Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Das ist genau der Punkt, den ich gerade aufgeführt habe. Das hatte wirklich zu einem Rückgang, zumindest vorübergehend, geführt. Eine der Überlegungen, die im Raum steht, ist, dass man eine Einrichtung schafft, die das stärker bündelt und den Schulen ein Stück weit die Koordinierungsarbeit abnimmt.
Es gibt Modelle, die wir uns anschauen. Wir müssen schauen, ob sie für uns geeignet sind. Sie kommen nicht unbedingt immer aus dem Schulbereich. Wir haben gerade über Handwerk gesprochen. Es sind, glaube ich, die hessischen Kammern, die eine entsprechende Beratungsstelle für das gesamte Hessen aufgebaut haben. Wir sind gut beraten, uns anzuschauen, wie so etwas möglicherweise auch auf andere Bereiche transformiert werden kann, damit wir das, was hier beschrieben worden ist, weiter nutzen und es zum Einsatz bringen. Dann haben wir weniger Probleme in der tagtäglichen Anwendung.
Die Zeit ist abgelaufen. Ich bedanke mich bei Herrn Staatsminister für die Beantwortung der Fragen und schließe den Tagesordnungspunkt.
Es beginnt die einreichende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Meier. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Bitte, Frau Meier, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meine Rede mit einem Zitat: „Wir hoffen auf eine schnelle Einführung des angekündigten Sonderprogramms zur Elektrifizierung. Der Bund würde damit endlich Verantwortung für seine Schieneninfrastruktur übernehmen und einen wichtigen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit im
Schienenverkehr machen. Wir sind in jedem Fall auf das angekündigte Sonderprogramm des Bundes vorbereitet.“ – Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist leider kein Zitat unseres Verkehrsministers Martin Dulig, sondern das seines Amtskollegen in Baden-Württemberg, Herrn Hermann.
In Sachsen gibt es aktuell etwa 2 500 Kilometer Eisenbahnstrecke, davon sind aber nur 1 000 Kilometer mit einer Oberleitung versehen. Das entspricht einem Anteil von 41 %. Damit belegt Sachsen im Bundesvergleich den dritten Platz – allerdings von hinten.
Neben Berlin, Hamburg und Bremen liegen das Saarland und Hessen mit 90 % Elektrifizierung an der Spitze, im Bundesgebiet insgesamt liegt der Elektrifizierungsanteil bei 60 %. Es lohnt auch ein Blick in das europäische Ausland. Schauen wir auf unsere Nachbarn Polen, Österreich, Niederlande, Belgien, Spanien, Italien, Schweden, dann stellen wir fest, dass all diese Länder vor uns liegen.
Es wird auch immer gern von der Schweiz gesprochen. Wie sieht es dort aus? Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr war dieses Jahr auf Ausschussreise, unter anderem in der Schweiz. Dort haben wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt: Wie sieht es bei euch mit der Elektrifizierung aus? Unsere Gastgeber sagten uns: Nun, ja in der Schweiz liegen wir bei ungefähr 100 %. Daraufhin gab es ein großes Gelächter im Raum.
Die deutsche Bundesregierung hat jetzt endlich erkannt, dass wir in Deutschland einen enormen Nachholbedarf haben, und ein Sonderprogramm zur Elektrifizierung angekündigt. Damit Sachsen darauf gut vorbereitet ist und in der Lage sein wird, Fördermittel effizient abzurufen, brauchen wir in Sachsen ein fundiertes, sachsenweites Eisenbahnelektrifizierungskonzept, wie wir es heute in unserem Antrag fordern.
Baden-Württemberg hat es vorgemacht – ich hatte es in meinem Zitat erwähnt –, aber es lohnt auch ein Blick nach Bayern. Dort gibt es seit Anfang des Jahres die „Bayerische Elektromobilitäts-Strategie Schiene zur Reduzierung des Dieselverkehrs im Bahnnetz in Bayern“.
Der Südwesten macht es vor, und ich finde, sehr verehrte Damen und Herren, Sachsen sollte es dem Südwesten gleichtun und nachziehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen einen leistungsfähigen Schienenverkehr in Sachsen. Wollen wir, dass Chemnitz und Görlitz eine gute Anbindung haben, dann brauchen wir dringend die Elektrifizierung der fehlenden Streckenabschnitte. Wollen wir, dass der Regionalverkehr ein attraktives Angebot und eine echte Alternative zum eigenen Auto auf Pendlerstrecken darstellt, dann brauchen wir ebenfalls die Elektrifizierung der fehlenden Strecken; denn der Einsatz elektrisch angetriebener Züge hat nicht nur den Vorteil, dass sie umweltfreundlicher, leiser und leistungsfähiger sind, sondern sie sind auch wartungsärmer als die Dieselzüge. Damit würden wir auch unsere Verkehrsverbünde finanziell entlasten.
