Protocol of the Session on January 29, 2015

Deshalb verwahre ich mich dagegen, wenn DIE LINKE ständig sagt, es gebe eine Niedriglohnstrategie im Freistaat Sachsen. Die hat es nie gegeben und die wird es auch nicht geben.

(Widerspruch von den LINKEN)

Das ist vollkommener Unsinn. Heute sind die Arbeitslosenzahlen von Sachsen und von Deutschland veröffentlicht worden. Man kann feststellen, dass die Zahl der Arbeitslosen im Januar im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, in Ostdeutschland um 88 000.

Man sieht also, dass in diesem Monat trotz der Einführung des Mindestlohnes der Untergang des Abendlandes ausgeblieben ist.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die Angst hat Ihre Regierung gemacht!)

Zur Wahrheit gehört aber auch – das ist die zweite Bemerkung –, dass der Mindestlohn natürlich auch Probleme mit sich bringt. Es wird einige wenige Stellen geben, die wegfallen – auch das ist richtig –, und Unternehmen berichten auch, dass sie Probleme haben, was die Einstufung der Einkommen betrifft. Wenn ich dem, der die Teller abwäscht, 8,50 Euro zahlen muss, dann muss ich dem Koch natürlich einen Lohn zahlen, der höher ist. Auch das sind Dinge, die man mit bedenken muss.

Kommen wir zu Ihrem Antrag. Die Hauptforderung besteht darin, ein Mindestlohn-Monitoring einzuführen, also zu schauen: Welche Auswirkungen hat der Mindestlohn? Dagegen ist nichts einzuwenden. Wir haben das in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, und Sie haben es abgeschrieben.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach!)

Ich persönlich finde das ein wenig armselig für die größte Oppositionspartei, die eigentlich den Anspruch haben müsste, Oppositionsführerin zu sein, wenn Sie nur den Koalitionsvertrag abschreiben – das haben Sie ja nicht nur an der einen Stelle gemacht, sondern auch in anderen Bereichen – und diese Anträge hier einbringen. Wie armselig ist das eigentlich? In welch bemitleidenswertem Zustand ist eigentlich DIE LINKE? Ich finde das sehr traurig.

(Beifall bei der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist ganz schön billig!)

Ich sage einmal, wenn ich an die gestrige Rede zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten denke: Außer der Heiligsprechung der Antifa war dort nichts drin.

(Zurufe von den LINKEN)

Das war der einzige Beitrag, den die größte Oppositionspartei gebracht hat, und wir als Christdemokraten können

nur jeden Tag kräftig dafür beten, dass Sie weiterhin auf Ihrem Kurs bleiben; denn dann werden Sie mit Sicherheit nie in die Regierung kommen.

(Zuruf von der CDU: Oh! – Frank Heidan, CDU: Das wollen wir aber nicht hoffen, Herr Krauß, dass das jemals eintritt!)

Das wollen wir nicht, und ich habe auch keine Ängste, dass das überhaupt vom Wähler in Erwägung gezogen wird.

Das Thema Monitoring haben wir abgehakt: Sie haben das abgeschrieben. Das Thema machen wir ohnehin. Was haben Sie noch in Ihrem Antrag stehen? Sie wollen die Problemlagen der Klein- und mittelständischen Unternehmen erfassen. Das ist richtig, dass Sie das gern wollen. Wir brauchen es nicht, weil wir ständig auch mit den Klein- und mittelständischen Unternehmen sprechen und wissen, was deren Probleme sind.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir treten in den Dialog mit denen, Sie reden nur!)

Wir reden, ja, genau. Das tun wir nicht erst seit heute.

Es ist doch klar, was die Unternehmen äußern: Es sind Beschwerden über die Bürokratie, die mit der Einführung des Mindestlohnes verbunden ist, insbesondere die Dokumentationspflichten, die ja auch Sie als Abgeordnete zu erfüllen haben, weil Sie Mitarbeiter haben und dokumentieren müssen: Wann beginnt die Arbeit? Wann hört sie auf? Wie lange hat es gedauert? Welche Pausen sind gemacht worden?

Nun gibt es Unternehmen, bei denen das bislang immer schon die Regel war. Sie haben Stechkarten und haben ihre Zeiten dokumentiert. Und es gibt andere – dazu gehören sicherlich auch viele Abgeordnetenbüros –, die das bislang nicht gemacht haben. Es ist einfach ein Zuwachs an Bürokratie.

Die einzige Gruppe, die von dieser Regelung ausgenommen ist, sind mobile Dienstleister, also in erster Linie die Zeitungszusteller. Dabei kann man natürlich schon die Frage stellen: Wäre es nicht auch möglich, dass andere Gruppen ausgenommen werden?

Die zweite Kritik, die geäußert wird: Alle Einkommen, die über 2 958 Euro liegen, müssen diese Dokumentation nicht erbringen. Nun kann man fragen: Wenn der Mindestlohn ungefähr bei 1 475 Euro im Monat liegt, kann man diese Grenze nicht auch etwas niedriger ziehen, da jemand, der 3 000 oder 2 500 Euro verdient, wahrscheinlich nicht in den Bereich hineinkommt, dass er weniger als 8,50 Euro Stundenlohn hat?

