nungspunkt und rufe Punkt 9 auf. Wir behandeln in 2. Lesung den Entwurf „Gesetz zum Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag“ – –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, Sie wollten mich nicht verwirren. Das ist Ihnen gerade kurzzeitig gelungen, als Sie unseren Tagesordnungspunkt übergehen wollten. Doch zurück zur eigentlichen Debatte „Kein freier Handel ohne Verbraucherschutz und Rechtsstaatlichkeit“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht hier keineswegs um das berühmt-berüchtigte Chlorhuhn, welches durch die Medien gezogen wird. Ich will in dem Zusammenhang auch noch anmerken, dass jedem Verbraucher in Deutschland sicher unwohl wäre, wenn er wüsste, dass es in der EU üblich ist, Lebensmittel zu bestrahlen, um sie zu desinfizieren. Darum geht es nicht, meine Damen und Herren. Es geht auch nicht darum, dass wir generell gegen freien Handel sind, es geht auch nicht darum, dass wir einheitliche Standards oder vergleichbare Normen als falsch empfinden – im Gegenteil, gedeihlicher Handel ist immer ein Gewinn, auch auf nicht monetärem Gebiet. Gedeihlicher Handel hat etwas mit kulturellem Austausch zu tun. Das tut uns auch in der jetzigen Situation in Sachsen gar nicht so schlecht.
Aber freier Handel setzt Transparenz, Informationsfreiheit und Freiwilligkeit voraus. Das ist gerade beim Blick auf TTIP von Anfang an in Gefahr. Es geht um die Art und Weise, wie die Verhandlungen stattfinden, und darum, was durchsickert. Bisher fanden Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen statt. Das Ergebnis wird irgendwann präsentiert nach dem Motto „Friss oder stirb“. Erfahrungen, wie die Regelungen beim NAFTA-Abkommen in Nordamerika, gibt es zur Genüge. Die USVerbraucher- und Wirtschaftsanwältin Lori Wallach hat es eigentlich auf den Punkt gebracht: Die TTIP-Verhandlungen sind nichts anderes als eine große Unterwerfung aller Teilnehmerstaaten unter die Interessen von internationalen Großkonzernen und quasi ein Staatsstreich in Zeitlupe. Harmonisierung wird hier als Euphemismus gebraucht, um Sozial-, Arbeitsrechts-, Verbraucherschutz- und Umweltschutzstandards zu schleifen, ebenso wie den Standard zum Schutz persönlicher Daten.
Oftmals sind es europäische Standards, die nach unten korrigiert werden sollen, aber – auch das gehört dazu – in den USA wird in diesem Zusammenhang nach unten angepasst, wo es sich gerade anbietet. Zu der jetzt beginnenden 8. Verhandlungsrunde hat die US-Seite gleich einen praktikablen Vorschlag gemacht, wie man so etwas in Zukunft vermeiden kann. Die Europäer sollten doch bei zukünftigen Gesetzen zuerst in den USA nachfragen, was denn dort Standard sei.
Ein ganz konkretes Beispiel, von dem ich erwartet hätte, dass es in der vorangegangenen Aktuellen Debatte schon angesprochen wird, ist das Kippen des Gentechnikverbots, was in vielen EU-Ländern Praxis ist. Der Bundesminister für Landwirtschaft hält sich, was dies anbelangt, weitgehend bedeckt. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem steht, dass man das verhindern will. Ansonsten sagt er zu TTIP gar nichts. Wenn das so weitergeht, ist das Ganze das Papier nicht wert, auf dem es steht. Grüne Gentechnik wird von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt. Was jetzt verhandelt werden soll, ist nicht nur eine Zulassung des Ganzen, sondern am besten auch noch ein Kennzeichnungsverbot, weil es eben abgelehnt wird. Das soll als Handelshemmnis gleich mit gestrichen werden. Auch hier wieder ein bemerkenswerter Vorschlag der US-amerikanischen Agrarlobby: Man könnte die Kennzeichnung irgendwo im Strichcode verstecken, und wer den Strichcode scannt, findet vielleicht, dass Gentechnik zum Einsatz kam.
