Protocol of the Session on December 13, 2017

Die Staatsregierung ist regelmäßig mit Wirtschaftsdelegationen vor Ort; auch wir im Parlament kümmern uns. Wir waren beim Deutsch-Russischen Rohstoffforum in Sankt Petersburg ebenso wie bei den Reisen des Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr nach Samara und Moskau dabei. Im Juni waren wir mit dem Parlamentarischen Forum Mittel- und Osteuropa in unserer Partnerregion Baschkortostan. Wir wurden dort sehr freundlich aufgenommen. Insbesondere in Ufa wurde übrigens immer ganz klar artikuliert, dass die Russen an weiteren Kontakten und Geschäftsabschlüssen mit Sachsen interessiert sind.

Sicher sind die Sanktionen dabei nicht sehr hilfreich, aber wir halten es mit dem Churchill-Spruch: „Jaw, jaw is always better than war, war”, also palavernd im Gespräch sein ist immer besser als Krieg führen. Deshalb überlegen wir auch, mit dem Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft in unsere Partnerregion Baschkortostan zu reisen; denn die Baschkiren wollen den Kontakt mit uns, das haben sie uns im Juni sehr deutlich gezeigt, und diesen Gesprächsdraht sollten wir nicht abreißen lassen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Aber eine Rücknahme der Sanktionen erfordert auch Bewegung bei den Russen; denn das Embargo ist eben gerade nicht grundlos erfolgt. Wenn ich mir Ihre Position III anschaue, so wird daran wieder einmal so richtig deutlich, wie handwerklich schlecht der Antrag eigentlich ist; denn die deutsche Bundesebene ist eben gerade nicht für diese Sanktionen zuständig, sondern der Europarat. Entweder wissen Sie das nicht, oder Sie verschweigen es bewusst. Aber das ist ja auch so ein wenig typisch AfD: Man darf sich doch von Fakten nicht die so schön zurechtgelegte Meinung kaputtmachen lassen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ein Märchen wird nicht dadurch wahrer, indem man es ständig wiederholt. Dass die Sanktionen allein am Rückgang des sächsischen Russland-Geschäfts schuld sind, stimmt eben nicht. Die

Staatsregierung ist sehr aktiv, darüber haben wir bereits mehrfach in diesem Hohen Hause gesprochen.

Ihr Antrag ist für uns untauglich. Er bildet die Lebenswirklichkeit nicht ab, und wir werden ihm deshalb keine Zustimmung geben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Die Fraktion DIE LINKE, Herr Brünler, bitte. – Ach so, eine Kurzintervention. Bitte, Herr Urban.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Eine Kurzintervention zu dem Redebeitrag von Herrn Nowak. Zunächst möchte ich noch einmal darauf eingehen, wie die Sanktionen begründet wurden. Hierzu wurde ja wieder auf die Krim und das Völkerrecht verwiesen.

Sie sprechen mit gespaltener Zunge, auch für Ihre Partei, die CDU, auf Bundesebene. Eine Bundesregierung, die im Vorfeld – das war der Präzedenzfall – die Herauslösung des Kosovo aus Jugoslawien als akzeptabel bezeichnete und innerhalb von drei Tagen anerkannte – im Unterschied zu vielen anderen Nationen dieser Welt –, muss sich jetzt nicht hinstellen und sagen, Russland hätte Völkerrecht gebrochen, weil es das Referendum auf der Krim und die Beantragung der Mitgliedschaft in der Russischen Föderation anerkannt hat. Sie müssen Völkerrecht interpretieren. Das umfasst auch das Recht der Völker, für sich selbst zu bestimmen; und die Krimbevölkerung hat sich sehr eindeutig für Russland entschieden.

(Sebastian Fischer, CDU: Aber nicht demokratisch! Nicht anerkannt!)

Dies mit Sanktionen zu belegen zeigt nur, dass Sie recht behalten wollen und vielleicht auch Politik für die Amerikaner machen, denn die Sanktionen schaden Russland nicht, das wissen wir inzwischen. Russland bedankt sich inzwischen für die Sanktionen, weil es dadurch eine Binnenkonjunktur hat. Sie haben also, wenn Sie politische Gründe für die Sanktionen anführen, die denkbar schlechtesten Gründe. – So viel dazu.

Ein zweites Stichwort noch zur ifo-Studie: Sie haben selbst gesagt – und das entlarvt Sie auch –, Sie hätten sich nicht mit dieser Studie beschäftigt. Das glaube ich Ihnen gern; denn wenn Sie es getan hätten, würden Sie wissen, dass diese Studie den Ölpreisverfall und den Rubelverfall sowie die Umlenkung von Exportströmen exakt herausgerechnet hat. Diese Studie beachtet all das nicht. Sie spricht nur von den Schäden auf dem Arbeitsmarkt durch die Sanktionen, und das sind für Deutschland immerhin 100 000 Arbeitsplätze. Wenn Sie sich in Sachsen davor drücken, dies zu ermitteln, dann zeigt das nur: Sie haben ein schlechtes Gewissen, –

Bitte zum Ende kommen.

