Dieser Antrag ist nach unserer Auffassung eine Frechheit an sich, und Sie haben das Thema politische Bildung sowohl in der Formulierung wie auch im Inhalt überhaupt nicht nachvollziehen können. Das können wir nur ablehnen.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion ist an der Reihe, Frau Abg. Friedel. Sie haben das Wort, Frau Friedel.
Der vorliegende Antrag der AfD ist von bemerkenswerter Kürze. Das gilt zum einen für die Anzahl der Worte und zum anderen für die Gedanken, die Sie aufgewendet haben, um diese Worte zu schreiben.
Gefordert werden zwei Punkte, das haben wir gehört, erstens, der Gemeinschaftskundeunterricht soll nicht ab Klasse 7 stattfinden, und der Grund dafür ist, dass Sie argwöhnen, dass es dann zu einem Staatsbürgerkundeunterricht à la DDR kommt. Und zweitens, der Sachkundeunterricht an Grundschulen soll wieder in „Heimatkunde“ umbenannt werden und soll damit wieder so sein, wie wir ihn aus der DDR kennen.
Ich fange beim zweiten Punkt an, weil zum Thema politische Bildung schon relativ viel gesagt worden ist. Ich kann mich persönlich an meinen Heimatkundeunterricht noch gut erinnern. Meine Mutti hat auch all die großen A4-Hefter aufgehoben, die wir damals beschrieben haben. Ja, wir haben da auch etwas über Heimat gelernt. Wir haben Pflanzen und Tiere gemalt, aber das war der kleinere Teil. Wir haben Bilder von Baustellen gemalt und dann haben wir kurze Sätze daruntergeschrieben und die Werktätigen für ihren großen Einsatz im Fünfjahresplan gelobt.
Die meisten Seiten von meinem Heimatkundeheft waren aber gefüllt mit Traueranzeigen. Das war die Zeit, in der ich lebte. In der 1. Klasse gab es eine für Leonid Breschnew, mit einem schwarzen Rahmen drumherum, und wir haben daruntergekrakelt: ein glühender Patriot und Kämpfer für den Kommunismus. Und weil mir Herr Breschnew so leid tat, habe ich dann noch ein Blümchen dazu gemalt.
In der 3. Klasse haben wir dann Juri Andropow eingeklebt, einen schwarzen Rahmen darum, glühender Patriot, Kämpfer für den Kommunismus.
Und in der 4. Klasse Konstantin Tschernenko. Dazwischen haben wir die Pioniergebote illustriert und „Heraus zum 1. Mai!“ geschrieben. Das war mein Heimatkundeunterricht.
Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie dorthin zurückwollen. Warum wollen Sie den Sachunterricht in Heimatkunde umbenennen? In Ihrer Begründung schreiben Sie, man will den Kindern so helfen, sich mit der sächsischen Kultur zu identifizieren. Ich weiß nicht, ob Sie den Lehrplan für den Sachunterricht kennen, da geht es nicht nur um sächsische Kultur, da geht es nicht einmal vordergründig um sächsische Kultur.
Sie sagen „leider“, Herr Urban; dann hören wir einmal, worum es dort geht und warum Sie das vielleicht herauswerfen wollen. Im Lehrplan geht es um Wetter- und Naturphänomene, um den eigenen Körper und Hygiene, um Tiere und Pflanzen, um den Straßenverkehr und die Umwelt; die Uhrzeit wird gelernt. All das sind weder Errungenschaften einer spezifisch sächsischen Kultur noch Dinge, die es nur in unserer Heimat gibt. Die Frage ist also: Wollen Sie das Fach umbenennen, obwohl die Inhalte nicht passen? Da war die Idee der FDP mit der Oberschule noch intelligenter.
Oder wollen Sie die Inhalte verändern, damit Ihre Wunschbezeichnung vom Fach dann passt? Beides halten wir für falsch, und deshalb gibt es zu diesem Punkt keine Zustimmung von uns.
Nun will ich doch noch zum ersten Punkt kommen, zum Thema politische Bildung. Ich möchte einmal aus Ihrer Begründung zitieren. Auf der einen Seite schreiben Sie, das hehre Ziel politischer Bildung sei der mündige Bürger – darin sind wir vollständig überein. Dann schreiben Sie aber gleichzeitig, dass Sie kein Vertrauen in die Lehrkräfte haben, dass dieses Ziel wirklich umgesetzt wird, und bedauern, dass man die Lehrkräfte nicht kontrollieren könne. Was hat das noch mit dem Bild vom mündigen Bürger zu tun?
Sie schreiben – jetzt zitiere ich –: „Denk- und Sprechverbote haben sich nicht nur in der Öffentlichkeit fest etabliert, sondern auch in den Schulen. Ergebnisoffene Diskussionen werden nicht mehr geführt. Stattdessen wird das Ergebnis grundsätzlich an den Anfang gestellt. Schüler können sich keine eigene Meinung bilden, für sie werden Meinungen gebildet. Die Entmündigung der Schüler schreitet voran.“ Das schreiben Sie in der Begründung Ihres Antrags. Wo leben Sie denn?!
Was erzählen Sie da, Entschuldigung? Das ist gelogen, und das behaupte nicht nur ich; das könnten Sie wissen, wenn Sie einen Blick in die Lehrpläne werfen würden. Das könnten Ihnen 33 000 Lehrkräfte in Sachsen sagen, 400 000 Schüler und viele Eltern, und das müssten Sie eigentlich auch wissen aus den vielen Schülergruppen, die wir hier im Landtag empfangen und wo sehr rege, sehr intensiv und sehr breit diskutiert wird, und ich lerne die Menschen als sehr mündige Menschen kennen.
