Protocol of the Session on December 11, 2018

Ende eines Jahres ein Durchschnitt ermittelt werden, aus dem heraus dann die 90 % ermittelt werden, die den Gemeinden pro Asylbewerber zugewiesen werden.

(Zuruf des Abg. Rico Anton, CDU)

Das heißt, auf kaltem Wege ist es doch durchaus möglich.

Wir wollten damals, dass Personen, die weniger als 50 % Anerkennungswahrscheinlichkeit haben, dauerhaft dazu verpflichtet werden, in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen. Sie kommen jetzt um die Ecke und sagen: 20 %. Das ist tatsächlich willkürlich.

(Zuruf: Das ist menschlich!)

Ach, das ist menschlich. Okay, wir sind unmenschlich, dann können wir sagen: Bei der Schnittmenge 20 % sind wir wahrscheinlich beide unmenschlich. Also wird Frau Nagel an der Stelle möglicherweise recht gegeben.

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Der Gesetzentwurf geht aber nur an der Stelle in die richtige Richtung, und die reicht uns leider nicht aus.

Wir haben noch Kritik an Ihrer Regelung, dass Sie die Menschen maximal 24 Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen lassen wollen. Das reicht im Zweifel nicht aus. Wer keinen anerkannten Asylgrund hat, weil das Verfahren noch nicht entschieden ist, der soll aus unserer Sicht am besten gar nicht auf die Gemeinden verteilt werden; denn das macht es nur schwerer, wenn Personen später abgeschoben werden sollen, diese dann auch wieder zu finden.

Im Übrigen ist es auch leichter, das Sachleistungsprinzip in großen Erstaufnahmeeinrichtungen statt flächendeckend in den Landkreisen umzusetzen. Nur das wird wirklich die Fehlanreize, also die Zugfaktoren in Richtung Deutschland, aufheben.

Ich komme zum letzten Punkt: die Wohnsitzauflage. Aus Ihrer Sicht ist es sicherlich eine konsequente Sache, weil Sie die Menschen in allen Gemeinden in Sachsen an den Früchten Ihrer Politik teilhaben lassen wollen. Diese Wohnsitzauflage wird Ihnen letzten Endes nicht helfen. Aber gut, man kann es machen. Aus Ihrer Sicht ist es konsequent.

Die Kommunen werden in Zukunft mehr Geld für eine Aufgabe, die sie eigentlich gar nicht wollen, erhalten. Aber sparsame Kommunen können damit eigentlich auch ganz gut fahren, das muss man auch sagen. Wer bei 20 % unter dem Landesdurchschnitt bleibt, der wird aus seinem eigenen kommunalen Geldbeutel nichts zuschießen müssen. Das ist ein recht interessanter Anreiz. Grundsätzlich müssten wir dieses Gesetz ablehnen, wir wollen es aber mit Blick auf die Kommunen nicht tun. Deshalb werden wir uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Eine Kurzintervention?

Ja, Frau Präsidentin. – Da Herr Wippel nicht den Mut besessen hat, eine Zwischenfrage zuzulassen, möchte ich im Rahmen einer Kurzintervention zum einen richtigstellen, dass der UN-MigrationsPakt sehr wohl zwischen legaler und illegaler Migration unterscheidet. Zum anderen hat Herr Wippel ja in seiner Rede deutlich gemacht, dass dieses Gesetz in die richtige Richtung geht. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen. – Danke.

(Sebastian Wippel, AfD, steht am Mikrofon.)

Es folgt die Antwort von Herrn Wippel.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Der UN-Migrations-Pakt hat sich dazu bereit erklärt bzw. man verpflichtet sich dazu, an dem Ziel zu arbeiten, dass die illegale Migration komplett in legale Migration überführt wird.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Nein, eben nicht! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist einfach etwas anderes als das, was Sie hier gesagt haben.

(Albrecht Pallas, SPD: Eine Unterstellung! – Sebastian Fischer, CDU: Völlig daneben!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung und die Koalition steigen mit diesem Gesetzentwurf mal wieder ein in den Kampf um das härteste Asylrecht und in den traurigen täglichen Wettbewerb, wer der AfD mit Abschreckungspolitik am schnellsten hinterherläuft.

(Albrecht Pallas, SPD: Nein!)

Doch, Herr Pallas, das müssen Sie schon zugeben. Mit dem Gesetz wollen Sie nichts anderes, als Schutzsuchende aus Herkunftsländern mit einer Bleibeperspektive von weniger als 20 % in einer Ersteinnahmeeinrichtung bis zu zwei Jahre, vielleicht nicht einsperren, aber zumindest kasernieren.