– und Sie haben es zu Recht.

(Beifall bei der AfD)

Herr Nowak.

Lieber Herr Kollege, wenn Sie denken, dass Sie mit diesem Whataboutism weiterkommen, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Die Abstimmungen auf der Krim und in der Ostukraine sind weder demokratisch noch in irgendeiner Konstellation kontrolliert vorgenommen worden. Man hat dort keine unabhängigen Beobachter hereingelassen.

(Jörg Urban, AfD: Sie wurden eingeladen und sind nicht gefahren! Sie wollten das nicht beobachten, so ist es!)

Ja, ja. Waren Sie mal dort? Dann können Sie sich ja mit dem Kollegen Fischer, der sich das vor Ort angeschaut hat, zu diesem Thema unterhalten. Sie behaupten einige Dinge, die Sie nicht werden halten können.

(Jörg Urban, AfD: Es waren Beobachter dort! Ihre Regierung wollte nicht fahren! – Sebastian Fischer, CDU: Unsinn!)

Ich habe Sie ausreden lassen, lassen Sie mich also bitte auch ausreden. Zum Thema Studie hätten Sie zweckmäßigerweise darauf hinweisen müssen, dass sie entsprechend ausgerechnet war. Nach dem, wie Sie es in Ihren Antrag hineingeschrieben haben, bleibe ich bei unserer Formulierung: Das ist entweder verschwiegen oder schlecht gemacht oder beides.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Brünler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland sind in vielfacher Hinsicht ein Fehler. Wir haben das auch hier im Landtag mehrfach debattiert. Sie sind nicht geeignet, das derzeit schwierige Verhältnis zwischen Russland und der EU zu verbessern. Im Gegenteil, sie tragen eher zu einer weiteren Verhärtung bei. Annäherung setzt Dialog und zumindest Grundzüge von Vertrauen voraus. Die Sanktionen haben noch einen zweiten Aspekt: Sie schaden auch der Wirtschaft in der EU im Allgemeinen und in Sachsen im Konkreten. Wir kennen alle die Debatten um wegbrechende Stammkunden und Umsatzeinbußen aus dem Russland-Geschäft. – So weit und wahrscheinlich so unstrittig.

Aber schauen wir uns, meine Damen und Herren von der AfD, Ihren Antrag einmal etwas genauer an; denn das, was Sie darin fordern, ist absurd. Sie wollen ja nicht einmal die Sanktionen abschaffen, sondern Sie wollen versuchen, mit Modellrechnungen zu ermitteln, wie viele Arbeitsplätze im Freistaat dadurch vor zwei Jahren weggefallen sind, um diese Ergebnisse dann als – ich zitiere – „Verhandlungsmasse zugunsten sächsischer Interessen gegenüber Bund und EU zu nutzen“. In wel

chem Kontext wollen Sie das als Verhandlungsmasse nutzen, und was soll dabei eigentlich herauskommen? Und, fast noch wichtiger: Wenn Menschen durch die Sanktionen in Sachsen ihre Arbeit verloren haben, was nützt es denen dann, wenn der Freistaat drei Jahre später – denn die Untersuchung muss ja noch erstellt werden – irgendwo als Joker Ihre gewünschte Studie auspackt?

Abgesehen davon, dass Sie mit dieser Forderung Engagement vorgaukeln, das wegen Substanzlosigkeit absehbar fruchtlos im Sande verlaufen würde, selbst wenn wir Ihren Antrag heute annehmen würden: Haben Sie sich eigentlich Gedanken gemacht, wie diese Studie genau erstellt werden soll? Ich fürchte nein, oder wenn doch und Sie tatsächlich auf ökonometrische Modelle setzen, dann wissen Sie offenkundig nicht, was das eigentlich ist. Sie haben in diesen Modellen Schätzzusammenhänge, die im Kern einfach nur aus Vermutungen bestehen, von denen Sie zwar wissen, dass es irgendwie einen Zusammenhang gibt, ohne dass Sie diesen jedoch konkret quantifizieren können. Ferner treffen Sie in solchen Modellen vereinfachte Annahmen, die in einem Teil die Realität einfach ausblenden, damit Sie Ihre Modelle überhaupt beherrschen und berechnen können.

Dann können Sie anfangen zu rechnen. Das Problem ist nur: Je nachdem, welche Effekte Sie berücksichtigen, wie Sie diese gewichten und den Zusammenhang konkret modellieren – Sie werden jedes Mal andere Ergebnisse bekommen. Sie können damit dann zwar eine Wenndann-Beziehung beschreiben, konkrete Zahlen ermitteln können Sie damit aufgrund nicht quantifizierbarer Zusammenhänge nicht. Dabei nützt auch der Verweis auf Ihre Österreich-Studie nichts; denn auch hier werden lediglich Schätzszenarien beschrieben. Glauben Sie mir als Volkswirt, der schon mit solchen Modellen gearbeitet hat: Ich weiß, wovon ich rede.

