und, Herr Ministerpräsident – er ist nicht da, aber es steht zumindest im Protokoll –, nutzen Sie Ihren Einfluss im Bundesrat, wo Sie dem Auswärtigen Ausschuss vorsitzen.
Der vorgelegte Antrag ist, wie ich sagte, unschädlich. Mehr ist es aber auch nicht. Das Thema ist wichtig. Wir werden dem Antrag zustimmen und sicher miteinander in der Debatte bleiben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ich bin erst einmal froh, dass wir heute in diesem Hohen Haus über das Thema Entwicklungshilfe debattieren; und ja, es wird schon viel Gutes getan, aber es gibt auch einiges Kritische anzumerken.
Mit Ihrem Antrag „Entwicklungszusammenarbeit im Freistaat Sachsen“ sprechen Sie ein wirklich sehr wichtiges Thema an. Umso mehr war ich dann über den Inhalt des Antrags verwundert: Der Landtag soll feststellen, er soll etwas begrüßen, und die Staatsregierung wird aufgefordert, zu berichten.
Sie wollen im Punkt 1, dass der Landtag Folgendes feststellt: Der Freistaat Sachsen betreibt Entwicklungspolitik. Diese dient der Bekämpfung von Fluchtursachen, und das ehrenamtliche Engagement nichtstaatlicher Organisationen bei Entwicklungszusammenarbeit soll gelobt werden. – Das kann man tun, aber dazu braucht es diesen Antrag nicht.
Nun zu Punkt 2. Hierin soll der Landtag das begrüßen, was die Staatsregierung in Sachen Entwicklungshilfe alles schon tut – also auch überflüssig, da keinerlei neue Ideen, was man noch verbessern könnte. Reine Selbstbeweihräucherung ist das.
Im Punkt 3 wird die Staatsregierung zu einer Anzahl von Berichten aufgefordert. Auch dieser Punkt ist überflüssig, weil es für all diese Fragen keinen Antrag im Plenum braucht. Dies alles kann mit Kleinen Anfragen erledigt werden.
Fazit: Das ist ein völlig unnützer Antrag zu einem sehr wichtigen Thema. Und weil das Thema so wichtig ist, nutze ich jetzt die Gelegenheit, einige Anmerkungen zu machen.
Wissen Sie eigentlich, wie kontraproduktiv und schädlich für die Betroffenen in den Entwicklungsländern unsere angebliche Entwicklungshilfe oftmals ist? Das wäre
einmal ein sinnvoller Antrag: Evaluierung der Wirkung unserer bisherigen Entwicklungshilfe. Ich reise seit über 20 Jahren regelmäßig in solche Länder. Was ich dort erlebe, lässt einem oft die Haare zu Berge stehen. Erst jetzt, in den Winterferien, war ich in Gambia, dem Senegal und in Guinea-Bissau. Diese Länder versinken im Wohlstandsmüll aus Europa. Ob Warenlieferungen, die meist in Plastik verpackt sind, alte Autos, die hier nicht mehr fahren dürfen, oder gar Geld, das statt zu den Bedürftigen auf Schweizer Konten der wenigen Reichen im Land gespült wird – nichts von dem hilft der armen Bevölkerung.
Die Menschen dort brauchen keine alten Autos oder in Plastik verpackte Lebensmittel, die die einheimische Wirtschaft kaputtmachen. Diese Menschen, Städte und Regionen brauchen Städtepartnerschaften, Partnerschaften von Bundesländern und Firmen mit Fachkräften, die dort investieren. In diesen Ländern existiert keine Abwasser- oder Müllentsorgung, und die Verpackungen werden seit Jahrhunderten einfach weggeworfen. Das ist so. Nun haben sie aber massenweise EU-Verpackungen aus Plastik, die nicht verwittern und sich im ganzen Land verteilen.
Ein weiteres Beispiel: Wir schicken Geld als Entwicklungshilfe, damit die Fischer im Senegal kleine Boote und Netze erneuern können, und im Gegenzug erhalten wir für unsere großen Trailer die Fischereirechte vor der Küste. Welcher Irrsinn! Was nützen den Fischern dort neue Boote, wenn sie keine Fische mehr in den Netzen haben, weil wir mit modernster Technik die Küsten abfischen? Diese falsche, auf unsere wirtschaftlichen Interessen ausgerichtete Entwicklungshilfe schafft doch erst die Fluchtursachen.
Ich habe vor zwei Wochen selbst mit Fischerfamilien gesprochen. Sie haben keine Zukunft mehr und sehen ihr Überleben darin, ein Familienmitglied nach Europa zu schicken, um von dort aus alle über den Monat zu bringen. Wir brauchen uns doch nicht zu wundern, wenn die Dritte Welt im europäischen Wohlstandsmüll versinkt und eine Familie mit 50 Euro im Monat über die Runden kommen muss, dass diese ihre Kinder nach Europa schickt, um mit Western Union Geld in die Heimat an ihre Familien zu senden. Wir geben immer mehr Milliarden aus, um bei uns mikroskopische Verbesserungen zu erzielen, und könnten mit einem Bruchteil dieser Gelder wirklich etwas zur Verbesserung der Erde bewirken. Darüber sollten wir nachdenken. Darüber sollten wir debattieren, um endlich richtig zu handeln.
