Protocol of the Session on September 5, 2018

Die Fraktionen können wieder Stellung nehmen. Es beginnt die CDU. Danach folgen SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile nun der Frau Abg. Fiedler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Haus heute schon viel über Demokratiebildung, die Vermittlung von Werten und die Entwicklung einer Haltung debattiert. Für all diese Themen leisten die sächsischen Gedenkstätten einen bedeutenden Beitrag. Deshalb ist es uns insbesondere in der heutigen Zeit ein wichtiges Anliegen, die Arbeit der Gedenkstätten zu stärken.

Ich möchte meinen Ausführungen gern voranstellen, dass das heute gültige Gedenkstättengesetz nach sensibler und kluger Debatte von CDU, FDP, GRÜNEN und SPD

gemeinsam im Jahr 2012 im Landtag verabschiedet wurde.

Gedenkstätten sind Orte des Erinnerns, des Gedenkens an die Opfer zweier Diktaturen, gegen die Verleugnung des Geschehenen, gegen das Vergessen. Sie sind ständige Mahnung, wozu Menschen fähig sind, aber auch Orte, die zeigen, welchen Mut Menschen selbst in unerträglichen Situationen bewahrt haben, weil sie allein ihrem Gewissen folgten.

Sie vermitteln authentisch, was zu unserer Geschichte gehört: zwei Diktaturen, die Menschen unfassbares Leid zufügten, und wofür und warum die rechtsstaatliche Ordnung heute steht. Sie zeigen aber auch, was passieren kann, wenn Demokratie und eine rechtsstaatliche Ordnung fehlen.

Die Beschäftigung mit diesen Fragen ist heute aktueller und notwendiger denn je. Deshalb wollen wir die Ge

denkstättenarbeit und damit ihre wichtige Erinnerungs-, Bildungs- und Vermittlungsarbeit stärker fördern.

Gedenkstätten sind keine bequemen Orte. Sie zwingen uns zur Beantwortung von schwierigen Fragen: Wann ist Widerspruch notwendig? Was sind meine eigenen unverrückbaren Werte? Wie kann und wie werde ich Ansätzen der Aushöhlung der Demokratie entgegentreten? Welche Handlungen sind mit meinem Gewissen vereinbar?

Wir brauchen diese Orte der Aufklärung und der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, und sie brauchen unsere Unterstützung.

Natürlich muss sich die Arbeit der Gedenkstätten stets weiterentwickeln. Es ist eine wichtige und sehr herausfordernde Aufgabe, unsere wechselvolle Geschichte in der heutigen Zeit insbesondere an die junge Generation zu vermitteln. Ich verweise auf das Stichwort Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Bildungsarbeit, auf die neuen Kommunikationsmöglichkeiten über Social Media, aber auch darauf, dass Zeitzeugen zukünftig leider nicht mehr so eingebunden werden können, wie es derzeit noch geschieht. Dies zwingt zur Entwicklung neuer Formen des Vermittelns.

Aus diesen Überlegungen heraus haben die beiden Koalitionsfraktionen den vorliegenden Antrag eingebracht, der die Weiterentwicklung und Profilierung der Stiftung unterstützen möchte.

Die sächsischen Gedenkstätten sind in der Rechtsform der Stiftung organisiert. Es ist deshalb in erster Linie Aufgabe des Stiftungsrates, des Wissenschaftlichen Beirates sowie der Geschäftsstelle, die Arbeit der Gedenkstätten zu leiten und weiterzuentwickeln. Die Gremien tun dies auch engagiert, sachorientiert und mit viel Fachwissen.

Aber es ist auch unser berechtigtes Interesse als politische Vertretung des Landes und seiner Bürger, Impulse in die Debatte einzubringen, gerade weil wir vor den dargestellten Herausforderungen stehen. Wir wollen anregen, den wissenschaftlichen Austausch und den überregionalen Diskurs weiter zu stärken und die begonnene Arbeit an dem Entwicklungskonzept mit der notwendigen Sorgfalt, aber ebenso zügig voranzubringen.

