Protocol of the Session on March 14, 2018

An den Ausführungen merken Sie – das hat auch schon Frau Buddeberg angesprochen –, dass Teilhabe eben kein Luxus ist. Teilhabe ist Menschenrecht, und wir versuchen mit der Erhöhung, diesem näherzukommen. Natürlich könnte es immer mehr sein, und es ist das gute Recht der Opposition, noch mehr zu fordern. Dinge, die für Menschen, über die wir gerade gesprochen haben, ermöglicht werden müssen, sind Hilfsmittel: Bücher in Brailleschrift, speziell geschliffene Gläser für Brillen oder Dolmetscher. Sie ermöglichen Teilhabe, aber sie sind oftmals sehr kostspielig; denn sie sind hoch spezialisiert.

Hinzu kommt, dass viele Menschen wegen ihrer Behinderung keinen normalen Beruf ausüben können. Nach wie vor ist die Gruppe der Menschen mit Behinderung nicht die, die von den sinkenden Arbeitslosenzahlen profitiert, sondern die, die weiterhin noch stärker von Arbeitslosigkeit betroffen ist.

Die Erhöhungen machen mich, auch wenn sie für die Opposition zu gering sind, aus drei Gründen sehr, sehr glücklich – wir haben auch sehr lange daran gearbeitet –:

Erstens ist die Höhe dadurch, dass es sich fast um eine Verdoppelung bei den Taubblinden handelt, viel, viel mehr als Symbolpolitik. Es sind Beträge, die eine echte Hilfe für die Betroffenen bedeuten, und darauf bin ich sehr stolz.

Zweitens sind sie ein Beleg dafür, dass das Parlament auch die Kraft und die Fachkenntnis hat, einen Gesetzentwurf weiterzuentwickeln – das könnten wir häufiger tun –, und sie markieren für mich den Anfang eines langen Weges in Sachsen, uns von dem Grundgedanken der Minimalisierung von Kosten für Menschen mit Behinderung abzuwenden. Kein Mensch ist freiwillig blind, gehörlos oder sehbehindert. Jeder der Betroffenen würde diese Leistungen lieber nicht erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion ist ein niemals endender Prozess, deshalb möchte ich es nicht dabei belassen, mich über das Erreichte zu freuen, sondern auch

Herausforderungen für die Zukunft benennen. Künftig sollte das Landesblindengeld regelmäßiger und in deutlich kürzeren Abständen überprüft werden, und das gemeinsam mit den Expertinnen und Experten. Ich halte das nicht für naiv, sondern für wünschenswert.

Zudem müssen wir den Kreis der Leistungsberechtigten für das Taubblindengeld gegebenenfalls erweitern. Krankheiten wie das Usher-Syndrom – das ist eine HörSeh-Behinderung –, die unaufhaltsam voranschreiten, führen zum Beispiel dazu, dass Menschen früher oder später komplett taub und blind sind. Im Moment ist die Sachlage so, dass ihnen wirklich erst im finalen Stadium dieser Krankheit die Hilfe gewährt wird und es dann für viele schon deutlich zu spät ist. Wie schon angesprochen, ist es keine große Gruppe.

Ich danke ausdrücklich Frau Fischer vom Landesblindenverband für ihre plastischen Schilderungen zur Verwendung der Nachteilsausgleiche. Sie waren uns hilfreich, um zu begreifen, was für Sehende und Hörende oftmals schwer nachvollziehbar ist. Danke auch an unseren Koalitionspartner und das SMS, die eine Erhöhung im laufenden Haushalt möglich gemacht haben, denn das ist nicht selbstverständlich.

Heute Morgen ist Stephen Hawking gestorben. Ich habe ihn sehr bewundert. Er hat gezeigt, dass die Würde des Menschen nicht davon abhängt, ob er sprechen oder laufen kann. Auch er war auf Hilfsmittel angewiesen, um mit uns und der Welt zu kommunizieren. Hätte es keine Hilfsmittel gegeben, hätten wir von seinen Theorien nie etwas erfahren. Wie arm wäre unsere Welt, wenn er es nicht gekonnt hätte?