Wie es richtig und erfolgreich geht, kann ich auch berichten: Seit nunmehr fast 20 Jahren engagiere ich mich mit einigen anderen im kleinen Königreich Hohoe in Ghana. Wir haben dort ohne jegliche staatliche Unterstützung den Landwirten geholfen, Brunnen und eine Schule gebaut sowie das Dorf elektrifiziert, um den Menschen – ohne eigene wirtschaftliche Interessen oder für eine Gegenleistung – eine Perspektive zu geben. Das Ergebnis: Keiner dort will mehr sein Land verlassen. Wenn Sie oder die
Staatsregierung diesen Ansatz aufgreifen wollen, bin ich gern bereit, Ihnen die Kontaktdaten zu Städten und Regionen in Afrika zu vermitteln, um wirklich etwas gegen die Fluchtursachen zu unternehmen. Oder besuchen Sie einmal meinen Freund, den Stammeskönig Bansah von Hohoe in Ghana.
Dort können Sie mit eigenen Augen sehen, wie uneigennützige und auf die dortige Bevölkerung bezogene Entwicklungshilfe wirkt.
Meine Damen und Herren, inhaltlich hätten wir uns diesen unnötigen Antrag heute wirklich sparen können. Das einzig Positive an dem Antrag ist, dass wir grundsätzlich einmal zu diesem Thema gesprochen haben. Ihr Antrag bringt uns in der Entwicklungshilfe aber keinen einzigen Schritt weiter, deshalb werden wir ihn ablehnen.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Somit frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Schenk, bitte.
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens seit 2015, spätestens mit den Schicksalen der Flüchtlinge und Asylsuchenden, etwa aus Syrien, ist uns eindrücklich klar geworden: Globalisierung und Entwicklungshilfe sind keine abstrakten Themen, auch nicht für uns in Sachsen. Es geht um die ganz praktische Frage, wie wir es gemeinsam schaffen, dass Globalisierung nicht erlitten wird, sondern gestaltet werden kann.
Auch unser Freistaat steht in diesen internationalen Zusammenhängen, und zwar nicht nur über Export und Import. Die Globalisierung ist heute eine Tatsache, und es ist wichtig, wie wir damit umgehen – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Schwierige ist: Diese globalen Interdependenzen erfordern oft komplexe Lösungen. Deshalb braucht es starke Partner. Wir brauchen Kooperation, Abstimmung und Zusammenarbeit. Das wird immer wichtiger, vor allem auf internationaler Ebene. Denn globale Probleme brauchen globale Antworten. Sie sind nicht mehr von Nationalstaaten allein zu lösen. Wir kennen alle diese Beispiele: Klimawandel – ist genannt worden –, Terrorismus, Welthandel, Regulierung der Finanzmärkte, Umweltschutz, Migration.
Die Frage ist also: Was kann und was muss Sachsen zur internationalen Zusammenarbeit beitragen? Die Debatte heute greift zu Recht eines der zentralen Themen heraus. Es ist quasi ein Lackmustest für unsere zivile Gesellschaft: die Frage der Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit und unsere Antworten darauf.
Sachsen unterstützt seit dem Jahr 2017 verstärkt entwicklungspolitische Projekte und Initiativen. Im Haushalt der Staatskanzlei standen in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 400 000 Euro für Entwicklungsprojekte im Ausland sowie für entwicklungspolitische Initiativen und Veranstaltungen in Sachsen zur Verfügung. Diese wurden im laufenden Doppelhaushalt erhöht: auf 550 000 Euro in diesem Jahr und 700 000 Euro im nächsten Jahr. Für diesen Weitblick, der fraktionsübergreifend in diesem Haus besteht, bin ich sehr dankbar. Sachsen zeigt hier globale Verantwortung.
Beispielsweise fördert der Freistaat seit April 2017 das Projekt Schulbildung für die von der Syrien-Krise betroffenen Kinder im Libanon. Ich konnte mir im vergangenen Sommer, zusammen mit einigen Abgeordneten, ein Bild von dieser Arbeit machen. Das elektrisiert jeden, wenn er vor Ort sieht, welche Chancen bestehen, gerade mit Blick auf die Kleinsten. Umgekehrt aber auch, welche Hürden und riesigen Herausforderungen eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, also die Hilfe zur Selbsthilfe, mit sich bringt.
Zum Beispiel realisiert der Dresdner Verein arche noVa e. V. in aufopferungsvoller Weise gemeinsam mit der Partnerorganisation Social Support Society ein Schulprojekt für syrische Flüchtlingskinder in der Bekaa-Ebene im Libanon, nahe an der Grenze zu Syrien. Dieses ermöglicht den Schulbesuch von derzeit 540 Kindern pro Schuljahr und gibt ihnen einen strukturierten Tagesablauf.
