Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt, und wenn man letztes Jahr im Bundesrat mühsam einen Kompromiss errungen hat und dann feststellt, das kann es wohl doch nicht gewesen sein, ist es nicht unsere Pflicht, diesen Weg immer weiter zu gehen. Ich renne nicht in eine Sackgasse hinein, um am Ende festzustellen, dass da eine Wand ist, sondern ich drehe möglichst frühzeitig um. Am Bundesrat steht ja auch nicht dran: „Achtung, keine Wendemöglichkeit“.
Zum Ende will ich den Fokus noch auf einen anderen Punkt lenken. Wir bezahlen mit Steuergeldern die organisierte Kriminalität selbst, die wir später mit weiterem Steuergeld bekämpfen.
Wir wenden nochmals Steuergelder auf, um das Werk der Schleuser mitten auf dem Mittelmeer zu vollenden und
die Menschen in Richtung Europa zu retten. Anstatt zu verhindern, dass die Menschen an dieser Lotterie des Todes teilnehmen und die Seelenverkäufe skrupelloser Menschenhändler steigen, sorgen wir unter völliger Ausblendung der internationalen Wirkung durch die Zahlung von Geldleistungen für das Gegenteil. Das ist in meinen Augen völliger Irrsinn, meine Damen und Herren.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich auch noch die Worte eines Referenten von unserer Arbeitsreise, des Europaausschusses, nach Brüssel wiedergeben. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir eine gesamteuropäische Lösung der Asylfrage begrüßen. Er sagte, dass wir die Flüchtlingsfrage möglichst in Nordafrika und in den Herkunftsländern klären müssten, bevor die Menschen auf die Boote steigen und sich in Lebensgefahr brächten. Er sagte auch, dass die Schengen-Regelungen derzeit nicht funktionierten, aber eine geplante gesamteuropäische Lösung noch Jahre in Anspruch nehmen würde.
Jetzt kommt wieder die Meinung der AfD: Bis dahin müssen wir selber handeln. Ansonsten schaffen wir die falschen Anreize zur Einwanderung nicht ab. Sonst brauchen wir uns nicht wundern, dass die MittelmeerAnrainerstaaten mit der Situation von Tausenden anlandenden Flüchtlingen überfordert sind und bleiben, weiter Menschen auf das Mittelmeer fahren und die Suche nach dem Paradies Europa mit dem Tode bezahlen. Verhindern Sie Fehlanreize für Wirtschaftsflüchtlinge. Sorgen Sie für die Möglichkeit menschenwürdiger Unterbringung von wirklich Verfolgten und erhalten Sie ein verständnisvolles Klima im Volk. Sorgen Sie dafür, dass man Sie als Volksvertreter ernst nimmt.
Deshalb bitte ich Sie, zum Wohle der Verfolgten, der betroffenen Länder, Deutschlands und Sachsens und im Namen der Nächstenliebe und der Humanität, um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/1065 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, hebt jetzt die Hand. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Trotz Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Die Reihenfolge der Aussprache lautet wie folgt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie dies wünscht. Dies ist Ihnen bekannt. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Oktober des letzten Jahres legte der Sächsische Rechnungshof seinen Jahresbericht vor. Neben interessanten Erkenntnissen über so manche Mittelverwendung im Freistaat Sachsen sticht insbesondere eine Feststellung in das Auge – ich zitiere: „Die Staatsregierung hat bei der Nutzen-Kosten-Bilanz zur Umsetzung der Standortkonzeption im Bereich der Finanzämter gegenüber dem Parlament die erwartbaren Einsparungen als zu hoch und die anfallenden Kosten als zu niedrig angesetzt.“ Das ist eine Klatsche für das Standortkonzept.
Offensichtlich wurde es auf der Basis falscher Zahlen beschlossen. Dem Landtag wurde über die tatsächliche Wirtschaftlichkeit des Behördenkarussells offenbar die Unwahrheit erzählt. Diese Feststellung des Rechnungshofes, bei welcher für den geneigten Leser der Eindruck entstehen muss, dass dies nicht nur ein alleiniges Problem der Finanzämter sein könnte, macht es heute notwendig, dass der Landtag das Standortkonzept noch einmal auf den Prüfstand stellt.
