Protocol of the Session on April 11, 2017

Zu Punkt 3. Ich weiß nicht so richtig, was Sie damit bezwecken wollen. Ein Informationsrecht des Landtags besteht jederzeit, sodass wir Informationen erfragen können und diese von der Staatsregierung auch bekommen. Ich kann nicht erkennen, warum man daran eine Änderung vornehmen müsste.

(Beifall des Abg. Rico Anton – Sebastian Wippel, AfD: Genau!)

Das war die Wortmeldung von Herrn Hippold. Es gibt eine weitere Wortmeldung von Herrn Abg. Günther und danach noch von Frau Lang. – Herr Günther, bitte.

Zu den einzelnen Punkten. Der erste Punkt ist, dass man die Gewinnung von Nachwuchs für das Ehrenamt mit hochzieht zu den Mindestbestimmungen. Dazu muss man einfach sagen, das wäre ein

Bruch in der Systematik dieses Antrags, weil wir unter Abschnitt II Unterabschnitt a klären, was eine Naturschutzstation überhaupt erst einmal mitbringen muss, um förderfähig zu sein. Dahinter kommen unter b die ganzen Abwägungskriterien. Die passen auch alle zueinander. Der Punkt mit dem Ehrenamt kommt darunter auch vor. Das ist systematisch und gehört einfach zusammen.

Wenn man der Begründung des Änderungsantrages die Würdigung des Ehrenamts entnimmt, dann zieht sich auch das bereits als roter Faden durch den gesamten Antrag. Was Naturschutzarbeit ist, die Ehrenamtsförderung, haben wir schon im vierten Punkt unter Abschnitt I. Wir haben das auch etwa unter Punkt II.8 aufgeführt. Das Ehrenamt, die Umweltbildung, das ist alles schon enthalten. Es wäre also kein Mehrwert, und wegen der Systematik gehört es einfach zu Unterpunkt b und nicht zu Unterpunkt a. Das würde es durcheinanderbringen. Deswegen kann man diesem Punkt nicht zustimmen.

Dann zu Ihrem zweiten Punkt, der Verteilung der Haushaltsmittel. Auch Frau Kollegin Kagelmann hat schon angefragt, wie man dazu kommt. Das war tatsächlich einmal Plan a, es gleichmäßig zu verteilen. Dann ist aber aufgefallen, dass etwa eine Stadt Chemnitz von der Fläche her etwas ganz anderes ist als ein Landkreis Bautzen, und die Stadt Chemnitz ist auch wieder etwas anderes als die Stadt Leipzig.

Weil wir es aufgabenorientiert verteilen wollen und sagen, zum einen Umweltbildung – dabei geht es um Adressaten; wie viele kann ich bilden? – und zum anderen natürlich Aufgaben im Naturschutz und Natura-2000, ist es ein Abschichten. Es gibt eine Unter- und Obergrenze, damit in jedem Landkreis etwas ankommt. Mit „ausgeräumter Agrarlandschaft“ oder diesen Schlagworten kommt man nicht weiter. Wenn man sich zum Beispiel den Landkreis Nordsachsen anschaut: Er hat eine ganze Fülle von Natura-2000-Gebieten. Die Verteilung wird relativ

gleichmäßig.

Drittens ist es einfach selbstverständlich, dass das Ganze evaluiert wird. Dann werden wir Berichte bekommen. Also, ob wir das hineinschreiben oder nicht, das passiert trotzdem.

Im Übrigen: Mit der Frage, welche Ziele evaluierbar sind, sind wir wieder in dem Antrag unter Abschnitt I. Wir sagen nämlich dort, was Naturschutzarbeit ausmacht. Dabei geht es um Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt und um praktische Naturschutzmaßnahmen, um die Betreuung von Natura-2000-Gebieten, um Forschungsvorhaben und die Erstellung von Stellungnahmen sowie um die Unterstützung des ehrenamtlichen Naturschutzdienstes und der Umweltbildung. Dabei müssen überall Mehrwerte kommen. Diese werden evaluiert. Wenn es das Geld für eine Station oder für einen Verbund gibt, dann muss etwas hinterher Abrechenbares passiert sein. Von daher ist das auch schon geklärt. Wir werden wir dem Antrag nicht zustimmen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Günther. – Frau Abg. Lang.

