Wir geben nicht auf. Wir greifen viele dieser Empfehlungen in unserem Lehrerbildungsgesetz erneut auf. Sie haben die Möglichkeit, sich dazu positiv zu positionieren. Wir greifen das Thema politische Bildung im Kontext mit unserem Bildungsfreistellungsgesetz auf. Auch dort haben Sie die Möglichkeit, endlich einmal ernst zu machen und sich mit diesem Thema nicht nur rhetorisch auseinanderzusetzen. Ich denke, das ist ganz wichtig.
Zum Abschluss möchte ich noch etwas zum Thema Analyse sagen, denn das ist der Punkt, den wir teilen. Diesem werden wir zustimmen. Im Übrigen bitten wir um punktweise Abstimmung.
Wir haben ja den Sachsen-Monitor. Der Sachsen-Monitor resultierte aus einer Vereinbarung in den Koalitionsverhandlungen. Das ist alles in Ordnung. Aber ich habe das große Erschrecken in Auswertung des Sachsen-Monitors nie verstanden, denn wir hatten solch eine Analyse bereits im Jahr 2004, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. Henning Homann, du wirst das wissen: Die Universität Bielefeld macht seit vielen Jahren eine Langzeitstudie zu den Einstellungen und Haltungen. Im Jahr 2004 hat es – auch unter dem Aspekt des Einzugs der NPD in den Sächsischen Landtag – einen Sachsen-Blick innerhalb dieser Langzeitstudie gegeben. Das war 2004. Die Befun
In diesen zwölf, 13 Jahren ist nichts passiert. Es ist null passiert. Deshalb ist diese Debatte wichtig, weil wir nach wie vor am ernsthaften Willen der Koalition zweifeln, grundsätzliche Veränderungen in diesem Themenfeld vorzunehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! In diesem Antrag geht es um die Erneuerung der politischen Bildung an Sachsens Schulen. Wir können darin lesen, dass das Fach Gemeinschaftskunde inhaltlich und methodisch-didaktisch auf den neusten Stand verschiedener Erkenntnisse zu bringen sei.
Ja, auch ich gebe zu, dass ich beim Lesen des Antrages zunächst die Assoziation zur Staatsbürgerkunde hatte. Das ist ein bisschen platt, das weiß ich, und daher will ich es auch nicht dabei bewenden lassen.
Die Fraktion DIE LINKE möchte das Unterrichtsfach Gemeinschaftskunde in „Politische Bildung“ umbenennen. Frau Falken, Sie hatten soeben gesagt, dass das ein ganz alter Begriff ist. Er gefällt Ihnen also nicht, und deswegen soll es umbenannt werden. Was haben Sie gegen den Begriff Gemeinschaft? Das ist doch etwas Positives. Das ist doch etwas Wunderbares.
Schon bisher ist der Bereich der politischen Bildung inhaltlich mit einem sehr großen Anteil im Fach Gemeinschaftskunde verankert. Aber es werden eben auch andere Themenbereiche angesprochen, nämlich rechtliche und wirtschaftliche. Gerade Rechtskenntnisse sind für junge Erwachsene nicht ganz unbedeutend, ebenso Wissen zur Wirtschaftsordnung in Deutschland, zur sozialen Marktwirtschaft, zu Unternehmen oder auch zur Ökologie. Sind diese Inhalte nicht ebenso wichtig? Gerade die Wirtschaft ist es doch, die es unserer Gesellschaft ermöglicht, unseren Kindern eine kostenfreie Bildung zukommen zu lassen. Da dürfte es mehr als angemessen sein, genau darüber im Unterricht auch zu reden.
Es stellt sich also die Frage, was mit diesen inhaltlichen Schwerpunkten wird, wenn das Fach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft – so heißt es korrekt – in seiner bisherigen Form abgeschafft wird. Eine Fokussierung auf den Bereich der politischen Bildung würde den Unterrichtsinhalt des Faches Gemeinschaftskunde unnötig und fälschlicherweise verengen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist für mich eine neue Debattenkultur. Es gilt, die Diskussionsfähigkeit unserer Schüler zu stärken, Kontroverse und Debattierfähigkeit zu lernen und zu trainieren, eigene Standpunkte zu begründen und zu vertreten und dabei Respekt für und vor der
Meinung des Anderen zu bewahren. Das ist Voraussetzung für ein selbstständiges politisches Denken und Handeln.
