Meine Damen und Herren, der zahlenlose, substanzlose Antrag auf einen begründeten Nachtrag passt nicht, das hat damit nichts zu tun. Wir werden den Antrag ablehnen und ich bitte hiermit um Entschuldigung, dass ich mit dem Gedankenspiel versucht habe, Sie dazu zu bewegen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Antrag komme und zu dem, was ich sagen will, möchte ich nachträglich Herrn Minister Unland alles Liebe zu seinem gestrigen Geburtstag wünschen – heute hat dies hier noch niemand erwähnt.
Aus den unterschiedlichsten Gründen haben die diversen Oppositions-Fraktionen in diesem Hohen Hause in der Vergangenheit Nachtragshaushalte gefordert. Im Jahre 2002, lieber Kollege Michel, ging es noch um Steuerausfälle und Mindereinnahmen, im Jahr 2009 zum Beispiel um die Qimonda-Rettung, das Konjunkturpaket II und die Bürgschaft für die Landesbank und – ja, wir erinnern uns, 2,75 Milliarden Euro höchstrichterlich
abgeurteilt – dass es zwingend eines Nachtragshaushaltes bedurft hätte. Im Dezember 2011 haben wir hier an gleicher Stelle einen Antrag der GRÜNEN diskutiert, der den Titel trug „Nachtragshaushalt vorlegen – Der Landtag muss über die Verwendung von Steuermehreinnahmen entscheiden“. Im Dezember 2013 fand der SPD-Antrag „Zukunft gestalten – Nachtragshaushalt vorlegen“ wie
alle seine Vorgänger und auch die Nachfolger, zum Beispiel zuletzt unser Antrag zum Nachtragshaushalt wegen der Polizeistellen im April 2016, hier keine Mehrheit.
Die Sächsische Haushaltsordnung sieht einen Nachtragshaushalt aber explizit vor, wenn über- und außerplanmäßige Ausgaben nicht angezeigt sind, weil die Bedürfnisse, die bestehen, nicht unvorhersehbar, wenngleich dennoch unabweisbar sind. Heute liegt uns nun mit dem Antrag der GRÜNEN ein erneuter Versuch vor, die SäHO anzuwenden und endlich einmal die langen, eingefahrenen Wege zu verlassen.
Meine Damen und Herren der CDU, haben Sie Mut! Folgen Sie den Worten Ihres Koalitionspartners! Sachsen braucht eine finanzpolitische Wende, und es bestehen die besten Bedingungen für eine Neujustierung der sächsischen Finanzpolitik.
Zum Antrag der GRÜNEN: Im vorliegenden Antrag listen Sie neun Punkte auf, für die in der jetzigen Situation aus Ihrer und – ich füge hinzu – unserer Sicht dringend Handlungsbedarf besteht. Es wird Sie also kaum verwundern: Wir unterstützen Ihre Forderungen, weil wir genau wie Sie sehen, dass sich in diesem Land schnell etwas ändern muss.
Aus unserer Sicht würde ich an dieser Stelle aber exemplarisch noch ein paar dringend erforderliche Positionen ergänzen, die bereits vor den nächsten Haushaltsberatungen eine Lösung brauchen.
Unter Punkt null verweise ich auf alles das, was Kollege Bartl auch heute früh schon gesagt hat und was wir beim letzten Mal diskutiert haben, also Justizvollzug und Gerichtsmedizin.
Erstens. Neben den von Ihnen, liebe GRÜNEN, geforderten Einstellungskorridoren im öffentlichen Dienst brauchen wir dringend eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten für die Lehramtsausbildung an den sächsischen Universitäten, um wenigstens dann für die Zukunft gewappnet zu sein.
Zweitens. Neben der Senkung des Betreuungsschlüssels müssen vor allem die Vor- und Nachbereitungszeit der sächsischen Erzieherinnen und Erzieher anerkannt werden. Auch in diesem Bereich müssen wir über eine verstärkte Ausbildung reden, da es keine Verbesserung des Betreuungsschlüssels geben wird, wenn nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher vorhanden sind.
