Protocol of the Session on May 31, 2018

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Einführung eines Kinder-

und Familienfreitags als gesetzlicher Feiertag

Drucksache 6/13238, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums auf Aussprache vor. Deshalb spricht nur die einreichende Fraktion; Herr Abg. Gebhardt, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer kennt das nicht, dass Kinder, Eltern, Großeltern oder auch die Partnerin oder der Partner einem mal wieder vorwerfen, keine Zeit für sie zu haben. Nun können wir uns als Abgeordnete das Jahr noch relativ flexibel einteilen, aber die Mehrheit in diesem Land kann das nicht.

Eva und Adam sind moderne Eltern. Beide können und wollen berufstätig sein, beide wollen sich um ihre vierjährige Tochter kümmern. Das macht aus beiden zwei wandelnde Terminkalender. Ständig stimmen sie also miteinander ab, wer wann wo welche Aufgaben übernimmt. Wer geht ins Büro? Wie lange musst du heute bleiben? Wer holt die Vierjährige aus der Kita ab? Wer schafft sie zum Kindersport? Übernimmst du den Einkauf? Soll ich kochen? Ihr Leben ist also extrem getaktet. Noch schlimmer ergeht es Alleinerziehenden. Zeit ist also ein kostbares Gut, vor allem bei Familien, in denen die Eltern berufstätig oder alleinerziehend sind.

Expertinnen und Experten empfehlen, Familienzeiten einzuführen. Das können Stunden sein. Auf jeden Fall sind Rituale für Kinder ganz wichtig, denn auch große, gesunde, glückliche, starke und selbstbewusste Kinder brauchen die Zuwendung und Zeit ihrer Eltern. Wir wissen aus Umfragen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung mehr Zeit mit ihrer Familie haben möchte. Mit der Einführung eines Familienfeiertages, so wie wir ihn mit diesem Gesetzentwurf vorschlagen, soll genau diesem Wunsch entsprochen werden: einen ganzen Tag mit den Kindern bzw. der Familie, die im Mittelpunkt steht. Der Tag soll also als Tradition des Kindertages stehen und deshalb am ersten Freitag im Juni begangen werden. Wenn es so einen Tag in Sachsen schon gäbe, hätten wir morgen alle frei und könnten ein verlängertes Wochenende mit Kindern, Eltern, Großeltern oder der Partnerin oder dem Partner verbringen.

Der Kindertag wird in 145 Staaten weltweit begangen. Die Idee entstand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. 1949 wurde vom Weltkongress der Internationalen Demokratischen Frauenföderation – IDF – der 1. Juni als Internationaler Kindertag eingeführt. Bis heute wird der 1. Juni in über 40 Staaten als Internationaler Kindertag gefeiert. Die UN sowie weitere Staaten begehen den Kindertag am 20. September. Trotz unterschiedlichen Datums und verschiedener Formen, den Kindertag zu begehen, stehen immer die Rechte der Kinder im Mittel

punkt. Man sieht daran, dass es ein Tag mit großer Tradition und globaler sozialer Bedeutung ist.

In Sachsen gibt es aktuell elf gesetzliche Feiertage. Damit liegen wir im Vergleich zu anderen Bundesländern im Mittelfeld.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Na ja!)

Die meisten davon sind christliche Feiertage oder haben einen historischen Bezug. Mit der Einführung eines Familienfeiertages würden wir mit der bisherigen Logik der Herleitung von gesetzlichen Feiertagen brechen.

(Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz)

Im Jahre 2018 – das zeichnet uns aus.

(Staatsminister Christian Piwarz: Oh Gott!)

Zu Gott komme ich noch, Herr Piwarz.

Im Jahre 2018, in dem in Sachsen drei Viertel der Bevölkerung keiner Konfession angehören, halten wir es für geboten, dass auch die humanistischen Werte und die soziale Verantwortung einen Feiertag begründen können. Familie ist dabei sicherlich ein Wert, der Gläubige und Nichtgläubige, Herr Piwarz, einen sollte.

(Beifall bei den LINKEN – Staatsminister Christian Piwarz: Schau mal, das sind die Unterschiede zwischen der DDR und heute!)

Die in diesem Zusammenhang – aber Sie haben doch die DDR überwunden, um es besser werden zu lassen, also bohren Sie nicht in der Vergangenheit – vorgebrachte Angst, ein weiterer Feiertag schade der Wirtschaft, entbehrt nach unserer Einschätzung jeglicher Grundlage. Es sind doch vor allem die wirtschaftlich starken Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, die über die meisten Feiertage in Deutschland verfügen.

Zur Kritik des sächsischen Ministerpräsidenten an der Bestrebung der Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen, einen neuen Feiertag am Reformationsfest einzuführen, sagte ich bereits: Seine Angst, einen Feiertag mehr könnte die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu sehr belasten, ist völlig aus der Zeit gefallen. Ganz von der Peinlichkeit abgesehen, dass er Bundesländern Vorhaltungen macht, die noch weniger Feiertage haben als Sachsen.

Gerade in dieser hektischen Epoche brauchen Familien mehr Zeit miteinander. Mehr Zeit für Familie ist ein Grundbedürfnis unserer Zeit. Ein solcher Feiertag wäre ein starkes Signal an die Familien in Sachsen und er passt als nicht konfessioneller Feiertag in eine Gesellschaft, die

zu drei Viertel nicht religiös, aber an humanistischen Werten des Zusammenlebens interessiert ist.

