Protocol of the Session on November 8, 2018

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Wippel. Herr Wippel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Der Jahresbericht 2017 des Sächsischen Rechnungshofes wies ausdrücklich auf das Fehlen eines strategischen Konzepts in der Personalwirtschaft hin. Diese Hinweise greift der vorliegende Antrag auf. Das ist auch gut so, das kann man so machen, und das, was vom Rechnungshof gefordert wird, sollte sozusagen eine Selbstverständlichkeit sein, aber offensichtlich ist es das für die Staatsregierung nicht.

Der Antrag stellt die Forderung nach dem Personalkonzept nicht nur auf, er schreibt der Staatsregierung auch konkrete Mindestinhalte vor; auch das ist in Ordnung, das sollte man tun. Wir können dem Anliegen deshalb auch nur zustimmen, weil es eine Selbstverständlichkeit ist; es ist höchste Zeit dafür.

Die Staatsregierung konnte schon in den letzten Jahren einen Teil der Planstellen nicht besetzen, die Lücke wird sich künftig ausweiten, und bis zum Jahr 2030 wird in Sachsen rund die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Ruhestand gehen. Jede dritte dieser freiwerdenden Stellen könnte nicht besetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie des ifo-Instituts Dresden aus diesem Jahr. Von daher ist ein personalwirtschaftliches Konzept unentbehrlich.

Dieses hat vor allem zwei grundlegende Fragen zu beantworten. Zum Ersten: In welchen Verwaltungsbereichen gibt es wann welchen Nachbesetzungsbedarf? Zum Zweiten: Wie sollen diese Nachbesetzungsbedarfe erfüllt werden? Dass man diese Fragen nicht beantworten kann, ist im Grunde verwunderlich. Auf der anderen Seite ist es wiederum nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass in den Ministerien jeweils eigene Exceltabellen geführt werden, die irgendwie mühevoll in der Staatskanzlei „zusammenklamüsert“ und ausgewertet werden müssen. Echtes Personalmanagement ist definitiv etwas anderes. Wir haben schon seit einigen Jahren Computer, wenn auch das Internet nicht für jedermann altbekannt ist, sondern gerade für CDU-Kreise eher Neuland.

Nach der Stellungnahme der Staatskanzlei zu dem Antrag sei ja alles in bester Ordnung. Der Aufgabenkatalog der Stabsstelle der Staatskanzlei decke sich mit den Inhalten

der geforderten Personalkonzeption. Im Übrigen sind das dann Aufgaben zur Strukturanpassung. Es geht um Anwärterstellen und den Personalpool für Demografie, der aufgestockt werden soll. Es soll eine Arbeitgebermarke entwickelt und ein Arbeitgeberportal eingerichtet werden. Frage ist: Ist es allein ein personalwirtschaftliches Konzept? Die Antwort muss heißen: Nein, natürlich nicht. Es sind Erste-Hilfe-Maßnahmen, aber auch nicht mehr.

Sehr geehrte Staatsregierung, Ihr konzeptionsloses Fahren auf Sicht hat uns den Lehrer- und den Personalmangel bei der Polizei und in der Justiz beschert – mit katastrophalen Folgen. Neben Unterrichtsausfällen und einer desolaten Sicherheitslage kam es zu Arbeitsüberlastungen bei Lehrern, Polizisten und im Justizvollzug. Ihr Fahren auf Sicht wurde nicht nur zum Fahren auf Sicht, sondern zum Fahren auf Verschleiß, und zwar dem Verschleiß der Mitarbeiter.

Mit Notmaßnahmen, wie der Einstellung von Seiteneinsteigern oder der Wachpolizei, konnte man die Folgen dieser katastrophalen Politik nur notdürftig verschleiern. Die geplante Lehrerverbeamtung ist eine weitere Notmaßnahme mit wenig Effekt, aber hohen Kosten. Wenn Sie sich weiterhin beharrlich weigern, eine langfristige Personalkonzeption zu erstellen, dann wird der Personalmangel bei Lehrern und Polizisten in den kommenden Jahren auch die gesamte Landesverwaltung erfassen. Das ist absehbar und die Folgen für das Land werden verheerend sein.