Drittens. Wir müssen jetzt beim ÖPNV die Weichen stellen, um den Herausforderungen an eine moderne, ökologische und zukunftsorientierte Mobilität für alle Menschen in allen Regionen Sachsens gerecht zu werden. Es geht nicht nur um das Einsetzen eines zweiten Busses, sondern um gänzlich neue Konzepte.
Viertens. Liebe Kolleginnen und Kollegen: Der lange vernachlässigte, anscheinend von jedem erkannte ländliche Raum braucht in seiner Vielfalt mehr als die Lippen
bekenntnisse „Wir haben verstanden“. Es braucht ein schnelles Umdenken in der Finanzierung der Kommunen, um ihre Handlungsfähigkeit wiederherzustellen und kommunale Selbstverwaltung wieder zu ermöglichen. Dazu gehört auch ein Stück weit mehr Vertrauen in die Akteure vor Ort. Das bedeutet auch Budgets für Gemeinden und Landkreise, ein Entschlacken der Förderkulisse, vor allem der bürokratischen Hürden, da es kleineren Kommunen zunehmend unmöglich gemacht wird, eine Förderung auch in Anspruch zu nehmen.
Meine Damen und Herren, mein Kollege Scheel hatte im Dezember 2013 zur Debatte um den SPD-Antrag festgestellt, dass es eine „gewisse Scheu vor Nachtragshaushalten in diesem Hause gibt“, und seinerzeit die Frage gestellt, ob uns nicht die fehlende Erfahrung mit Nachtragshaushalten in der Zukunft auf die Füße fallen könnte. Heute sind wir wieder an einem solchen Punkt, endlich einmal – wie übrigens schon erwähnt: der Bund, andere Bundesländer, nicht zuletzt Brandenburg und Bayern, aber auch die Kommunen – bereits jetzt für das kommende Jahr und die kommende Zeit Weichen zu stellen und zu handeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe mich daher ausdrücklich den Worten meiner Kollegin Schubert an, die in der Pressemitteilung mit dem Blick auf den mantraartigen Verweis von Staatsminister Unland, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, meinte, dass er – nämlich der Euro – dafür auch ausgegeben werden muss. Nutzen Sie also die guten Voraussetzungen, die uns auch die November-Steuerschätzung bestätigt. Steuern Sie endlich wirklich um. Sagen Sie nicht nur, dass Sie verstanden haben, sondern handeln Sie auch!
Wir stimmen dem Antrag der GRÜNEN daher aus vollster Überzeugung zu und laden Sie herzlich ein, mit uns gemeinsam neue Wege zu gehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Antrag der GRÜNEN, einen Nachtragshaushalt von der Staatsregierung zu fordern, beginne ich mit der Begründung für die Ablehnung dieses Antrages.
Einsparung von Lehrern zulasten der Bildung im Freistaat Sachsen. Wir haben mit dieser Koalition ein Lehrerpaket beschlossen. Wir haben VZÄ in Größenordnungen in diesem Doppelhaushalt eingestellt. Ob es reicht? Die Diskussion läuft. Wir haben ein neues Schulgesetz, und wir haben einen neuen Kultusminister. Wir haben versäumt, den Nachwuchs im Landespersonal zu fördern. Es war die SPD in dieser Koalition und dann gemeinsam mit dem Koalitionspartner, die das Diktat des Stellenabbaus durchbrochen, die für mehr Stellen im Polizei-, im Bil
Öffentlicher Nahverkehr. Es ist das Wirtschaftsministerium, das dafür gesorgt hat, dass in diesem Haushalt auskömmliche Mittel für die Zweckverbände enthalten sind. Sie sind aufgestockt und verstetigt worden, und wir haben dort Planungssicherheit geschaffen. Das wird ausdrücklich von den Trägern des ÖPNV und den Zweckverbänden begrüßt und unterstützt.
Zu dem Thema Abstrafen der wachsenden nicht CDUregierten Großstädte: Gut, Herr Michel, Zwickau ist eine Großstadt, auch wenn sie nicht Kreisstadt ist, aber ich fühle mich nicht abgestraft, darin gebe ich Ihnen recht. Gerade das Programm „Brücken in die Zukunft“ zeigt deutlich, wie wir versuchen, die kommunale Ebene im investiven Bereich zu stärken.