Deshalb beende ich meine Rede mit einem Zitat von Stephen Hawking, das den Geist der heutigen Debatte trifft: „Auch wenn ich mich nicht bewegen kann und durch meinen Computer sprechen muss: In meinem Geist bin ich frei.“

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Nun die AfD-Fraktion. Herr Abg. Wendt. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen nicht auszuschließen ist natürlich auch ein Anliegen der AfD, auch wenn das von der Gegenseite und den Medien gern anders dargestellt wird.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

So haben wir uns in der Vergangenheit mehrfach für eine Erhöhung der Leistungen für Menschen mit Behinderungen eingesetzt. Hierbei verweise ich auf die Haushaltsverhandlungen oder auf unser Landessehhilfengesetz. Ja, wir sind froh darüber, dass nun – auch auf Druck der AfD – die Leistungen nach Jahren der Stagnation endlich erhöht werden.

Nicht nachvollziehbar jedoch ist für uns der Gesetzentwurf der Staatsregierung, der nur eine lächerliche – und

nicht eine erhebliche, wie Herr Krasselt geschildert hat – Erhöhung vorsah. Das ist mit Blick auf die letzten Jahrzehnte des Stillstands einfach nur schmerzlich und peinlich.

Mit dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen wurde der Schmerz etwas gelindert. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber keineswegs das Ende der Fahnenstange. Es ist deshalb nicht das Ende der Fahnenstange, weil Inflationsrate und Kaufkraftverlust auch vor Sachsen nicht Halt machen werden. Das bedeutet auch zukünftig höhere Kosten für Dolmetscherleistungen oder Hilfsmittel.

Aber wie sieht es momentan in der Realität aus? Gehörlose müssen beispielsweise die Dolmetscherkosten in einigen Lebensbereichen selbst tragen. Das sind zum Beispiel Gespräche mit Vermietern, Anwälten oder Banken. Ein Gebärdendolmetscher kostet etwa 75 Euro pro Stunde. Bisher erhielten die Gehörlosen 103 Euro pro Monat.

Im Gesetzentwurf sah die Staatsregierung nunmehr 115 Euro vor, die Regierungsfraktionen erhöhten diesen Betrag in ihrem Änderungsantrag auf 130 Euro. Die Erhöhung ist nach all den Jahren des Nichttuns natürlich folgerichtig. Dennoch reicht das nicht einmal für zwei Stunden Dolmetschen im Monat.

Auch wenn die Erhöhung zu begrüßen ist: Eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist für den Gehörlosen dadurch trotzdem nicht vollends möglich. Was ist denn, wenn er sich in einem Sportverein engagieren oder kulturell betätigen möchte? Dafür ist dann kein Geld mehr da.

Aber auch die Kommunikation mit Menschen, die nicht gehörlos sind, ist für Gehörlose wichtig und gehört zu einem aktiven Leben dazu. Das ist mit diesem Betrag nicht machbar.

Lassen Sie mich kurz auf das Thema der Dynamisierung eingehen. Man findet dazu nichts – weder im Gesetzentwurf der Staatsregierung noch im Änderungsantrag von CDU und SPD

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag erarbeitet, auf den ich später inhaltlich eingehen möchte.

Fazit: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung ist ein zu Papier gebrachtes Armutszeugnis, welchem man in dieser Form einfach nicht zustimmen kann. Dabei sei angefügt: Vergessen wir nicht, dass Blinde, Gehörlose, hochgradig Sehschwache sowie schwerstbehinderte Kinder in ihrem Leben eh schon mit erheblichen Nachteilen und Einschränkungen zu kämpfen haben und deshalb auf unsere Unterstützung angewiesen sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abg. Zschocke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung, die Ausschüsse und der Landtag würden viel Zeit und Aufwand sparen, wenn Gesetzentwürfe wie dieser rechtzeitig, umfassend und vollständig novelliert würden.

Heute nehmen wir erneut Anlauf, die notwendigen Änderungen im Landesblindengeld vorzunehmen. Das hätte bereits Ende 2016 erfolgen können. Ich befürchte, dass auch heute sehenden Auges wieder nur Unvollständiges beschlossen wird. Natürlich unterstützen wir GRÜNE, dass die Staatsregierung und die Koalition, wenn auch mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, endlich die Nachteilsausgleiche für die anderen Gruppe, also gehörlose Menschen, hochgradig sehbehinderte Menschen und

schwerstbehinderte Kinder, anheben wollen. Im vorliegenden Gesetzentwurf – das haben die Vorredner bereits gesagt – wird erstmals auch ein Nachteilsausgleich für Menschen vorgesehen, die sowohl blind als auch gehörlos sind.