Der Umgang mit Sozial- und Verbraucherstandards ist an sich schon schlimm, aber noch lange nicht das Schlimmste in diesem Zusammenhang. Das Schlimmste ist, dass Staaten vor Schiedsgerichten auf Kompensation verklagt werden sollen, wenn Gesetze Gewinnerwartungen schmälern. Das sind Schiedsgerichte, die nichts mit normaler Gerichtsbarkeit zu tun haben, die geheim tagen, was bei TTIP im Großen und Ganzen im Moment ein Grundsatzwert zu sein scheint, und Schiedsrichter, welche private Anwälte sind, die von den Klägern zum Teil mitbestimmt werden sollen.
Es ist richtig, dass die EU hier ein Verhandlungsmoratorium zu diesen Investitionsschutzklagen verhängt hat, aber das reicht nicht, zumal im Moment von der Gegenseite
kein Entgegenkommen zu erwarten ist und der Bundeswirtschaftsminister hier schon einlenkt. Nein, das muss ganz weg, meine sehr geehrten Damen und Herren, sonst wird das, was Vattenfall im Moment in Bezug auf den Atomausstieg mit der Bundesrepublik macht, diese Art der Klage, von der Ausnahme zur Regel.
Ein ganz bizarrer Fall sei mir zum Ende unseres ersten Teils noch gestattet vorzustellen. Lone Pine, ein kanadischer Energie- und Ressourcenkonzern, hat inzwischen eine Dachgesellschaft gegründet und deren Sitz in die USA nach Delaware verlegt und verklagt jetzt als ausländischer Investor sein eigenes Land bzw. die Provinz Quebec auf Entschädigung in Höhe von einer viertel Milliarde Dollar, weil Quebec sich tatsächlich getraut hat, ein Frackingverbot zu verhängen und Bohrlizenzen zu widerrufen.
Meine Damen und Herren! Mehr im zweiten Teil. Ich denke, wir werden in der Debatte noch unsere Argumente austauschen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die EU und die USA machen zusammen ein Drittel des Welthandels aus. Die Ausfuhr von Dienstleistungen der Europäischen Union in die USA ist in den letzten Jahren um 76 % gestiegen. Die Ausfuhr von Kfz und Kfz-Teilen macht 65,3 % der deutschen Warenexporte aus. Wir sind hier im Autoland Sachsen. Ich möchte daran erinnern. Wir haben, bevor wir die Diskussion zum TTIP zu Ende führen, schon 130 Abkommen mit verschiedensten Ländern der Welt geschlossen, zum Beispiel Südkorea, Südafrika, Island. Doch worum geht es bei TTIP?
Es geht nicht um Ideologie. Es geht um den Abbau von Bürokratie. Wir wollen den Abbau von Handelshemmnissen voranbringen. Der deutsche Verbraucher kann davon ganz explizit partizipieren. Niedrigere Preise durch höheren Marktdruck,
größere Produktvielfalt durch vereinfachte Importe und natürlich ein zusätzliches Einkommen in unserer Volkswirtschaft, denn diese lebt vom Export. Mancher von Ihnen kennt vielleicht die Geschichte eines italienischen Opernsängers, dem die Salami am New Yorker Flughafen abgenommen worden ist. Das ist ja lächerlich. Deutschland als Exportland wäre ein Gewinner. Deswegen müssen wir das auch unter der Gewinnerperspektive diskutieren. Der Investorenschutz muss ernst genommen werden. Ich erinnere daran, dass sich die deutschen Investitionen in den USA seit 1990 vervierfacht haben. Da muss natürlich ein Schutz her. Ich bin der Meinung, dass der EUHandelskommissar De Gucht recht hat, wenn er sagt, dass
kein Standardabbau im Umwelt- und Verbraucherschutz damit verbunden ist. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, auch die Gegenseite äußert sich ähnlich. Die entsprechenden Zitate des US-Präsidenten Obama sind relativ eindeutig.