Um dies zu verhindern, stimmen wir schweren Herzens, auch wenn der Antrag von den GRÜNEN ist, dem Antrag zu, weil er eine Selbstverständlichkeit fordert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Schenk, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, das Thema Fachkräfte ist auch für uns im öffentlichen Dienst mittlerweile ein zentrales Thema geworden. Die Gründe dafür sind vielschichtig. In einigen Bereichen – das muss man selbstkritisch sagen – haben wir auch zu spät umgesteuert. Aber wir sehen, dass der lange Aufschwung am Arbeitsmarkt in ganzen Landesteilen für bestimmte Branchen erhebliche Fachkräfteprobleme mit sich bringt. Die Demografie hat mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt durchgeschlagen und zu deutlichen Veränderungen geführt.

Aus diesem Grund hat sich die Staatsregierung in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit der Personalsituation auseinandergesetzt, und die Debatte heute zeigt, wie

vielschichtig die Fragestellungen und Herausforderungen sind. Die heute diskutierten und im Antrag aufgeführten Maßnahmen sind daher dem Grunde nach bereits alle Gegenstand der Agenda und der Aufgaben der Staatsregierung.

Zur Umsetzung wurde am 1. Januar letzten Jahres eine Stabsstelle in der Staatskanzlei eingerichtet, die sich schwerpunktmäßig mit all diesen Fragen beschäftigt. Durch sie sind eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Lassen Sie mich einige nennen, sie sind teilweise schon in der Debatte genannt worden:

Als Erstes denke ich an die Ausbildungsoffensive. Dafür wurden sämtliche Ausbildungsbedarfe gemeinsam mit den Ministerien bis 2030 ermittelt. Im Ergebnis wurden die Ausbildungskapazitäten an unseren eigenen Ausbildungseinrichtungen – Bobritzsch und Meißen möchte ich als Beispiel nennen – pro Ausbildungsjahr um mehr als das Doppelte auf jetzt 550 Anwärter bzw. Auszubildende erhöht. Mit dem Doppelhaushalt sollen jetzt die hierfür notwendigen personellen sächlichen und baulichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die für diese Ausbildungsstätten zuständigen Ressorts SMI und SMJus arbeiten gemeinsam mit dem Finanzministerium mit großem Engagement daran, einen erfolgreichen Start der Ausbildungsoffensive im Jahr 2019 zu gewährleisten.

Darüber hinaus sollen mit dem Doppelhaushalt weitere Ausbildungsstellen zusätzlich geschaffen werden, insbesondere für Rechtsreferendare oder für die Berufsausbildung in Staatsbetrieben wie SIB und Sachsenforst. Als ein Beitrag zur Gewinnung verwaltungsorientierter IT-Fachkräfte hat die Stabsstelle gemeinsam mit der Fachhochschule Meißen die Einführung eines neuen BachelorStudienganges Verwaltungsinformatik auf den Weg gebracht. Ab dem Studienjahr 2020 sollen jährlich 16 Anwärter mit dieser Ausbildung enger an den Freistaat gebunden werden.

Der 2017 eingeführte Personalpool Demografie hat sich bereits in kurzer Zeit als ein sehr erfolgreiches Instrument erwiesen. Der Pool wird genutzt, um dringend benötigte Fachkräfte vorausschauend einzustellen, damit solche Beispiele, die Sie genannt haben, Herr Lippmann, gar nicht mehr vorkommen und eintreten. Wir wollen Brücken schaffen – Beschäftigungsbrücken. Das Wissen, das in der Verwaltung von einer Kollegin oder einem Kollegen gesammelt worden ist, der bis zu drei Jahre vor seinem Eintritt in den Ruhestand dann jemanden an die Seite gestellt bekommt, soll transferiert werden. Nach drei Jahren ist man so eingearbeitet, dass dieses Wissen auch in Zukunft für die Verwaltung vorhanden ist.

Bislang standen dafür 150 Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wir wollen im nächsten Doppelhaushalt diese Anzahl auf 300 verdoppeln. Der Fachkräftemangel, den wir jetzt schon spüren, wird sicherlich in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Die Zahlen, die genannt worden sind, sind richtig. Bis 2030 werden allein altersbedingt etwa 40 % der Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung in den Ruhestand treten. Dabei ist noch nicht

die regelmäßige Fluktuation enthalten. Deshalb müssen wir junge, gut ausgebildete Leute jetzt einstellen.