Unser Ziel sollte sein, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände vor Ort zu leisten und im besten Fall auch Hilfe zur Selbsthilfe durch Projekte zu schaffen, die Einkommen generieren und den Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Das fängt natürlich mit der Bildung an. Hier werden die Grundlagen für Kreativität, Selbstbestimmung und wissensbasiertes Arbeiten gelegt.
Meine Damen und Herren! Dies sind auch die Grundvoraussetzungen dafür, dass die Menschen in ihren Heimatländern versuchen, Dinge voranzubringen. Dadurch verhindern wir im besten Fall auch, dass sie sich auf einen oftmals gefährlichen, wenn nicht sogar lebensgefährlichen, langwierigen Weg nach Europa begeben, mit oft unrealistischen Lebensvorstellungen.
Auch wenn Sachsen nur einen vergleichsweise geringen Beitrag leisten kann, ist ein stärkeres Engagement von uns ein Gewinn für beide Seiten. Deshalb nehmen wir uns dessen in der Staatsregierung verstärkt an und arbeiten gemeinsam mit Vereinen und der Wirtschaft an einer abgestimmten Strategie.
Entwicklungszusammenarbeit geht aber über die Projektarbeit im Ausland hinaus. Entwicklungshilfe fängt zu Hause an, bei uns in Sachsen und mit jedem Einzelnen, mit uns. Eine starke Säule im Inland ist daher die Bildung für nachhaltige Entwicklung, welche durch die zu Beginn des Jahres verabschiedete Landesstrategie konkretisiert wurde. Durch die Förderrichtlinie des Freistaates Sachsen
wird die entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Inland auch in Zukunft unterstützt werden. Der Freistaat fördert daneben Vereine und Initiativen, die im Ausland Projekte durchführen, von 2017 bis 2018 mit 200 000 Euro.
Die Arbeit der vielen kleinen Vereine und Institutionen in Sachsen, die sich oft ehrenamtlich engagieren, sollte aber nicht nur finanziell gewürdigt werden. Wir wollen, dass ihre Arbeit stärker in den öffentlichen Fokus gelangt und eine breite Aufmerksamkeit gewinnt. Ich wünsche mir eine noch stärkere Sensibilisierung für globale Zusammenhänge. Dazu braucht es Wissen und Empathie. Deshalb freue ich mich immer wieder, wenn ich, wie in diesem Jahr, die Sternsinger in der Staatskanzlei begrüßen darf, die für andere Kinder Geld sammeln. Das schafft wichtige Perspektiven.
Im Jahr 2017 wurde die Fördermöglichkeit von kleinen Projekten im Ausland ins Leben gerufen, die im Auftrag der Staatskanzlei durch die Stiftung Nord-Süd-Brücken erfolgt. Sie wurde sehr gut von sächsischen Trägern der Entwicklungszusammenarbeit angenommen.
Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie der Migrationspolitik ist die Entwicklungspolitik längst kein Nischenthema mehr. Gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, wie Entwicklungsunterstützung vor Ort organisiert werden kann, bleibt daher zentrale Aufgabe der Sächsischen Staatsregierung.
Auch deshalb liegt das Motto des nächsten Dresdner Forums für Internationale Politik in der nächsten Woche, am 19./20. März, und unserer Konferenz am 26. März in Dresden auf der Hand: „Global denken, lokal handeln – Chancen und Möglichkeiten in der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit“. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie alle ganz herzlich dazu einladen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für diese ausführliche und sehr sachliche Debatte zu einem so wichtigen Thema.
Ich nehme noch einmal das Stichwort Fluchtursachen auf, da ich den Eindruck habe, dass sich dieses für mein Empfinden etwas zu stark durch die Diskussion gezogen hat. Bei der Entwicklungszusammenarbeit geht es nicht vordergründig um die Bekämpfung von Fluchtursachen, sondern um Entwicklungszusammenarbeit und die Organisation des Zusammenlebens in einer globalisierten Welt. Ich denke, dieser Unterschied ist wichtig. Wir sollten den Leuten nicht erzählen, dass sie Angst haben müssen, dass alle Fremden hierher kommen usw. Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir alle in der Welt Verantwortung füreinander haben. Das halte ich für sehr wichtig.
Wie vorhin bereits gesagt, wollen wir eine langfristige Entwicklungszusammenarbeit erreichen, die mit konkreten Projekten beginnt und danach in eine vertrauensvolle Kooperation mit den Behörden, der Zivilgesellschaft und mit den Regierungen vor Ort münden kann. Wir sind gern bereit, über Eckpunkte und Prinzipien, wie das geschehen soll, in diesem Hohen Haus zu diskutieren. Das sollten wir tun, und wir nehmen diese Anregungen gern auf. Ich denke, in den nächsten Monaten wird es genügend Gelegenheiten geben, über solche Themen zu diskutieren.
Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Eine Reihe von Stimmenthaltungen und wenige Gegenstimmen. Damit ist der Antrag mit Mehrheit angenommen worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.