(Jörg Urban, AfD: Eine Kurzintervention!)

Wir sind bei der Abstimmung über den Änderungsantrag.

(Jörg Urban, AfD: Ja! Geht nicht mehr?)

Nein. – Frau Lang.

Ich möchte nur noch ganz kurz zu Punkt 1 ausführen: Die Mindestkriterien muss jede Naturschutzstation erfüllen. Dazu zählt auch Umweltbildung. Umweltbildung zielt letzten Endes immer auf Nachwuchsgewinnung ab. Allerdings bin ich der Meinung, dass man das Ehrenamt nicht erzwingen kann, das heißt, regionale Besonderheiten sind zu beachten. Im ländlichen Raum ist es durch die weiten Wege deutlich schwieriger, Ehrenamtliche zu finden. Das irgendwo gesetzlich zu verankern, halte ich für ziemlich fragwürdig und schwierig.

Zu Punkt 2 haben meine beiden Kollegen genug Ausführungen gemacht.

Zu Punkt 3. Ich glaube, jeder von uns ist sich hier seiner Verantwortung bewusst. Selbstverständlich stellen wir uns am Ende die Frage, ob es etwas gebracht hat oder, wenn wir Haushaltsverhandlungen haben, ob nachgebessert werden muss oder wie auch immer. Ich halte diesen Punkt für obsolet. Für mich ist das eine Pseudoforderung. Ich kann es nicht verstehen, weil ich glaube, von uns würden alle, die daran beteiligt waren, damit sehr verantwortungsbewusst umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen kann ich nicht erkennen. – Herr Urban, es bleibt bei der punktweisen Abstimmung? – Ja.

Aufgerufen ist die Abstimmung zur Drucksache 6/9275. Wer Punkt 1 seine Zustimmung geben möchte, der zeigt das jetzt an. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltungen ist Punkt 1 nicht entsprochen worden.

Wer möchte Punkt 2 seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hierbei Stimmen dafür und keine Stimmenthaltungen, aber Ablehnung mit großer Mehrheit.

Wer möchte Punkt 3 seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich der Stimme? – Gegenstimmen?

(Heiterkeit bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Test fast bestanden, meine Damen und Herren. – Auch hierbei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen, aber mit großer Mehrheit Ablehnung. Da keiner der Punkte die erforderliche Mehrheit gefunden hat, erübrigt sich eine Schlussabstimmung, meine Damen und Herren.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 6/8984. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Vielen Dank. Bei Stimmenthaltung, keinen Gegenstim

men ist die Drucksache 6/8984 beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet, meine Damen und Herren.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Bleiberecht im Freistaat Sachsen für Opfer rechtsmotivierter Straftaten

Drucksache 6/8238, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: DIE LINKE, danach die CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Nagel. Bitte sehr, Frau Nagel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Niveau rechts- und insbesondere rassistisch motivierter Gewalt bewegt sich in Sachsen weiter auf einem erschreckend und inakzeptabel hohen Niveau. Im Jahr 2016 – das haben wir erst vor wenigen Tagen bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik gehört – sind rechtsmotivierte Straftaten weiter gestiegen, gab es laut einer Bundestagsanfrage von Anfang des Jahres 66 Gewaltdelikte gegen Geflüchtete, und die Zahl der Angriffe auf Wohnhäuser von Geflüchteten ist mit 117 gleichauf mit dem Vorjahr 2005.

Schauen wir uns die Statistik politisch motivierter Kriminalität rechts an, müssen wir seit 2014 einen bedenklichen Anstieg verzeichnen von 1 700 Fällen auf mittlerweile fast 2 500. Der starke Anstieg der Fallzahlen der PMK rechts ist vor allem auf den Anstieg fremdenfeindlicher Straftaten zurückzuführen. Betroffene sind Migrantinnen und Migranten, sind Geflüchtete, weil sie das personifizierte Feindbild von Rassistinnen und Rassisten sind. Den besorgniserregenden Anstieg rassistischer Gewalt identifizieren auch die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt der RAA Sachsen. Im vergangenen Jahr gab es nach deren Statistik 437 Angriffe mit 685 betroffenen Personen. 306 Angriffe – das Gros der Gesamtzahl – war rassistisch motiviert, richtete sich also gegen Migrantinnen und Migranten. Überwiegend handelte es sich laut der Opferberatungsstatistik um Körperverletzungsdelikte. Wir haben es hier mit einer Zahl von 301 zu tun.

