Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist deutlich geworden – das hat insbesondere Herr Bartl dargestellt –, von welcher Klientel wir hier reden. Das sind Menschen, die öffnen ihre Briefe nicht, sie stehen nicht im Leben, so wie wir das tun, sondern sie brauchen eine gezielte Ansprache. Dazu braucht es sozialarbeiterische Lösungen.
Deshalb hätte ich es gut gefunden, wenn Frau Klepsch heute die Rede gehalten und eine sozialpolitische Sicht eingebracht hätte oder vielleicht auch Herr Dr. Haß aus fiskalischer Sicht.
Wenn wir hier von 12 Millionen Euro reden, die es uns kosten würde, die Ersatzfreiheitsstrafler einzusperren, dann ist das vielleicht ein Argument, das bei Ihnen verfängt. „Schwitzen statt sitzen“ ist ein erfolgreiches Programm. Aber wenn ich mir anschaue, dass derzeit immer noch 350 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen und wenn ich mir auch den Verlauf der letzten Jahre anschaue, nämlich dass es jedes Jahr mehr werden, dann kann uns das doch nicht zufriedenstellen; zumal – wir wissen ja, wie die Klientel im geschlossenen Vollzug ist – es dort immer mehr Menschen gibt, die drogenabhängig sind und unter psychischen Erkrankungen leiden. Das trifft natürlich insbesondere auf die Ersatzfreiheitsstrafler zu, die eine stärkere Betreuung brauchen, die natürlich auch entsprechend Geld kostet.
Das Argument, dass wir die Sozialarbeiter unterstützen wollen, ist völliger Nonsens. Denn am Ende führt nämlich genau diese Politik, indem ich die Gefangenen im geschlossenen Vollzug einsitzen lasse und die Resozialisierung nicht verfängt, weil sie so kurz einsitzen, zu einem
Drehtüreffekt, denn die Leute kommen ja immer wieder. Aber wenn ich von Anfang an sozialarbeiterisch ansetze, dann verfängt das hoffentlich auch. Es gibt hierzu Beispiele in anderen Ländern, die zeigen, dass diese Menschen in einem gefestigten System sind, wieder in Arbeit kommen oder in einer Betreuung sind und dann nicht wieder im Gefängnis landen.
Das, meine verehrten Damen und Herren, sollte doch hier das Ziel sein. Deswegen haben wir unseren Antrag gestellt. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem hier zustimmen würden.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/10018 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine Stimmenthaltungen. Stimmen dafür; dennoch ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
In der Regel wird der Soziale Dienst der Justiz von den Strafvollstreckungsbehörden mit der Vermittlung und der Überwachung der Arbeit beauftragt. Es ist auch möglich, die Gerichtshilfe zu beauftragen, mit dem Verurteilten persönlich in Kontakt zu treten, um geeignete Vorschläge zur weiteren Verfahrensweise zu unterbreiten.
Der Soziale Dienst der Justiz hat in Sachsen einen Pool mit insgesamt 3 640 Einsatzstellen aufgebaut, bei denen die Verurteilten heimatnah gemeinnützige Arbeit leisten können. In allen Landgerichtsbezirken stehen Einsatzstellen zur Verfügung, mit denen der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Verurteilten Rechnung getragen werden kann. Zudem wird berücksichtigt, dass zum Beispiel Suchtkranke und wegen Gewalt- oder Sexualstraftaten verurteilte Personen nicht in allen Einsatzstellen tätig werden dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits heute gibt es eine Vielzahl von rechtlichen Möglichkeiten, um eine Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden. Um diese noch effektiver zu nutzen, wurde bei der Staatsanwaltschaft Dresden im März 2017 ein Pilotprojekt aufgesetzt: Der Soziale Dienst wurde von der Staatsanwaltschaft beauftragt, Verurteilten, zu denen im Lauf des Strafvollstreckungsverfahrens keine Kommunikation aufgebaut
werden konnte, persönlich aufzusuchen und mit diesen Lösungen zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe zu finden. Das betraf insgesamt 44 Fälle. In 25 Fällen ist es dem Sozialen Dienst dabei überhaupt gelungen, ein persönliches Gespräch mit den Verurteilten zu führen. Im Hinblick auf diese 25 verurteilten Personen konnte in sieben Fällen in der Folge die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ganz oder teilweise abgewendet werden.
