Die Schule hat es als Institution mit einem grundlegenden Widerspruch zu tun, den sie, glaube ich, allein nicht handeln kann.
Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit, und ich bitte Sie, mit unserem Antrag einen ersten Schritt zu gehen und unserem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihrem Antrag „Politische Bildung in Schulen erneuern – Gemeinschaftskunde modernisieren und ausweiten“ möchte ich eine Ausweitung nach vorn voranstellen.
Politische Bildung beginnt meines Erachtens nicht erst im schulischen Bereich, sondern findet ihre Grundlage im familiären Bereich: zu einen im konstruktiven sozialen Handeln der Familienmitglieder miteinander, zum anderen in der Bewertung aktueller politischer Geschehnisse der Eltern gegenüber den Kindern. Diese Bewertung zum Beispiel während der Abendnachrichten wird von Kindern aufgenommen, bleibt haften und prägt ihre Meinung.
Unsere Verantwortung hierbei ist, eine ehrliche, transparente und den Menschen zugewandte Politik zu betreiben,
Das konkrete Ziel Ihres Antrages, unter anderem das Fach Gemeinschaftskunde in „Politische Bildung“ umzubenennen, halte ich für zu eng gefasst. Das Fach Gemeinschaftskunde vermittelt ja nicht ausschließlich Kenntnisse der politischen Bildung, die der politischen Bildung zugeordnet sind. Vielmehr geht es um – ich zitiere aus dem sächsischen Lehrplan der Oberstufe – den „Erwerb intelligenten Wissens über gesellschaftliche, politische, rechtliche und ökonomische Sachverhalte in ihrer Komplexität und Interdependenz“. Eine Umbenennung würde wiederum den rechtlichen und ökonomischen Inhalten nicht gerecht werden. Aus diesem Grund erachte ich eine Umbenennung für hinfällig.
Die Forderung, den Unterricht im Fach Gemeinschaftskunde inhaltlich und methodisch-didaktisch auf den neuesten Stand politikwissenschaftlicher und soziologischer Erkenntnisse zu bringen, halte ich mit dem mittlerweile veröffentlichten Handlungskonzept „W wie Werte“ als ausreichend bedacht. Von einer Expertenkommission unter Mitwirkung von Eltern, Schülern, Lehrern, Schulverwaltungen und der Wissenschaft erstellt, stellt es „einen verbindlichen Rahmen dar, um Aktivitäten zu koordinieren und zielgerichtete Entscheidungen zu treffen.“ Wird dieser verbindliche Rahmen umgesetzt, steht dem ausgewogenen Fach Gemeinschaftskunde mit ansprechender politischer Bildung nichts im Wege. Gesellt sich dann die Vernetzung mit anderen Fächern wie Geschichte oder Deutsch hinzu, sehe ich ausreichend Bildungspotenzial, ohne der Gemeinschaftskunde einen erweiterten Stundenumfang einräumen zu müssen.
Kenntnisse über unser demokratisches politisches System erlangt man eben nicht nur im Rahmen des Unterrichtsfaches, sondern neben dem täglichen Handeln und Wirken auch im fachübergreifenden Zusammenspiel der schulischen Ausbildung. Der erweiterte Stundenumfang, wie im Antrag gefordert, provoziert automatisch die Frage: Wird zugunsten der Gemeinschaftskunde bei anderen Fächern gekürzt oder muten wir unseren Schülern einen noch größeren Stundenumfang zu? Wenn, dann muss man sich schon hinsichtlich einer generellen Überarbeitung der Stundentafel die Frage stellen: Welcher Stellenwert sollte welchen Fächern insgesamt eingeräumt werden? Sie wissen so gut wie ich, dass es eine hoch emotionale Debatte sein wird, in der jeder Fachverband mit gutem Recht für sein Fach eintritt.
Mein letzter Punkt führt mich zur Frage der Praxis im Schulalltag, anhand derer Schüler die Möglichkeit haben, Grundlagen des politischen Denkens und Handelns zu lernen und auszuprobieren. Haben Schüler also die Möglichkeit, an der Gestaltung ihres schulischen Umfelds direkt mitzuwirken? Werden sie in zentrale schulische
Entscheidungen einbezogen? Können sie Verhaltenregeln mitgestalten? Haben sie Freiräume, in denen sie demokratische Handlungskompetenzen ausprobieren können?
Den Antrieb für derartige Möglichkeiten sehe ich in der gestrafften Formulierung des Erziehungs- und Bildungsauftrages im Schulgesetz. Ich zitiere: „Die Schule ermutigt die Schüler, sich mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, mit Politik, Wirtschaft, Umwelt und Kultur auseinanderzusetzen, befähigt sie zu zukunftsfähigem Denken, weckt ihre Bereitschaft zu sozialem und nachhaltigem Handeln.“ Dieser Auftrag nimmt die Schule zum einen in die Pflicht, lässt zum anderen aber auch die Freiheit der eigenen Gestaltung und haarklein ministeriale Handlungsweisen für jeden konkreten Anwendungsfall.