Im Rahmen des Haushaltsverfahrens beraten wir derzeit, welche Mittel welchem Ministerium, welcher Behörde und welcher sonstigen Institution zur Erledigung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Das Standortkonzept hat massive Auswirkungen auf dieses Haushaltsverfahren. Die Staatliche Hochbau- und Liegenschaftsverwaltung allein kommt in den kommenden beiden Jahren auf einen Etat von 690 Millionen Euro jährlich. 2011 hat bekanntermaßen die damalige Regierung von CDU und FDP beschlossen, zusätzlich zu den normalen Ausgaben noch einmal 369,5 Millionen Euro draufzupacken. Das kam jedoch nicht in den normalen Haushaltsplan 2013/2014 hinein, nein, es erfolgte gleich für die Haushaltspläne der folgenden acht Jahre.
Das, was entstanden war, ist das sogenannte Standortkonzept. Es ist nichts weiter als die Neuordnung der sächsischen Behördenlandschaft, bei der es in erster Linie darum ging, Gerichte, Staatsanwaltschaften, Finanzämter, Polizeidirektionen und -reviere zu schließen und dabei leer ausgehende Landkreise anschließend mit der Ansiedlung wahlweise des Sächsischen Rechnungshofes, der
Wir GRÜNE haben dieses Behördenkarussell stets kritisiert. Wir waren damit keinesfalls alleine. Die SPD kritisierte es damals übrigens auch. Frau Kollegin Friedel, Sie bezeichneten das Standortgesetz damals als Staatsabbau und Zentralisierung. Herr Pecher, Sie spotteten damals über die Rechnung der FDP, dass sich die Einsparungen bei der Miete der Standorte wohl irgendwann um das Jahr 2051 amortisieren würden.
Nun ist die FDP nicht mehr im Landtag vertreten. Heute, eine Wahl später, sind offensichtlich alle damit zufrieden. Im Koalitionsvertrag sucht man vergeblich nach Äußerungen zum Standortkonzept. Bei der Polizei, die nahezu die Hälfte aller Reviere schließen muss, setzt man nun auf Kontinuität und Verlässlichkeit. Das heißt wohl Folgendes: offensichtlich keine weitere Verschlechterung zum Status quo, aber definitiv auch keine Rückkehr zu den alten Strukturen. Das derzeitige Standortkonzept, das umgesetzt ist und wird, ist keine verlässliche Struktur, sondern nichts weiter als eine staatlich organisierte Mangelverwaltung. Die Erkenntnis lautet offensichtlich nach der Feststellung des Rechnungshofes einmal mehr wie folgt: Diese Mangelverwaltung spart kaum einen Cent, sondern wir zahlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehörig drauf. Hier zahlt der Freistaat für eine schlechtere Leistung auch noch mehr Geld, weil sich der Finanzminister offensichtlich um eine ordentliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung herumgedrückt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Seriosität sieht anders aus.
Der GRÜNEN-Kritik von damals schließt sich der Rechnungshof nun an und bemängelt vor allem die fehlenden Informationen an das Parlament. So wurden diesem Hause nur die Baunettokosten mitgeteilt und nicht die tatsächlichen Gesamtkosten – also lediglich die Baubruttokosten um die vermuteten Einsparungen durch Sanierungen vermindert, die nicht vorgenommen werden müssen.
Wir haben dies zum Anlass genommen, um mit diesem Antrag noch einmal nach der aktualisierten KostenNutzen-Bilanz zur Umsetzung des Standortkonzepts zu fragen und die Staatsregierung dazu zu zwingen, sich mit dieser Thematik noch einmal intensiv auseinanderzusetzen. Wir möchten wissen, welche Baumaßnahmen bereits mit welchen Kosten durchgeführt wurden und zu welchen konkreten Einsparungen dies – etwa durch die Aufgabe
von Mietobjekten – geführt hat. Die Antwort suchen wir in der Stellungnahme der Staatsregierung. Meine Damen und Herren, diese suchen Sie wahrscheinlich bisher auch vergeblich.