Für mich ist aber auch klar: Wenn man Gesetze macht, dann müssen diese eingehalten werden, und es muss überprüft werden können, dass man sie einhält. Ich denke, dass wir dabei in Deutschland relativ hohe Standards gesetzt haben. Nehmen wir nur einmal den Verstoß gegen den Mindestlohn. Dieser kann eine Strafe von bis zu 500 000 Euro nach sich ziehen. In Holland hat man diese Strafgrenze derzeit auf 12 000 Euro abgesenkt. Wir sind

also bei den gesetzlichen Regelungen schon immer ein wenig an der Oberkante dessen, was wir regeln.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das hat schon immer zu Deutschland gehört!)

Aber klar ist, wie gesagt: Ich möchte nicht, dass in einzelnen Unternehmen die Arbeitsstunde nicht mehr 60, sondern 80 Minuten hat. Das muss man nachkontrollieren, keine Frage. Deshalb aber jetzt noch einmal zu schauen, wo man bei der Verordnung nachsteuert, das halte ich schon für relativ sinnvoll, damit man wirklich die richtige Mitte und das richtige Maß findet. Bei der Höhe müssen es also 2 958 Euro sein, es können nicht 2 500 oder 2 000 Euro sein. Darüber sollte man sprechen. Ebenfalls sprechen sollte man darüber: Nimmt man nur die Zeitungszusteller von der Dokumentationspflicht aus, weil es vielleicht ein wenig zu kompliziert ist, oder nimmt man nicht irgendwelche anderen Berufsgruppen aus?

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch einmal einen Satz zum Thema Vergabegesetz sagen. Wenn wir in Deutschland geregelt haben, dass der Mindestlohn bei 8,50 Euro liegt, und Sie sagen, Sie wollen jetzt noch ein Sächsisches Vertragsgesetz, in das wir hineinschreiben, dass der Mindestlohn bei 8,50 Euro liegt, dann halte ich das für vollkommen unnütz; denn wenn 8,50 Euro in Deutschland gelten, dann gelten sie auch in Sachsen. Dafür muss man nicht zusätzlich ein sächsisches Gesetz beschließen. Man sollte sich also die Frage stellen: Muss man unbedingt mehr Bürokratie haben? Das könnten Sie sich auch einmal zur Aufgabe machen.

Als eine weitere Forderung haben Sie den zeitlich befristeten Subventionsfonds hineingeschrieben. Einerseits beklagt sich DIE LINKE immer, dass der Mindestlohn zu niedrig und 8,50 Euro Teufelszeug seien und er eigentlich deutlich höher sein müsste, und nun kommen Sie daher und sagen: Aber es gibt Unternehmen, die das alles nicht schaffen können; da müssen wir etwas tun, damit sie Geld bekommen, damit wir das irgendwie hinbekommen.

(Zuruf von der CDU: Richtig! Genau! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das haben wir schon vorher gesagt!)

Abgesehen davon: Wenn Sie das gewollt hätten, dann hätten Sie kommen müssen, bevor der Mindestlohn eingeführt worden ist. Sie hätten vor einem halben Jahr kommen und sagen müssen: Wir müssen einen Subventionsfonds bereitstellen – aber doch nicht jetzt!

Außerdem gibt es natürlich auch beim Mindestlohn Übergangsbedingungen. Es ist ja nicht so, dass die 8,50 Euro für alle Branchen und ab heute gelten. Wir haben zum Beispiel in der Landwirtschaft Übergangsbedingungen. Die ostdeutsche Textilindustrie hat noch einmal einen Tarifvertrag abgeschlossen, mit dem sie erst einmal unter 8,50 Euro Mindestlohn bleibt, weil sie und auch die Arbeitnehmer gesagt haben, die 8,50 Euro seien schwierig zu erreichen. Es ist in Ordnung, dass man das macht. Es gibt auch gewisse Branchen, zum Beispiel die Zeitungszusteller, die auch erst einmal davon ausgenom

men sind. Also, auch diese Forderung ist sehr stark an den Haaren herbeigezogen.

Ein weiterer inhaltlicher Punkt ist: Sie wollen Beratungsleistungen für Unternehmen haben, damit diese sozusagen mit dem Mindestlohn zurechtkommen. Nun stellt sich auch die Frage, ob man das im Januar machen muss, wenn er eigentlich schon ab Januar gilt. Darüber hätte man sich eher Gedanken machen müssen, und ich denke auch, die Mehrzahl der Unternehmen hat sich darüber Gedanken gemacht: Wie gehe ich damit um, wenn ich einen Mindestlohn zahlen muss?