Es ist richtig: Der öffentliche Dienst steht auch im Wettbewerb mit der Wirtschaft. Aber ich halte nichts davon, das eine gegen das andere auszuspielen. Ich sage ganz klar: Ein gut aufgestellter öffentlicher Dienst ist auch ein Standortvorteil.

(Beifall bei der CDU – Albrecht Pallas, SPD: Für die Wirtschaft! – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Ein funktionierendes Grundbuchamt, eine funktionierende Steuerverwaltung sind zentral für das Funktionieren auch der Wirtschaft. Deshalb ist es wichtig, dass der Freistaat auch in Zukunft ein attraktiver und guter Arbeitgeber ist.

Das fängt schon damit an, dass wir den Weg zu uns so gestalten müssen, dass Bewerberinnen und Bewerber einfacher zu uns finden. Deshalb haben wir die Stellenausschreibungspraxis des Freistaates neu ausgerichtet. Die grundsätzliche Verpflichtung, unbefristete Stellen zunächst nur intern auszuschreiben, ist abgeschafft worden. Wir haben außerdem ein neues Karriereportal als zentrale Plattform für sämtliche Stellenausschreibungen geschaffen. Dieses soll im nächsten Jahr noch weiter zu einem umfassenden „Arbeitgeberportal Freistaat Sachsen“

ausgebaut werden.

Andere Maßnahmenpakete sind begonnen worden. Einige liegen auch noch vor uns. Aktuell bildet die kritische und umfängliche Betrachtung aller wesentlichen Aufgaben und Prozesse im Freistaat einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt. Hintergrund ist, dass auch durch die Digitalisierung zunehmend neue Herausforderungen in der Verwaltung Einzug halten. Deshalb müssen wir uns auch Prozesse sehr kritisch anschauen. Digitale Prozesse können nicht einfach eingeführt werden und bisherige analoge Prozesse, traditionelle Prozesse ersetzen. Sie müssen neu durchdacht, sie müssen neu aufgesetzt werden. Aber das ist alles andere als trivial.

Deshalb haben wir eine Kommission eingerichtet und wollen diese Arbeit gemeinsam mit allen Ministerien und den Arbeitnehmervertretern voranbringen. Ziel ist es, bis Ende nächsten Jahres die wichtigsten Prozesse zu identifizieren, die wir gemeinsam unter dem digitalen Vorzeichen neu gestalten werden. Dabei steht für uns die Nutzerorientierung im Mittelpunkt. Wir müssen die Prozesse aus Sicht der Bedürfnisse von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen denken. Die Leitung der dazu eingerichteten Kommission hat die Staatskanzlei übernommen.

Zum Schluss möchte ich zusammenfassen: Demografie und Digitalisierung sind auch für die Staatsregierung zentrale Herausforderungen. Die Gewinnung von Fachkräften stellt für die Verwaltung eine zentrale Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass mit der zunehmenden Digitalisierung eine neue Aufgabe besteht, die aber auch eine Chance für neue Entwicklungen von Arbeitsprozessen darstellt. Auf beides hat die Staatsregierung durch die

Schaffung geeigneter Strukturen reagiert. Aber klar ist auch, dass dies eine fortdauernde Herausforderung bleibt.

Deshalb werden wir die begleitenden Strukturen, wie beispielsweise die sächsischen Informatikdienste oder unsere Aus- und Fortbildungseinrichtungen, stärken und uns in der Verwaltung für neue technische Innovationen auch offen zeigen. Mit diesem Mix an Maßnahmen bin ich sicher und zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft eine leistungsfähige, gut aufgestellte Verwaltung haben werden, die im Interesse der Menschen und Unternehmen unseres Landes eine gute Arbeit erbringen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort hat die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Herr Abg. Lippmann, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die weitgehend sachliche Debatte, kann aber nicht beginnen, ohne kurz etwas zum Kollegen Löffler zu sagen. Also, entschuldigen Sie, das changierte zwischen Wirrheit und Liberalismus für Dummis. Also – ganz im Ernst –, zu glauben, dass der beste Staat derjenige sei, der nicht existiere, da würde selbst der überzeugteste Neoliberale aus den Latschen fallen. Es ist schlicht falsch, was Sie erzählt haben. Wir werden einen guten Staat in diesem Land nur haben können, wenn wir ausreichend Personal in der Verwaltung haben, beispielsweise um die Steuern, die die Unternehmen verdienen, auch einzutreiben. Das wussten auch schon die alten Römer genau aus diesen Gründen, dass man ausreichend Steuerbedienstete

braucht.

