Protocol of the Session on November 7, 2018

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Wir kommen nun zu einer zweiten Runde in der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE – –

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Die erste Runde ist noch nicht vorbei!)

Ach nein. Entschuldigung. Das steht nicht hier drauf. Tut mir leid. – Frau Dr. Petry, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Mindestlohn ist eine staatliche Mogelpackung, und es ist ein Armutszeugnis dieses Landes, dass außerhalb der blauen Partei keine einzige Partei mehr bereit ist, diese Kritik offen zu äußern und eine Überwindung des Mindestlohns zu fordern. Sozialpolitik, meine Damen und Herren, ist nicht primär Aufgabe von Unternehmen. Sie ist eine staatliche Aufgabe und über Steuerermäßigungen und Steuererleichterungen zu erreichen.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Frau Dr. Petry, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

(Lachen und Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Wurlitzer, bitte.

(Starke Unruhe)

Darf ich jetzt?

Bitte.

Warum halten Sie es für falsch, wenn sich durch den Mindestlohn das Lohngefüge insgesamt nach oben verschiebt?

(Starke Unruhe)

Ich kann die Frage nicht verstehen, Verzeihung.

Meine Damen und Herren!

Vielleicht können Sie einfach einmal zuhören!

(Starke Unruhe)

Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für die Zwischenfrage. – Herr Wurlitzer, bitte.

Warum halten Sie es für falsch, wenn sich durch den Mindestlohn das Lohngefüge insgesamt nach oben verschiebt?

In der Tat, Herr Homann hat es als Erfolg gefeiert.

(Lachen und Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielleicht hören Sie einmal zu!

(Starke Unruhe)

Zu behaupten, dass die Erhöhung des Lohnniveaus ein Fortschritt ist, das wird Ihnen jeder Mittelständler um die Ohren hauen. Tatsächlich bringen Sie das Lohngefüge, das Gehaltsgefüge durcheinander. Sie können nicht nach Leistung bezahlen. Sie bezahlen, weil der Staat eingegriffen hat. Dies als Fortschritt zu verkaufen – an die CDU, an die LINKEN sowieso – ist ein Armutszeugnis für Ihre ökonomischen Kenntnisse.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Wir brauchen keinen Einstieg in die staatsgelenkte Wirtschaft.

(Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir brauchen Wettbewerb in diesem Land. Davon haben wir viel zu wenig. Im Übrigen für alle, die den Mindestlohn gut finden: Rechnen Sie einmal nach, wie groß der Anteil der staatlichen Abgaben beim Mindestlohn ist. Er beträgt nahezu 40 % – 40 % zwischen dem, was der Arbeitnehmer bekommt und dem, was der Arbeitgeber zahlen muss. Das heißt, der Staat langt mit fast 40 % zu. Das als sozial zu verkaufen, meine Damen und Herren, spricht dem Anliegen, das Sie vorgeben zu verfolgen, einfach nur noch Hohn.

(Zurufe von den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Solange der Staat dies von Arbeitnehmern und Unternehmen bezahlen lässt, sollte er zu sozialer Verantwortung von Unternehmen einfach schweigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Jetzt ist die erste Runde in der Debatte abgeschlossen.

(Zurufe von den LINKEN: Wow! – Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Sie haben die Gelegenheit, sich draußen weiter zu verständigen. – Wir kommen zur zweiten Runde. Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Brünler.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie demaskieren sich mit Ihrem wahren unsozialen Gehabe!)

Bitte sehr, Herr Brünler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, dass Frau Petry die Antwort auf eine spontan gestellte Frage schon fertig formuliert ablesen konnte. Aber lassen wir das.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Es freut mich durchaus, dass die SPD inzwischen die 12 Euro Mindestlohn zumindest in den Medien für sich entdeckt hat. Das muss man schon ernsthaft sagen. Tragisch ist nur, dass sich gleichzeitig die Frage stellt: Ist das ein ernst gemeintes Angebot, oder ist es eher ein Teil des nach den Bayern- und Hessenwahlen ausgerufenen Projektes „linkes Profil schärfen“?

