eine Mobilitätswende. Zur Sicherung der sächsischen Zukunftsfähigkeit ist ein Fokus auf die zielgerechte Pflege von Verkehrsinfrastruktur zu legen. Wirtschaftliche Infrastruktur kann sich widerspruchslos in die Zielplanung der Energiesouveränität und Ressourceneinsparung einordnen. Dafür sind energetische Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen. Das setzen wir in Sachsen um, indem wir Güter auf die Schiene verlagern sowie eine verkehrssichere Anbindung der Dienstorte für alle Sächsinnen und Sachsen auch außerorts mit Rad und ÖPNV gewährleisten.