Natürlich es ist es richtig und wichtig, dass wir die Gedenkstätten finanziell entsprechend ausstatten, damit sie ihre anspruchsvollen Aufgaben erfüllen können. Hierfür hat die Staatsregierung mit dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf eine gute Grundlage geliefert. So sollen die Mittel gegenüber dem laufenden Jahr im Jahr 2019 um 500 000 Euro und der Stellenplan mit vier zusätzlichen Stellen vergrößert werden. Damit würden der Stiftung dann rund 3 Millionen Euro für ihre wichtige Arbeit zur Verfügung stehen. Ein gutes und wichtiges Signal!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich zu bedanken für die wichtige und engagierte Arbeit, die die Gedenkstätten heute bereits an den einzelnen Orten in Sachsen und in den Gremien der Stiftung leisten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Nehmen Sie diesen Antrag als Ermutigung, die Profilbildung zu stärken und die Diskussion über die weitere Entwicklung der Stiftung motiviert und engagiert fortzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg. Kliese. Bitte sehr, Frau Kliese, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gedenken an die Opfer von Diktaturen und die Auseinandersetzung mit einer menschenunwürdigen Geschichte sind heute wichtiger denn je, um ein friedliches Europa – Europa ist übrigens ein Wort, das mir heute ein bisschen zu selten gefallen ist – zu gestalten.

Wir hatten im Jahr 2012 einen breiten parlamentarischen Konsens, das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz zu novellieren; meine Kollegin Aline Fiedler ist schon darauf eingegangen. Mit diesem Konsens haben wir ein teilweise auch unwürdiges Kapitel und einen langen Konflikt beenden können – dank vieler kluger Vermittlerinnen und Vermittler.

Wir haben mit dieser Gesetzesnovelle den Auftrag und die Aufgaben der Stiftung erweitert. Das haben wir getan, weil eine aktive demokratische Erinnerungskultur kein statisches Moment sein kann. Sie muss sich entwickeln. Sie muss auf neue Herausforderungen und auf den gesellschaftlichen Wandel reagieren. Es ist Aufgabe der Stiftung, diesen Gesetzesauftrag zu erfüllen. Das erfordert eine entsprechende Entwicklungskonzeption. Dazu gehört zum einen, dass die Stiftung Perspektiven für die Orte und Gedenkstätten in eigener Trägerschaft entwickelt. Dazu gehört aber auch, dass die Stiftung die Entwicklung und den Aufbau neuer Gedenkstätten begleitet.

Ein Punkt, der mir an dieser Stelle ganz besonders wichtig ist, betrifft die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Fördervereinen. Es ist Aufgabe der Stiftung, diese ehrenamtliche Arbeit kooperativ zu unterstützen. Die Vereine sind keine Konkurrenz, sondern ein wichtiger Pfeiler einer demokratischen Erinnerungskultur. Wir brauchen diese Vereine. Wir brauchen das bürgerschaftliche Engagement an den Gedenkorten – mit den Opferverbänden, mit den verbliebenen Zeitzeugen. Sie helfen uns, das kollektive Gedächtnis authentisch zu gestalten.

Diese Vereine, die lokal verwurzelt sind, bilden einen wichtigen Teil des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen das Vergessen und gegen eine beängstigende Tendenz der Geschichtsrelativierung und -leugnung. Deshalb ist es auch Aufgabe der Stiftung, für die im Aufbau befindlichen und institutionell neu geförderten

Einrichtungen in einem kooperativen Miteinander Vermittlungs- und Förderziele festzulegen.

Eine der großen Herausforderungen einer demokratischen Erinnerungskultur ist es, neue Perspektiven für eine gedenkstättenpädagogische Vermittlungsarbeit zu definieren. Gedenkstättenpädagogik kann heute nicht mehr so funktionieren wie vielleicht noch vor 20 Jahren. Damals gab es noch deutlich mehr Zeitzeugen, die Geschichte persönlich greifbar und begreifbar machen konnten. Zumindest für die Zeit des Nationalsozialismus werden diese altersbedingt immer weniger.

Damit hängt ein weiterer Aspekt zusammen: Immer weniger junge Menschen haben aus ihrer eigenen Biografie oder aus ihrer unmittelbaren Familiengeschichte persönlichen Bezug zu einer Diktaturgeschichte, oder sie begreifen ihn nicht als solchen. Das bedeutet: Wir müssen heute andere, neue pädagogische Wege gehen, um diesen persönlichen Bezug zu schaffen – an das Erinnern, das Gedenken und damit das Begreifen dessen, was Menschen fähig sind zu tun, und daran, dass jeder Einzelne Verantwortung trägt für ein friedliches und demokratisches Europa.