Ein gutes Beispiel bietet dafür übrigens das in Sachsen regelmäßig stattfindende Jugend-Redeforum „Jugend debattiert“. Das hatten wir zuletzt am 4. November 2017 im Sächsischen Landtag. Von den LINKEN waren leider keine Vertreter dabei. Aber schauen Sie sich das einfach mal an. Solche Formate sollten in den täglichen Unterricht verstärkt einfließen, und das bei Weiten nicht nur im Fach Gemeinschaftskunde oder im Rahmen politischer Bildung. In fast jedem Unterrichtsfach kann diese Methodik Eingang finden.
Eine weitere Forderung des Antrages ist, das neue Unterrichtsfach bereits ab Klasse 5 mit jeweils zwei Stunden pro Woche zu unterrichten. Das ist echt zu früh. Gemeinschaftskunde im Allgemeinen und politische Bildung im Besonderen erfordern eine persönliche und intellektuelle Reife, die bei Kindern dieses Alters – und Elfjährige sind eben noch echte Kinder – regelmäßig nicht unterstellt werden kann.
Auch fehlt in diesem Alter das Interesse an der Thematik, wie verschiedene persönliche Nachfragen in Schulklassen gezeigt haben. Denken Sie auch hier an das Angebot für Schulklassen, über den hiesigen Besucherdienst den Landtag zu besuchen, Rollenspiele zu üben oder mit Abgeordneten zu sprechen. Dieses Angebot gilt ab Klasse 8. Dem Antrag ist auch nicht zu entnehmen, ob die Stundentafel der Schüler nun grundsätzlich um zwei Wochenstunden erhöht werden soll – das ist aus meiner Sicht nicht vertretbar – oder aber zwei Stunden eines anderen Faches wegfallen sollen – und wenn ja: welches Faches?
Am meisten hat mich allerdings an dem Antrag die Begründung irritiert. Nur weil in Sachsen die Schüler im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ wenige Unterrichtsstunden im Fächerverbund Geisteswissenschaften absolvieren, soll der Unterrichtsumfang angepasst werden? Das kann nicht Ihr Ernst sein! Bei politischer Bildung geht es doch nicht um Quantität, sondern um den Stellenwert einer offenen gesellschaftlichen Debatte über alle politischen Themen.
Letztlich ist in der Begründung zu lesen, dass die Fraktion der LINKEN mit dem vorliegenden Antrag den Ergebnissen der von der Staatsregierung zum Thema eingesetzten Expertenkommission nicht vorgreifen will. Die Ergebnisse liegen zwar jetzt vor, aber genau das haben Sie mit diesem Antrag getan.
(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Valentin Lippmann, GRÜNE: Blaue Gruppe? – Lothar Bienst, CDU: So, jetzt bin ich auf die Erklärung gespannt!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich sehr froh, dass es uns offensichtlich gelungen ist, mit diesem Antrag zumindest eine Diskussion zu diesem Thema im Parlament anzustoßen; denn, Herr Homann, es hat sie wirklich noch nirgendwo gegeben. Eine Vorstellung eines Konzeptes zur politischen Bildung ist noch keine Diskussion – bei aller Freundschaft. Ich denke, auch Sie werden das sicher so sehen, und nach meinem Kenntnisstand hat es bisher in keinem anderen Bereich weder mit den Betroffenen noch mit den Schülern, den Eltern oder den Lehrerinnen und Lehrern überhaupt in irgendeiner Weise eine Diskussion zu diesem Handlungskonzept bzw. zu Handlungsempfehlungen gegeben. Vielleicht gelingt es uns ja, die Öffentlichkeit einzubeziehen – Erstens.
