Protocol of the Session on March 14, 2019

(Ines Springer, CDU: Da freue ich mich!)

Mal sehen, ob Sie das freut.

Ich konnte nicht erkennen, dass Sie einmal gesagt hätten, wir haben einen Fehler gemacht. Solange Sie nicht erkennen, dass Sie einen Fehler gemacht haben, und daraus bereit sind zu lernen, werden Sie auch in Zukunft Fehler machen. Wir haben vor wenigen Wochen hier gesessen und über sozialen Wohnungsbau gesprochen. Dieser soziale Wohnungsbau, auch von der Bundesregierung mit 5 Milliarden Euro gefördert, wird wieder wo stattfinden? Der wird nur in den Großstädten stattfinden. Wieder Leuchtturmpolitik!

Wenn man ganz genau hinschaut, sieht man, dass im ländlichen Raum jede Menge Immobilien leer stehen. Da bin ich bei Herrn Günther – er ist gerade nicht hier –, der vorhin sagte – doch, dort ist er, Entschuldigung –: Das Allerwichtigste ist, dass wir den öffentlichen Personennahverkehr entsprechend ausweiten, damit es Möglichkeiten gibt, den ländlichen Raum vernünftig zu erreichen.

Ich hatte es schon einmal angeführt: Ich gehe von Leipzig aus; ich wohne in Leipzig-Grünau. Das ist am äußersten Ende, da brauche ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine halbe Stunde bis ins Stadtzentrum. Würde ich in Delitzsch wohnen, würde ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur 18 Minuten brauchen. Wenn wir derartige Möglichkeiten überall im ländlichen Raum schaffen, dass wir die Städte mit öffentlichem Personennahverkehr relativ schnell erreichen können, dann würden wir den ländlichen Raum viel besser anbinden und mit der Leuchtturmpolitik ein Stück weit aufhören.

Wenn Sie das einmal für sich erkennen würden, wenn Sie einfach sagen würden: Ja, wir haben etwas falsch ge

macht, ja, wir müssen da und dort nachsteuern – dann wäre das ein riesengroßer Pluspunkt, auch in den Augen unserer Bevölkerung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Frau Springer zuerst.

Herr Wurlitzer, wenn Sie sich jetzt an mir abgearbeitet haben, muss ich sagen: gut, freut mich. Aber eines darf ich hinzufügen: Wenn jemand im Nachgang alle Handlungen nur bewertet und selbst nichts vorzuweisen hat, dann weiß ich nicht, was ich davon halten soll.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Lippold, eine Kurzintervention zum Beitrag von Frau Springer?

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE: Ja!)

Gut. Bitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Springer! Wenn Sie aus diesem Hummelparadoxon ableiten wollen, dass die CDU auch künftig gedenkt, sich im Freistaat Sachsen nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren,

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und den LINKEN)

dann kann ich Sie nur warnen: Das Hummelparadoxon ist eine ganz alte Kiste. Das ist längst widerlegt, wissenschaftlich. Das hat etwas mit den kleinen Flügeln und mit den Wirbeln zu tun. Die Hummel kann fliegen, und zwar in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Naturwissenschaft. Das kann ich Ihnen bestätigen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Springer.

Lieber Herr Kollege! Ich hatte im Vorfeld gesagt, dass Sie das bitte nicht ganz ernst zu nehmen brauchen. Das können Sie im Protokoll nachlesen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Baum, jetzt haben Sie das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ich vorhin am Ende der ersten Rednerrunde bereits festgestellt habe – ich wiederholen es –: Wir geben den ländlichen Raum nicht auf.

Stattdessen muss es doch heißen – deshalb haben wir diese Debatte so betitelt: „Gleiche Entwicklungschancen für Stadt und Land“. Als SPD haben wir in Regierungs

verantwortung mit dafür Sorge getragen, dass sich regionale Unterschiede in Sachsen nicht weiter verstärken und dass nicht sogar neue entstehen, sondern dass im Gegenteil flächendeckend leistungsfähige Rahmen- und Entwicklungsbedingungen vorliegen; denn diese sind entscheidend für die Zukunft Sachsens.