Finanzminister Unland hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, uns die Projekte aufzuzählen, für die wir als Haushaltsgesetzgeber in den kommenden beiden Jahren Geld bewilligen sollen, geschweige denn uns die Frage beantwortet, welche konkreten Einsparungen sich bereits realisiert haben. Auch was in den vergangenen Jahren an Geld in die Realisierungen geflossen ist und welche konkreten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen dazu durchgeführt wurden, hat er uns nicht mitgeteilt.
Die einzige Zahl, die wir auf unseren Antrag hin erhalten haben, ist erstmalig die Gesamtbruttobausumme für alle Projekte des Standortkonzepts. Insgesamt 369,5 Millionen Euro kostet uns das Behördenkarussell insgesamt – wenigstens eine Erkenntnis, die sich aus der Stellungnahme der Staatsregierung ergibt. Ansonsten verweist uns der Finanzminister auf unsere Große Anfrage zum Standortkonzept aus dem Jahr 2011. Mehr hat er uns vier Jahre danach und etliche Millionen Euro Bewilligungen später offensichtlich nicht mitzuteilen. Ich vermute, Sie wissen um die Brisanz der Zahlen, wenn Sie uns diese erzählen würden.
Der Rechnungshof hat ferner kritisiert, dass die Fragen der GRÜNEN in just jener Anfrage zum Standortkonzept, wie denn die genaue Verteilung der Bediensteten bei den Finanzämtern aussehe, nicht beantwortet werden, da diese in sogenannten Feinkonzepten stünden, die zu diesem Zeitpunkt noch erarbeitet werden würden. Wohlgemerkt, das war der Stand 2011. Offensichtlich handelt es sich bei der Feststellung, dass diese Konzepte erarbeitet wurden, um eine offensichtliche Lüge. Wir wissen nun, dass weder der Rechnungshof noch wir ein solches Feinkonzept je zu Gesicht bekommen haben. Wenn wir der Antwort der Staatsregierung auf unseren Antrag Glauben schenken dürfen, ist das Feinkonzept bis zum heutigen Tag nicht erarbeitet. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Was aber derzeit munter weitergeht, ist die bauliche Umsetzung des Standortkonzepts. Im Entwurf des Haushaltsplanes und für die kommenden Jahre sind
75,4 Millionen Euro eingestellt. Wir sollen als Gesetzgeber Geld für Projekte bewilligen, die weder einer umfassenden noch einer sorgfältigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unterzogen wurden und für die offensichtlich die Feinkonzepte nach wie vor fehlen. Wir sollen Geld bewilligen, obwohl uns die Auskunft darüber verweigert wird, was in den letzten Jahren bereits an tatsächlichen Kosten angefallen ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Man braucht in diesem Hause kein Prophet zu sein, um zu mutmaßen, dass man im Landtag in einigen Jahren, möglicherweise Jahrzehnten zu folgender Erkenntnis kommen wird:
Erstens. Die Kosten für das Standortkonzept waren zu hoch und das Projekt im weitesten Sinne unwirtschaftlich, weil man die Kosten zu niedrig und die Einsparungen zu hoch angesetzt hat.
Zweitens. Niemand wird verstehen, warum man keine umfassenden und sorgfältigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt hat, die genau das Erstere verhindern, und
Deswegen stellen wir heute hier diesen Antrag. Um zu vermeiden, dass zumindest niemand behaupten kann, er hätte von nichts gewusst, bitten wir Sie, diesem Antrag zuzustimmen, damit das Parlament endlich valide Zahlen über diese teure Karussellfahrt erhält und diese gegebenenfalls noch beenden kann.
Danke schön, Herr Präsident! Dem Kollegen Lippmann möchte ich zunächst empfehlen – so jung, wie Sie im Parlament sind und vielleicht noch nicht wissen, was in einer Haushaltsrechnung alles enthalten ist, wie man das liest und was dort alles an Daten transparent gemacht wird –, dass Sie bitte jetzt mit der Wahlkampfrhetorik aufhören. Wir sind jetzt im Sachgebiet und in der Sachpolitik, auch wenn wir hier im Plenum sind. Von Lügen und Unwahrheiten zu sprechen ist schon harter Tobak. Das, finde ich, geht über ein vernünftiges Maß hinaus, und die Kollegin, die sich jetzt so echauffiert, ist diejenige, die hier auch so selten den richtigen Takt findet. Das haben wir eben schon beim Verkehr festgestellt.