Protocol of the Session on September 6, 2018

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Dr. Lippold.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dafür mache ich es ein klein wenig ausführlicher, Herr Kollege Beger.

(Carsten Hütter, AfD: Ich schenke Ihnen noch zwei Minuten!)

Sie wollen „Sonne aufs Dach!“, liebe LINKE. Dass Sie die bekommen, kann selbst die sächsische CDU nicht verhindern. Auf Ihren Antrag näher eingehen möchte ich gern im Zusammenhang mit unserem Änderungsantrag, den wir gestellt haben.

Hier vielleicht ein paar grundsätzlichere Erörterungen dazu. Wir bekommen jedes Jahr zuverlässig etwa 10 000mal mehr Energie geschenkt, als die Menschheit heute braucht – von oben, von der Sonne. Seit sich das Leben vor Hunderten Millionen Jahren die Oberfläche dieses Planeten erobert hat, ist das auch die einzig dauerhaft zuverlässige Energiequelle für die gesamte bisherige Entwicklung, die wir haben. Sie ist damit der Normalfall jeder Energieversorgung auf diesem Planeten, meine Damen und Herren. Solarenergie ist also nicht die „alternative“ Energie, als die sie immer tituliert wird.

Eine alternative Energieversorgung haben wir Menschen für eine winzige historische Sekunde versucht, als wir begonnen haben, über Jahrmillionen gespeicherte Solarenergie in Form fossiler Brennstoffe aus tiefen Löchern zu graben und sie auf Nimmerwiedersehen anzubrennen. Diese historische Sekunde geht jetzt zu Ende – und zwar bevor die Quellen erschöpft sind; denn auch die Steinzeit ging zu Ende, bevor die Steine alle waren.

(Vereinzelt Heiterkeit bei den GRÜNEN, den LINKEN und den fraktionslosen Abgeordneten)

Doch werden wir uns mit den Konsequenzen dieser fossilen Episode viel länger herumschlagen müssen, als sie überhaupt gedauert hat.

Die gute Botschaft lautet: Wir haben es rechtzeitig geschafft, uns und unserem Energiehunger die Kraft der Sonne in höchst effizienter und kostengünstiger Weise nutzbar zu machen. Deshalb können wir die untaugliche Alternative jetzt selbstbewusst hinter uns lassen und – wie Tausende Generationen vor uns – wieder zur nachhaltig

bewährten Normalität unserer Energieversorgung übergehen, ohne dabei unsere zivilisatorischen Errungenschaften aufzugeben.

Dieser Antrag fordert nicht nur „Sonne aufs Dach!“, was leicht zu leisten ist. Er fordert, Solarenergienutzung auf landeseigenen Immobilien in Sachsen auszubauen. Vor wenigen Jahren hätte das noch den Charakter eines vorbildhaften Vorgehens gehabt, einer Machbarkeitsdemonstration. Inzwischen ist das aber zu einem Gebot der ökonomischen Vernunft geworden.

Die eigene Nutzung selbstgeernteter Solarenergie ist heute schlicht eine Kostensparmaßnahme und sollte, dem Gebot einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel folgend, eine Selbstverständlichkeit darstellen, wo immer das möglich ist. Mittlerweile ist die Stromerzeugung aus Fotovoltaik und Onshore-Wind übrigens nicht nur die kostengünstigste Möglichkeit, Strom in neuen Kraftwerken zu produzieren. Nach heutigem Stand ist der Kostenvorteil sogar im Vergleich zu existierenden, laufenden Kohlekraftwerken erreicht.

Haben Sie sich auch gewundert, warum in der Strompreisdebatte in den letzten Monaten eine seltsame Ruhe eingekehrt ist? Dabei geschieht gerade wirklich Spektakuläres. Die Strombörsenpreise sind in den letzten acht Monaten um über 80 % gestiegen – ohne Kohleausstieg, ohne Ausbau erneuerbarer Energie und bemerkenswerterweise übrigens auch ohne Hilfeschreie aus den Verbänden stromintensiver Industrien.

Die Börsenstrompreise sind so massiv gestiegen, weil die Preise der CO2-Zertifikate um etwa 300 % in die Höhe geschossen sind, und das bereits in Erwartung ihrer beschlossenen und eingeleiteten Verknappung im Emissionshandel ETS. Wir sprechen somit über einen rasanten Strompreisanstieg, der explizit durch den hohen Anteil CO2-intensiver Stromerzeugung im Erzeugungsmix

verursacht wird – so viel zu der Leier von dem für Jahrzehnte bezahlbaren Strom dank Braunkohle, die besonders Kollege Rohwer hier immer wieder vorbringt.