Zweitens. Egal, welcher Punkt, und egal, wie Sie ihn jetzt bewerten – darauf möchte ich nicht im Detail eingehen, so viel Zeit habe ich leider nicht –: Es ist zu keinem dieser Punkte, die in unserem Antrag stehen, bisher auch nur in Ansätzen angedacht, ihn umzusetzen oder nicht umzusetzen. Es gibt dazu bisher keinerlei Festlegungen und Aussagen. Von den Empfehlungen im vorliegenden Konzept wissen wir heute überhaupt noch nicht, wie, wann und wo die enthaltenen Handlungsempfehlungen umgesetzt werden und in welchem Prozess dies geschieht. Vielleicht wird der Kultusminister heute versuchen, es uns zu erklären. Denn wir können es uns im Freistaat Sachsen einfach nicht erlauben, weiter so zu agieren, wie wir es bisher getan haben. Herr Hösl, ich hatte den Eindruck, dass Sie sich in der CDU – das ist vielleicht auch nur Ihre Meinung, ich weiß es nicht – mit diesem Thema noch gar nicht vernünftig beschäftigt haben; denn das, was Sie erklärt haben, zeugt eher davon: Wir machen etwas, die Eltern sind verantwortlich, und dann schauen wir einmal, dass es so weitergeht wie bisher.
Die Frage ist: Wie soll die Fächerkoordination innerhalb der Stundentafel aussehen? Ja, natürlich ist das ein Thema. Sie werden sich erinnern: Wir sprechen im Parlament seit zwei Jahren darüber, dass wir an die Stundentafel herangehen müssen. Ich habe die Kultusministerin vor der Sommerpause gefragt, wie weit der Stand der Vorbereitungen zur Thematik Lehrplan- und Stundenplanveränderung sei. Sie erklärte uns im Ausschuss in nicht öffentlicher Sitzung, dass es dazu bisher noch keinerlei Vorbereitungen gebe. Wir müssen das endlich einmal anfassen; denn wir haben heute nicht nur in Sachsen, sondern auch darüber hinaus logischerweise andere Schwerpunkte und Kriterien als die Stundentafel, die wir jetzt haben.
Der Ministerpräsident hat dafür gesorgt, dass zumindest der Geschichtsunterricht wieder als Fach mit zwei Wochenstunden existiert, und zwar verpflichtend für alle. Aber das reicht für die politische Bildung nicht aus, und ich hoffe, dass wir uns zumindest an dieser Stelle einig sind. Das heißt, es muss an ein Komplexkonzept gedacht
werden und nicht nur „ich streiche hier und nehme dort etwas dazu“, sondern man muss das schon ein wenig im Komplex sehen. Trotzdem denken wir – andere Bundesländer machen es uns vor –, dass es notwendig ist, ab der 5. Klasse ein entsprechendes Unterrichtsfach einzuräumen.
Auf den Vorwurf zum Staatsbürgerkundeunterricht gehe ich jetzt nicht ein; denn das ist offensichtlich immer die letzte Keule. Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, um vernünftig und sachlich zu argumentieren, dann kommt immer die Keule Staatsbürgerkundeunterricht. Das haben wir überhaupt nicht vorgeschlagen und wollen es auch nicht; es ist nicht unser Ziel. Aber wir brauchen eine politische Bildung an den sächsischen Schulen, natürlich auch fächerübergreifend. Allein wird ein Zwei-StundenFach dies überhaupt nicht leisten können. Wir haben auch vor, wie viele von Ihnen es gerade gesagt haben, an den Schulen einen praktischen Bereich einzurichten. Das kann man in mehreren Unterrichtsfächern tun, nicht nur in Gemeinschaftskunde.
Noch einmal zu dem Begriff des Faches. Ich versuche es kurz zu machen, hätte es aber gern Herrn Kupfer noch etwas ausführlicher erklärt. Herr Kupfer, vielleicht gehen wir nachher noch einmal kurz hinaus.
