Protocol of the Session on November 7, 2018

Die Frage stellen, Herr Wippel!

Wie können Sie diesen Widerspruch auflösen, dass er einerseits tauglich sein soll und auf der anderen Seite völlig unverbindlich für die anderen, weil wir damit nicht festgenagelt werden können. Das passt nicht.

Dann müssen Sie mir gut zuhören.

(Sebastian Wippel, AfD: Habe ich!)

Dann würden Sie das auch verstehen. Ich habe ihn nicht als taugliches Mittel bezeichnet, sondern als taugliche Grundlage.

(Zurufe von der AfD)

Man hat sich hierbei zu einer politischen Willenserklärung verständigt. Diese Grundlage ist wiederum Voraussetzung dafür, dass wir zu dringend benötigten, dann sehr konkreten Vereinbarungen mit Staaten kommen.

(Oh-Rufe von der AfD)

Ich dachte bis jetzt, dass es bei Ihnen unstrittig sei, dass es überhaupt nicht funktionieren würde, ohne dass wir mit Staaten, beispielsweise in Nordafrika, bei Themen wie Rücknahmeabkommen, Zusammenarbeit, bei der Identitätsfeststellung, bei Themen wie Passersatzpapiere, zu einer Zusammenarbeit, zu einer Vereinbarung kommen, und dafür ist das eine solide Grundlage, auf der man aufbauen kann.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Anton, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage vom Kollegen Hartmann?

Selbstverständlich.

Bitte.

Herr Anton, glauben Sie, dass die aktuellen internationalen Flüchtlingsherausforderungen nur international im globalen Miteinander zu klären sind unter Anerkennung der Fluchtsituation, oder sind Sie der Auffassung, dass eine bilaterale nationale Sichtweise in der Lage wäre, mit den internationalen Flüchtlingsströmen umzugehen? Halten Sie eine nicht national bindende überstaatliche Regelung, die einen Zielkorridor zur Lösung dieses Themas formuliert, für sinnvoll?

(Allgemeine Unruhe)

Sehr geehrter Herr Kollege Hartmann, ich halte es für sinnvoll, dass globale Probleme auch global gelöst werden. Wer auf das Mittelmeer blickt, kann sich dort sehr plastisch anschauen, dass uns Regelungen nur im nationalen Maßstab an dieser Stelle keinen Schritt weiterbringen. Das muss man schlichtweg zur Kenntnis nehmen.

Ich möchte Ihnen aber gern ein paar konkrete Punkte nennen, was aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion auf Basis dieses Abkommens in der deutschen Politik konkret veranlasst ist. Wir brauchen klare nationale Regeln. Nationale Regeln sind nämlich auch Voraussetzung für ein Gelingen. Es geht nicht nur um internationale Regeln. Deshalb arbeitet die Bundesregierung an einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Voraussetzung für eine legale Migration definiert.

Es geht darum, dass nur diejenigen kommen dürfen, die wir auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Die Rahmenbedingungen müssen so sein, dass unsere Sozialsysteme nicht geschwächt, sondern gestärkt werden. Die klare Botschaft muss lauten: Arbeitsmigration findet nach unseren Regeln statt oder sie findet gar nicht statt. Da gibt es überhaupt keinen Dissens.

Wir brauchen auch ein Regime, das gewährleistet, dass illegale Migranten zügig in ihre Heimatländer zurückgeführt werden – wie ich bereits ausgeführt habe –, dazu braucht es Abkommen mit den Herkunftsstaaten. Ebenso wäre es erstrebenswert – wir sprechen ja auch über europäische Länder, die dieses Abkommen unterzeichnen –, dass wir auf europäischer Ebene zu einheitlichen Standards bei der Grundversorgung von Migranten kommen. Dass ein solcher Standard nicht oberhalb des derzeitigen deutschen Standards wäre, ist wohl selbsterklärend. Das wäre auch ein Beitrag zur Eindämmung der illegalen Binnenmigration – die haben wir ja auch innerhalb der Europäischen Union.