Was bleibt Ihnen dann? Sie könnten alle 166 447 Unternehmen, die es laut Unternehmensregister 2015 gab, anschreiben und um konkrete Auskunft bitten, inwieweit sie nicht in der Lage waren, andere Geschäftspartner zu finden, ob sie, bedingt durch die Sanktionen, Personal abgebaut haben, auf wie viele Einstellungen sie ausschließlich wegen der Sanktionen verzichtet haben, welche Investitionen sie nicht getätigt haben und welche Zulieferer davon betroffen waren. – Das kann man natürlich machen – der sächsischen Wirtschaft mehrere Tausend Arbeitsstunden entziehen, um zum Schluss eine einzelne Zahl zu ermitteln, ohne dass damit greifbare Resultate verbunden werden.

(Sebastian Fischer, CDU: Tja!)

Wie gesagt, das kann man machen. Wenn man noch einmal gründlich darüber nachdenkt und eine Spur Vernunft hat, dann lässt man es allerdings. Wir haben gründlich darüber nachgedacht und lehnen Ihren Antrag vernünftigerweise ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Baum, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun, es ist wieder Advent, und auf vielen Weihnachtsmärkten erklingt das Lied „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind“. Leider scheint in diesem Hohen Haus insbesondere bei der AfD der zweite Teil dieses Liedes noch nicht angekommen zu sein; aber vielleicht lauschen Sie ja morgen Mittag der vom Kollegen Bienst initiierten Weihnachtsmusik im Foyer.

(Beifall des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Zum wiederholten Male bringt die AfD-Fraktion die EUSanktionen gegen Russland auf die Tagesordnung. Allerdings – das ist einmal etwas Neues – fordert die AfDFraktion dieses Mal nicht deren Beendigung, sondern spricht in Punkt III nur von der Aufhebung der Verlängerung der Sanktionen.

(Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Hat die AfD-Fraktion etwa durch die letzten Debatten im Landtag dazugelernt? Ist es mittlerweile auch bei der AfD-Fraktion angekommen, dass es sich bei den Sanktionen gegen Russland und den damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen

einfach um komplexe Wirkungszusammenhänge handelt, die man nicht einfach in Schwarz und Weiß unterteilen kann.

Ein Blick in den Antrag genügt, um die Antwort zu finden: Nein, sie haben es immer noch nicht verstanden. So fordert die AfD-Fraktion unter anderem einen Bericht über die durch die EU-Sanktionen gegen Russland vernichteten bzw. nicht entstandenen Arbeitsplätze in Sachsen. Abgesehen von dem völlig deplatzierten Gebrauch des Wortes „vernichtet“ ist doch allen logisch denkenden Menschen klar, dass es solche monokausalen Zusammenhänge in einer globalisierten Wirtschaft schlicht und ergreifend nicht gibt.

Indirekt gibt die AfD-Fraktion selbst zu, dass solche simplen Zusammenhänge nicht herstellbar sind; denn sie fordert im Punkt II eine Studie, die zumindest eine Schätzung vornehmen sollte, wie viele Arbeitsplätze durch die Sanktionen verloren gegangen seien und wie viele Unternehmen dadurch Insolvenz hätten anmelden müssen. Die Ergebnisse dieser Schätzungen sollten dann – wie Kollege Brünler schon sagte – als Verhandlungsmasse zugunsten sächsischer Interessen gegenüber Bund und EU genutzt werden.

Für uns ist damit klar und deutlich: Der AfD-Fraktion geht es nicht um die sächsischen Unternehmerinnen und Unternehmer und schon gar nicht um die dort arbeitenden Menschen. Ihr geht es einzig und allein um Verhandlungsmasse, die man nutzen müsse.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine solche Vorgehensweise ist nicht unser Weg. Wir streuen den Unternehmen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern keinen Sand in die Augen. Ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Sachsen zeigt, dass immer mehr Menschen in unserem Land einen Job haben. Die Arbeitslosenquote ist in den letzten Jahren immer weiter gesunken. Auch die Zahl der Insolvenzen ist in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Es gibt – das teilt auch die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme mit – keinen Zusammenhang zwischen den EU-Sanktionen gegen Russland und den Veränderungen auf dem sächsischen Arbeitsmarkt.

Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Zahl der Firmeninsolvenzen in Sachsen irgendetwas damit zu tun haben könnte. Die EU-Sanktionen – das habe ich bereits bei der letzten Debatte in diesem Hohen Haus deutlich gemacht – haben nur geringen Einfluss auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Sachsen und Russland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als sächsische Abgeordnete sollten uns nicht damit aufhalten, Antworten auf geopolitische Herausforderungen zu suchen. Wir sollten vielmehr dafür sorgen, dass die Beziehungen zwischen Sachsens Wirtschaft und den Unternehmen in Russland nicht noch weiter Schaden nehmen. Das sehe ich als unsere vordringlichste Aufgabe.

Wir sollten versuchen, mit den russischen Partnern im Gespräch zu bleiben und daran zu arbeiten, dass die russische Wirtschaft trotz der vor allem von Präsident Putin heraufbeschworenen Konflikte wieder auf die Beine kommt; denn die Schwäche der russischen Wirtschaft ist doch das Problem und weniger die Sanktionen.