Mit den benannten Argumenten sehe ich in der Zukunft politische Bildung im schulischen Rahmen als ausreichend bedacht.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Haben Sie eigentlich zugehört, was der Ministerpräsident diese Woche gesagt hat?!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen in einer Demokratie selbstbestimmte, freie und mündige Bürgerinnen und Bürger, denn sonst funktioniert eine Demokratie nicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern die Kompetenz geben, die Freiheiten, die wir in dieser Gesellschaft haben, auch zu nutzen.
Ein zentrales Instrument dafür ist politische Bildung. Politische Bildung bedeutet nicht, jemandem eine Meinung zu vermitteln oder ein politisches Konzept einzuimpfen. Deshalb hat politische Bildung auch nichts mit Staatsbürgerkunde zu tun. Es geht als Allererstes darum, Menschen zu befähigen, politische Prozesse im ersten Schritt zu verstehen und im besten Fall nicht nur zu verstehen, wie der politische Prozess läuft, sondern im zweiten Schritt zu identifizieren, wie man sich in diesen politischen Prozess einbringen kann. Das ist das Ziel von politischer Bildung.
Ich denke, dass politische Bildung in Deutschland generell – nicht nur in Sachsen – neu und weiter gedacht und
Erstens. Politik ist heute ungleich komplizierter als vor 20, 40 oder 60 Jahren. Die Europäisierung und die Globalisierung führen dazu und wir merken es selber auch, dass politische Entscheidungen auf mehreren Ebenen in komplizierteren Verfahren unter Berücksichtigung von viel mehr Gesetzen und Regeln getroffen werden und dass politische Prozesse in einer europäisierten, globalisierten Welt schlichtweg komplizierter sind. Das bedeutet auch, dass das Wissen und die Kompetenz, die man dafür braucht, um dies einordnen zu können, anders und größer sein müssen.
Zweitens. Wenn wir heute erleben, wo Bürgerbeteiligung in unserer Gesellschaft stattfindet – wie ich in meinem Eingangsstatement sagte, ist es schön, wenn man diese Kompetenz besitzt, sich dort einzubringen –, dann müssen wir feststellen, dass diese Bürgerbeteiligungsinstrumente nur von einer kleinen, in der Regel höher gebildeten Gruppe von Menschen genutzt wird, nicht nur, aber tendenziell.
Das bedeutet: Wenn wir Demokratie leben wollen, wenn wir Beteiligung leben und politische Bildung vermitteln wollen, dann müssen wir das für alle Menschen tun, weil alle Menschen sich in die Beteiligungsmöglichkeiten dieser Gesellschaft einbringen sollen. Es geht darum, dass jede Stimme in dieser Gesellschaft zählt. Auch deshalb müssen wir politische Bildung neu denken. Die Leute, die in der politischen Bildung aktiv sind, wissen, dass man Veranstaltungen zum Thema politische Bildung meist für Menschen macht, die schon wissen, was dort erzählt wird. Deshalb ist es so wichtig, dass politische Bildung ein Schwerpunkt in der Schule ist. Denn dort sind die Schülerinnen und Schüler in jungen Jahren, sie können dort auch nicht weg, und genau darum geht es. Politische Bildung ist also eine wichtige Querschnittsaufgabe von Schule.
Es gibt dazu ein Eckpunktepapier, das sich das Kultusministerium fast zu eigen gemacht hat. Das Papier heißt „W wie Werte“ und ist ein gutes A wie Anfang.
für eine umfangreiche Reform der politischen Bildung in der Schule. Es hat als Allererstes einen revolutionären Vorschlag für sächsische Verhältnisse. Das hat der Ministerpräsident vorgestern offen angesprochen: Er definierte Schule als politischen Raum. Das ist in Sachsen ein Paradigmenwechsel.
Im Groben schlägt dieses Papier einen zweite richtig gute Sache vor: Sie wollen, dass Demokratie in der Schule nicht nur als Wissen vermittelt wird, sondern dass Demo
kratie in der Schule auch besser erfahrbar wird. Es ist ein bemerkenswerter und richtiger Vorschlag, dass wir Demokratie in der Schule erfahrbar machen.
Dazu gibt es mehrere Vorschläge: Es wird vorgeschlagen, dass der Gemeinschaftskundeunterricht ausgeweitet wird. Es wird vorgeschlagen, dass die Lehrerbildung verändert wird, und zwar nicht nur die für Gemeinschaftskundelehrer, sondern für alle Lehrerinnen und Lehrer. Des Weiteren wird vorgeschlagen, dass die Schule geöffnet wird, nämlich für Partnerinnen und Partner, die wissen, wie Kinder- und Jugendbeteiligung überhaupt funktioniert. Das sind die Kolleginnen und Kollegen aus der Kinder- und Jugendarbeit. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist erwähnt. Die Sächsische Jugendstiftung ist erwähnt. Das sind die Grundzüge dieses Konzeptes.
Ich finde, man kann an dieser Stelle sagen: Danke schön für dieses Konzept. Es ist eine gute Grundlage für die weitere Debatte, auch wenn wir als SPD mit Sicherheit an der einen oder anderen Stelle noch weitergehende Vorschläge haben. Aber es ist eine ordentliche Grundlage für eine Reform, meine Damen und Herren.
Liebe antragstellende Linksfraktion, jetzt kommen Sie mit einem einzelnen Aspekt. Das Kultusministerium arbeitet mit einem Papier mit 31 Vorschlägen, und Sie kommen mit einem Vorschlag.