Herr Schollbach, wollen Sie noch einmal reagieren? – Nein. Es gibt keine Kurzinterventionen mehr, wir gehen wieder in die Diskussion. Nun ist die AfD am Zuge. Bitte, Herr Abg. Wippel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Am 1. April schrieb die „Sächsische Zeitung“, dass wir in Sachsen ungefähr 14 5000 Sozialwohnungen zu wenig haben. Jetzt wollen Sie als CDU und SPD über dieses Thema, über den sozialen Wohnungsbau, über den Wohnungsmarkt, diskutieren. Ich hätte bei dem Debattentitel fast gedacht, dass es sich dabei eher um eine grüne Debatte handelt, frei nach dem Motto – so hören wir es ja von Rot-Rot-Grün –: Bezahlbares Wohnen für jeden Menschen von überall und überall. In Wirklichkeit meinen Sie aber Enteignung.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hätte nicht gedacht, dass die LINKEN und die Hellroten wirklich so deutlich über die Enteignung sprechen. Von den GRÜNEN wissen wir
Nun muss man sich tatsächlich die Frage stellen: Ist es denn so, dass wirklich jeder Mensch überall wohnen können muss? Ist es ein Problem, dass Mieten im ländlichen Raum nicht kostendeckend sind? Ist es ein Problem, dass Mieten in der Stadt zu Teilen explodieren oder sehr stark anziehen? Das ist ja in westdeutschen Großstädten, in Ballungsräumen anders als bei uns. Bei uns in Sachsen sind wir ja bei den Problemen, die Sie beschreiben, alle noch irgendwie im gelben Bereich.
Ich sage es einmal so: Der Wohnungsmarkt ist ein Markt, und ein Markt regelt sich zuallererst einmal durch Angebot und Nachfrage. Wenn Sie dieses Prinzip außer Kraft setzen, dann wird jede Initiative zum Neubau erstickt werden, weil man natürlich seine Kosten am Ende nicht decken kann oder weil es nicht die notwendige Rendite bringt. Denn jeder, der in teuren Lagen Häuser baut, der teuer Grundstücke kauft, hat natürlich auch gewisse Kapitalbindungskosten. Es ist nur eine Frage: Rechnet es sich oder rechnet es sich nicht?
Also, passen Sie auf, was Sie tun. Ich kann nur ganz klar sagen: Planwirtschaft führt zum Verfall. Das haben wir schon einmal gehabt. Denken Sie daran, wie unsere Städte damals ausgesehen haben.
Der Mietstopp ist eine rein sozialistische Politik, die Sie hier machen. Die SPD hat ihre eigene Tradition wiedererkannt. Aber leider sind Sie hundert Jahre hinterher.
Fakt ist auch: Wir haben den Trend des Zuzugs in die Großstädte. Das ist ein weltweiter Trend, das ist kein rein sächsisches Phänomen. Aber hier bei uns ganz konkret sollten wir vielleicht auch einmal einen Blick ins Umland wagen. Im Umkreis von 45 Minuten mit dem öffentlichen Personennahverkehr oder zum Beispiel auch mit der SBahn haben wir allein 1 800 freie Genossenschaftswohnungen um Dresden herum, und das ist nur ein Ausschnitt des Marktes. Das heißt, tatsächlich sind noch viel mehr Wohnungen frei. Also verbessern Sie die Verkehrsanbindung an das Umland, dann erreichen die Leute auch in zumutbarer Zeit die Arbeitsplätze, die sie hier in Dresden finden können.
Schauen wir einmal in ein großes deutsches OnlineVergleichsportal, wo man nach Mietwohnungen suchen kann. Ich habe einmal eingegeben: bis zu 380 Euro Miete. Dann finden Sie in Sachsen tatsächlich ein Angebot von 14 500 Wohnungen, also sachsenweit. Diese Wohnungen sind frei. Maximal werden 23 000 angeboten, aber es ist auch nur ein Vergleichsportal. Es gib natürlich auch noch andere. Auch das ist wieder nur ein Ausschnitt des Marktes. Das heißt, wir haben in Sachsen in dem Sinne kein Wohnungsproblem, sondern allenfalls ein Erreichbarkeitsproblem.
