Protocol of the Session on May 24, 2019

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Ich könnte Ihnen noch eine Reihe weiterer Beispiele nennen, die zeigen, wie realitätsfern der Antrag der LINKEN ist. Trotzdem gibt es den einen oder anderen Punkt, über den wir sicher diskutieren können,

(Antje Feiks, DIE LINKE: Ach!)

zum Beispiel die Forderung nach einer Landesnahverkehrsgesellschaft. DIE LINKE nennt es „Sachsenweiter Tarifverbund“. Hier sind wir, glaube ich, nicht so weit auseinander. Nur ist unser Ansatz, dies zusammen und in Kooperation mit den kommunalen Aufgabenträgern zu

erreichen. Mit einer Änderung des ÖPNV-Gesetzes ist es nicht getan, oder wie es Minister Martin Dulig in der Debatte im März gesagt hat – Zitat –: „Es nützt nichts, nur mit gesetzlichen Möglichkeiten zu drohen, sondern wir brauchen eine Umsetzung mit den Zweckverbänden und der kommunalen Ebene.“

Oder die Forderung nach einer Anbindungsgarantie für alle Kommunen. Genau das machen wir gerade. Mit der Umsetzung der Empfehlungen der Strategiekommission und der Einführung von PlusBus- und TaktBus-System werden wir bis 2025 rund 80 % aller Menschen in Sachsen an das ÖPNV-Grundnetz anbinden. Darauf hat Kollege Nowak schon hingewiesen. Dazu wird es mindestens einen Zwei-Stunden-Takt geben. Das bedeutet eine Steigerung um fast 30 % zum derzeitigen Status quo. Damit werden mehr als eine Million Einwohnerinnen und Einwohner in Sachsen zum ersten Mal von einem verlässlichen und vertakteten Angebot profitieren können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind seit Beginn der Legislaturperiode dabei, den ÖPNV in Sachsen zukunftssicher zu machen. Wir haben bereits mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 die Mittel für den ÖPNV deutlich aufgestockt und damit einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Wir haben dem ÖPNV in Sachsen Planungssicherheit für die nächsten zehn Jahre verschafft, und jetzt, da wir die finanzielle Grundlage geschaffen haben, machen wir uns daran, die Empfehlungen der Strategiekommission step by step, Schritt für Schritt, umzusetzen. Wir sind aber auch so ehrlich zu sagen, dass wir das nicht von heute auf morgen erreichen werden.

Was wir allerdings nicht brauchen, ist Wahlkampfgetöse der LINKEN. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich rufe Herrn Kollegen Beger auf. Er spricht für die AfD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN weist einige gute Ansätze auf, die jedoch mit ideologisch begründeten Forderungen wieder zunichte gemacht werden. Nach den Vorstellungen der LINKEN soll der ÖPNV eine kommunale Pflichtaufgabe werden anstatt wie bisher eine freie Selbstverwaltungsaufgabe. Die Kommune erbringt diese Aufgabe also im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.

Wird der ÖPNV zur Pflichtaufgabe gemacht, spielen Einschränkungen keine Rolle mehr. Die LINKEN verlieren aber kein Wort darüber, wie eine solche Pflichtaufgabe finanziert werden soll. Allein die Umwandlung in eine Pflichtaufgabe bringt dem Bürger keinen einzigen zusätzlichen Bus. Eine dichtere Taktfolge kostet aber mehr Geld, und da spielt es keine Rolle, ob es sich um eine freiwillige Leistung oder um eine Pflichtaufgabe handelt.

Es soll vielmehr einer Mobilitätswende der Boden bereitet werden. Das ist nichts anderes als die massive Einschränkung des Individualverkehrs zugunsten des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs.

Genau dies fordern die LINKEN auch in ihrem Antrag. Das mag vielleicht für den Angestellten passen, der verkehrsgünstig wohnt und jeden Tag acht Stunden in einem Büro verbringt. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus: Fährt der Fliesenleger in Zukunft mit dem Regionalbus übers Land, um seine Aufträge zu erledigen? Muss sich der Malermeister ein Lastenfahrrad kaufen, da er mit seiner Ausrüstung leider nicht in die Straßenbahn passt? Sieht man bald Außendienstler auf Bahnsteigen übernachten, da die Zugverbindungen leider zeitlich etwas ungünstig liegen? Werden Taxifahrer künftig auf Fahrrädern unterwegs sein? Fahrradrikschas und Laufboten sind Merkmale heruntergewirtschafteter Dritte-WeltLänder.

(Antje Feiks, DIE LINKE: Sollte das jetzt lustig sein?)

Mit einer Mobilitätswende, die in Wahrheit Abschaffung des Individualverkehrs und damit Einschränkung der Freiheit bedeutet, sind wir auf dem besten Weg dorthin. Daher lehnen wir solche Forderungen entschieden ab. Zu begrüßen ist hingegen die Forderung nach sachsenweiten Sozial- und Ausbildungstarifen. Dies deckt sich auch mit der Forderung der AfD, die schon seit Langem besondere Tarife für Schüler, Azubis und Senioren fordert und so zur Attraktivität des ländlichen Raumes beitragen will.

Auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bildungsticket warten die Bürger Sachsens bis heute vergeblich. Ebenfalls nicht neu ist der Ruf der LINKEN nach einem sachsenweiten Tarifverbund. Die Verringerung der Anzahl der Verkehrsverbünde ist zu begrüßen und wird schon seit Längerem von der AfD gefordert. Wir sehen allerdings Schwierigkeiten, wenn in einem ÖPNV als Pflichtaufgabe die Tarife überregional geregelt werden soll. Die von den LINKEN vorgeschlagenen Servicegarantien sind dagegen unrealistisch: Fahrpreiserstattung bei 15 Minuten Verspätung, Taxifahrt ab einer Stunde Wartezeit – unter solchen Bedingungen wäre die Deutsche Bahn schon längst pleite. Solche Forderungen sind schön, aber völlig unrealistisch.

(Widerspruch von den LINKEN)

Völlig überzogen ist die Forderung nach einer Einführung von Vertragsstrafen für Verkehrsunternehmen. Würde dies Realität werden, dann wäre ein Unternehmen des ÖPNV gezwungen, weitreichende Vorkehrungen zu treffen. Wo dies endet, ist klar – nämlich in einer Überregulierung und Bürokratisierung.

Aus den genannten Gründen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von den LINKEN)

Frau Abg. Meier erhält jetzt das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem gestern der Tourismusminister Bilanz gezogen hat, haben wir heute Herrn Dulig als Wirtschafts- und Arbeitsminister gehört und welche Erfolge er in den letzten fünf Jahren vorzuweisen hatte. Er hat dabei auch noch einen kleinen Schlenker in die Verkehrspolitik gemacht.

Gestartet ist die Legislaturperiode in der Verkehrspolitik vor allem mit großen Zielen und vor allem auch mit großen Versprechungen. Mit viel Tamtam wurde 2015 die ÖPNV-Strategiekommission eingerichtet. Sie hat anderthalb Jahre sehr fleißig gearbeitet und noch viel mehr Papier produziert. Nur leider schlummern die konkreten Vorschläge, die dort erarbeitet wurden, jetzt offensichtlich im Schreibtisch des Ministers.

(Andreas Nowak, CDU: Das ist doch Quatsch! Schauen Sie einmal in den Haushalt!)

Umso mehr kann ich verstehen, dass DIE LINKE die Umsetzung der Vorschläge aus der Strategiekommission fordert.

Was den ÖPNV betrifft, liegt noch richtig viel Arbeit vor uns, um den ÖPNV hier in Sachsen leistungsstark und attraktiv zu machen. Das Ziel ist dabei ganz klar: Wir müssen die Emissionen im Verkehrssektor endlich reduziert bekommen und gleichzeitig die grundlegenden Elemente der Daseinsvorsorge im Freistaat nicht nur in den Großstädten, sondern eben auch in den Mittel- und Kleinstädten sowie im ländlichen Raum sicherstellen.

Der Antrag bezieht sich aber nicht nur auf die Umsetzung der ÖPNV-Kommissionsvorschläge, sondern Sie machen hier ja einen regelrechten Rundumschlag, lieber Herr Böhme. Die Forderungen auf Ihren drei Seiten hätten gut und gern für vier Einzelanträge und mindestens zwei oder drei Gesetzentwürfe reichen können. Ich möchte mich da ein wenig systematisch durcharbeiten.

Gleich zu Beginn fordern Sie unter Punkt I, den ÖPNV zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen. Das ist in der Tat eine sehr weitreichende Forderung. Es bedürfte hier nicht nur der Änderung der Gemeindeordnung, sondern wir müssten auch das FAG entsprechend ändern, um den Kommunen für die Pflichtaufgabe die entsprechenden Mittel zuzuweisen. Hier meine ich, dass nicht das Parlament die Staatsregierung auffordern sollte, Gesetze zu novellieren; denn dabei, lieber Herr Böhme, wissen wir nicht, was dabei herauskommt. Was wir aber wissen, ist, dass es nicht so sein wird, wie Sie und ich uns das vorstellen.

Zu Punkt 1.4: Hier haben Sie das Ziel formuliert, dass die Fahrtzeiten für Schülerinnen und Schüler je Richtung zur Grundschule nicht mehr als 15 Minuten und zur weiterführenden Schule nicht mehr als 30 Minuten betragen sollen. Das ist von der Sache her absolut richtig. Die

Umsetzung als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung finde ich allerdings nicht den richtigen Weg. Nicht zuletzt kann diese Forderung vor allem durch eine ausreichend große Dichte an Schulen erfüllt werden. Da erhoffe ich mir – das haben Sie auch in Ihrem Antrag formuliert – , dass wir durch die Gemeinschaftsschule, die in der nächsten Legislaturperiode hier hoffentlich auch eine Mehrheit hat, hier ein ganzes Stück weit nach vorn kommen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Kommen wir zum Punkt Fahrgastrechte und Servicegarantie: Diese allgemeingültig zu definieren, wie unter Punkt II geschehen, ist ein absolut sinnvoller Vorschlag. Viele Menschen haben Bedenken, den ÖPNV zu nutzen, weil es ihnen wegen der Tarifstrukturen viel zu kompliziert ist und weil ihnen die Informationen zu Fahrplänen, Verbindungsauskünften, Mitnahmeregelungen – wir

haben es vorhin schon gehört – nicht leicht zugänglich, sehr kompliziert und zudem auch noch sehr unterschiedlich ist. Insofern wären sachsenweit gültige Rahmenbedingungen ein sehr wert- und sinnvoller Beitrag dafür, mehr Fahrgäste zu gewinnen.

