Ebenso wenig kann ich erkennen, wie eine noch detailliertere Erfassung von Delikten die Präventionsarbeit
erleichtern sollte. Wie darf ich mir das eigentlich vorstellen? Was nützen Ihnen beispielsweise genaue Angaben zu abgerissenen, zerstörten oder verschandelten Plakaten? Wollen Sie dann auf Basis dieser spezifischen Kennzahlen Kurse in Wahlplakateselbstverteidigung anbieten?
Nein, im Ernst: Die beste Prävention ist, wenn wir – und dieser Hinweis geht in der Tat an uns alle – selbst dazu beitragen, dass der Wahlkampf fair ist und auch in Zukunft fair bleibt, indem man bewusste Provokationen weitestgehend vermeidet, die den politischen Mitbewerber nur herabsetzen und diffamieren. Als Politiker tragen wir eine besondere Verantwortung, dem gerecht zu werden. Ich gebe selbstkritisch zu, dass uns dies in der Vergangenheit nicht immer gelungen ist. Deswegen müssen wir in unseren Parteien alle für einen fairen Umgang miteinander werben.
Ebenso sehe ich die grundsätzlich garantierte Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht in Gefahr, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten. Wenn ich mir anschaue, wie viele Auftritte der Bundeskanzlerin und anderer CDUMinister mit Trillerpfeifen, „Merkel muss weg!“-Plakaten und sonstigen Aktionen gestört wurden, dann scheint mir die Meinungsfreiheit durchaus gewährleistet, auch wenn ich diese Form als wenig geeignet für eine sachdienliche politische Auseinandersetzung ansehe.
Insofern sehe ich die Notwendigkeit für die von Ihnen geforderte Erfassungsstelle als nicht gegeben an. Vielmehr müssen wir alle miteinander dafür Sorge tragen, dass – bei aller Härte der politischen Auseinandersetzung – die Grenzen des Anstands, des guten Geschmacks und letztlich des Rechts nicht überschritten werden.
Hierfür tragen wir alle Verantwortung, auch und vielleicht ganz besonders Sie von der AfD. Sie können nicht ständig Feuer an die Lunte legen und sich dann darüber beschweren, wenn es brennt. Dies scheint ja zumindest Ihre Landesvorsitzende erkannt zu haben.
(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD, sowie Beifall des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Beifall bei der Staatsregierung)
Ich versuche es mit einer Kurzintervention; so viel Zeit brauche ich jetzt nicht. – Herr Hartmann, ich glaube, Sie haben bei meiner Einbringung des Antrags nicht wirklich zugehört. Wenn Sie zugehört hätten, dann hätten Sie verstanden, welchen Sinn dieser Antrag hat.
Es geht eben nicht darum, dass nur die Delikte erfasst werden, die bei der Polizei auflaufen. Das ist die Spitze des Eisbergs. Wir haben eine Unzahl von Delikten, die gar nicht zur Anzeige kommen.
Ja, es ist oft sehr notwendig, festzustellen, aus welchem Lager oder gegebenenfalls auch aus welcher Partei diese
Angriffe kommen. Wenn Sie uns unterstellen, dass wir mit unserem Wahlkampf sozusagen die Stimmung hochschaukeln würden,
ist das billige Polemik. Wir tun das nicht. Wir akzeptieren auch lautstarken Protest gegen unsere eigenen Veranstaltungen. Das ist auch gar nicht gemeint.
Es geht ganz konkret um körperliche Angriffe auf Personen. Ihr Abgeordneter Herr Krauß hat selbst Morddrohungen bekommen, das wissen Sie. Es gibt Angriffe auf Abgeordnete der LINKEN und auf unsere eigenen Büros. Genau darum geht es. Es geht um die vielen Sachbeschädigungen, die passieren, die letztendlich Straftaten sind, wenn sie mit einer politischen Motivation stattfinden. Bitte lesen Sie den Antrag noch einmal, und bitte hören Sie mir zu, wenn ich ihn einbringe.
Das mit dem Zuhören und mit dem Verstehen gebe ich Ihnen gern zurück. Ich habe Ihren Antrag gelesen, und ich habe Ihnen auch zugehört.