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Zweitens – lassen wir die Frage und gehen zu dem über, was sachlich ausgeführt wurde. Ja, wir sehen, dass die Staatsregierung in den letzten Jahren viel gemacht hat, und wir sehen auch, dass die Koalition zu einem Umdenken im Freistaat Sachsen geführt hat. Viele der Maßnahmen haben wir seit Langem gefordert, und viele der Maßnahmen sind auch richtig.

Ich habe nicht ein grundsätzliches Problem mit dem Demografie-Pool. Das Problem ist: Die Koalition kann nichts dafür, dass die Staatsregierung diesen DemografiePool von Anfang an falsch eingesetzt hat. Das waren Gründungsfehler dieses Demografie-Pools. Es nützt auch nichts, das aufzustocken, wenn wir als Erstes unter anderem im Staatsgestüt Stellen aus dem DemografiePool geschaffen bzw. übergeleitet haben, während in der Landesdirektion quasi die Hütte brannte und dort keine Stellen entsprechend über den Demografie-Pool ausgebracht wurden. Das war ein Fehler und hat nicht das Problem behoben, das es beheben sollte.

(Albrecht Pallas, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Lippmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Danke, Herr Präsident, danke, Herr Lippmann. Ich habe nur eine kurze klarstellende Zwischenfrage: Geben Sie mir recht, dass das Mittel des Demografie-Pools nicht dafür da ist, Lücken zu stopfen, sondern dafür, bei Stellen, deren Inhaber in den Ruhestand gehen werden, den Wissenstransfer zu gewährleisten?

Ja, Herr Kollege Pallas, ich gebe Ihnen recht, dass dies das Ziel war. Allerdings hatten wir es auch mit einer Vielzahl von Stellen in anderen Bereichen zu tun, bei denen genau das eingetreten ist und es nicht über den Demografie-Pool abgefedert wurde. Auch die Voraussetzungen, wie dieser Demografie-Pool konstruiert war, bzw. die Frage, wie diese Stellen quasi im eigenen Haushalt noch gegenerwirtschaftet werden müssen usw., haben dazu geführt, dass es für diejenigen, die einen wirklich großen Bedarf in diesem Bereich haben, schlicht unattraktiv war. Wenn man den Gründungsfehler ändert, dann kann der Demografie-Pool durchaus etwas bringen. Das sehen wir so.

Darüber hinaus glaube ich – das ist nach wie vor unsere Auffassung als GRÜNE –, dass wir ein konzeptioniertes und ein integriertes Personalkonzept für diesen Freistaat brauchen. Wir verlangen nicht die Quadratur des Kreises. Wir verlangen auch nicht ein bayerisches oder in diesem Fall ein sächsisches Raumfahrtprogramm. Wir verlangen nur, dass diese Staatsregierung sich bitte hinsetzt und einen Plan bis 2030 erarbeitet, wie viele Menschen wann wo in den Ruhestand gehen, wie sie nachbesetzt werden und welche Voraussetzungen wir dafür haben müssen, damit die Stelle am Ende auch entsprechend besetzt werden kann.

Sie haben zukünftig die Daten. Wenn der Landtag dem Vorschlag folgt und das Personalanalysegesetz beschließt, was in dem Konvolut zur Lehrerverbeamtung enthalten ist, dann laufen in der Staatskanzlei demnächst ganz viele Daten auf. Es ist schön, dass wir dann die Daten haben, aber die muss man auch entsprechend umsetzen, und zwar langfristig. Wir müssen davon wegkommen, uns von Kommission zu Kommission, von Doppelhaushalt zu Doppelhaushalt zu hangeln, hier ein paar kw-Vermerke zu schieben und dort die nächste Kommission zu beauftragen, und das alles bis 2030 durchzukonzeptionieren.

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Eine Stabsstelle könnte genau diese Personalplanung und dieses Personalkonzept schreiben. Nicht mehr verlangen wir und nicht mehr steht heute zur Abstimmung. Aus diesem Grund bitte ich noch einmal darum, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.