Protocol of the Session on March 13, 2019

Das derzeitige Sächsische Vergabegesetz stellt keinen Bezug zu den Herstellungsbedingungen eines Produktes her und kümmert sich auch nicht um die Kosten für die Entsorgung dieser Produkte. Es unterstützt die Ausbeutung von Mensch und Umwelt und wird nicht einmal mehr den internationalen Rechtsetzungen oder der Nachhaltigkeitsentwicklung gerecht.

Ich kann als öffentlicher Auftraggeber, wenn ich den Begriff „Wirtschaftlichkeit“ verwende, nicht nur auf den Nutzen schauen. Ich muss schauen, was mit dem Produkt verbunden ist.

Unser Gesetzentwurf erkennt veränderte Lebenswirklichkeiten an. Ob ein Gesetz neun, 23 oder 40 Paragrafen hat, ist unerheblich. Das war auch ein Vorwurf, den Sie uns gemacht haben. Niemand im Hohen Haus käme auf die Idee, unser Abgeordnetengesetz auf neun Paragrafen zu begrenzen und sich dann dafür feiern zu lassen. Für unsere eigene Handlungsgrundlage gilt das Gleiche wie heute für die Abstimmung über das Vergabegesetz: Was politisch notwendig ist, das muss auch in eigener politischer Verantwortung ausgestaltet werden

Wir werden dann bei der Abstimmung sehen, inwieweit die Mehrheit in diesem Haus dazu bereit ist, endlich eine nachhaltige und faire Vergabe in Sachsen auf den Weg zu bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Pohle. – Bitte sehr, Herr Pohle, Sie haben das Wort.

Recht vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren!

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Da kommt jetzt ganz viel Zustimmung!)

Sehr geehrter Herr Kollege Tischendorf! Es wird nicht besser,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach!)

so beginnt eigentlich im Grunde genommen mein Redeentwurf. Sie interpretieren wieder unseren Koalitionsvertrag. Wir sprechen im Koalitionsvertrag von „prüfen“ und nicht von „umsetzen“ oder „ändern“.

Es ist ein weitverbreiteter, schwer zu bekämpfender Irrtum zu glauben, dass falsche Dinge durch beständiges Wiederholen besser werden – auch Ihr Gesetzentwurf nicht, den wir bereits aus 2012/2013 kennen.

Erstrebenswert ist ein klares, verständliches und handhabbares Vergabegesetz. Noch erstrebenswerter wäre es, überhaupt kein sächsisches Vergaberecht mehr zu haben, sondern so gute Bundesregeln, dass wir gar nicht mehr nachsteuern müssen. Das Gegenteil von erstrebenswert aber ist ein neues Arbeitsgesetzbuch, ein neues Sozialgesetzbuch und ein neues Gleichstellungsgesetz unter dem etwas zu engen Mäntelchen des Sächsischen Vergabegesetzes und auf dem Rücken der sächsischen Unternehmer und Steuerzahler.

Lieber Kollege Tischendorf, kein Mensch will hier irgendjemand mit Mindestlohn abfrühstücken, wie Sie nach unserer Ausschusssitzung so kämpferisch der Presse berichteten. Es waren meiner Erinnerung nach doch Sie, die noch vor fünf, sechs Jahren einen sächsischen Mindestlohn via Vergabegesetz einführen wollten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

Stellen Sie sich vor, es wäre Ihnen gelungen. Dann müssten wir jetzt das Sächsische Vergabegesetz novellieren; denn der sächsische Mindestlohn würde unter dem Mindestlohn im Bund liegen.

Der Gesetzgeber hat dort, wo es hingehört – beim Bund –, entsprechendes Recht gesetzt. Sie können es aber nicht lassen und fordern in § 5 Abs. 4 wieder einen ganz besonderen öffentlichen Vergabemindestlohn, der sich an der Vergütung nach Entgeltgruppe 1, Entwicklungsstufe 2 orientieren soll. Warum eigentlich gerade daran?