Der dritte Aspekt ist die Digitalisierung. In dem Maße, in dem der persönliche Bezug wegfällt, eröffnet die Digitalisierung neue Momente des Zugangs. Es gibt ganz spannende Möglichkeiten durch „Augmented Reality“. Vielleicht hat sich der eine oder andere dieses Angebot schon angeschaut. Es ist sehr wirkungsvoll und beeindruckend.

Solche neuen Formen der Vermittlungsarbeit lassen sich aber nicht allein im stillen Kämmerlein entwickeln. Dazu braucht es ein Ausprobieren, ein Weiterentwickeln, den Erfahrungsaustausch auch mit anderen Bundesländern und Best-Practice-Beispiele. Es braucht den Blick über den Tellerrand hinaus und die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren. Es braucht einen fachlichen Austausch. Auch ein wissenschaftlicher Austausch ist vonnöten. Es braucht auch unkomplizierte Wege, damit Schülerinnen und Schüler zu den Gedenkstätten und -orten kommen können, wie es jetzt mit der Einrichtung der Landesservicestelle Gedenkstättenfahrten durch das SMK geplant ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Koalitionsvertrag haben wir unterstrichen, dass die Weiterentwicklung der Stiftungskonzeption für uns wichtig ist. Innerhalb der Stiftung und des Stiftungsrates ist man hierzu in der Diskussion und in einem Prozess. So hat der Stiftungsrat im Januar des letzten Jahres eine Evaluation beauftragt, deren Ergebnisse in die Entwicklungskonzeption einfließen sollen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz explizit an eine Anhörung des Kultur- und Wissenschaftsausschusses im letzten Jahr erinnern, die auf Grundlage eines Antrags der Fraktion der GRÜNEN erfolgte, eine Anhörung, die viele wichtige Einblicke und Ausblicke auf die Herausforderungen und Probleme geboten hat, vor denen die Stiftung steht.

Neue Aufgaben erfordern natürlich auch mehr Personal und Mittel. Auch ich kann mich dem Dank von Aline Fiedler an die Gedenkstätten und auch an die Stiftung anschließen; denn sie arbeiten oftmals mit einem knappen Personalbudget und leisten trotzdem eine hervorragende Arbeit. Wir haben diesem Anspruch Rechnung getragen im letzten Haushaltsgesetz und in unserem Haushaltsplanentwurf mit 500 000 Euro jährlich mehr für die sächsischen Gedenkstätten und mit zusätzlichen Personalstellen. Hinzu kommen noch weitere Mittel zum Beispiel für Großschweidnitz, für Projektarbeit im Rahmen der politischen Bildung.

Mit dem heutigen Koalitionsantrag wollen wir diesen Prozess der Entwicklungskonzeption begleiten. Ich bitte ganz herzlich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Sodann. Sie haben das Wort, Herr Sodann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! An diesem frühen Abend Ihnen doch einen schönen guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD. Sind Sie endlich erwacht und haben festgestellt, dass man einmal etwas in Richtung Stiftung Sächsischer Gedenkstätten unternehmen müsste, ein Konzept anregen sollte, oder haben Sie in Ihren Koalitionsvertrag gesehen und festgestellt, es gibt noch eine Fehlstelle, welche wir vor der Wahl noch abräumen müssen, oder ist bei Ihnen in der letzten Anhörung zum Antrag der Fraktion der GRÜNEN mit annähernd nämlichen Inhalt ein Erkenntnisgewinn zu verzeichnen?

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Egal wie. Wissen Sie, ich glaube Ihnen nicht mehr und nehme Ihnen diesen Antrag auch nicht mehr ab.

Erstens hatten Sie doch die Möglichkeit vor einem Jahr, dem eben genannten Antrag seitens der Fraktion der GRÜNEN zuzustimmen, einem Antrag, der nachvollziehbar konkretere Schritte forderte und viel präziser ausformuliert war. In ihm ist die Rede von eigener Impulssetzung seitens der Stiftung, werden Qualitätsstandards und verbindliche Verfahren der Zusammenarbeit mit Vereinen, Verbänden und Initiativen gefordert und wird die Staatsregierung gefragt, welche Anforderungen sie an Gedenk- und Erinnerungskultur hat.

