Für die Staatsregierung berichtet zunächst der Staatsminister für Kultus, Herr Christian Piwarz, zum Thema „Ein Jahr Handlungsprogramm ‚Nachhaltige Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen‘ – aktueller Umsetzungsstand und Perspektiven“. Hierzu stehen Ihnen nach § 54 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung bis zu 10 Minuten zur Verfügung. Anschließend haben die Fraktionen über eine Dauer von insgesamt 35 Minuten die Möglichkeit, dem Staatsminister Fragen zu seinem Bericht sowie zu einem weiteren Themenkomplex zu stellen. Als weiteren Themenkomplex hat die SPD-Fraktion das Thema „Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes in Sachsen. Ausgestaltung der Bund-Länder-Vereinbarung“ benannt.
Es gibt wiederum die Festlegung, dass in der ersten Fragerunde nur Fragen zum Berichtsthema der Staatsregierung gestellt werden. In den weiteren Runden können die Fragen sowohl dieses Thema als auch den von der SPD-Fraktion benannten Themenkomplex betreffen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, nach dieser langen Vorrede erteile ich Ihnen nun das Wort; bitte sehr.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau einem Jahr habe ich hier an diesem Rednerpult gestanden und in der Fachregierungserklärung das Handlungsprogramm zur nachhaltigen Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen vorgestellt. Es beschreibt Maßnahmen, die die Attraktivität des Lehrerberufes erhöhen sollen – Maßnahmen in einem Umfang von insgesamt 1,7 Milliarden Euro.
Heute stehe ich hier, um mit Ihnen gemeinsam eine erste Bilanz zu ziehen. Ich kann sagen, wir haben bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt und damit viele Verbesserungen materieller und immaterieller Art erreicht.
Eine der tragenden Säulen ist dabei das von diesem Hohen Hause im Dezember des vergangenen Jahres beschlossene Artikelgesetz, ebenso wie der Haushalt. Es ermöglicht uns, Lehrerinnen und Lehrer zu verbeamten, und wir haben dies bis jetzt in 58 Veranstaltungen in ganz Sachsen getan. Mehr als 4 500 Lehrerinnen und Lehrer sowie fast 1 100 Referendare haben ihre Urkunde erhalten und den Amtseid geleistet. Es stehen aktuell noch elf Veranstaltungen aus, dann werden weitere 850 Lehrerinnen und Lehrer verbeamtet.
Zudem kann ich Ihnen bestätigen, dass die Möglichkeit der Verbeamtung auch über die sächsischen Landesgrenzen hinweg ausstrahlt und wir sowohl Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern für den Schuldienst in Sachsen gewinnen als auch Lehrerinnen und Lehrer, die Sachsen bereits verlassen hatten, zur Rückkehr bewegen konnten.
Das ist ein wichtiger Zwischenerfolg, der über die Landesgrenzen hinweg Früchte trägt, denn der Freistaat erweist sich damit als attraktiverer Arbeitgeber als bisher.
Das Artikelgesetz ermöglicht zudem, die finanzielle Situation derjenigen Lehrerinnen und Lehrer, die vom Angebot der Verbeamtung aus Altersgründen nicht profitieren können, zu verbessern; denn diese Lehrerinnen und Lehrer haben das erfolgreiche sächsische Bildungssystem aufgebaut und es vor allem in den letzten Jahren im Wesentlichen getragen und mitgestaltet.
Wir zahlen den nicht verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern in der Entgeltgruppe 13 seit dem 1. Januar 2019 eine monatliche Zulage in Höhe von 170 Euro. Für die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer wird die rückwirkend gültige Höhergruppierung in die Entgelt
gruppe 13 in Kürze vollzogen. Sie erhalten ab dem kommenden Jahr zusätzlich ebenfalls die Zulage in Höhe von 170 Euro.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage nichts Neues: Das Lehrertarifrecht ist komplex. Es hält nicht für jeden Einzelfall eine befriedigende Lösung bereit. Dennoch: Wir haben die Einkommen der ganz überwiegenden Zahl unserer Lehrerinnen und Lehrer deutlich verbessert und werden sie noch weiter verbessern. Die aufgrund des Handlungsprogramms eingesetzte Anerkennungskommission – in dieser wirken unter anderem auch die Lehrergewerkschaften sehr konstruktiv mit – hat sich der vielen Fallgruppen von Lehrerinnen und Lehrern mit DDRAusbildung angenommen. Ihre Ergebnisse werden zu weiteren Angleichungen und Verbesserungen führen.