Auch wenn auf den ersten Blick die Zahl der so abgewendeten Ersatzfreiheitsstrafen gering ist, ist der Ansatz, den Betroffenen die größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen, weiterhin sinnvoll. Eine abschließende Bewertung des Projektes werden wir zeitnah mit allen betroffenen Stellen durchführen und anschließend eine Entscheidung über die Fortsetzung treffen.
2. Erst wenn all diese Möglichkeiten (erfolglos) ausgeschöpft wurden, wird eine Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet. Die hier im Antrag geforderte Definierung der Ersatzfreiheitsstrafe als Ultima Ratio ist deshalb unnötig. Die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe stellt bereits nach dem geltenden Recht (§ 43 StGB) und auch in der Praxis das letzte Mittel dar.
3. Selbst wenn die Ersatzfreiheitsstrafe oder eine Haft in anderer Sache bereits angetreten wurde, gibt es Möglichkeiten, die Ersatzfreiheitsstrafe zu verkürzen: In Sachsen können Gefangene eine im Anschluss an die Freiheitsentziehung drohende weitere Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe bereits im Vorfeld durch Arbeit abwenden. Zudem können auch Personen, gegen die bereits eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird, während der Vollstreckung dieser Ersatzfreiheitsstrafe Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe leisten und somit die Dauer der Freiheitsentziehung verkürzen. Das ist das sog. day-for-day-Prinzip. Dieses Prinzip wurde bereits im Jahr 1995 in der Justizvollzugsanstalt Bautzen eingeführt. Mittlerweile wird es in allen sächsischen Justizvollzugsanstalten erfolgreich praktiziert.
Im Jahr 2016 haben insgesamt 956 Gefangene während des Vollzugs einer Freiheitsentziehung im sächsischen Justizvollzug Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe geleistet. Es wurden insgesamt 112 432 Hafttage (Ersatzfreiheitsstrafe) vollzogen und immerhin 30 006 Hafttage (Ersatzfreiheitsstrafe) durch die Ableistung von Arbeit während des Vollzugs einer Freiheitsentziehung abgegolten.
4. Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz der bestehenden, vielfältigen Möglichkeiten zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen ist auch klar, dass die Zahl der Gefangenen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, noch immer zu hoch ist. Das belastet nicht nur den Justizhaushalt, auch für die Betroffenen können die relativ kurzen Inhaftierungszeiten negative Folgen haben, insbesondere im familiären Bereich und im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Arbeitsstelle. Wir möchten daher das System der Ersatzfreiheitsstrafe weiter optimieren. Hierzu wurde auf der 87. Konferenz der Justizministerinnen und
Justizminister mit der Stimme Sachsens eine BundLänder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die ihre Arbeit bereits im Oktober 2016 aufgenommen hat. Sachsen ist an dieser Arbeitsgruppe bereits aktiv beteiligt und ich hoffe, dass neue Wege zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe aufgezeigt werden. Die nächste Sitzung wird am 11./12. April 2018 stattfinden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich heute noch keine Zwischenergebnisse bekannt geben kann.
Wir werden erst einmal die Ergebnisse abwarten und dann auf dieser Grundlage sachlich analysieren, ob und inwie
Eines will ich aber auch deutlich sagen: Eine völlige Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Für eine effektive Beitreibung der Geldstrafe ist die Ersatzfreiheitsstrafe als subsidiäres Druckmittel unverzichtbar. Der Rechtsstaat muss auch Stärke und Entschlossenheit zeigen können, sonst wird er nicht ernst genommen!
Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter, das Wort zu nehmen? – Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? –
Eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen; dennoch wird dem Antrag mit großer Mehrheit zugestimmt. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Auch hierzu ist keine Aussprache vorgesehen. Möchte dennoch jemand das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? –
Eine Reihe von Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen. Somit ist der Beschlussempfehlung mit Mehrheit zugestimmt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.