Neben den berechtigten Investitionen in die Wachstumskerne muss also angestrebt werden, auch die ländlichen Regionen zu stärken: durch weitere Ansiedlungsprogramme, durch Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen, durch Ausbau der Mobilitätsinfrastruktur, vor allem des ÖPNV, und indem wir bezahlbaren Wohnraum auf dem Lande entsprechend fördern.

Die Grundvoraussetzungen im Land müssen stimmen: Kitas, Schulen, Nahversorgung, Ärzte, Internet, gute Bus- und Bahnverbindung, ordentliche Straßen und natürlich – ganz wichtig – Arbeitsplätze.

Einen wichtigen Schritt dazu haben wir mit dem aktuellen Doppelhaushalt getan, zum Beispiel durch die Förderrichtlinie „Regionales Wachstum“ oder das Programm „Vitale Dorfkerne“, durch den Breitbandausbau, die Wohnraumförderung und über die Bereitstellung von zusätzlich 75 Millionen Euro für den ÖPNV.

Wir werden mit der Richtlinie „Regionales Wachstum“ Investitionsanreize für kleine Unternehmen in den Landkreisen setzen, um die Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern. Diese sollen dadurch in die Lage versetzt werden, zum Beispiel neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten, ihre Angebotsqualität zu verbessern, Prozesse zu optimieren bzw. ihren Umsatz auszuweiten. Gleichzeitig leistet das Förderprogramm einen Beitrag zur Digitalisierung, etwa bei der Anschaffung moderner Maschinen und Anlagen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Förderpolitik mit Augenmaß, die dazu dient, Standortnachteile auszugleichen und die wirtschaftliche Entwicklung in den Landkreisen zu verbessern.

Auch in der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung haben wir als Politiker uns jüngst dafür eingesetzt, wesentliche Verbesserungen zur Überwindung ungleicher Voraussetzungen in strukturschwachen Regionen wie der Lausitz einzuleiten. Denn die vorgeschlagenen strukturpolitischen Instrumente dienen vor allem der Angleichung an strukturstarke Regionen. Sie sollen einen Beitrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse leisten.

Als verkehrspolitischer Sprecher meiner Fraktion möchte ich neben den wirtschaftlichen Maßnahmen exemplarisch vor allem Verkehrsinfrastrukturprojekte, zum Beispiel die Elektrifizierung und den Ausbau der Bahnstrecke Cottbus – Görlitz oder den Ausbau des mitteldeutschen S-BahnNetzes, hervorheben. Das sind Maßnahmen, die einer ganzen Region, die dem gesamten Freistaat nutzen. Sie dienen sowohl der Daseinsvorsorge als auch einer Angleichung der Lebensverhältnisse und können damit zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Darum geht es an

dieser Stelle doch: Versöhnen statt spalten, lebensweltliche und emotionale Entfernungen überbrücken.

Nicht zuletzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es jedoch um drei wesentliche Faktoren, damit Menschen im ländlichen Raum zufrieden leben können: Es geht um soziale Einbettung, um berufliche Perspektiven und vor allem um die Angebote der Daseinsvorsorge.

Abschließend möchte ich Bernward Küpper zitieren, den Oberbürgermeister von Naumburg: „Gleichwertige

Lebensverhältnisse zu schaffen betrifft sowohl den Bereich der städtischen Regionen als auch die ländlichen Räume. Wir müssen die Unterstützung nach Bedarf und nicht nach Himmelsrichtung organisieren. Klar ist: Die Aufgaben lassen sich nur gemeinsam mit Stadt und Land lösen.“

Dies umzusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens und der Demokratie in diesem Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Kagelmann, bitte.

Recht vielen Dank. Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Tja, Herr Baum, das ist nun einmal das Problem. Langsam wird es ein wenig übergriffig. Da überschüttet seit der letzten Doppelhaushaltsdebatte die Staatsregierung den ländlichen Raum großzügig mit diversen Wettbewerben und Fördergeldern, aber das undankbare Volk tanzt immer noch nicht auf der Straße. So kann es gehen.