Sie sagen, dass es keinen Zukunftsplan, keine Strategie für den Strukturwandel im Bereich Kohle in Sachsen gibt. Ich bin gespannt, was Ihre Fraktion im Bund dazu hinbekommt, den Freistaat Sachsen zu unterstützen. Da würde ich an Ihrer Stelle den Mund nicht so voll nehmen. Schauen wir doch einmal an, was Sie da liefern werden.
Wenn wir uns als Letztes den Vorwurf ansehen, wir würden Sachsen als Billiglohnland vermarkten: Es ist hinreichend dargelegt, dass mit der Beteiligung der SPD in dieser Legislatur das Thema Billiglohnland Sachsen vom Tisch ist. Ich rede nicht nur vom Mindestlohn, sondern auch von der Umsteuerung der gesamten Strategie der Wirtschaftsförderung im Bereich Sachsen. Wenn Sie sich in der Industrie mittlerweile unseren Beschäftigungsgrad anschauen und welche Löhne dort gezahlt werden, so ist das einfach schlichtweg Unfug. Das vielleicht einmal eingehend. Nur zu dem Thema Begründung könnte man den ganzen Antrag schon in die Papiertonne werfen.
Sie können gern ans Mikrofon gehen, Herr Lippmann, da können Sie Ihre Frage oder Intervention anbringen.
Jetzt schauen wir uns einmal den Nachtragshaushalt in Ruhe an. Ein Nachtragshaushalt ist doch kein Selbstzweck. Ein Nachtragshaushalt ist ein Thema, wenn die Staatsregierung einschätzt, dass ihr die von uns gegebene gesetzliche Grundlage zur Erfüllung ihrer Pflichten nicht mehr ausreicht. Sie behaupten, dass das so ist. Aber wenn wir uns das Sammelsurium anschauen, in dem Sie das behaupten, dann gebe ich Herrn Michel recht, dass dort nicht einmal eine Zahl steht.
Worauf wollen Sie Ihre Behauptung aufbauen, dass die gesetzliche Grundlage für die Staatsregierung, ihre Aufgaben zu erfüllen, die wir ihr gegeben haben, nicht mehr ausreichend ist? Wo und mit welcher Zahl wollen Sie das irgendwo manifestieren? Die Frage stellt sich für mich.
Natürlich nutzen wir die gesetzlich gegebenen üpl./apl. Mittel im HFA auf gesetzlicher Grundlage aus. Ich bin gern bei Ihnen, dass man diskutieren kann, ob der dort gezogene Rahmen manchmal hart an der Grenze ist. Da bin ich gern dabei. Aber das ist doch noch lange kein Grund, die Staatsregierung aufzufordern, einen Nachtragshaushalt zu machen.
Jetzt all das zu fordern, was Sie vorher in den Haushaltsverhandlungen nicht durchbekommen haben – und das Ganze hier ist ja fast alles –, ist schon unseriös, finde ich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Pecher, ich habe eine Nachfrage. Wenn Sie das alles nicht als notwendig erachten und darauf verweisen, dass die Staatsregierung das vielleicht auch nicht für notwendig halten würde, darf ich Sie dann fragen, ob Sie noch der SPD angehören, jener SPD, die in Form des stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig am 22.10.2017 meinte, ein Nachtragshaushalt gehöre – Zitat – „zum normalen politischen Geschäft“? Sind Sie noch Teil dieser SPD?
Ich könnte diese Frage ganz simpel natürlich mit Ja beantworten. Vielleicht darf ich aber, Frau Präsidentin, noch vertiefend auf die Frage eingehen.
Ich habe mit keinem Wort in diesem Beitrag behauptet, dass ein Nachtragshaushalt Teufelswerk ist. Ich habe gesagt: Wenn man einen Nachtragshaushalt von der Staatsregierung fordert, dann muss a) erst einmal die Staatsregierung einschätzen, dass sie bestimmte gesetzliche Aufgaben nicht erfüllen kann, b) haben wir die Pflicht, wenn sie das selbst nicht sieht, ihr mittels eines Beschlusses in diesem Gremium zu sagen, wo das stattfinden soll. Das müssen Sie beziffern.
Sie können nicht einfach Pi mal Daumen irgendetwas sagen. Sie müssen den Themenbereich benennen, Herr Lippmann.