Zwei Dinge dazu: Sie können das gern als billige Polemik zurückweisen; dadurch wird es nicht falscher oder richtiger. Fakt ist ganz einfach, dass beispielsweise auch aus Ihrer Partei eine Bestätigung dafür kam, dass bewusst Störungen bei anderen Parteiveranstaltungen durchgeführt worden sind. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss man ganz einfach zur Kenntnis nehmen.
Das Zweite: Sie müssen mir einmal erklären, wie das, was Sie beschreiben, durch eine Stelle beim Landeswahlleiter koordiniert werden soll, um Anzeigen und Hinweise aufzunehmen. Durchdenken Sie doch bitte einmal ernsthaft Ihren eigenen Antrag! Das ist dasselbe, als wenn Sie derzeit die Anzeigen und Hinweise bei der Polizei aufgeben, die sie dann im Staatsschutzbereich sammelt und zusammenfasst.
Nur so – hätten Sie mir einmal zugehört! – konnten Sie dank Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage überhaupt zur Kenntnis nehmen, wie hoch die Zahlen im J 550 im Wahlkampf gewesen sind an Delikten. Der Landeswahlleiter wird an dieser Stelle nichts anderes machen, als die Anzeigen, die eingehen, zu erfassen. Sonst müssten Sie Ihren Antrag modifizieren und 100 bis 200 Leute fordern, die Streifendienst im Wahlkampfbereich leisten und selbstständige Erfassungen und Befragungen vornehmen; sonst funktioniert das nicht. Das ist dann nicht anders, als wenn dies im Zuständigkeitsbereich der sächsischen Polizei verbleibt. Daher ist das ein Antrag, der in der Sache überhaupt nicht zielführend und dienlich ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst das Offensichtliche feststellen: Die Grundidee der AfD ist völlig absurd.
Es geht im Antrag der Reihe nach um rechtswidrige Taten, um Attacken, Angriffe, Übergriffe, schließlich um Nötigung, Bedrohung sowie um politische Gewalt. Für all das sind selbstverständlich die Strafverfolgungsbehörden zuständig – wer denn sonst? Davon abgesehen mag es ja sein, dass die Polizei und der polizeiliche Staatsschutz „mit der Bekämpfung der rechts- und linksextremistischen Gewalt sowie der islamistischen Gewalt derzeit voll ausgelastet“ sind. Da stelle ich die Frage einmal umgedreht. Der Landeswahlleiter ist Präsident unseres Statistischen Landesamtes. Daher ist er mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit bestimmten Aufgaben versehen, und ich glaube, diese Menschen sind damit auch ausgelastet.
Die AfD moniert nun, dass vieles, was sich angeblich oder tatsächlich bei der Polizei und beim LKA ereignet hat, nur lückenhaft erfasst werde. Ja, das trifft grundsätzlich zu, denn die Statistik der politisch motivierten Kriminalität kann immer nur bestimmte Merkmale erfassen und abbilden, jedoch nicht alle erdenklichen. Dies gilt übrigens für jede Statistik. Was die PMK-Statistik betrifft, so wird diese wenigstens regelmäßig weiterentwickelt. Seit 2016 werden unter anderem auch Delikte erfasst, die sich gegen Amts- und Mandatsträger sowie gegen Parteien richten. Dass diese Delikte nunmehr gesondert erfasst werden, hat übrigens weniger etwas mit Linksextremismus und Islamismus zu tun – aber das sei einmal nur am Rande festgestellt.
Soweit es auch weiterhin Lücken in der Statistik geben wird, kann sie jedenfalls der Landeswahlleiter auch nicht schließen, denn auch er wäre ja auf die Erhebung genau jener polizeilichen Daten angewiesen.
Mit dem, was die AfD ausgeführt hat, nämlich dass Bürger jetzt beim Landeswahlleiter anrufen, wird es auch weiterhin nur lückenhaft und zu undetailliert sein. Aus dem Antragstext wird deutlich, dass es der AfD noch um etwas anderes geht – nämlich um sich selbst. An verschiedenen Stellen ist ganz allgemein die Rede von Verstößen und Handlungen, die den Wahlkampf angeblich oder tatsächlich beinträchtigen. Natürlich müssen auch Parteien einschließlich der AfD Kritik und Protest aushalten. Solche Beeinträchtigungen gehören zur Meinungsfreiheit.