In einer Zeit ständiger Arbeitsverdichtung und wachsenden Berufsstresses geht es also um nicht weniger, sondern um mehr Feiertage. Bayern macht Sachsen vor, dass das auch wirtschaftlich gut geht.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch ein Wort zur Polemik des Sprechers der evangelisch-lutherischen Landeskirche, Matthias Oelke, gegen unsere parlamentarische Initiative, die den Pressedienst der evangelischen Nachrichtenagentur – idea – vom 20. April zu entnehmen ist. Ich zitiere: „Die Kirche sehe die Debatte kritisch. Es käme nicht Parteien zu, mit immer neuen Ideen die bestehenden Gefüge des gernerationsübergreifend entstandenen Ists infrage zu stellen; denn grundsätzlich sollen Festlegungen auf Feiertage keine Verschiebemasse der Tagespolitik sein. Es kann nicht sein, dass ideologische Profilierungssucht die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt. Denn grundsätzlich sollen Festlegungen auf Feiertage keine Verschiebemasse der Tagespolitik sein. Es kann nicht sein, dass ideologische Profilierungssucht die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt.

(Zuruf des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Die Kirche habe ein besonderes Interesse und Anliegen, dass christliche Feiertage erhalten bleiben, um sie angemessen feiern zu können und den Sinngehalt in die Gesellschaft zu tragen.“

(Beifall bei den LINKEN)

Ich sage ganz offen: Diese Polemik ist anmaßend und entspringt dem Geist einer Zeit, die in Sachsen seit Jahrhunderten vorbei ist, Herr Fischer. Es gibt nicht nur Gott und Geistlichkeit, sondern auch das Geistesleben einer demokratischen Gesellschaft, an deren Meinungs- und Willensbildung verfassungsgemäß die Parteien entsprechend dem Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler mitwirken.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Niemand stellt christliche Feiertage infrage, außer die Kirche selbst, die den Buß- und Bettag abgeschafft hat, außer aufgrund des Hinweises eines Parteipolitikers, nämlich Kurt Biedenkopf in Sachsen.

(Allgemeine Unruhe)

Ansonsten hat die Kirche nämlich überall ihre Zustimmung dafür gegeben, einen christlichen Feiertag abzuschaffen. So viel zu Ihrer Aufregung in Bezug auf das, was DIE LINKEN wollen.

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich heute so aufregen, Herr Piwarz. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass die große Mehrheit der Bevölkerung konfessionslos ist und das Recht auf eigene Sinnstiftung hat, ohne dabei von den Vertreterinnen und Vertretern der Kirche bevormundet zu werden. Bisher dachte ich, dass Familie ein Wert ist, der Gläubige und Nichtgläubige eint. Ich würde mich sehr freuen, wenn die evangelische Kirche die stattfindenden Sachverständigenanhörungen zu unserem Gesetzentwurf dafür nutzen würde, eine differenzierte Stellungnahme abzugeben und einzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den gerade eingebrachten Entwurf an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration zu überweisen. Wer diesem Vorschlag folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 5

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern

im Freistaat Sachsen (Whistleblower-Schutzgesetz)

Drucksache 6/13335, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hier gibt es keine allgemeine Aussprache. Daher spricht nur die einreichende Fraktion; Herr Abg. Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der amerikanische Whistleblower und ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat sich vor fünf Jahren – fast auf den Tag genau – an die Öffentlichkeit gewandt und das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten bekannt gemacht. Der

amerikanische und der britische Geheimdienst haben über Jahre hinweg im großen Umfang die Telekommunikation und das Internet überwacht, die gewonnenen Erkenntnisse gespeichert und gezielt Wirtschafts- und Politikspionage betrieben. Zu den Spätzielen des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes der NSA gehörten unter anderem vertrauliche Gespräche der Bundeskanzlerin sowie knapp 70 Telefonnummern, insbesondere aus dem Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium. Auch deutsche Geheim

dienstbehörden lieferten und liefern bis heute regelmäßig Erkenntnisse an die NSA.

Vielleicht sollten sich an dieser Stelle diejenigen, die immer tönen, wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten, einmal der Sinnlosigkeit ihres Argumentes bewusst werden. Der Fall Snowden hat uns gezeigt, wie wichtig es im öffentlichen Interesse und zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft ist, dass es Menschen gibt, die sich bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit, bei Erkenntnissen über erhebliche Straftaten oder eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt über ihre Pflichten zur dienstlichen Verschwiegenheit hinwegsetzen und die Öffentlichkeit informieren.

Das Ausmaß der anlasslosen Überwachung durch Geheimdienste, die Erkenntnisse über den Dieselskandal, Lux Leaks, die Panama Papers oder Cambridge Analytica würde wohl ohne mutige Whistleblower nie ans Licht gekommen. Whistleblower nehmen Verantwortung wahr, bezahlen dies in der Regel aber teuer, wenn nicht mit der Freiheit, so doch zumindest mit dem Ende ihrer Karriere oder ihrer beruflichen Existenz, denn sie werden derzeit in Deutschland nicht gesetzlich geschützt.