Auch für die Gruppe der Referendarinnen und Referendare setzen wir die durch das Handlungsprogramm initiierten Verbesserungen um. Sie werden seit dem 1. Februar 2019 hier grundsätzlich im Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt. Die bereits zum 1. August 2018 eingestellten Referendare konnten diese Verbeamtung beantragen – 95 von ihnen haben dieses Angebot bisher genutzt. Den Abschluss des zweiten Staatsexamens vorausgesetzt und bei Gymnasien und berufsbildenden Schulen an bestimmte Fächer bzw. Fächerkombinationen gekoppelt, garantieren wir allen seit dem Einstellungstermin 1. August 2018 ihre Einstellung in den sächsischen Schuldienst.
Wer sich zudem als Referendar dazu bereit erklärt, erstens den Vorbereitungsdienst an einer Schule außerhalb der Ballungszentren Dresden und Leipzig zu absolvieren und zweitens nach erfolgreicher Lehramtsausbildung für fünf Jahre an einer Schule im ländlichen Raum – wir sagen: in unseren Bedarfsregionen – zu unterrichten, der erhält zusätzlich zum Grundgehalt in Höhe von rund 1 500 Euro Brutto einen Anwärtersonderzuschlag in Höhe von etwas mehr als 1 000 Euro Brutto. Damit zählen unsere Referendare deutschlandweit zu den bestverdienenden Lehrern in Ausbildung. Die entsprechende Verwaltungsvorschrift wird am 1. August 2019 in Kraft treten und der Anwärtersonderzuschlag ab diesem Monat gezahlt werden, teilweise auch mit der Option auf Rückwirkung.
Ebenfalls am 1. August 2019 werden die beiden neuen zusätzlichen Ausbildungsstätten für das Lehramt an Grundschulen ihren Betrieb aufnehmen. Zum einen in Annaberg-Buchholz und zum anderen in Löbau sollen sie die Regionen in West- und Ostsachsen stärken. Das sind die Regionen, in denen wir den größten Bedarf haben. Wir wollen damit die Bindung an unsere Regionen noch deutlicher hervorheben.
Lehrerinnen und Lehrer müssen sich wieder stärker auf ihre pädagogische Arbeit und damit auf ihr Kerngeschäft, guten Unterricht zu erteilen, konzentrieren können. Das ist unbestritten. Das sichert die Unterrichtsqualität und schafft Entlastung. Auch der Aufgabenumfang von Schulleitungen ist weiter gewachsen. Zudem hat die gestiegene Heterogenität innerhalb der Schülerschaft
sowohl den Beratungsbedarf als auch den Bedarf an individueller Förderung in den letzten Jahren stark erhöht. Die im Handlungsprogramm verankerten Assistenzsysteme umzusetzen ist deshalb wichtiger denn je.
Dafür stehen in diesem Jahr Stellen im Wert von 130 Vollzeitäquivalenten zur Verfügung. Im Jahr 2020 sind es Stellen in einem Umfang von 195 VZÄ. Diese stehen insbesondere für Sprach- und Integrationsmittler sowie für allgemeine Schulassistenten für alle Schularten außer Gymnasien bereit. Seit Oktober 2018 haben wir die ersten 17 Sprach- und Integrationsmittler eingestellt. Die weiteren Ausschreibungen laufen momentan.
Das Programm Seniorlehrkräfte wird am 1. August 2019 starten und die Möglichkeit bieten, Stellen im Umfang von 70 VZÄ zu besetzen – man könnte besser sagen: Arbeitsvolumen im Umfang von 70 VZÄ.