Wenn man sich schon bemüßigt fühlt, dem ländlichen Raum jetzt so viel Aufmerksamkeit zu schenken, dann hat man in der Vergangenheit offensichtlich irgendetwas verpasst. So viel verlorengegangenes Vertrauen kann man auch nicht in zwei Jahren zurückkaufen.

Was ist aus meiner Sicht die Aufgabe der Staatsregierung? Die Staatsregierung muss Körperschaften dauerhaft in die Lage versetzen, die Grundlagen für gleichwertige soziale und wirtschaftliche Entwicklungen vor Ort zu schaffen.

Begeben wir uns einmal in die Niederungen der Kommunalpolitik; gehen wir in meinen Heimatlandkreis Görlitz, auch Heimatlandkreis unseres Ministerpräsidenten.

(Oh-Rufe von den LINKEN)

Wie sah es dort mit der freistaatlichen Fürsorge für gleichwertige Lebensverhältnisse aus? Beginnen wir gleich einmal mit einem der großen Fehler – er liegt mehr als zehn Jahre zurück: Mit der letzten Kreisgebietsreform versuchte man, drei wirtschaftlich schwache, finanziell klamme und demografisch unausgewogene Kommunen zusammenzupappen und daraus einen prosperierenden Landkreis zu generieren.

Das ist natürlich glorreich gescheitert und musste scheitern. Die Strukturschwäche der Region war bekannt. Die mehrfache Grenzlage der Ausgangsgebietskörperschaften war bekannt: Grenze zu Tschechien, Grenze zu Polen, inländische Grenze zu Brandenburg. Das halbiert den Radius von Wirtschaftsentwicklung und macht es Görlitz heute extrem schwer.

Was haben wir heute? Der Landkreis Görlitz, welch Wunder, hat die ungünstigste Bevölkerungsstruktur, die höchsten Soziallasten und schiebt einen Bug von 24 Millionen Euro Altschulden vor sich her – super. Dann hat man in der Kommune natürlich auch kaum Geld, um gegen den demografischen Trend anzukämpfen.

Zusätzlich kam die von meinem Kollegen Gebhardt erwähnte Zentralisierungsstrategie. Wir haben gegen die Schulschließungspolitik angekämpft. Sie erinnern sich an die Schulrebellen von Seifhennersdorf, die letztlich – an dieser Stelle zumindest – diese Politik tatsächlich zu Fall gebracht haben. Und dabei war gegen all diese Unbill ein Kraut gewachsen. Man hätte solidarisch im Instrument Finanzausgleichsgesetz umverteilen können.

Bis zum heutigen Tag kämpft der Landkreis Görlitz, kämpft der Kreistag um einen Nachteilsausgleich in Form eines Demografiefaktors im FAG – erfolglos. Stattdessen dürfen wir uns immer mal wieder über Brosamen zwischen 1 und 3 Millionen Euro freuen, und das auch erst nach langen Verhandlungen. Hier ist die Verantwortung der Staatsregierung! Ich erwarte, dass man der kommunalen Ebene mehr Gestaltungsspielraum einräumt und ihr mehr vertraut. Wir haben mehrfach vorgeschlagen: Machen Sie regionale Fonds auf. Zuletzt, im letzten Doppelhaushalt, haben wir einen Perspektivsicherungsfonds vorgeschlagen, denn wir wissen unten am besten, was wir brauchen. Das ist auch der Unterschied zu den hochgelobten Projekten und Wettbewerben, die jetzt allerorten ausgerufen werden.

Nun gibt es auf einmal eine neue Hoffnung oder eine neue Herausforderung in der Lausitz: Strukturwandel. Auf einmal ist eine Unmenge Geld da, und vor Ort weiß man kaum, wohin mit dem vielen Geld. Das ist auch kein Wunder. Die Staatsregierung hat 30 Jahre lang die Energiewende blockiert. Da kann man natürlich vor Ort auch keine Gedanken entwickeln, um ein Leitbild für eine zukünftige Lausitz aus dem Boden zu stampfen.