Wenn man nämlich gute Abgeordnetenarbeit macht, meine Damen und Herren, dann muss man nicht landesweit die gesamte Staatsverwaltung lahmlegen,
indem man sie nötigt, alle halben Jahre sämtliche Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern auszuwerten und einem Bericht zuzuführen. Auch für die Abgeordnetenarbeit enthält die parlamentarische Demokratie einen Regelmechanismus. Wer nämlich keine gute Abgeordnetenarbeit leistet, der wird nicht lange Abgeordnete oder Abgeordneter bleiben. – So viel zu grundsätzlichen Bemerkungen zu Ihrem Antrag.
Er ist aber auch widersprüchlich. Laut Überschrift sollen Bitten und Beschwerden der Bürger zur Kenntnis genommen und behandelt werden. Sie fordern also, dass die Sächsische Verfassung eingehalten wird. Darin steht nämlich im Artikel 35: „Jede Person hat das Recht, sich … mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Es besteht Anspruch auf begründeten Bescheid in angemessener Frist.“ Um aber einen begründeten Bescheid erlassen zu können, muss das Anliegen erst einmal zur Kenntnis genommen und behandelt werden. Das ist schon im System so angelegt, dazu braucht es nun wirklich nicht noch einen AfD-Antrag.
Der Landtag soll künftig zwei Berichte erstellen: den jährlichen Petitionsbericht und den halbjährlichen Bericht
zur Administrativpetition. Wir meinen, die Zeit, die er darauf verwenden würde, weitere Papierstapel zu produzieren, sollten wir alle nutzen, um die Arbeit zu erledigen, für die wir gewählt sind, gesetzgeberisch arbeiten, stets an aktuellen Themen dranbleiben, die Staatsregierung kontrollieren, Probleme lösen.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN und der SPD – André Barth, AfD: Da hat nur die Nazi-Keule gefehlt!)
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde aus den Reihen der Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Prof. Wöller, bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Demokratie heißt: Alle Macht geht vom Volke aus. Demokratie lebt allein deshalb von Wertschätzung und Partizipation, vom Zuhören und gemeinsamen Gestalten. Wenn wir die Demokratie stärken wollen, müssen wir Möglichkeiten schaffen, den Menschen im Land Gehör für ihre Belange zu schenken, müssen wir sie am politischen Prozess beteiligen bzw. sie dazu animieren. Genau das gehört zu den wichtigsten Aufgaben unserer Zeit. Die Sächsische Staatsregierung ist diese Aufgabe längst angegangen.
Meine Damen und Herren! Mittlerweile reisen fast jede Woche große Teile unseres Kabinetts zum Bürgerdialog in verschiedene Städte Sachsens. Die Staatsregierung zeigt Präsenz bei den Bürgern vor Ort, allen voran unser Ministerpräsident. Ich bin selbst schon oft dabei gewesen und stelle fest: Das Bedürfnis nach Austausch ist groß, so groß, dass wir sicher darin nicht nachlassen werden. Das gilt auch in den sozialen Medien.
Für mein Haus und das Social-Media-Team der Polizei gilt: Wir reagieren auf jede Anfrage, die über unsere Kanäle hereinkommt. Das tun wir schnell und gewissenhaft.
Es muss sich aber niemand in die voll besetzten Säle beim „Sachsengespräch“ setzen oder auf den sozialen Kanälen aktiv sein, um mit Staatsregierung und Behörden in Kontakt zu treten. Unsere Landesverfassung gewährt jeder Person das Recht, sich schriftlich oder mündlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und Volksvertretungen zu wenden. Bürgerbeauftragte sind heutzutage eine Selbstverständlichkeit.
Wer sich an sie wendet, kann sicher sein, dass das jeweilige Anliegen an die zuständigen Stellen weitergeleitet
Natürlich kann nicht zu jedem Thema Stellung bezogen werden. Nicht immer werden die Antworten alle zufriedenstellen. Aber zu behaupten, die Bürgerinnen und Bürger hätten keine Möglichkeit, sich mit der Regierung auszutauschen, ist schlichtweg falsch.
Meine Damen und Herren! Noch ein paar Worte zu Beschwerden gegenüber unserer Polizei. Diese sind auf vielfältige Weise sehr wohl möglich. Einerseits haben wir mittlerweile insbesondere in den Direktionsbüros unserer Polizeidirektionen Ansprechpartner, also Bürgerreferenten bzw. Beschwerdesachbearbeiter, sitzen, die auch persönlich aufgesucht werden können. Andererseits haben – wie Sie alle wissen – Anfang Januar 2016 die Kolleginnen und Kollegen der Zentralen Beschwerdestelle der Polizei ihre Arbeit aufgenommen. Sie sind seitdem erste Ansprechpartner sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Bediensteten der Polizei. Sie nehmen auf allen gängigen Kommunikationswegen unkompliziert genauso Beschwerden entgegen wie Bitten, Hinweise und Anregungen. Nach der Prüfung der jeweiligen Beschwerde erhält der Beschwerdesteller eine entsprechende Antwort. Möglich sind auch persönliche Gespräche mit den Mitarbeitern.
