Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren. Die Petentin hat sich tatsächlich im Mai dieses Jahres mit Ihrem Anliegen auch an mich gewandt. Beim Lesen des Schriftwechsels mit der Stadt zur Kita-Finanzierung konnte ich es tatsächlich kaum glauben, dass es in diesem Streitfall keine Lösung geben kann. So geht es mir auch, nachdem ich den Petitionsbericht gelesen habe.
Worum es genau geht, hat Frau Junge dargestellt. Die Petentin, Trägerin mehrerer Kindertageseinrichtungen, fordert von der Stadt die Finanzierung einer zusätzlichen Personalstelle, und das durchaus aus gutem Grund. Wir haben gehört, dass die Stadt im Jahr 2015 beschlossen hatte, alle ankommenden Flüchtlingskinder in einer einzigen Einrichtung betreuen zu lassen, und zwar in einer, die von der Petentin betrieben wird. Ich frage mich zunächst, mit welchem Recht hier die Stadt auf die Plätze eines freien Trägers zurückgreift. Das sage ich hier nur am Rande.
Das Ergebnis dieser Lenkung ist jedenfalls Folgendes, und auch das hat Frau Junge bereits dargestellt: In der Einrichtung werden 70 Kinder betreut, davon 26 Kinder aus Flüchtlingsfamilien aus 10 Nationen, 9 Integrationskinder und 26 Kinder mit erheblichen Lebens- und Lernschwierigkeiten. Eigentlich sollte es hier selbstverständlich sein, dass eine solche Zusammensetzung einen erhöhten Personalaufwand nach sich zieht. Das hat die Petentin in mehreren Schreiben der Stadt dargelegt. Aber diese sieht keinen Bedarf für den Einsatz und die Finanzierung weiterer Fachkräfte. Das hat sie mit einem sehr lapidaren Satz begründet. Den muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. „Nach intensiver Prüfung“ – so schreibt die Stadt – „des Sachverhaltes ist es uns aus haushalterischer Sicht nicht möglich, Ihrem Anliegen stattzugeben und eine zusätzliche VZÄ zu finanzieren.“
Um der Petition gerecht zu werden, müssen hier zwei Dinge auseinandergehalten werden, nämlich einerseits das Inhaltliche, das Fachliche und andererseits das Rechtliche. Kommen wir erst einmal auf die fachliche Ebene.
Aus meiner Sicht ist es völlig unstrittig, dass in der betreffenden Kita ein erhöhter Personalaufwand gegeben ist, das heißt, dass man mehr Personal braucht, als der Regelpersonalschlüssel laut Kitagesetz vorsieht. „Ein
Anteil von 37 Flüchtlingskindern in einer sächsischen Kita entspricht nicht dem Regelfall“, so heißt es im Petitionsbericht. Hinzu kommt, dass 37 Kinder mit erheblichen Lebens- und Lernschwierigkeiten und 13 Kinder mit Behinderungen dort betreut werden. Im Klartext haben 9 von 10 Kindern dort besondere Bedarfe. Dort komme ich logischerweise nicht mit dem Regelpersonalschlüssel aus. Dabei wirkt die Ablehnung des zusätzlichen Personalschlüssels durch die Stadt wirklich fast zynisch. Sie sagt nämlich: „Wir sind weiterhin der Meinung, dass eine dauerhafte persönliche und sprachliche Integration dieser Kinder, gerade der Kinder mit Flucht- und Vertreibungserfahrungen, am wertvollsten durch Interaktion mit anderen Kindern stattfinden kann. Diese Interaktion wird durch ihre Erzieherinnen und Erzieher im Betreuungsalltag begleitet und gibt diesen Kindern das Gefühl von Normalität und Wertschätzung.“ Da frage ich dann schon: Was ist denn hier „Alltag“ und was ist „Normalität“?
Bestärkend ist dann die Einschätzung des Kultusministeriums, an das sich die Petentin natürlich ebenfalls gewandt hat. Der zuständige Referatsleiter hat ihr geschrieben – auch hier Zitat –: „Ihre Ausführungen zu den zusätzlichen personellen Bedarfen sehe ich als fachlich begründet an.“
Wenn der Bedarf also unstrittig ist, muss man sich natürlich jetzt – das ist der zweite Punkt – einmal die Rechtslage anschauen. Laut Sächsischem Kitagesetz muss die Gemeinde die Personal- und Sachkosten finanzieren, die für den ordnungsgemäßen Betrieb einer Kita erforderlich sind, abzüglich der Elternbeiträge und des Eigenanteils der Träger. Es ist aber nicht definiert, was für einen ordnungsgemäßen Betrieb erforderlich ist. Jedoch sind es mindestens die Kosten, die durch die Einhaltung des Regelpersonalschlüssels entstehen.
Das SMK hat einen entsprechenden Erlass zur Finanzierung der freien Träger. Darin heißt es – und das ist genau die Crux –: „Es können“ – es ist also eine Kann-Regelung – „darüber hinaus aber weitere Personalkosten erforderlich sein, unter anderem zur bedarfsgerechten Betreuung bei einem hohen Anteil von Migrantenkindern.“
Allerdings, welche Personal- und Sachkosten für die konkrete Einrichtung als erforderlich anerkannt werden, ist zwischen Gemeinde und den freien Trägern zu vereinbaren. Eben das gelingt hier in diesem Fall nicht. Die Stadt sagt, es gebe keine rechtliche Verpflichtung, sie sagt, es gebe diese Kannregelung nur in diesem Erlass, es gibt keine rechtliche Verpflichtung, für die Kita mit einem hohen Migrantenanteil einen anderen Betreuungsschlüssel sicherzustellen als für andere Kitas, und das ist nicht einmal falsch; denn die Bindungswirkung des Erlasses – ich habe es gerade gesagt – ist mehr als dürftig, weil es nur eine Kannregelung ist.