Aus meiner Sicht gibt es durchaus Dinge am Gemeinschaftskundeunterricht auszusetzen. Ich halte ihn nach wie vor für zu Institutionen-orientiert und glaube, dass Werte dort noch nicht die Rolle spielen, die sie spielen sollten, und ich glaube, dass nicht zuletzt demokratische Bildung nicht nur vom Gemeinschaftskundeunterricht abhängt, sondern auch von den Unterrichtsmethoden, die in den sonstigen Fächern angewendet werden.
Aber über all das können wir gar nicht miteinander diskutieren, weil Sie von einer vollständig anderen Situationsanalyse ausgehen, die kontrafaktisch ist. Das wiederum tun Sie nicht aus Versehen, sondern zum Zweck der Verwirrung. So bedient Ihr Antrag in bemerkenswert frecher Weise zwei widersprüchliche Gefühle, die diejenigen unter uns mit Ostvergangenheit – Frau Wilke, da sind wir leider verschieden – durchaus mit sich herumtragen in ihrer Haltung zur DDR: Ablehnung auf der einen Seite und Nostalgie auf der anderen – Widerspruch und Fügung. Aber mit Gefühl einfach nur herumzuspielen, das ist eben noch keine Politik. Wer das macht, der spielt nur mit Gefühlen herum. Das halte ich für verantwortungslos, und deswegen lehnen wir ab.
(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ganz vereinzelt bei der CDU – Beifall des Staatsministers Christian Piwarz)
Meine Damen und Herren, nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Zais. Bitte, Sie haben das Wort.
ihrem Antrag spricht die AfD davon, dass es in den Schulen keine ergebnisoffene Diskussion mehr gibt und Schülerinnen und Schüler sich keine eigene Meinung bilden können. Als Bildungspolitikerin erlebe ich das genauso wie Kollegin Friedel natürlich grundsätzlich anders. Ich habe nicht 400 000 Schülerinnen und Schüler in Sachsen befragt, sondern einen: Jacob, einen 16jährigen Gymnasiasten aus Westsachsen. Ich habe ihm Ihren Antrag gegeben und ihn gebeten, diesen Antrag einmal mit seinen Worten zu analysieren, sich eine Meinung zu bilden und mir und meiner Fraktion eine Beschlussempfehlung zu geben.
Zu Punkt 1 des Antrags, den GK-Unterricht nicht schon in der 7. Klasse anzubieten, schreibt Jacob: „Politische Bildung in der Schule konzentriert sich stark auf den GRW-Unterricht.“ – Kollege Bienst, wir wissen, das ist ein Gymnasiast, und das auch nur in der 9. Klasse. – „Das ist mehr als nur ein Mangel an politischer Bildung, das ist ein Leck“, schreibt Jacob. „Zwei weitere Jahre intensiver Auseinandersetzung mit Politik könnten das Leck politische Bildung schließen. In unserer heutigen Zeit prallt man auf so viele verschiedene Sichtweisen. Schule zwingt niemandem eine auf, sondern bereitet darauf vor, sich eine zu kreieren und mit anderen Sichtweisen umzugehen.“ – So viel zu Punkt 1 Ihres Antrags.
Zu Punkt 2 des Antrags, den Sachkundeunterricht in der Grundschule in „Heimatkunde“ umzubenennen, sagt Jacob – ich sage das mit besonderer Freude, weil er vor dem Livestream sitzt; deswegen gebe ich diese Rede auch nicht zu Protokoll –:
Laut der AfD versperrt der Begriff Sachkunde den Schülern den emotionalen Zugang zu dem damit eigentlich verbundenen Themenkomplex der eigenen Identität. Heimatkunde, so der Antrag der AfD-Fraktion, entspräche eher dem Wesen des Unterrichts. Heimat, schreibt Jacob, dieser Begriff werde immer etwas Beschränktes haben, beschränkt auf die eigene Stadt, beschränkt auf Sachsen, beschränkt auf eine bekannte Umgebung.
Natürlich spielt Heimat eine Rolle, aber der Begriffsvorschlag kann einfach nicht die Vielfalt der angesprochenen Themen abdecken. Er ist wie die Heimat beschränkt.
Wie lächerlich die Namensänderung ist, merkt man, wenn man sich einmal andere Themenkomplexe genauer ansieht: Zusammenhang zwischen Körperhygiene und Gesundheit, Lebensweise von Vögeln im Jahreslauf, Begegnung mit kulturellen Verschiedenheiten. Diese und viele weiteren Punkte bieten, was ein ausschließlich heimatorientierter Unterricht ihnen verwehrt.
Natürlich sollte man wissen, was Sachsen ist und wie der Freistaat funktioniert, aber keine Sorge, bereits in Klasse 5 stellt Geografie wieder den Heimatbezug her.
(Carsten Hütter, AfD: Jetzt weiß ich, wer bei den GRÜNEN Politik macht: Jacob! – Heiterkeit bei der AfD)
In der 10. Klasse spricht man mehr als die Hälfte des Jahres über nichts anderes. Darüber sollte man auch einmal nachdenken.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Kollegen von der AfDFraktion! Ich habe den Antrag gelesen und kann den Sinn nicht wirklich erkennen.