Jetzt müssen wir uns die Frage stellen: Wie gehen wir denn mit denjenigen um, die schon in den Wohnungen wohnen, also mit den Bestandsmietern? Natürlich ist es so, dass eine Familie oder ein Rentner das Recht haben soll, in ihrer Wohnung weiter zu wohnen und nicht wegen steigender Mieten ausziehen zu müssen. Auf der anderen Seite gibt es auch das Interesse der Vermieter, die ihre Häuser sanieren wollen und auch sanieren müssen, damit sie weiterhin marktgängig bleiben. Sonst heißt es später: Der Vermieter hat nur Geld einkassiert und hat all die Jahre nichts gemacht. Dann will dort auch niemand mehr einziehen.
Hierbei muss man also einen Ausgleich finden. Der erste Ausgleich ist auch im Markt gegeben und in den Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns. Man macht keine Geschäfte, bei denen eine von beiden Seiten über den Tisch gezogen wird. Das ist eigentlich eine Ehrensache, aber dass Kapitalgesellschaften davon teilweise weit entfernt sind, wissen wir auch.
An einer solchen Stelle müsste ein gesetzlicher Ausgleich hergestellt werden. Es muss eine Bremse eingezogen werden, wenn es denn im Einzelfall zwingend notwendig ist. Aber besser ist es natürlich, das über die Subjektförderung zu machen, –
– über Kosten der Unterkunft oder über das Wohngeld, je nachdem, was für den Einzelnen greift. Aber dafür brauchen wir verbindliche Mietspiegel auch in den größeren Städten, in denen wir ein Problem haben; denn das haben wir nicht überall. Das könnte man noch einmal angehen, damit man die Kosten richtig berechnen kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch ausdrücklich lieber Herr Kollege Fischer! Die Welt ist schon viel weiter, als Sie es befürchten. Ich lese Ihnen einmal etwas vor. Es konkretisiert sich schon:
Enteignungszweck: Nach diesem Gesetz kann nur enteignet werden, um erstens entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten, zweitens unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke, die nicht im Bereich des Bebauungsplans im Zusammenhang mit bebauten Ortsteilen … liegen, einer baulichen Nutzung zuzuführen, Grundstücke einer baulichen Nutzung zuzuführen, wenn ihr Eigentümer die Verpflichtung nach anderen Paragrafen nicht erfüllt. Man kann das nämlich konkret formulieren. Wie finden Sie das?
Ich kann auch einmal den § 77 aus dem Bundesberggesetz vorlesen. Nach den Vorschriften dieses Kapitels kann auf Antrag des Unternehmers eine Grundabtretung – das ist dasselbe wie Enteignung – durchgeführt werden, soweit die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebs oder Aufbereitungsbetriebs einschließlich dazugehöriger … Tätigkeiten, Einrichtungen zur Nutzung eines Grundstücks notwendig ist.
Jetzt können Sie sagen, das sei ja Bundesrecht. Damit haben wir nichts zu tun. Ich lese noch das Sächsische Straßengesetz vor, § 43. Daran hat die sächsische CDU, glaube ich, einen Anteil. § 43 Abs. 1: Die Träger der Straßenbaulast haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht. Die Enteignung ist zulässig, soweit sie zur Ausführung eines nach Vorschrift § 39 festgestellten oder genehmigten Plans notwendig ist. Einer weiteren Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung bedarf es nicht.
Entschuldigen Sie bitte, ich bin seit 2004 zugelassener Rechtsanwalt, und einige meiner Brötchen habe ich damit verdient, dass ich insbesondere Landwirte vertreten habe, die enteignet werden sollten. Das war Teil meines Geschäftsfeldes.