Bei mir zu Hause, in Schwarzenberg, gibt es einen Orthopädieschuhmacherbetrieb, der sich diese Frage gestellt und gesagt hat: Wir sind in dem Bereich, dass wir 8,50 Euro zahlen müssen – was wir derzeit nicht tun. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir damit umgehen. Dann wurde gesagt: Wir ändern unser Geschäftsmodell. Der Betrieb stellt jetzt maßgefertigte Schuhe her, um in einen Bereich hineinzukommen, in dem man Geld damit verdienen und die Menschen anständig bezahlen kann.

Ich finde, das ist die Grundaufgabe eines Unternehmens: sein Geschäftsmodell zu überprüfen. Wenn er dazu Hilfe braucht, dann kann er auch zur IHK gehen; denn dafür bezahlt er Beiträge, dass er bei der Industrie- und Handelskammer beraten werden muss. Insofern brauchen wir aus meiner Sicht nicht noch einmal irgendwelche Extraberatungsleistungen zum Thema Mindestlohn. Ich denke, die Unternehmer brauchen wenig Nachhilfe, die man ihnen ja geben müsste.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir halten Ihren Antrag für untauglich und werden ihn ablehnen. Ich bitte Sie, diesem Weg zu folgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Homann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast zehn Jahre haben wir für die Einführung des Mindestlohns gestritten. Nun ist er endlich gekommen. Seit dem 1. Januar 2015 gilt in ganz Deutschland ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro, und zwar in West und Ost, in allen Branchen, für Männer und Frauen und für die Stammbelegschaft genauso wie für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter.

(Alexander Krauß, CDU: Nicht in allen Branchen!)

Das ist für mich persönlich sowie für viele Betroffene und Mitstreiter ein Grund zur Freude, liebe Kolleginnen und Kollegen. Im Kern endet mit dem Mindestlohngesetz der Dumpinglohnwettbewerb. Nach dem Motto „fleißig, billig und schutzlos“ ist es doch bisher Realität, dass in

Deutschland Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ausreichend bezahlt wurden.

Vom Mindestlohn profitieren in Deutschland 3,7 Millionen Beschäftigte, darunter in Sachsen 300 000. Für viele Beschäftigte, die in den Niedriglohnbereichen 3, 4 oder 5 Euro pro Stunde verdienten, ist dies eine reale Verbesserung. Zum Beispiel konnte mir ein Leiharbeiter, der mich in der vergangenen Woche auf einer Veranstaltung zum Mindestlohn ansprach, der in einer Drogeriekette arbeitet, das praktisch vorrechnen. Er verdiente vorher ohne Zuschläge 6 Euro pro Stunde. Das war sogar ein Tariflohn; denn den hatte sein Arbeitgeberverband mit dem DHV, einem Mitglied der sogenannten Christlichen Gewerkschaften, vereinbart.

Er verdiente also vorher 6 Euro pro Stunde und verdient jetzt 8,50 Euro. Das bedeutet für ihn einen Unterschied von vorher 1 040 Euro im Monat zu nun 1 473 Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wurden im Vorfeld der Mindestlohneinführung nicht alles für Schreckensszenarien beschrieben – und nun? Die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern oder der DGB sehen keine Anzeichen für nennenswerte Arbeitsplatzverluste in größerem Umfang. Eine Insolvenzwelle bleibt aus. Es ist auch eine komplette Fehlanzeige, dass es eine generelle Verteuerungswelle gibt.

Zu dem Umstand, dass gewisse Artikel, zum Beispiel in der Friseurbranche oder auch das Brötchen, etwas teurer werden könnten, erlebe ich bei den meisten Bürgerinnen und Bürgern Verständnis; denn es ist gut erklärbar, dass gute Arbeit nun einmal gut bezahlt werden muss.

Vielleicht sollten wir in der Konsequenz aus dieser Debatte auf eine Panikmache verzichten. Deutschland ist das 22. Land in der Europäischen Union, das den Mindestlohn bezahlt. Wir liegen bei der Entlohnung im oberen Mittelfeld, und was bei anderen Staaten gut funktioniert, das funktioniert nun auch in Sachsen gut. Dennoch muss unsere Arbeit weitergehen. Wir werden und müssen die Einführung des Mindestlohns weiter aktiv begleiten. Es gibt Hotlines im Bundesministerium und beim DGB mit 15 000 Anfragen. Natürlich wird es im Bund wie auch in Sachsen ein Monitoringverfahren geben, das die Probleme und unternehmerisches Ausweichverhalten schnell und effektiv analysiert, um dem entgegenzuwirken.

Die SPD hat gemeinsam mit der CDU im Koalitionsvertrag auch für Sachsen ein solches Monitoringverfahren fest verankert. Wir stehen für eine Gleichwertigkeit von Wirtschaft und Arbeit. Dies ist das neue Leitbild des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Das sächsische Monitoring wird deshalb in enger Abstimmung mit unseren Partnern und beteiligten Akteuren wie dem DGB, den Kammern, den Unternehmerverbänden und unter Federführung eines Wirtschaftsforschungsinstitutes

durchgeführt. Die Vorbereitungen sind schon im Gange. Deshalb sind Sie mit Ihrem Antrag ein wenig spät dran. Wir werden einen ersten Zwischenbericht im Herbst 2015