Für den Schienengüterverkehr sind durchgehend elektrifizierte Strecken ebenfalls essenziell. Einerseits würde durch die Möglichkeit, auf mehr Strecken E-Loks zu verwenden, die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit
steigen. Andererseits könnten durch die Elektrifizierung von Lücken im Netz Ausweichstrecken für den Störungsfall entstehen, was natürlich das Angebot insgesamt attraktiver machen würde.
Umso unverständlicher ist es für mich, dass die Staatsregierung die langfristige Verlagerung von Verkehr von der Straße hin zur Schiene nicht ernsthaft verfolgt. Das musste man erst diese Woche wieder feststellen. In einer Pressemitteilung des Verkehrsministers war angekündigt worden, dass auf der A 4 an drei Stellen der sechsspurige bzw. achtspurige Ausbau im Bundesverkehrswegeplan noch nachgemeldet werden soll. Aber eine Entlastung der Autobahn wird es nur mit einem starken Schienenverkehr geben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Aber die Vergangenheit und auch das aktuelle Beispiel zeigen, dass die Staatsregierung – natürlich getragen von den Koalitionen, insbesondere aus SPD und CDU – mit Verve Straßenbauprojekte vorantreibt, aber den Schienenprojekten schlicht die Planungsreife fehlt, sodass die Bundesmittel nicht komplett abgerufen und demnach die entsprechenden Projekte auch nicht realisiert werden können.
Was wir in Sachsen brauchen, ist aber dringend eine Verkehrswende. Damit wir das schaffen, müssen wir im Hinblick auf die Elektrifizierung der Bahnstrecken endlich in Sachsen vorankommen. Ein Elektrifizierungskonzept für Sachsen – wie wir es jetzt fordern – müsste neben den klassischen Projekten zum Bau von Oberleitungen an den wichtigen Strecken mit sofortigem und perspektivischem Bedarf auch alternative elektromobile Antriebe für Schienenfahrzeuge in den Blick nehmen.
In Niedersachsen werden seit Mitte September Züge im regulären Betrieb eingesetzt, die mit Brennstoffzellentechnologie elektrisch angetrieben werden. Solche alternativen Lösungen können dort sinnvoll sein, wo eine Streckenelektrifizierung in absehbarer Zeit nicht realisierbar ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen die Verkehrsinfrastruktur in Sachsen auf die Zukunft endlich vorbereiten, und das Schienennetz ist dafür wirklich das essenzielle Rückgrat. Lassen Sie uns die Möglichkeiten, die uns der Bund mit dem Elektrifizierungsprogramm gibt, wirklich ausschöpfen. Dafür bitte ich Sie, unserem Antrag heute zuzustimmen, damit wir die Staatsregierung auffordern, ein Konzept für eine entsprechende Elektrifizierungsstrategie zu erarbeiten.
Vielleicht noch ein Punkt: Jedes Kind in Sachsen lernt, dass 1839 hier die erste Fernverkehrsverbindung von Leipzig nach Dresden verkehrte. Lassen Sie uns doch an diesen Pioniergeist anschließen! Lieber Herr Dulig, dann können Sie sich demnächst vielleicht auch mit dem schönen Satz zitieren lassen: Sachsen ist auf das ange
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEN legen uns heute einen Antrag zur Elektrifizierung des ganzen Landes vor. Das hat schon einmal jemand proklamiert; darauf kommt ich später zurück.
Eines vorweg: Natürlich ist jede elektrifizierte Strecke ein Gewinn. Aber man muss sehr genau hinschauen, ob es wirtschaftlich auch zu machen ist. Einen Kilometer Strecke zu elektrifizieren kostet 1 Million Euro, und zwar, wenn die Strecke eingleisig ist. Bei zweigleisigen Strecken sind es 1,8 Millionen Euro. Dabei hat man nur die Masten aufgestellt und die Strippe gezogen, hinzu kommen die Kosten für Unterwerke und die Zuführung des Stroms zu den Unterwerken.
Wirtschaftlich wird es vor allem dann, wenn neben ÖPNV noch der Fernverkehr fährt, und selbstverständlich sind Güterzüge der entscheidende Faktor. Es wird folgerichtig in dem Antrag darauf Bezug genommen, dass die sächsischen Dieselstrecken schnell zu elektrifizieren sind. Dabei soll vor allem eine Rolle spielen, ob sie potenzielle Güterverkehrsstrecken sind. Schauen wir uns also die derzeitigen sächsischen Dieselstrecken einmal an, damit wir wissen, worüber wir reden.