Der Wortbestandteil „-kunde“ deutet darauf hin, dass etwas „verkündet“ wird – Wissen –, also Lehrer vermitteln nur etwas. Das ist aber heute nicht mehr der Anspruch, den wir im Bildungsbereich haben. Wir wollen nicht, dass der Lehrer nur etwas vermittelt, gerade im Bereich der politischen Bildung, sondern wir wollen, dass die Schüler einbezogen und selbstständig sowie eigenständig lernen und agieren – mit Unterstützung des Lehrers.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte, dass wir in einer solch wichtigen Debatte – hier geht es um politische Bildung – auch bei der Wahrheit bleiben. Diejenigen, die jetzt vielleicht das Konzept nicht vorliegen haben – denn es war ja nicht Thema, über das Konzept heute zu debattieren; die Kollegin Falken hat es dankenswerterweise getan –, sollten einmal die Seite 2 aufschlagen. Dort steht in den Vorbemerkungen zu diesem Konzept zunächst die Personengruppe, an die sich das Handlungskonzept richtet: Das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulaufsicht, die mit der Lehrerbildung vertraut sind, bzw. andere kooperierende staatliche und nicht staatliche Institutionen. Es richtet sich aber auch an Lehrkräfte,
im nächsten Abschnitt steht – ich zitiere –: „Es stellt einen verbindlichen Rahmen dar, um Aktivitäten zu koordinieren und zielgerichtete Entscheidungen zu ermöglichen.“ – Einen verbindlichen Rahmen, und – das möchte ich nochmals ausdrücklich betonen – es sind keine Handlungsempfehlungen, sondern Handlungsparadigmen, die dann intern nochmals aufgeführt werden.
Noch einmal zum Fach – die Schulpolitiker werden es wissen, die anderen hier im Saal vielleicht weniger –: Für jedes Fach gibt einen Lehrplan. Darin stehen neben den Inhalten auch – ich sage einmal – Rahmenbedingungen. Beispielsweise steht für das Fach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung – da ist nichts mit Wirtschaft dabei, Kollegin Falken – im Abschnitt „Ziele und Aufgaben des Faches Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung“ – ich
zitiere –: „Beitrag zur allgemeinen Bildung“. Weiter steht hier: „Auseinandersetzen mit politischen und rechtlichen Prozessen unter Anwendung fachspezifischer Methoden“ – erster Anstrich. Zweiter Anstrich: „Entwicklung der Fähigkeit und Bereitschaft zur aktiven Mitgestaltung demokratischer Prozesse“.
Im Weiteren sind allgemeine fachliche Ziele definiert, und dann steht dort: „Politische und rechtliche Inhalte sowie fachspezifische Methoden bilden die Grundlage der Lernbereichsgestaltung. Die Lernanforderungen werden in ihrer inhaltlichen Strukturierung von folgenden fachlichen Leitlinien bestimmt:...“ Danach ist eine Reihe von Leitlinien aufgeführt, die ich jetzt nicht vortragen möchte.
Aber ich möchte zum Schluss noch auf die Strukturierung in diesem Auszug eingehen. Dazu steht geschrieben: „Das Lernen im Fach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung folgt den didaktischen Grundsätzen der Schüler- und Handlungsorientierung. Dies erfordert: Einbeziehung außerschulischer Lernorte, zum Beispiel von Gerichten, kommunalen Einrichtungen oder Parlamenten, und Einsatz fachspezifischer Methoden“. Dahinter steht eine Klammer.
Ich wollte damit nur sagen: Wir haben momentan mit diesem Fach die Möglichkeit, politische Bildung in diesem konkreten Fall allumfassend umzusetzen.
Dass wir in der Zeit vorangeschritten sind, dort neue Unterrichtsmethoden und vor allen Dingen neue Zeitabschnitte definieren müssen, ist selbstverständlich. Dazu sind unsere Lehrer auch in der Lage. Dazu komme ich aber noch später in meinen Ausführungen.
Gestatten Sie mir, dass ich in dieser Debatte auf den Antrag eingehe und nicht auf das vorliegende Wertepapier, denn darüber sollten wir noch einmal detaillierter die einzelnen Punkte in diesem Hohen Haus diskutieren.
Bildung“. Ich fasse das noch weiter. Wir haben neben dem Gymnasium noch das technische Gymnasium und weitere Schularten, in denen wir politische Bildung anbieten müssen und konstruktiv über Politik diskutieren sollten.