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Habe ich gesagt!)

Weil es der Unterschied zu 2006 ist, oder was? Wir haben mittlerweile das Jahr 2019.

Sie sollten den von der Staatsregierung des Freistaates Thüringen in Auftrag gegebenen Evaluierungsbericht studieren. Ich zitiere aus der Zusammenfassung:

„Aufseiten der Unternehmen, Vergabestellen und Interessenverbände der Wirtschaft wird die Einführung eines solchen vergabespezifischen Mindestlohns kritisch

gesehen, da dieser in der geforderten Höhe nicht der Wirtschaftsstruktur Thüringens entspreche, einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursache und“ – jetzt besonders gut zuhören – „eine effektive Kontrolle selbst für den erfahrenen Zoll kaum möglich ist.“

Wie 2012/2013 fordern Sie natürlich auch wieder die zwingende Einhaltung all der an sich vielleicht sogar erstrebenswerten, aber eben vergabefremden Aspekte. Auch dazu der Evaluierungsbericht: „Diese Ergebnisse

sind vor dem Hintergrund zu bewerten, dass 89,9 % der öffentlichen Auftraggeber angaben, dass den Beschaffungsstellen die personelle und institutionelle Fähigkeit fehlt, um soziale sowie den Umweltschutz und die Energieeffizienz betreffende Aspekte stärker zu berücksichtigen. Zudem bewerteten 60 % der Vergabestellen die Aussage als zutreffend, dass sich die Forderung nach Berücksichtigung von sozialen und umweltbezogenen Faktoren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge negativ auf die Rechtssicherheit der Vergabeentscheidung auswirkt.“

Wir werden das Sächsische Vergabegesetz in dieser Legislaturperiode aus zwei Gründen nicht mehr anfassen. Der erste Grund ist: Wir, die Koalitionspartner, haben es einen ganzen Sommer lang einer harten Überprüfung unterzogen. Nicht zuletzt deshalb kenne ich jede Ihrer Forderungen bis ins Detail. Henning Homann hat mit mir über jede dieser Forderungen gestritten – kein Wunder, er hat seinerzeit vermutlich an Ihrem gemeinsamen Urentwurf mitgeschrieben.

Wir haben jede einzelne Forderung auf nur ein Kriterium abgeklopft: Was nützt Sachsen? Im Ergebnis mussten wir erkennen, dass jeder Kompromissvorschlag den sächsischen Steuerzahlern und den Gewerbetreibenden weniger nutzen würde als das bestehende Vergabegesetz. Es waren beinharte Verhandlungen. Trotzdem oder gerade deshalb möchte ich mich noch einmal bei Henning Homann für seine an den Sachthemen und die am Wohl des Landes und an Fairness orientierte Verhandlungsführung bedanken.

(Beifall bei der CDU – Patrick Schreiber, CDU: Bravo! – Geert Mackenroth, CDU: Was ist denn mit dir los? – Unruhe bei den LINKEN)

Der zweite Grund lautet: Wir müssen das Gesetz nicht ändern.

(Anhaltende Unruhe bei den LINKEN)

Liebe Kollegen der LINKEN, wir müssen das Gesetz nicht ändern.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Doch, müssen Sie!)

Um es praktikabel zu halten, mussten wir lediglich einen Paragrafen in der Sächsischen Haushaltsordnung, nämlich § 55 verändern, um der Gleichsetzung von öffentlichen Ausschreibungen und beschränkten Ausschreibungen mit Teilnahmewettbewerb gerecht zu werden. Sie fordern es in Ihrem Artikel 2. Sie müssen Ihr eigenes Gesetz auch einmal durchlesen. Wir haben es aber mit dem Haushaltsbegleitgesetz im Dezember des letzten Jahres erledigt. Sie waren eigentlich mit dabei.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wenn man so viel fordert, dann verliert man aber auch einmal den Überblick. Kein Problem. Wir erledigen das.