Der Bundesarbeitsminister Heil hat angekündigt, bis 2020 einen Vorschlag zu unterbreiten, wie unter Umgehung der bisherigen Regelungen der Mindestlohnkommission ebenjener Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden kann. Nun weiß ich nicht, ob der SPD dämmert, dass die Art und Weise, wie der Mindestlohn letztlich durch ihr maßgebliches Zutun eingeführt wurde, unter dem Strich doch nicht das Gelbe vom Ei ist, oder ob es sich nur um taktische Spielchen handelt. Denn Fakt ist eines: Erst in zwei Jahren damit „um die Fichte zu kommen“, hat wenig mit der vorgeschobenen geplanten Evaluierung der Arbeit der Mindestlohnkommission zu tun; denn das Ergebnis kennt man angeblich bereits. So sind es wohl doch eher Profilierungsversuche für die Bundestagswahlen, wenn uns nicht vorher vorgezogene Neuwahlen ereilen sollten.

Aber im Kern ist das Vorhaben nichtsdestotrotz gut. Trotzdem bleiben Zweifel, und diese Zweifel sind berechtigt. Genau das, was der Bundesarbeitsminister jetzt als Ziel verkündet hat, hat DIE LINKE vor ziemlich genau einem Jahr im Bundestag vorgeschlagen, und zwar, ohne noch zwei Jahre darauf zu warten. Die Antwort der SPD war Ablehnung, nicht aus Koalitionsdisziplin, was man vielleicht noch nachvollziehen könnte, nein, nach eigener Aussage aus tiefster Überzeugung, dass ein solcher Vorschlag reiner Populismus und mit der SPD definitiv nicht zu machen sei. Ein Jahr später gilt nun das Gegenteil. Warten wir ab, was nächstes Jahr gilt. Warten wir ab, was 2020 gilt. Wir werden sicherlich noch die eine oder andere Überraschung erleben.

Aber zurück nach Sachsen: Der SPD-Vorsitzende Dulig hat vor zwei Wochen in der „Leipziger Volkszeitung“ erklärt, dass auch er einen Mindestlohn von 12 Euro sozialpolitisch für gegeben hält. Darüber, meine Damen und Herren, habe ich mich gefreut. Allerdings habe ich dann den Artikel in der „LVZ“ weitergelesen und vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Dulig im gleichen Interview erfahren, das sei eher eine Langfristperspektive, die der sächsischen Wirtschaft und den sächsischen Arbeitnehmern so auf die Schnelle nicht zuzumuten sei. Darüber haben sich sicher auch welche gefreut, aber bestimmt andere als die, die sich beim ersten Mal gefreut

haben, wurde doch die Idee postwendend wieder abgeblasen – getreu dem Motto: Wir fänden es zwar gut, machen aber erst mal nichts.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Also wie immer!)

Nun, Herr Staatsminister Dulig, haben Sie zwar heute passend zur Debatte über die Presse erklären lassen, dass Sie 2 000 Euro für geboten halten, aber auch hier haben Sie Ihren zeitlichen Horizont wieder ins Ungefähre geschoben, und Sie haben sich gleich noch in einer anderen Richtung herausgeflüchtet, indem Sie auf Tarifverträge abzielen. Nun bin ich ganz bei Ihnen, Tarifverträge sind gut, und ein tariflicher Lohn ist besser und höher als ein Mindestlohn, zumindest, wenn es ein ordentlicher Tarifvertrag ist. Aber Sie kennen genauso gut wie ich die Realität. Sie wissen, wie sich die Tarifbindung entwickelt. Sie wissen, dass viele Menschen in Sachsen eben nicht von Tarifverträgen profitieren. Was machen Sie mit denen?

Die zweite Frage, die sich mir stellt: Was ist denn Ihre längerfristige Perspektive? Wenn Sie zehn bis zwölf Jahre warten, sind wir bei der jetzigen Regelung von ganz allein bei 12 Euro. Das nützt dann nur den Betroffenen nichts; denn die Inflation hat bis dahin den Großteil dessen, was sie bekommen, aufgefressen, und die Probleme existieren nicht in der Zukunft. Sie, meine Damen und Herren, existieren bereits heute.

Eine Familie mit zwei Kindern, wo beide Eltern Vollzeit im Mindestlohn arbeiten, ist eben nur knapp über Hartz IV. Das heißt, das ist eine Familie, bei der die Altersarmut vorprogrammiert ist. Sie kann eben nicht privat vorsorgen und – was noch viel schlimmer ist – sie kann so manches Angebot, um die Chancen der Kinder zu erhöhen, nicht nutzen. Das, meine Damen und Herren, sind keine Einzelfälle. Trotz erfreulich guter Konjunktur hier im Freistaat bekommen 16 % der Beschäftigten Mindestlohn. Trotz Gerede vom Fachkräftemangel – im Niedriglohnbereich gibt es keine Lohndynamik jenseits der Vorgaben des Mindestlohns, und damit ist der Freistaat trauriger Spitzenreiter.