(Andreas Nowak, CDU: Dafür haben wir aber keinen Antrag!)

Beim nächsten Punkt geht es um die Pönale, also die Vertragsstrafen für Verkehrsunternehmen, wenn sie bestimmte Leistungen oder Services nicht ausreichend gut erfüllen. Deren Sinn ist mir völlig klar: Wenn Reisende Einschränkungen hinnehmen müssen, sollen sie dafür entschädigt werden. Das klingt natürlich gut, aber man muss sich bei einer solchen Forderung darüber im Klaren sein, dass die beauftragten Unternehmen die Kosten in ihre Angebote einpreisen. Vielleicht sollte man eher darüber nachdenken, ein ergänzendes Bonussystem zu machen, das heißt: Wenn das Verkehrsunternehmen nachweisen kann, dass es eine bestimmte Pünktlichkeitsquote eingehalten hat, erhält es eine Bonuszahlung. Um diese landesrechtlichen Bestimmungen vorzunehmen, braucht es aber eine Gesetzesänderung, jedenfalls wird die im Antrag adressierte Staatsregierung einen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Verkehrsunternehmen nicht erreichen können.

Zu Punkt IV: Dort fordern Sie ein Konzept, die ÖPNVFinanzierung langfristig auf sichere Füße zu stellen. Das ist natürlich richtig und wichtig, aber hier muss man einmal in die Details schauen. Denn Sie fordern in Punkt II, dass 100 % der Regionalisierungsmittel an die Zweckverbände fließen, fordern aber in Punkt I, dass Rücklagen gebildet werden. Das passt für mich nicht wirklich zusammen.

Insgesamt sehe ich aber in vielen Inhalten große Übereinstimmung mit den Forderungen, die wir GRÜNE hier immer stellen. Vor allen Dingen sehe ich aber großen Handlungsbedarf, die Dinge hier endlich anzuschieben, weil die Regierung ihre Arbeit in diesen Punkten – höflich

formuliert – nur halbherzig gemacht hat. Deswegen freue ich mich, dass heute wieder meine Lieblings-ÖPNVMinisterin Frau Stange spricht. Vielleicht hätten Sie das gleich von Anbeginn machen sollen; dann wären wir mit dem ÖPNV vielleicht heute schon weiter. Dennoch überzeugt mich Ihr Antrag, der ein wenig wie ein Schnellschuss daherkommt – Entschuldigung, dass ich das so zusammenfasse –, nicht vollumfänglich. Deswegen beantragen wir eine punktweise Abstimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Frau Kollegin Meier für die GRÜNEN. Gibt es jetzt Bedarf für eine zweite Rederunde? – Bitte, Herr Böhme.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich würde zunächst gern noch auf die Redebeiträge meiner Kolleginnen und Kollegen reagieren.

Zu Herrn Nowak: Ich stelle fest: Wenn es nach Ihnen geht, soll alles so bleiben, wie es ist.

(Andreas Nowak, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Aber Sie haben zumindest gesagt, dass der ÖPNV unbedingt eine freiwillige Aufgabe bleiben soll. Meiner Ansicht nach ist genau dies das Problem. Denn obwohl wir in Sachsen einen eigenen Verkehrsminister haben, kann er derzeit im Verkehrsbereich gar nichts regeln.

Er hatte keine Umsetzungskraft, und genau das wollen wir, indem wir den Kommunen eine Pflichtaufgabe zur Umsetzung von bestimmten Punkten im ÖPNV vorschreiben wollen.

(Andreas Nowak, CDU: Da haben Sie nicht einen Millimeter beeinflusst!)

Genau so machen es andere Länder. Wir waren auf einer Ausschussreise in der Schweiz und in Österreich. Genau so funktioniert es dort. Dort schreibt das Land oder der Bundesstaat den Kommunen vor, dass der ÖPNV zur Daseinsvorsorge gehört und dass es Mindestqualitätskriterien geben muss, wie dort ÖPNV funktionieren soll. Ich sehe kein Problem, das hier in Sachsen auch umzusetzen.

Zu Herrn Beger und Herrn Nowak: Sie haben mir vorgeworfen, dass ich jetzt nur noch Leute in Bussen und Bahnen oder auf dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen sehen will. Das habe ich nie gesagt. Ich streite natürlich für bessere Bedingungen für Radverkehr oder Radverkehrsinfrastruktur, ich streite auch für bessere Bus- und Bahnverbindungen.