Und das waren nicht die GRÜNEN, die sie enteignen wollten. – Das vielleicht einmal zur Dämpfung der Emotionen.
Das ist Alltag in Deutschland. Um gleich einem Mythos vorzubeugen: Unser Bundesvorsitzender Robert Habeck hat genau das gesagt, nämlich: Wenn Brachen in Städten nicht bebaut werden, dann kann man auch über Enteignung nachdenken. Das gibt § 85 Baugesetzbuch schon seit 1960 so vor.
Wenn wir heute über das Mietproblem reden: Ja, die Frage der Wohnung hat sich in den Großstädten zu der sozialen Frage Nummer eins entwickelt. Wir beschäftigen
uns deshalb hier wiederholt damit, weil das eine unglaubliche Dynamik gewonnen hat. Etwa in der Stadt Leipzig gibt es seit 2013 Mietpreissteigerungen um über 25 %. Da ist man jetzt bei 7,30 Euro. In Dresden – aktuelle Zahlen – ist man im Schnitt bei 7,60 Euro. Aber auch schon über 12 Euro ist nicht mehr ganz unnormal. Das kommt häufiger vor.
Das sind enorme Verschiebungen. Wenn wir über die Attraktivität unseres Landes reden und darüber reden – Leuchtturmpolitik ist als Begriff keine Erfindung von uns GRÜNEN, den hatten Sie einmal –, warum die Großstädte noch als Leuchtturm funktionieren, wo Leute bundesweit hinziehen, so hat das unter anderem auch mit dem verfügbaren und bezahlbaren Wohnraum zu tun. Wenn es diesen nicht mehr gibt, ist dieser Trend ganz schnell wieder gebrochen.
Wenn wir darüber reden, was man im Wohnungsbau tun kann – auch das haben wir schon mehrfach vorgetragen –, dann gibt es nicht ein Element, sondern man muss in den sozialen Wohnungsbau Geld hineinpumpen. Ich kann es nur immer wiederholen: Der Bund gibt 142 Millionen Euro. Er erwartet, dass wir es verdoppeln. Wir geben im Jahr 40 Millionen Euro hinein. Wir haben als GRÜNE im Haushalt einen Antrag gestellt, 200 Millionen Euro zu nehmen, damit man die fehlenden 5 000 Wohnungen jährlich bauen kann.
Wir haben gesagt, die Förderrichtlinie, die wir haben, hat einige Hänger. Sie hat nämlich eine Mietpreisbremse nach unten. Dann muss ich mindestens 6,50 Euro nehmen, was teilweise über den Kosten der Unterkunft liegt. Sonst wird mir Fördergeld gestrichen. Das müsste man einmal ändern. Wir haben gesagt, man muss auch die Mietraumbindung über diese 15 Jahre hinaus verlängern, damit das attraktiver wird. Wir haben noch andere Dinge gesagt, zum Beispiel dass der Sozialwohnungsbau nicht alles ist. Man muss es verstärkt für kooperative Wohnformen, für Bauprojekte dorthin schieben. Man muss es auch bei anderen Kommunen möglich machen, und vor allen Dingen braucht man Verfahrensvorschriften. Die Städte haben teilweise Probleme, Umsatzsteuer, EU-Beihilferecht, diese muss man ordentlich in den Griff bekommen.
Wir sagen auch, es braucht noch weitere Instrumente. Die Mietpreisbremse haben wir schon angesprochen, die in Sachsen immer noch nicht gilt, wobei es die Kappungsgrenze gibt. Das sind fast dieselben Voraussetzungen. Wir brauchen endlich ein aktives Flächenmanagement, nicht nur für kommunale Flächen, sondern auch für Flächen des Freistaates – das passiert aber nicht –, damit man auf Brachen, die es in den Städten gibt, –
– Wohnraum schaffen kann. Weil wir immer den ländlichen Raum ansprechen: Nicht jedes Problem kann man wohnungspolitisch lösen, sondern manche müssen sektorübergreifend gelöst werden.