Natürlich wäre ein WTO-Abkommen weltweit besser, es ist nur leider nicht realistisch. Und ich darf auch daran erinnern, es gibt noch den Vorschlag von Wladimir Putin, die Handelszone von Lissabon bis Wladiwostok einzurichten, auch wenn sie momentan natürlich beiseite tritt. Gegenargumente gibt es, diese sind ernst zu nehmen und bisweilen teile ich sie auch. Mangelnde Transparenz ist in der Vergangenheit vorgekommen. Das EU-Parlament ist aber zu informieren. Der Deutsche Bundestag und auch das EU-Parlament müssen zustimmen. Das heißt, dieses Prinzip, das von meinem Vorredner angekündigt worden ist, friss oder stirb, findet so nicht statt.
Sowohl beim Deutschen Bundestag als auch beim Europaparlament gibt es Expertengremien, die beteiligt werden müssen. Dort sitzen – das wird Sie besonders interessieren – natürlich auch Gewerkschaften, Verbraucherzentralen und Wirtschaftsverbände. Das Problem ist nur wieder, es wird vor einem Schiedsgericht verhandelt, in dem drei Anwälte entscheiden, was passiert. Deshalb hat Bundesminister Gabriel recht, wenn er sagt, wir müssen Misstrauen abbauen und Transparenz herstellen.
Fangen wir doch gleich mal heute und hier damit an. Wir müssen verstehen, dass die Architektur des Verbraucherschutzes in den USA eine andere ist als bei uns. Die USA betreiben eine Nachsorge, das heißt, ein Produkt ist schon auf dem Markt, bevor es geprüft wird. Bei uns ist das anders. Bei uns muss ein Produkt „durch den Flaschenhals“. Weiter nenne ich den Aufreger Chlorhuhn, was hier am Rande erwähnt worden ist. Ich darf daran erinnern, das Chlorbad hört sich nicht lecker an, ist es vielleicht auch nicht, aber, es dient ganz effektiv der Keimtötung bei Frischgeflügel. Sie wissen, Frischgeflügel ist sehr schnell anfällig für verschiedene Keime. Wenn Sie schwimmen gehen, meine Damen und Herren, nehmen Sie mit zwei Esslöffeln Schwimmbadwasser mehr Chlor auf, als in diesem Huhn zu finden ist.
Deshalb möchte ich um Sachlichkeit in dieser Debatte bitten. Chlor- und Hormonfleisch bleiben verboten, auch Antibiotikaeinsatz in der Biorinderhaltung ist in meinen Augen ein gutes Beispiel. In den USA ist Antibiotika in der Biorinderhaltung verboten, in der Europäischen Union in sehr, sehr engen Grenzen erlaubt. Ich nenne die Strahlung bei Funktelefonen. Die Grenzwerte in den USA sind wesentlich strenger als bei uns. Und, meine Damen und Herren, so verwundert es nicht, dass es diese Diskussion pro und kontra TTIP in den USA auch gibt. Mehr dazu in der zweiten Runde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt auch nicht vortragen, was zu diesem Thema im „Spiegel“ gestanden hat. Ich möchte gern darauf eingehen, wie ein transparentes Verfahren ist und ob TTIP überhaupt etwas Sinnvolles ist. Zunächst zur Sinnhaftigkeit.
Ich glaube schon, dass wir solche internationalen Handelsabkommen grundsätzlich brauchen. Ich denke vor allem, dass es deswegen notwendig ist, nicht nur, um Handelsschranken abzubauen und Freihandel zu ermöglichen. Ich denke schon, dass das ein wichtiges Ziel ist. Aber ich glaube vor allem, dass wir damit in der Lage sind, Globalisierung zu gestalten. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, den wir hier berücksichtigen müssen. Wir müssen sicherlich auch aufpassen, dass die Globalisierung nicht falsch gestaltet wird.