Zweitens wollen Sie uns tatsächlich glauben machen, dass Sie mit diesem Antrag in der Stiftung etwas erreichen – ein Umstand, den Sie zur Genüge in der Vergangenheit selbst bezweifelt haben. Ich erinnere an die Diskussionen in diesem Saal zum Beispiel zu unserem Antrag „Stiftung Sächsische Gedenkstätten evaluieren“. Sie haben die hohe Eigenständigkeit der Stiftung förmlich beschworen und dargelegt, dass der Landtag nichts als Auftrag an die Stiftung geben könne. Das könne nur die Stiftung durch ihre Gremien selbst.

Wie eigenständig die Stiftung handelt, zeigt ein weiteres Beispiel in diesem Haus, als es um die Fortführung des Projektes zur Schicksalsklärung sowjetischer und deutscher Kriegsgefangener ging. Dazu hieß es, unser Antrag sei obsolet, da die Staatsregierung bereits handle. Das Projekt sei nicht gefährdet. Doch im Hintergrund war alles schon klar gezogen: Unter Mitwirkung der Stiftung war zu diesem Zeitpunkt schon der Schlussstrich unter dieses Projekt in Sachsen und der Umzug zur Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin besiegelt. – Zwei Beispiele.

Natürlich sehen auch wir und haben wir es immer wieder betont, dass die Stiftung endlich ein Entwicklungskonzept benötigt. Dabei stehen wir Ihrer Forderung gar nicht entgegen. Auch andere richtige Punkte haben Sie aus der Anhörung zum Antrag der Fraktion der GRÜNEN in Ihren Antrag einfließen lassen. Auch dagegen haben wir nichts. Uns ist Ihr Antrag aber nicht weitreichend und auch nicht richtig genug.

Zum einen ist schon der Titel Ihres Antrags irreführend: „Sächsische Gedenkstättenstiftung – Fortschreibung

Entwicklungskonzept“. Um etwas fortschreiben zu können, wäre die Voraussetzung vonnöten, dass bereits etwas vorhanden ist. Es gibt aber keine Konzeption. Es gibt lediglich einen Entwurf aus dem Jahr 2009, geschrieben von Klaus-Dieter Müller, welcher aber nie das Licht der Welt erblickte. Seit Jahren wabern lediglich ominöse, der Öffentlichkeit nicht zugängliche Eckpunkte des Geschäftsführers der Stiftung für ein Konzept im Raum, welche er bis Ende dieses Jahres nach Aussage des Ministeriums zu Eckpunkten für ein Konzept entwickeln solle. Ich glaube, wir drehen uns ein wenig im Kreis.

Zum anderen machen mir Sätze in Ihrem Antrag wie „die inhaltliche Ausrichtung der Stiftung entsprechend den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen“ wirklich

Angst. Wer bestimmt und definiert denn „aktuelle Bedingungen“? Wer setzt sie und vor allem wie in Kontext zur inhaltlichen Ausrichtung? Ich ahne, wie Sie es meinten, aber dann schreiben Sie es doch auch verständlich und fordern zum Beispiel eine breite Diskussion, wie Gedenk- und Erinnerungskultur in diesem Land im Kanon mit gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickelt

werden können, und das gemeinsam mit den Vereinen, Initiativen und Verbänden, welche Sie in Ihrem Antrag im Übrigen völlig außen vor lassen.

Noch eines: Sie stützen Ihren Antragstext mit Aussagen wie „mit der Novellierung des Gesetzes am 16.12.2012, welche fraktionsübergreifend eingebracht und mit einem breiten parlamentarischen Konsens beschlossen wurde“ und erwecken damit einen falschen Eindruck. Richtig ist vielmehr Folgendes: Im Jahr 2012 hatten die Fraktionen von CDU, FDP, SPD und GRÜNEN das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz novelliert. Sie beendeten damit ein rund zehnjähriges Provisorium, in dem die Gedenkstättenstiftung nur eingeschränkt arbeitsfähig war; denn im Jahr 2004 hatten der Zentralrat der Juden und nach ihm die übrigen NS-Opferverbände der Sinti und