Wer dauerhaft bezahlbare Energie haben möchte, hat nur einen einzigen Weg: Er braucht sobald wie möglich dauerhaft kostengünstigen Strom im Strommix. Er braucht notwendigerweise mehr CO2-arme oder CO2-freie Erzeugung ohne versteckte Zusatzkosten, idealerweise sogar im eigenen, teilweise selbst erzeugten und selbst verbrauchten Strommix. Deshalb stimmen wir schon aus ökonomischen Gründen der Intention der LINKEN zu, die Solarenergienutzung auf landeseigenen Immobilien

auszubauen – entweder selbst oder in Kooperation mit Stadtwerken oder Bürgerenergiegesellschaften.

Ökonomisch noch sinnvoller würde das, wenn die Staatsregierung endlich einmal antreten würde, um auf Bundesebene sinnvolle Reformen anzuschieben – etwa eine Reform der Stromsteuer oder einen Wegfall der absurden Abgaben auf selbst genutzten Solarstrom –, anstatt ihre ganze Kraft in den Kampf für einen möglichst CO2intensiven und perspektivisch katastrophal teuren sächsischen Energiemix zu stecken.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Weil es uns außerdem aber wichtig ist, dass es dabei nicht nur um eine Symbolpolitik von Demonstrationsanlagen auf landeseigenen Dächern geht, sondern letztlich um das Ziel der wirtschaftlich sinnvollen CO2-neutralen Deckung eigener Energieverbräuche, haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, den ich noch separat einbringe.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Dr. Muster, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit etwas Positivem beginnen. Hinter der Idee, dezentrale Energiequellen zu nutzen, steht auch die Idee, den privaten Stromverbrauch ein Stück weit unabhängig zu gestalten. Das ist grundsätzlich positiv. Dass dafür jedoch die aktuellen Solartechnologien und die Speicher auf Lithiumbasis das Mittel der Wahl sein sollen, bezweifle ich stark.

Natürlich ist es theoretisch kein Problem, landeseigene Gebäude mit Solaranlagen und Stromspeichern auszurüsten. Wir wissen alle, dass beispielsweise Solarwatt in Dresden genau damit sein Geld verdient.

In den vorangehenden Debatten haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass für den großflächigen Einsatz von Solaranlagen und Batteriespeichern immense Mengen seltener Erden und kritischer Rohstoffe benötigt werden. Diese werden oft in extrem konfliktreichen Regionen abgebaut. Die Abbaubedingungen sind dabei sowohl in sozialer Hinsicht als auch für die Umwelt katastrophal. Im Vergleich dazu müssten Sie die deutschen Braunkohletagebaue als absolut umweltfreundlich und sozialverträglich bejubeln.

(Marco Böhme, DIE LINKE: So ein Schwachsinn! – Jörg Vieweg, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Dr. Muster?

Nein, im Moment nicht.

Allein, das passt nicht in Ihr angeblich so ökologisches Weltbild. Aber bleiben wir bei der Kombination von Solaranlage und Speicher.

Schauen wir uns einmal die derzeitig gängigen Planungen an. Ich kenne die Angebote einiger Berater. Entscheidend ist die erreichbare Selbstversorgungsrate, die durch die Speicherung vom Solarstrom erreicht werden kann. Diese schwankt selbstverständlich je nach Dachausrichtung, verfügbarer Fläche, Anzahl der Sonnenstunden und – wie wir diesen Sommer erfahren haben – auch der ebenfalls von der Sonne abhängigen Außentemperatur. Der Amortisationszeitraum liegt bei mindestens zehn Jahren, unter der Annahme weiterhin deutlich steigender Strompreise

und falls die Installation keine besonders hohen Investitionen in die Gebäudetechnik benötigt.

Wir alle wissen auch, dass die Gebäude des Freistaates Sachsen nicht für die Installation von Solaranlagen und Speichern vorbereitet sind.

(Jörg Vieweg, SPD: Unsinn!)

Es sind also weitere, teils hohe Investitionen notwendig. Eine hohe Leistungsfähigkeit der Speicher wird aktuell allerdings nur für maximal zehn Jahre garantiert, wobei Langzeiterfahrungen unter tatsächlichen Praxisbedingungen noch gar nicht existieren. Der überschüssige Strom wird dann vollkommen unplanbar in die Stromnetze gespeist und verursacht dort weitere immense Kosten.

In der Praxis ergeben sich zahlreiche Probleme, die Sie Ihren Wählern wieder einmal verschweigen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Herr Panter hat eine Kurzintervention.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen und auf meine Vorrednerin eingehen bezüglich ihrer Kritik an den Produktionsbedingungen in der Dritten Welt, was das Thema Silizium anbelangt. Wir haben eine Rohstoffstrategie im Freistaat Sachsen namens ROHSA, die wir hier im Sächsischen Landtag beschlossen haben, und wir haben sie auch fortgeschrieben und weiterentwickelt. Eine Strategie in der Rohstoffstrategie des Freistaates Sachsen ist, eigene Ressourcen im Freistaat zu erschließen, um die Wertschöpfungsketten, Frau Kollegin, zu schließen. Wir erleben momentan gerade im Erzgebirge, dass dort auch Siliziumvorkommen erschlossen werden. Insoweit möchte ich dem Eindruck entschieden entgegentreten, wir würden es hinnehmen, bei unseren Rohstoffressourcen auf Ausbeutung in der Dritten Welt zu setzen, sondern ganz im Gegenteil: Es geht uns im Freistaat Sachsen darum, Wertschöpfungsketten zu schließen und eigene Rohstoffe zum Einsatz zu bringen, auch und insbesondere, was Siliziumvorkommen anbelangt.