Da ist zunächst die Muldentalbahn von Borsdorf über Grimma nach Döbeln und weiter nach Nossen und Meißen: eingleisig, enge Streckenführung, kein Güterverkehr – bis auf den Ast von Meißen ins Tanklager Rhäsa. Dort kommen die Ölzüge an, es gibt hin und wieder noch einen Getreidezug, und das war’s. Mehr Güterverkehr wird dort nicht fahren.
Vor dem Hintergrund, dass die zuständigen ÖPNVZweckverbände Döbeln – Nossen – Meißen vor Jahren eingestellt haben, muss man bei diesem ersten Beispiel schon sehr ernsthaft fragen, ob dort eine Elektrifizierung wirtschaftlich zu vertreten ist.
Die nächste Strecke wäre die von Chemnitz nach Leipzig. Dort verkehrt im ÖPNV der Regional-Express 6. Für diese Strecke ist mit der Deutschen Bahn und dem Freistaat Sachsen die Vereinbarung über die weiteren Planungen gerade unterzeichnet worden. Das deutet sehr stark darauf hin, dass wir in Kürze erfahren werden, dass im Bundesverkehrswegeplan die Strecke aus dem potenziellen in den vordringlichen Bedarf rutscht, denn sonst würde man solche Unterschriften wohl kaum tätigen.
Güterverkehr gibt es dort keinen. Die Strecke wäre allerdings ein potenzieller Umleiter. Aber an der Elektrifi
zierung wird bereits seit Jahren durch den Freistaat gearbeitet. Um Chemnitz – Leipzig kann es an dieser Stelle also auch nicht gehen.
Dann hätten wir noch Leipzig-Plagwitz – Zeitz – Gera. Dort gibt es bereits heute Güterverkehr, nämlich die Kohlependel aus dem mitteldeutschen Braunkohlenrevier. Da Sie aber die Tagebaue lieber heute als morgen dichtmachen wollen, kann es dort also auch nicht um Güterverkehr gehen; denn diesen gibt es nach abgeschalteter Braunkohlenförderung nicht mehr.
Der größte Teil der Strecke liegt außerdem in SachsenAnhalt und Thüringen. Das erwähne ich aber nur der Vollständigkeit halber, schließlich geht es im Antrag um die sächsischen Strecken.
Dann hätten wir noch das umfangreiche Dieselnetz im Erzgebirge. Dort versucht die DB Erzgebirgsbahn, zusammen mit der TU Dresden, der TU Chemnitz und weiteren Partnern, alternative Antriebe zu etablieren, nämlich mit dem EcoTrain. Wenn man die Kosten für den EcoTrain neben die einer Elektrifizierung des gesamten Netzes legt, dann wird man schnell feststellen, dass Elektrifizierung auf Dauer nicht die wirtschaftlichste Lösung ist, zumal Güterverkehre dort völlig fehlen und wohl auch nicht in Gang kommen werden.
Die nächsten beiden Strecken sind ebenfalls ohne Güterzüge: die Müglitztalbahn Heidenau – Altenberg, das ist eine Stichstrecke, und in der Sächsischen Schweiz der Kurs Pirna – Neustadt – Sebnitz – Bad-Schandau.
Im ostsächsischen Raum gibt es Dresden – Görlitz unter Diesel. Diese haben wir zur Elektrifizierung im Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Die Aufgabe wird nun sein, die Strecke in den vordringlichen Bedarf zu bringen. Sie ist für die grenzüberschreitenden Verkehre nach Polen wichtig, damit wir wieder Fernverkehr auf das Gleis bekommen. Außerdem kann sie im Rahmen einer rollenden Landstraße eine wichtige Entlastung für die überfüllte Autobahn A 4 bringen, und sie spielt eine relevante Rolle beim Strukturwandel in der Lausitz. Für ein sächsisches Elektrifizierungsprogramm ist sie aber aufgrund dieser übergeordneten Funktionen eher auch nicht auf der Liste die Nummer eins.
Anders könnte das mit dem Ast nach Zittau sein. Der geht in Schiebock los und führt über Wilthen und Neugersdorf ins Drei-Länder-Eck. Zu DDR-Zeiten gab es dort sogar einmal internationalen Fernverkehr, wenn der eine oder andere Nachtzug nach Rumänien und Bulgarien nicht durch das Elbtal geführt wurde, sondern über Zittau nach Reichenberg und weiter nach Prag. Güterverkehr gibt es heute dort keinen mehr. Eine Elektrifizierung würde das auch nicht ändern; denn spätestens ab Zittau-Grenze über das kurze Stück in Polen nach Hrádek nad Nisou und weiter nach Reichenberg/Liberec würde wohl weiter gedieselt, und weder die Polen noch die Tschechen werden dort etwas elektrifizieren. Im Gegenteil: Den bereits heute existierenden grenzüberschreitenden ÖPNV