Darüber hinaus läuft seit Februar an 14 Schulen das Pilotprogramm zur Budgetierung von Lehrerarbeitsvermögen. Die Schulen können sich damit gezielt externen Sachverstand für ihre schulische Arbeit einkaufen. Ziel ist es, Entlastung zu schaffen und zugleich die Eigenverantwortung zu stärken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern kommt einem Langstreckenlauf und nicht nur einem Langstreckenlauf, sondern einem Langstreckencrosslauf gleich. Die ersten Kilometer, die ersten Mühen, die ersten Hürden haben wir bereits erfolgreich gemeistert. Ich will hier die Gelegenheit nutzen, um all denen Danke zu sagen, die sich in sehr konstruktiver Art und Weise an diesem Prozess beteiligt haben, externe Partner, die uns immer konstruktiv und kritisch begleitet haben. Ich will ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium und im Landesamt für Schule und Bildung Danke sagen. Das, was dort im letzten Jahr geleistet wurde, ist nicht selbstverständlich. Einige haben es uns nicht zugetraut. Wir als Kultusverwaltung haben unter Beweis gestellt, dass wir dieses ambitionierte und umfangreiche Programm umsetzen können. Herzlichen Dank dafür!
Wir müssen uns aber dennoch kontinuierlich anstrengen und kreativ bemühen, um junge Menschen für den sächsischen Schuldienst zu gewinnen; denn der Einstellungsbedarf bleibt auch in den nächsten Jahren hoch. Mit dem Handlungsprogramm, mit dem Artikelgesetz, mit der Umsetzung haben wir eine gute und solide Grundlage, um im Wettbewerb um die besten Köpfe für Sachsen in Zukunft gute Ergebnisse zu erzielen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Die Fraktionen haben nun in der ersten Runde die Möglichkeit, Fragen zum Berichtsthema an den Staatsminister zu stellen. Er steht auch gern dafür zur
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Staatsminister! Sie sprachen über die vielen verbeamteten Lehrer im ersten Quartal. Für mich stellt sich konkret die Frage, ob die Möglichkeit der Verbeamtung und die Anhebung der Lehrereinkommen dazu geführt haben, dass es zu einer Verbesserung im Einstellungsverfahren gekommen ist. Ist schon etwas zu spüren? Können Sie dazu etwas sagen?
Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir auch dann, wenn wir die Verbeamtung einführen, nicht glauben müssen, dass unsere Probleme sofort gelöst wären und dass die Bewerberlage mit einem Mal so hervorragend wäre, dass wir alle Stellen unproblematisch besetzen könnten, dass wir Auswahl betreiben könnten und dergleichen. Wer diese Erwartungshaltung irgendwo gehabt hat oder sie gar noch schürt, der geht an den Realitäten deutschlandweit, glaube ich, deutlich vorbei.
Das wichtige Ziel, das wir mit der Verbeamtung erreichen wollen, ist, die Wettbewerbsfähigkeit zu den anderen Bundesländern herzustellen und deutlich zu machen, dass wir als Freistaat Sachsen ein gutes, gleich gutes und an einigen Stellen besseres Angebot unterbreiten als andere Bundesländer und damit auch nachhaltig für mehr Lehrernachwuchs werben.
Wie es immer so ist: Einen guten Ruf muss man sich Stück für Stück erarbeiten. Ich glaube, dass sich viele von denen, die auf dem Lehrerarbeitsmarkt unterwegs sind und selbst eine Anstellung suchen, genau anschauen, wie es in den einzelnen Bundesländern aussieht, und dass einige auch gewartet haben, ob wir es in Sachsen mit der Verbeamtung tatsächlich ernst meinen. Der Landtag hat es erst im Dezember beschlossen. Insofern sind Zwischenergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt noch ein Stück weit schwierig. Ich glaube, wir müssen uns noch auf ein Stück des Weges einrichten.
Was man sagen kann, ist aber, dass die Zahl der Bewerbungen aus anderen Bundesländern beim Einstellungsjahrgang 1. Februar 2019 nach oben gegangen ist von ungefähr 20 % in den Vorjahren auf jetzt 30 %. Wir können feststellen, dass wir offensichtlich attraktiver für Bewerber aus anderen Bundesländern sind.