Frau Dr. Muster möchte antworten.

Herr Kollege! Gewisse Ansätze von Spuren sind bei genauerem Hinsehen durchaus zu erahnen. Es wird noch sehr lange dauern, bis wir mit diesem Weg Erfolg haben, und auch die Quote an Rohstoffen, die dann bei uns zu finden sind, wird nur sehr gering sein. – Vielen Dank.

Herr Böhme, bitte.

Frau Präsidentin! Ich bin schon ein bisschen verwundert über die Härte, mit der hier CDU und SPD den Antrag ablehnen, gerade auch

weil die CDU im Jahr 2008 selbst so einen Antrag beispielsweise in Thüringen eingebracht und beschlossen hat und diesen – wie gesagt – umsetzt. Auch Rot-Rot-Grün hat im Jahr 2016 in Thüringen einen ähnlichen Antrag wie diesen beschlossen und umgesetzt. Dieser ist aber noch viel härter als der, der Ihnen vorliegt; denn dabei geht es auch noch um die langfristig angemieteten Immobilien des Freistaates in Thüringen – also nicht nur um die eigenen, sondern auch um die angemieteten Immobilien, die dort mit Solarenergieanlagen bestückt werden sollen.

Herr Heinz, Sie sagen, dass die Thüringer heute immer noch weniger Kilowatt auf den Dächern erzeugen würden als die sächsischen Dächer bzw. die sächsischen Solaranlagen. Dazu kann ich nur sagen, dass dieser Vergleich hinkt. Wir haben natürlich auch viel mehr Einwohner und wesentlich mehr landeseigene Immobilien in Sachsen. Deswegen kann man das so nicht vergleichen. Außerdem sagten Sie auch, dass, wenn wir das machen würden, nicht unbedingt die sächsischen Firmen wie SolarWorld oder andere Produzenten von entsprechenden Anlagen davon profitieren würden. Damit könnten Sie vielleicht sogar recht haben, denn wir leben immerhin im Kapitalismus. Würden wir aber ein Vergabegesetz haben, so wie es die Intention bei Einbringung durch unsere Fraktion und durch die Fraktion der GRÜNEN war, dann könnte man regeln, dass beispielsweise heimische Produkte dafür produziert bzw. gekauft werden. Damit könnte man auch das durch Frau Dr. Muster beschriebene Problem ein wenig lösen.

Nun zu Herrn Vieweg: Sie sagten, das Thema Solarthermie sei tot oder nicht mehr effizient genug. Dieser Meinung können Sie natürlich sein, und vielleicht haben Sie damit sogar recht. Aber wir zwingen niemanden, jetzt Solarthermie zum Heizen zu benutzen – Sie können auch gern weiter mit Strom heizen, wenn Sie das besser finden; das geht trotzdem. Ferner sagen Sie, dass wir hier nur kritisieren und nichts vorschlagen würden. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Natürlich ist es erstens unsere Aufgabe als Opposition, zu kritisieren und Missstände aufzuzeigen, aber trotzdem auch konkrete Vorschläge zu machen. Diese Vorschläge liegen Ihnen vor, und sie lagen Ihnen auch in anderer Weise vor. Zum Thema Klimaschutz lagen Ihnen verschiedene Anträge und Gesetzentwürfe vor. Sie reden sich immer damit heraus, dass wir nur kritisieren würden, dabei haben wir hier einen ganz konkreten Handlungsvorschlag, wie wir erneuerbare Energien – in diesem Fall Solaranlagen – unterstützen wollen.

Zur Rede von Herrn Hütter kann ich nur sagen: Das war eine starke Rede. Scheinbar ist Ihr Fraktionsvorsitzender nicht anwesend, weswegen Sie keine Ahnung haben und nichts weiter dazu sagen können. Ich unterstütze auf jeden Fall die Aussagen von Herrn Lippold und möchte ihm auch recht geben, dass es hier eigentlich nicht mehr um eine Vorbildfunktion des Freistaates geht oder gegangen ist. Hier ging es einfach um gesunden Menschenverstand und um schlichtweg ökonomische Faktoren. Das heißt, der Freistaat kann hier Geld sparen. Spätestens das sollte

doch ein Argument für Sie sein, diesem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)