Die Beschwerdestelle arbeitet weisungsfrei und prüft vorgetragene Beschwerden unvoreingenommen. Man kann guten Gewissens behaupten, dass die Arbeit der Beschwerdestelle einen positiven Einfluss auf das Vertrauen in die polizeiliche Arbeit hat. Kritik kann unvoreingenommen überprüft, Fehler erkannt und das Handeln der Polizei nachvollziehbar erläutert werden.
Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden die Dienste der Beschwerdestelle 118-mal für Beschwerden genutzt. 2017 sind insgesamt 202 Beschwerden eingegangen und 436 weitere Beschwerden kamen im letzten Jahr aus den Polizeidirektionen hinzu.
Das zeigt zweierlei: Zum einen wird die Zentrale Beschwerdestelle gut angenommen. Jeder Beschwerde wird mit Sorgfalt nachgegangen. Zum anderen sind 638 Beschwerden pro Jahr in Anbetracht von 12 000 Beamten, die tagtäglich für unsere Sicherheit ihren Kopf hinhalten, und in Anbetracht von mehr als einer Million Bürgerkontakten, die diese Beamten pro Jahr haben, sicher kein Anlass für Stimmungsmache gegen unsere Polizei. Im Gegenteil.
Meine Damen und Herren! Abschließend bleibt noch eines festzuhalten: Eine wie im Antrag geforderte detaillierte statistische Erfassung von Beschwerden und Petitionen wäre allein wegen des unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwandes kaum zu stemmen und damit weder zweck- noch zeitgemäß.
Meine Damen und Herren! Das Schlusswort hat die AfD-Fraktion. Es soll auch gehalten werden? – Frau Abg. Wilke, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Meyer, auch AfDler leben von Essen und Trinken und nicht von aufgesaugten Daten. Herr Minister Wöller, von Stimmungsmache gegen die Polizei kann überhaupt keine Rede sein. Herr Vieweg, Schnüffelantrag, Datenkrake – ich glaube, das liegt uns fern.
Wir sind lediglich auf Zahlen gestoßen, nämlich dass bei 13 147 Petitionen an den Bundestag immerhin 655 000 Administrativpetitionen, also Eingaben, Beschwerden, Bitten oder Hinweise, an die Behörden gehen. Wir wollten nur wissen, welche Themen die Sachsen bewegen und ob es hier ähnlich ist. Von Schnüffelei kann überhaupt keine Rede sein.
Trotz und aufgrund dieser sehr lebhaften Auseinandersetzung mit Ihnen möchte ich doch noch einmal an Ihr Gewissen für die Sache appellieren. Denn was für ein Zeichen wäre das? Mehrheiten für mehr Demokratie im Sächsischen Landtag: Die Belange sächsischer Bürger
würden von der Politik ernst genommen, und zwar sichtbar. Sachsen würde als erstes Bundesland administrativ Petitionen als relevant für die Arbeit – vielleicht sogar im Landtag, vielleicht sogar im Petitionsausschuss – bewerten. Sachsens Verfassung wäre damit mehr gelebte Demokratie. Ja, Sachsen wäre mehr gelebte Demokratie.
Mit Ihrer Abstimmung über unseren Antrag können Sie heute zeigen, ob Sie bereit sind, Ängste und Sorgen der Bürger aufzunehmen und sich tatsächlich auch damit auseinanderzusetzen. Es wäre eine Prise Bürgernähe mehr und damit auch eine Prise mehr Demokratie.
Meine Damen und Herren! Wer der Drucksache 6/14430 seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Drucksache dennoch nicht beschlossen worden.
Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Günther. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wohnungsmangel bzw. Wohnungsnot wird zunehmend zu einem der wichtigsten Themen für die Menschen – gerade in den Großstädten in Sachsen. Wir haben bereits mehrmals dieses Thema im Landtag debattiert. Uns allen ist klar, dass man auf solch ein komplexes Problem nicht nur mit einem Instrument antworten kann, sondern dass es eine ganze Reihe von verschiedenen Instrumenten braucht.
Das Erste – das ist ganz klar –: Wir müssen im sozialen Wohnungsbau vorankommen. Wir als GRÜNE haben es bereits mehrmals angesprochen, dass wir endlich dazu kommen müssen, dass die Gelder, die vom Bund kommen, vollständig für dieses Thema eingesetzt werden, dass wir diesen selbst aufgebauten Stau – weil wir es
Wir wissen auch, dass wir andere Wohnungsformen – genossenschaftliche Wohnungsformen, Baugemeinschaften – unterstützen müssen, also Menschen, die nicht mehr nur als Mieter irgendwo unterkommen wollen. Genauso muss man Mietergemeinschaften unterstützen. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Instrumente, die ich nicht alle aufführen will.
Wenn wir schon beim Sozialwohnungsbau sind, dann ist ein Aspekt, dass der Kreis derjenigen Haushalte, die überhaupt berechtigt sind, solch einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen, um in den Genuss einer Sozialwohnung zu kommen – wenn sie denn vorhanden sind –, im Moment relativ klein ist; denn die Einkommensgrenzen sind extrem niedrig.