Ich habe das Thema Mittelmeer schon angesprochen. Wer will, dass es ein Ende hat, dass im Mittelmeer gestrandete und gerettete Migranten nach Europa gebracht werden, der muss sich für menschenwürdige, gern von der EU unterstützte Flüchtlingslager in Afrika einsetzen. Auch das Thema Grenzsicherung gehört in diesen Kontext.

(Beifall bei der CDU)

Ich erwarte deshalb von der Bundesregierung, dass sie unmissverständlich klarstellt, dass der UN-Migrationspakt die politische Grundlage ist, um genau in diesem Sinne voranzukommen. Wenn das so ist, dann kann man den Migrationspakt nicht nur guten Gewissens unterschreiben, dann muss man ihn sogar begrüßen, auch als AfD.

(Zurufe des Abg. Barth, AfD)

Meine Damen und Herren von der AfD, die Bürger des Freistaates Sachsen können sich absolut sicher sein, dass sich meine Fraktion mit allen zur Verfügung stehenden politischen Mitteln gegen diesen Pakt stellen würde, wenn das, was Sie hier behauptet haben, zutreffen würde. Ich kann Ihnen versichern, wir würden selbst gegen den Migrationspakt auf die Straße gehen und demonstrieren.

(Zuruf von der AfD)

Wir sehen aber in diesem Migrationspakt eine politische Grundlage, um auf internationaler Ebene zu Vereinbarungen zu kommen, die helfen, die Migration zu ordnen, zu steuern und vor allem zu begrenzen, ohne dass dabei unsere nationalen Souveränitätsrechte gefährdet werden. Wenn Sie den Antrag bereits heute zur Abstimmung stellen, werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Wilke. Die Frage geht jetzt nicht mehr. Aber Sie wissen ja.

Ich mache eine Kurzintervention.

Bitte, sie bezieht sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Anton.

Ich beziehe mich auf den Redebeitrag von Herrn Anton. Herr Anton, ich darf Ihnen keine Frage mehr stellen. Aber man fragt sich doch, nachdem Sie von den Vorteilen dieses Migrationspaktes so sehr überzeugt sind, warum denn die Bevölkerung nicht vorher darüber diskutiert hat, aufgeklärt wurde, warum man nicht die Debatte rechtzeitig geführt hat, sondern auf den allerletzten Metern, bevor er unterzeichnet wird, und warum wir plötzlich mit diesem UN-Migrationspakt konfrontiert werden.

(Beifall bei der AfD)

Das war die Kurzintervention. Jetzt kommt die Reaktion von Herrn Kollegen Anton.

Diese Frage ist durchaus berechtigt. Unser Ministerpräsident hat genau diese Kommunikationspolitik der Bundesregierung scharf gerügt. Ich habe das auch in meiner Rede erwähnt. Diese Diskussion und Debatte hätten deutlich eher und pointierter geführt werden müssen. Jetzt ist es, wie es ist. Ich bin zumindest froh und dankbar, dass die Bundesregierung zur Kenntnis

genommen hat, dass sie Nachholbedarf hat und entsprechend in die Gänge kommt.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das waren Kurzinterventionen und Reaktionen darauf. Jetzt geht es weiter in der Rednerreihe. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Nagel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD! Es ist schön, dass Sie sich freuen, dass ich jetzt dazu sprechen werde.

(Zuruf von der AfD: Wir freuen uns doch immer, wenn Sie erscheinen!)

Mit dem vorliegenden Antrag beweist die Fraktion der AfD in diesem Landtag ein weiteres Mal, wie kleingeistig, weltfremd und beschränkt sie ist – und sie macht sich wieder einmal der Anstachelung der öffentlichen Meinung auf Basis falscher Fakten schuldig.

Schauen wir in die Begründung Ihres Antrages. Hierin stehen Mutmaßungen und Falschbehauptungen – Zitat –: „Es wird ein Signal für eine nie da gewesene Wanderungsbewegung geben durch den Pakt. UN-Staaten verpflichten sich.“ Das stimmt einfach nicht. Sie machen Propaganda und das machen Ihre Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene noch ein wenig stärker. Über die Haltung der CDU, die gerade zu vernehmen war, bin ich wirklich schockiert. Sie machen einen Kniefall vor der AfD. Das kann ja eigentlich nicht sein.