Was wir gerade ganz aktuell merken – aber das Verfahren läuft noch –, ist, dass auch die Zahl derer, die im Lehrertauschverfahren zu uns kommen wollen – das sind in den meisten Fällen Rückkehrer –, deutlich nach oben gegangen ist. Wir reden in absoluten Zahlen noch nicht über Größenordnungen, die unser Problem lösen, aber es zeigt, dass die Tendenz in die richtige Richtung geht. Wenn ich es einmal politisch formulieren will: Wir sehen Licht am Ende des Tunnels und müssen zusehen, dass wir schneller
Eine weitere Wegmarke wird natürlich das große Einstellungsverfahren am 1. August 2019 sein. Die Bewerbungen sind seit Montag möglich. Wir stehen also gerade am Beginn des Einstellungsverfahrens. Wir haben jetzt noch einmal umfangreich in die Lehrerwerbung investiert. Sie haben es alle mitbekommen, dass wir öffentlichkeitswirksam nicht nur für die Einstellung werben, sondern auch für den Lehrerberuf. Wir hoffen, dass wir Stück für Stück bessere Zahlen bekommen. Die ersten Indizien sprechen dafür, dass es uns gelingen kann. Wir müssen weiter hart daran arbeiten, dass sich diese Zahlen auch manifestieren.
Ich möchte auf ein anderes Gebiet in der ersten Frage eingehen. Wir wissen, dass es in den unterschiedlichen Regionen in Sachsen nach wie vor relativ große Probleme gibt, zum einen bezogen auf die Unterrichtsversorgung, zum anderen natürlich auch im Hinblick auf die Einstellung. Ich will nur an Bautzen erinnern. Das will ich jetzt nicht ausführen, weil es hier alle wissen.
Meine Frage ist, welche bildungspolitischen Schritte die Staatsregierung unternimmt, um die sozialräumlichen Ungleichheiten beim Bildungserwerb abzubauen. Wenn der Unterrichtsausfall relativ hoch ist – nehmen wir Bautzen, also die Region Bautzen –, welche Schritte unternehmen Sie dann dagegen? Vielleicht können Sie das noch einmal ausführen, weil es natürlich eine Ungleichheit ist.
Also, ich will noch einmal kurz auf das Lehrertauschverfahren eingehen. Der Saldo beim letzten Lehrertauschverfahren, also im Sommer des letzten Jahres, war für uns positiv. Im Saldo waren wir bei, glaube ich, 40 Lehrern, die wir hinzugewonnen haben.
Wenn man sich die Zahlen jetzt anschaut – 97 wollen zu uns kommen; 41 wollen uns nur verlassen; wie gesagt, in absoluten Zahlen relativ niedrig –, dann zeigt das, dass deutlich mehr zu uns kommen wollen. Es ist ja nicht so, dass ich automatisch jemanden abgeben muss, damit jemand zu mir kommt. Es gibt durchaus Bundesländer, die bereit dazu sind, eine Freigabe zu erteilen und denjenigen gehen zu lassen. Dann kann das für uns schon durchaus positiv sein. Ich würde es nicht so abtun, dass es
nur im Verhältnis eins zu eins ist. Wir haben in letzter Zeit davon profitiert. Ich hoffe, dass es wieder so ist.
Zu der Frage, was den Unterrichtsausfall betrifft: Wir haben im Moment einen Unterrichtsausfall – wir berichten darüber regelmäßig im Schulausschuss –, der außerplanmäßig bei 5 % und planmäßig bei ungefähr 1 % liegt. Nun hilft es wenig, wenn ich sagen würde, in anderen Bundesländern sähen die Zahlen noch ein Stück weit anders aus. Für uns sind die Zahlen selbstverständlich zu hoch. Wir haben im Moment saisonale Schwankungen, Krankheiten etc.
Unser Ziel ist es im Prinzip, über das Programm Unterrichtsversorgung, über die unterjährige Einstellung, die wir dort möglich machen, wo es geht – über Seiteneinsteiger etc. –, den Unterricht so abzusichern, dass es gelingt, den Lehrplanstoff vollumfänglich zu vermitteln und insbesondere in den Abgangsklassen dafür Sorge zu tragen, dass der Unterrichtsausfall minimiert wird. Das ist das wirkungsvollste Element, das wir anwenden können, damit sich die Problemlagen, wie Sie sie skizziert haben, Frau Abgeordnete, tatsächlich nicht realisieren.
Wir sind bemüht, gerade für den ländlichen Raum Werbung zu machen, dass junge Lehrer dorthin gehen. Wir bekommen Schwierigkeiten, wenn wir Lehrer für unseren Schuldienst in unseren Bedarfsregionen nicht begeistern können. Übrigens geht der Blick nicht nur nach Ostsachsen, sondern genauso nach Chemnitz und ins Erzgebirge.