Das Problem ist also, dass die Petentin der Kitaträgerin mit der Stadt etwas aushandeln soll, wozu die Stadt nicht verpflichtet ist und sich deshalb schlicht weigert. Der Petitionsbericht ist deshalb auch in weiteren Strecken
völlig richtig, entlässt die Petentin aber letztlich doch mit dem Vermerk, dass der Petition nicht abgeholfen werden kann. Richtig ist, dass die Kindertagesbetreuung eine weisungsfreie kommunale Pflichtaufgabe ist. Aber diese Pflichtaufgabe liegt beim Landkreis als örtlicher Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe.
Dennoch darf das Land aus meiner Sicht hier die freien Kitakinder nicht im Regen stehen lassen; denn hier braucht es wirklich eine klare gesetzliche Regelung, und diese wäre wirklich mehr als wünschenswert. Herr Bienst sagte, es ist ja nur eine Kita, die das hierbei betrifft, aber nichtsdestotrotz scheint es ja einen Bedarf zu geben. Da muss sich meines Erachtens das Land auch in die Pflicht nehmen lassen.
In Ermangelung dieser bisher klaren gesetzlichen Regelung wäre es aber meines Erachtens das Mindeste, der Petentin vonseiten des Petitionsausschusses eine klare Empfehlung zu geben. Die könnte so aussehen, dass man ihr erstens sagt, sie möge sich noch einmal an die Fachberatung des Jugendamtes wenden, die ihr auch noch einmal bescheinigt, dass ein besonderer Bedarf vorliegt, so wie es das Ministerium auch gemacht hat, sich andererseits auch noch einmal an den Landkreis in seiner Funktion als Rechts- und Fachaufsicht für die Kinderbetreuungseinrichtungen wendet, der auch noch einmal bestätigt, dass ein besonderer Bedarf vorliegt. Wenn sowohl das SMK als auch das Jugendamt und der Landkreis einhellig feststellen, dass es notwendig ist, dann muss die Stadt hier auch endlich handeln und die entsprechenden Personalkosten einstellen und zur Verfügung stellen.
Wird von den Fraktionen noch weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Piwarz, bitte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kultusministerium hat ja bereits umfangreich Stellung zu dieser Petition genommen. Angesichts der vorgerückten Stunde gebe ich meine Rede zu Protokoll.
Meine Damen und Herren! Zu verschiedenen Beschlussempfehlungen haben einige Fraktionen ihre abweichende Meinung begründet. Die Information, welche Fraktion und welche Beschlussempfehlung es betrifft, liegt Ihnen zu der genannten Drucksache ebenfalls vor. Gemäß § 102 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit zu den Beschlussempfehlungen die Zustimmung des Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss unter Beachtung der abweichenden Auffassungen der einzelnen Fraktionen fest. – Vielen Dank.
Als im Jahr 2015 über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen, konnte niemand das Ausmaß an Herausforderungen vorhersehen, die damit einhergingen und noch einhergehen.
Mehr als 60 000 Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche kamen nach Sachsen; den größten Teil davon haben die kreisfreien Städte aufgenommen. Aber auch die zahlreichen kleineren Kommunen haben sich der großen Aufgabe der Integration gestellt.
Es ist unbenommen, dass dies nicht immer reibungslos funktioniert. Wir alle mussten und müssen uns auf die Situation einstellen. Dabei ist Integration keine Einbahnstraße. Sie gelingt, wenn sie keine neuen Unwägbarkeiten und Ungleichmäßigkeiten schafft.
Bei der in der vorliegenden Petition geschilderten Angelegenheit scheint es jedoch genau diese Ungleichmäßigkeiten zu geben. Unabhängig davon, ob es in der Kindertageseinrichtung durch Wegzüge Aufnahmekapazitäten gab und ob das pädagogische Konzept sowie die langjährige Erfahrung als Integrative Kita die Aufnahme von Kindern mit Migrationshintergrund begünstigen, ist die Zuweisung überproportional vieler Kinder mit Migrati
Eine gleichmäßige Verteilung auch auf die anderen Kindertageseinrichtungen der Kommune wäre nicht nur im Sinne der Kinder wünschenswert. Die Entscheidung darüber trifft jedoch die zuständige Kommune, da Kindertagesbetreuung eine weisungsfreie kommunale Pflichtaufgabe im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ist.
Der Einrichtungsträger hatte sich im Frühjahr dieses Jahres an mein Haus gewandt, das die Abweichung vom Regelpersonalschlüssel als nach Landesrecht begründet eingeschätzt hat. Auch die der Kommune von meinem Haus übersandte Auslegung der rechtlichen Situation hat diese nicht bewegt, ihre Praxis zu ändern.
Ich habe großes Verständnis für das Anliegen des Einrichtungsträgers. Kinder, vor allem unsere Jüngsten, brauchen die bestmögliche Unterstützung auf ihrem Lebens- und Bildungsweg. Die Aufgabe von Trägern und Kommunen ist es, ihnen das zu gewährleisten.
Ich appelliere dringend an den Träger und die Kommune, dass sie sich in dieser Angelegenheit verständigen – wenn
nötig, auch mit einem neutralen Moderator. Zudem möchte ich den Landkreis als Rechts- und Fachaufsicht dazu anregen, die Verfahrensweise der Finanzierung zu prüfen.
Wir haben unsere Sitzung heute abgearbeitet und treffen uns morgen früh um 10 Uhr wieder im Plenarsaal zur Haushaltsberatung.