(Widerspruch von der CDU – Allgemeine Unruhe)

Wir haben uns für die hoffentlich kommende Übereinkunft der internationalen Staatengemeinschaft nicht zu entschuldigen – so klang das nämlich vorher in dem Redebeitrag –, sondern müssen eher fragen, was sie bringen wird, und hier liegt der Hase im Pfeffer. Dazu werde ich gleich noch kommen.

Zuerst möchte ich – da es noch keiner vor mir gemacht hat –, noch einmal einen Blick auf die Zahlen werfen. Genau wie die Zahl der weltweit flüchtenden Menschen steigt die Zahl der Menschen, die migrieren, aus verschiedenen Gründen. Laut UN lebten 2017 schätzungsweise 258 Millionen Menschen nicht mehr in ihrem Geburtsland. Das sind fast 50 % mehr als im Jahr 2000. Aber ordnen wir das ein. Der Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Weltbevölkerung hat seitdem von 2,8 % auf 3,4 % zugenommen. Das ist nun wirklich keine Zahl, die solche Aufstände in diesem kleinen Land Deutschland erzeugen kann.

Betrachten wir die weltweiten Migrationsbewegungen – und das will ich auch nicht verhehlen oder verschweigen –, ist Deutschland nach den USA und nach Saudi-Arabien eines der weltweit größten Einwanderungsländer – und das nicht nur durch Flucht. Andererseits führt Europa selbst Platz 2 der Auswanderungskontinente an, sprich: 61 Millionen Europäerinnen und Europäer haben ihre

Geburtsregion verlassen. Europa ist nicht nur Ziel von Migration, sondern durchaus auch Auswanderungsregion.

Im Jahr 2017 schaffte es schlussendlich auch Deutschland in die Top 20 der Auswanderungsländer. Sie müssen ja auch ein Interesse daran haben, dass die Menschen, die auswandern, auch bestimmte Garantien in den Ländern haben, in die sie auswandern.

Die Ursachen von Migration können vielfältiger nicht sein. Nur ein kleinerer Teil der Migration entfällt weltweit auf flüchtende Menschen. So weit zu Ihrer Propaganda. Wir wissen, dass sich die geflüchteten Menschen vor allem in nicht europäischen Ländern aufhalten.

Mangelnde Zukunftschancen, Menschenrechtsverletzungen, diktatorische Herrschaftsverhältnisse, aber auch die zunehmende Zahl von Umweltkatastrophen als Auswirkung des Klimawandels, den Sie ja frisch fröhlich leugnen als AfD, sind die eine Seite. Menschen werden gezwungen zu migrieren. Auf der anderen Seite allerdings stehen die ganz normalen Effekte einer sich globalisierenden Welt, von sich internationalisierenden Wirtschaftskreisläufen und Arbeitsmärkten, Neugier auf die Welt, Freiwilligendienste, Studienaufenthalte und Erwerbstätigkeit in anderen Ländern. All diese Bewegungen – das beweist die Migrationsforschung – setzen sich auch immer über die bestehenden Regularien hinweg. Das wird so sein, das ist so.

Die Aufgabe, die aus diesen Befunden folgt, ist eigentlich recht klar: Die Weltgemeinschaft muss dafür sorgen, dass niemand unfreiwillig den eigenen Lebensstandort verlassen muss. Auf der anderen Seite gilt es, mehr Möglichkeiten zu schaffen, freiwillige Migration zu ermöglichen, irreguläre Migration also zu legalisieren. Wir sind dabei klar auf der Seite der UN. Die unsichere Migration, die Menschenleben gefährdet, muss verhindert werden, allerdings nicht durch restriktive Mittel wie Grenzzäune oder bewaffnete Einheiten. Migration muss als ganz normales Phänomen anerkannt und sichere, legale Wege müssen geschaffen werden.