Bei der Bestimmung, wer schlussendlich für 24 Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben „darf“, waren Sie dann ausgesprochen kreativ. Bisher hat nämlich noch kein anderes Bundesland eine solche weitgehende Regelung verabschiedet. Sie bestimmen jetzt – sehr willkürlich – Personen aus Herkunftsländern mit einer bundesweiten Anerkennungsquote von unter 20 %.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche mir, ehrlich gesagt, diese Kreativität bei der Verwirklichung von Humanität, beispielsweise bei der Frage der Unter

stützung der privaten Seenotrettung, statt bei willkürlicher Beschränkung von Menschenrechten, wie es mit einem solchen Gesetz getan wird.

Aber – und das ist das Problem –, Ihre Kreativität entpuppt sich auch verfassungsrechtlich als Irrsinn. Allein Ihre Berechnung der Anerkennungsquote ist abzulehnen, denn sie berücksichtigt eben nicht die bereinigte Schutzquote. Frau Nagel hat es schon ausgeführt.

Ein Beispiel sei genannt: Nach Ihrer Berechnung haben Menschen aus Afghanistan eine Schutzquote von circa 35 %, und nach der bereinigten Schutzquote, bei der nur inhaltliche Entscheidungen zum Herkunftsland und auch Gerichtsurteile berücksichtigt werden, kommt man indessen auf 49 %. Das ist ein immenser Unterschied, den Sie unter den Tisch fallen lassen, zum Nachteil von Schutzsuchenden.

Grundsätzlich ist darüber hinaus nicht klar, ob der Freistaat überhaupt eine Kompetenz zur Verordnungsermächtigung hat. Das Ermächtigungsgesetz ist nicht eindeutig. Es spricht vieles dafür, dass diese Regelung nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Der Bundesgesetzgeber hat es gerade nicht gewollt, dass die Länder frei bestimmen können, wer eine gute und wer eine schlechte Bleibeperspektive hat. Das wurde in der Anhörung mehr als deutlich. Doch anstatt dies ernst zu nehmen, verabschieden Sie lieber ein rechtswidriges Gesetz und verlassen sich anschließend auf die Gerichte. Mit dieser Regelung begeben Sie sich auch rechtlich, fernab humanitärer Gründe, in ein Minenfeld.

Sie stehen schlussendlich vor schwer lösbaren Problemen. Fakt ist: Sobald klar ist, dass das Asylverfahren dauert, ist der Mensch aus der Unterkunft zu entlassen. Das regelt das Bundesgesetz. Fakt ist auch, dass spätestens nach neun Monaten der Zugang zu Arbeit gewährt werden muss. Das ergibt sich aus der EU-Aufenthaltsrichtlinie, und nach dieser dürfen auch keine besonders schutzbedürftigen Personen in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Die Realität zeigt, dass das in der Praxis schon jetzt mitunter nicht beachtet wird. Mit Ihrem Gesetz wird es wahrscheinlich noch schlimmer werden.

Des Weiteren möchte ich das schon angesprochene Problem der Beschulung erwähnen. Nach drei Monaten ist Kindern der Zugang zu Bildung zu gewähren. In Chemnitz wurde gerade ein Curriculum in einer Erstaufnahmeeinrichtung erprobt. Ein Rechtsgutachten kommt jedoch zum Schluss, dass der gesonderte Schulunterricht rechtswidrig ist und nicht den Voraussetzungen einer Beschulung entspricht.

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Abschließend möchte ich noch zu einem anderen Punkt des Gesetzentwurfs kommen: der Kostenausstattungspauschale und der Wohnsitzauflage. Ich habe Zweifel daran, dass die Neuberechnung der Kostenpauschale tatsächlich kostendeckend ist. Eine Vielzahl von Faktoren, beispielsweise hohe Gesundheitskosten, die Notwendigkeit von guter sozialer Betreuung oder verteuerter Wohnraum, sind

nicht inbegriffen. Auch der Elastizitätsfaktor vermag nicht zu überzeugen. Das wurde in der Anhörung ebenfalls mehr als deutlich. Hier ist eine Überarbeitung dringend notwendig, damit insbesondere die kreisfreien Städte nicht auf immensen Kosten sitzen bleiben.