Ein gutes Gesetz macht aus, dass es dynamisch genug ist, um veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

Sie schreiben es in Ihrer Gesetzesbegründung selbst: Es gibt ausreichende Gesetzesgrundlagen in der EU und im Bund, um ökologische oder andere Aspekte in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, wenn es der öffentliche Auftraggeber will und kann.

Ich wiederhole mich ungern, aber wenn Ihr linker Kollege in Leipzig, Bürgermeister Rosenthal, eine Sport- oder Schwimmhalle bauen lässt, dann steht in der Leistungsbeschreibung immer auch ein begrüntes Dach – von wegen Billigheimer!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben Ihren Gesetzentwurf, der sogar eine interessante Regelung für den Unterschwellenschutz aufweist, noch einmal gewogen und für zu leicht befunden. Ein guter Paragraf reicht bei insgesamt 23 Paragrafen, fünf Artikeln und ich weiß nicht wie vielen Durchführungsverordnungen eben nicht aus. Wir lehnen den Entwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Nun spricht die SPD-Fraktion. Herr Homann, Sie haben die Chance zu reagieren. Sie haben das Wort, bitte.

(Zuruf von den LINKEN: Lass doch mal die Arbeiterpartei los!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über zwei Gesetzentwürfe zum Vergaberecht, weil wir nach dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE noch über den Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN zu beraten haben werden. Es ist sicherlich nicht immer eine einfache Materie, die sich nur zuvorderst mit der Frage von Verwaltung und Unternehmen beschäftigt. Im Kern geht es auch darum, wie die Jobs ausgestaltet und wie die Arbeitsbedingungen für viele Hunderttausende Sächsinnen und Sachsen sind, die in ihren Unternehmen über staatliche Aufträge Geld verdienen. Um deren Jobs geht es auch beim Vergaberecht.

Es geht aber auch darum, ein System zu entwickeln, das es Kommunen ermöglicht, mit einem Vergaberecht gut arbeiten zu können, um ihre öffentlichen Aufträge, die sie brauchen, um sich zu entwickeln, gut abwickeln und in Auftrag geben zu können, um am Ende vor Ort die notwendigen Investitionen zu tätigen.

Ich glaube, dass es immer wieder wichtig ist, genau über dieses Spannungsfeld zu diskutieren, weil es nicht widerspruchsfrei ist. Es ist genauso wenig widerspruchsfrei wie die Positionen von CDU und SPD in dieser Frage.

Wir müssen aber feststellen, dass wir beim Teil Löhne etwas zu tun haben, dass wir im Bereich der Arbeitsbedingungen in Sachsen etwas zu tun haben. Die Menschen in Sachsen arbeiten fast zwei Wochen mehr als ihre westdeutschen Kolleginnen und verdienen dabei im Durchschnitt 700 Euro weniger. Das dürfen wir nicht

akzeptieren. Natürlich gibt es unterschiedliche Strategien, wie wir auch politische Handlungsspielräume in dieser Frage nutzen können. Ein Baustein ist das Vergabegesetz – ein Baustein!

Im Bereich der Löhne hat sich auch in Sachsen einiges entwickelt. Wir haben es als SPD geschafft, den Mindestlohn durchzusetzen. Davon profitieren viele Menschen auch in Sachsen. Das darf uns aber nicht zufriedenstellen, sondern das eigentliche Ziel besteht darin, dass in Sachsen mehr Menschen, so viele wie möglich, tariflich geregelte, tariflich gesicherte Arbeitsplätze haben. Dazu kann das Vergabegesetz einen Beitrag leisten, um genau diese Tarifbindung in Sachsen zu erhöhen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Deshalb stimmen Sie zu!)

Es gibt zwischen den Parteien CDU und SPD – wir müssen uns keine Illusionen machen – natürlich große Unterschiede. Das wird von dem einen oder anderen immer negiert. Dann wird von „Systemparteien“ oder von „der Koalition“ gesprochen. Nein, es gibt sehr große Unterschiede zwischen SPD und CDU.