Verwunderlich ist natürlich, dass ausgerechnet die AfDFraktion die besondere Bedeutung der Parteien hervorhebt. Denn noch im Mai hatte sich die Fraktion als sogenannten Experten den neurechten Verfassungsjuristen Karl Albrecht Schachtschneider eingeladen.
Herr Schachtschneider schmäht bei jeder Gelegenheit „Parteienoligarchie“ in der Bundesrepublik und bezeichnet den „Parteienstaat“ als „Verfallserscheinung der Republik“. Sich jetzt wiederum auf die verfassungsrechtlichen Privilegien von Parteien zu berufen, scheint da auf den ersten Blick eindeutig doppelzüngig zu sein. Auf den zweiten Blick ergibt das alles jedoch Sinn; denn es liegt auf der Hand, dass es der AfD keineswegs um „die“ Parteien geht. Die AfD ist nicht um uns besorgt, und sie sorgt sich auch nicht um die Zivilgesellschaft, wie sie das im Antragstext erwähnt.
Meine Damen und Herren, der ganze Antrag steht schließlich unter der Überschrift „Fairen Wahlkampf ermöglichen“. Mit Verlaub: Wer an einem fairen Wahlkampf interessiert ist, der betreibt ihn nicht auf dem Rücken von Minderheiten, nicht auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten, nicht zulasten der Menschen in unserem Land, die anders denken und glauben, anders leben oder lieben.
(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. André Barth, AfD – Zuruf von den LINKEN: Nehmen Sie einmal Ihren Finger herunter!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das gesellschaftliche Klima in Deutschland und in Sachsen ist rauer geworden, auch und gerade für Menschen, die sich in der Politik engagieren – und damit meine ich nicht nur uns Landtagsabgeordnete, sondern ich meine vor allem auch die vielen Ehrenamtlichen wie die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die sich täglich aufreiben. Dieses gesellschaftliche Klima hat in den letzten zwei bis drei Jahren eine neue Qualität gewonnen mit Anschlägen auf Politiker, deren Autos, deren Büros und deren Familien. Das ist natürlich auch im Wahlkampf in allen Parteien ein Thema gewesen. Lassen Sie mich deshalb ganz unmissverständlich sagen: Die SPD-Fraktion verurteilt jede Form von Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker, ihre Angehörigen und ihre Familien – egal gegen wen; ich sage auch ausdrücklich: auch Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker der AfD,
gegen alle. Gewalt und Straftaten dürfen kein Mittel der politischen Auseinandersetzung in diesem Land bleiben, denn sie sind es. Sie gehören zum Alltag.
Dabei muss uns eigentlich klar sein: Wahlkämpfe gehören zu unserer Demokratie. Sie dienen dazu, die Konzepte vorzustellen; sie dienen zur Vorstellung der Personen, sodass die mündigen Bürgerinnen und Bürger in diesem freien Land ihre Wahlentscheidung treffen können. Dazu gehört natürlich auch Zuspitzung, dazu gehört aber auch Kreativität und vor allem großes Engagement.
Wahlkämpfe in einer Demokratie setzen aber Fairness voraus. Das bedeutet Aufrichtigkeit. Wir reden hier über den Wettbewerb von Ideen. Es geht nicht darum, wer am wirkungsvollsten Fake News verbreitet. Dazu gehört, dass man nicht auf dem Rücken von Minderheiten Wahlkämpfe betreibt. Dazu gehört auch, dass man seine Wahlkämpfe transparent finanziert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Ansprüchen an einen fairen Wahlkampf in dieser Demokratie werden die Wahlkämpfe immer weniger gerecht. Dazu muss sich jeder von uns auch selber hinterfragen. Aber – und hier lasse ich Sie nicht aus der Verantwortung heraus – einen wesentlichen Anteil am Verfall der politischen Kultur in diesem Land trägt die AfD, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das könnte man an vielen Beispielen festmachen. Ich würde gern zum Beispiel einmal mit Ihnen über die Machenschaften des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten diskutieren.