Aber, meine Damen und Herren, das hätten wir doch alles schon im Dezember 2016 beschließen können. Unsere Änderungsanträge dazu lagen vor. Wir sind es aber gewöhnt, dass die Staatsregierung immer einen etwas längeren Anlauf braucht, um sich dann vielleicht mal einen halben Meter nach vorn zu bewegen. So ist auch der heute erneut vorliegende Gesetzentwurf nicht der große Wurf.

Frau Ministerin, es fällt schon auf: Immer, wenn es um die Belange behinderter Menschen geht – egal, ob es das Landesblindengeld, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die schulische Inklusion, die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes oder die barrierefreie Information und Kommunikation betrifft –, gibt es dieses langwierige Ringen um die kleinen Schritte.

Ich wünschte mir eine Sozialministerin, die sich vielmehr an die Spitze all dieser notwendigen Reformen stellt und diese auch wirklich entschlossen vorantreibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seit dem 01.01.1996 wurden die im Landesblindengeldgesetz geregelten Nachteilsausgleiche für gehörlose und sehbehinderte Menschen sowie für die schwerstbehinderten Kinder trotz der Inflationsrate und des Kaufkraftverlustes nicht angepasst. Taubblinde Menschen, die einen besonders hohen Unterstützungsbedarf aufweisen, fanden bisher überhaupt keine Erwähnung. Eine umfassende und zukunftsweisende Neuregelung ist demnach mehr als überfällig.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Staatsregierung wieder nur Teile von dem um, was sie uns im Dezember 2016 im Plenum versprochen hat, nämlich die Gruppe der Taubblinden, die einen besonders hohen

Unterstützungsbedarf aufweist, im Landesblindengeldgesetz jetzt ordentlich zu verankern.

Besonders dieser Gruppe wird die heute vorliegende Regelung nicht umfänglich gerecht. Die zugrunde gelegte Definition ist viel zu eng, sodass einige taubblinde Menschen zwar das Merkzeichen „TBL“, nämlich taubblind, haben – Kollegin Buddeberg hat es erläutert –, aber nach dem Landesblindengeldgesetz nicht als solche behandelt werden. Dazu kommen die Menschen mit UsherSyndrom, die früher oder später auch einen Nachteilsausgleich brauchen. Das alles hätte doch schon längst geprüft und eingearbeitet werden können.

Jetzt haben die Regierungsfraktionen bei der Behandlung des Gesetzentwurfes im Aussschuss signalisiert, dass sie diese Definitionsfrage klären und in absehbarer Zeit noch einmal prüfen wollen, wer alles zur Gruppe der taubblinden Menschen gehört. Warum machen Sie es nicht gleich richtig? Warum produzieren Sie wieder nur einen Zwischenschritt?

Es gibt einen Änderungsantrag, der neben der Definition, was taubblind ist, auch noch die Frage der jährlichen Dynamisierung klärt, um nicht immer wieder mit behinderten Menschen um den Ausgleich von Nachteilen feilschen zu müssen. Es liegt alles vor, um es heute richtig zu machen: ein Gesetzentwurf mit den erhöhten und auf die anderen Gruppen erweiterten Nachteilsausgleichen, der natürlich unsere Zustimmung hat, und ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, der die offenen Fragen der Definition und der jährlichen Dynamisierung beantwortet.

Jetzt geben Sie sich einen Ruck und nehmen Sie auch diese Änderung auf, damit wir beim Landesblindengeld, meine Damen und Herren, wirklich einen richtigen Schritt nach vorn kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf bei der CDU-Fraktion für eine weitere Runde? – Das ist nicht der Fall. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Auch diesen kann ich nicht feststellen. Nun frage ich die Staatsregierung. – Die Staatsregierung hat das Wort. Frau Staatsministerin Klepsch; bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten in diesem Jahr stand unter dem Motto „Ungehindert miteinander“. Wer von Ihnen beim Neujahrsempfang dabei war, der weiß, dass das ein richtiges und ein wichtiges Signal in unsere Gesellschaft war.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Gespräche an diesem Abend – zumindest kann ich das für mich so mitnehmen – waren beeindruckend,

ermutigend und klingen auch noch heute ein ganzes Stück nach.