Auch die Wohnsitzauflage halten wir GRÜNEN so nicht für sinnvoll. Flüchtlinge zu zwingen, in Gemeinden zu bleiben, in denen es für sie schwer ist, Arbeit zu finden, wo keine Strukturen für sie existieren oder sie schlichtweg auch nicht erwünscht sind, ist nicht zielführend. Nicht zu vergessen ist der schon vielfach angesprochene hohe Verwaltungsaufwand für die Kommunen. Eine Studie der TU Dresden zur Wohnsitzauflage vom März 2018 kommt überdies zum Ergebnis, dass eine Wohnsitzauflage allein nicht integrationsfördernd wirken kann. Statt der Einführung einer Wohnsitzauflage sollten wir lieber gemeinsam dafür sorgen, dass die Geflüchteten und auch alle anderen gern und freiwillig bleiben.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit Menschenrechten zu experimentieren verbietet der Grundgedanke der Humanität. Genau dies tut aber der Gesetzentwurf. Deshalb kann jede Faktion mit einer klaren Haltung diesen Gesetzentwurf nur ablehnen, und das werden wir tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE – Zuruf des Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. – Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung, Herr Minister Prof. Wöller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bewältigung der Flüchtlingskrise 2015 war nur möglich, weil unsere Kommunen da waren, als sie gebraucht wurden. Binnen kürzester Zeit wurden damals – wir alle erinnern uns – nicht nur das BAMF und unsere Aufnahmeeinrichtungen vor immense Herausforderungen gestellt. Es waren die Landkreise und Gemeinden, die weiter verteilte Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen mussten.

Seitdem hat sich die Lage deutlich entspannt. Nach wie vor ist die Zahl der eingereichten Asylanträge aber hoch. Nach wie vor sind es die Kommunen, die ihren Teil bei der Aufnahme und Integration leisten.

Der vorliegende Gesetzentwurf trägt dem Rechnung. Er dient in erster Linie der Entlastung der Kommunen. Er schafft aber auch Klarheit für jene, deren Bleibeperspektive gering ist.

Meine Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf umfasst im Wesentlichen zwei Regelungskomplexe: erstens die Anpassung der Flüchtlingspauschalen 2017 und 2018 und zweitens die Verlängerung der Wohnpflicht in den Aufnahmeeinrichtungen.

Zu Punkt 1. Wie Sie alle wissen, lässt Sachsen seine Kommunen in Sachen Asyl nicht allein. Für jeden untergebrachten Asylbewerber zahlen wir eine personengebundene Pauschale. Diese Pauschale haben wir nun für die letzten beiden Jahre angepasst. Für das Jahr 2017 werden den Kommunen zusätzliche Finanzmittel in Höhe von circa 7,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für das Jahr 2018 werden es sogar circa 10,5 Millionen Euro sein. Hinzu kommt die Ausreichung eines Härteausgleiches von 8 Millionen Euro an unterbringende Kommunen und Landkreise, mit denen durch örtliche Verhältnisse bedingte erhöhte Aufwendungen abgefedert werden. Ich freue mich, dass wir mit diesem Beitrag auch den Vorstellungen der kommunalen Familie entsprechen können.

Zu Punkt 2, die Verlängerung der Wohnverpflichtung in den Aufnahmeeinrichtungen. Ich sage es an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit: Anerkannten Asylbewerbern gewähren wir Schutz in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Unterbringung in unseren Kommunen. Wir helfen ihnen bei der Eingewöhnung in Sachsen, indem wir ihre Integration fördern, aber auch fordern. Wir handeln menschlich und werden unseren humanitären Herausforderungen gerecht. Wer aber diese ausgestreckte Hand nicht annimmt, wer bei uns straffällig wird, wer unsere Hausordnung, das Grundgesetz, nicht anerkennt oder wessen Asylantrag abgelehnt wird, mit dem muss noch deutlicher als in der Vergangenheit entsprechend und konsequent verfahren werden.

(Beifall bei der CDU)

In meinen Augen gehört dazu auch, keine falsche Bleibeperspektive zu vermitteln. Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive sollen deshalb möglichst bis zum Ende ihres Asylverfahrens in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben. Mein Kollege Rico Anton hat an dieser Stelle richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir diese Regelung in voller Übereinstimmung mit der kommunalen Familie aufgenommen haben, weil wir die Integration und die Verfahren nur mit den Kommunen gemeinsam leisten können, um eine zügige Rückführung sicherzustellen, aber auch, damit sich die Kommunen auf die Integration derjenigen konzentrieren können, die tatsächlich Bleiberecht haben.

Meine Damen und Herren! Bei den Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern ist es schon länger so Praxis. Sie verbleiben bis maximal 24 Monate, also in der Regel bis zum Abschluss des Verfahrens, in unseren Landeseinrichtungen. Bei den anderen Asylsuchenden, die ebenfalls nur eine sehr geringe Bleibeperspektive haben, betrug der Maximalzeitraum dafür bislang nur sechs Monate. Spätestens dann mussten sie auch, wenn de facto keine Hoffnung auf Anerkennung bestand, in unsere Landkreise und kreisfreien Städte weiter verteilt werden.