Nur, solche Abkommen grundsätzlich von sich zu weisen würde immer bedeuten, dass wir dem internationalen Markt das Feld überlassen, und er sucht sich seine eigenen Wege. Das Ergebnis wäre das, was wir in der Vergangenheit bereits hatten, dass wir eine ungerechte Weltordnung haben und dass der internationale Handel nur nach dem internationalen Profit funktioniert. Insofern sollten solche Abkommen meines Erachtens genutzt werden, um tatsächlich soziale Gerechtigkeit und ökologische Verträglichkeit umzusetzen und einen Ausgleich zwischen Nord und Süd herbeizuführen. Das sind hehre Ziele. Ich gebe ganz offen zu, wenn ich in das, was ich bisher von TTIP bereits kenne, so genau hineinsehe, finde ich davon auch noch nicht so viel. Aber ich glaube, dass durchaus Chancen bestehen, so etwas zu tun.
Ein Kern Ihres Vortrages bezieht sich auf Investitionsschutz und auf diese Schiedsverfahren, die jetzt angekündigt sind. Das halte ich in der Tat für sehr problematisch. Wir wissen aber, dass tatsächlich schon Nachverhandlungen stattgefunden haben. Ihnen ist bekannt, dass das Abkommen CETA, das mit Kanada ausgehandelt wurde, inzwischen schon nachverhandelt wurde. Soweit ich weiß, ohne dass ich es Ihnen jetzt belegen könnte, sind die Kanadier bereit, in dem Bereich etwas zu tun. Das hätte in der Tat auch Auswirkungen auf TTIP, und es wäre besonders wichtig deswegen, weil auch TTIP sicherlich Vorlage für weitere vergleichbare Abkommen sein wird.
Dass das Verfahren intransparent ist, ist meines Erachtens dem Umstand geschuldet, dass bisher immer internationale Abkommen intransparent ausgehandelt wurden. Da sitzen nämlich die Vertreter unterschiedlicher Administrationen der einzelnen Staaten am Tisch und handeln etwas aus. Hinterher kommt dann etwas heraus, was von den Parlamenten ratifiziert werden soll. Das Prinzip „Friss oder stirb“ an dieser Stelle ist natürlich im Wesentlichen schon nicht unzutreffend. Aber das ändert sich ja auch gerade. Seien wir doch froh, dass sich die Zivilgesellschaft mit einem solchen doch recht abstrakten Verfahren
bzw. Vertragswerk auseinandersetzt, öffentlich Kritik aufkommt und die Europäische Union, das Europäische Parlament jetzt unter dem Druck der Zivilgesellschaft steht, wenn es nachher über diese Abkommen zu verhandeln hat.
Ich finde es extrem wichtig, dass wir so viele engagierte Leute haben, die darauf schauen, die das, was transparent wird, auch tatsächlich prüfen und die dann ihre Meinung sagen und Druck auf die Parlamentarier ausüben, damit dort nichts schiefgeht. Ich glaube, es ist eher Chance, diese internationalen Abkommen abzuschließen, als Gefahr. Aber ich gebe Ihnen offen zu, dass wir noch nicht wissen, was herauskommt.
Sie wissen, dass die SPD im September einen Beschluss gefasst hat, unter welchen Bedingungen nur TTIP zuzustimmen sei. Der Bundeswirtschaftsminister versucht das umzusetzen. Es gibt unterschiedliche Auskünfte darüber, mit welchem Erfolg er das tut. Aber man muss auch klar sagen, dass in den Verhandlungen am Tisch die Vertragsparteien sitzen. Das ist auf der Seite Europas die Europäische Kommission. Diese hat zwar ihr Verhandlungsmandat inzwischen offengelegt, aber sie sagen auch nicht, was sie jeden Tag verhandeln.
Deswegen meine ich, dass wir weiterhin sagen müssen, was wir wollen. Wir müssen denjenigen, die die Entscheidungen treffen, nach Möglichkeit sagen, was sie entscheiden sollen, und müssen dann schauen, was tatsächlich vorgelegt wird. Wenn das nicht unseren Vorstellungen entspricht, dann sollten wir in der Tat auf Nachverhandlungen dringen. Es sollte nichts beschlossen werden, was bestimmten ökologischen, sozialen und im Nord-SüdSinne fairen Bedingungen widerspricht. Ich glaube, das sollte das Ziel sein: nicht Verhandlungen ablehnen, sondern Verhandlungen und Verträge gestalten.