Noch ein letztes Faktum dazu: Einen Höhepunkt gab es auch bei der Gewalt gegen Kinder. Die Zahl der Betroffenen, die unter 16 Jahre alt sind, lag nach den Opferberatungsstellen bei 73. All das – diese Gewalt – ist nur die Spitze eines Eisbergs.

Betroffene haben täglich mit Beleidigungen auf der Straße, Anfeindung in Straßenbahn oder Bus, auf dem Weg zum Sprachkurs, Ausgrenzung in der Schule oder herablassender Behandlung in den Behörden zu tun. Darüber statt über eine vermeintliche Flüchtlingswelle zu

reden, über die Kosten, die Schutz suchende Menschen verursachen, oder über die Abschiebung als Kehrseite der Aufnahmebereitschaft – dafür wäre es Zeit. Und ja, wir haben hier in diesem Landtag in den vergangenen Monaten viel über Rassismus diskutiert, aber eben fast immer nur dann, wenn es unvermeidlich war – siehe Heidenau, Clausnitz, Bautzen.

Vermisst haben wir in der Debatte die Empathie mit den Betroffenen, mit den Menschen, die sich hier ein neues Leben aufbauen wollten und wollen, Aufmerksamkeit für die Dimension des rassistischen Alltags, dem diese Menschen unterworfen sind, und wir haben die Grenzsetzung vermisst, die weit vor dem Brandsatz auf eine Asylunterkunft beginnt. Ja, auch Teile dieses Hohen Hauses haben viel zu lange Pegida unkritisch oder offen gegenübergestanden – in einer Zeit, in der Herr Bachmann Geflüchtete bereits in aller Weltöffentlichkeit „Viehzeug“ genannt hat.

Wir haben es an verschiedenen Stellen der Auseinandersetzung, auch in diesem Hohen Haus,, betont: Wir brauchen ein ernsthaftes Bekenntnis gegen Rassismus und Diskriminierung, und wir brauchen wirksame Maßnahmen, sowohl in präventiver Hinsicht, bei Schutz und Wiedergutmachung für die Opfer, als auch bei Strafverfolgung und Konsequenzen für die Täterinnen und Täter.

(Beifall bei den LINKEN)

Denn schauen wir uns die Aufklärungsquoten, insbesondere bei den Straftaten gegen Asylunterkünfte an, können wir nur ernüchtert sein. Laut verschiedener Kleiner Anfragen, die ich regelmäßig stelle, wird ein Großteil der Verfahren wegen Angriffen auf Asylunterkünfte eingestellt. Anfang dieses Jahres hatten gerade einmal 15 von 111 Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2015 zur Verurteilung geführt. Aber 73 Verfahren wurden eingestellt. Das waren zu diesem Zeitpunkt schon 65 %. Im Jahr davor, 2014, lag die Einstellungsquote bei 90 %.

Diesen bedenklichen Entwicklungen vereint die Stirn zu bieten und dabei Empathie vor allem für die Opfer zu zeigen, die als Schutzsuchende nach Deutschland geflohen sind und neben Alltagsrassismus, Bedrohung, Gewalt auch noch eine durchaus schwierige Lebenssituation haben – ich verweise auf den unsicheren Aufenthaltsstatus und die unsichere Zukunftsperspektive –, dies wollen wir

mit unserem Antrag erreichen. Wir bitten Sie, neben dieser eigentlich selbstverständlichen Willensbekundung der Staatsregierung mit der Zustimmung zu unserem Antrag heute den Auftrag zu erteilen, einen Erlass nach dem Vorbild des Nachbarlandes Brandenburg vorzulegen, der für Opfer rechter Gewalt mit unsicherem Aufenthaltsstatus ein Bleiberecht ermöglicht. Wir greifen mit diesem Vorschlag einen entsprechenden Erlass auf, der bereits im Dezember 2015 in Reaktion auf einen Landtagsbeschluss veröffentlicht wurde und der einer nicht ganz neuen Forderung von Opferverbänden nachkommt.

Es ist aus unserer Sicht höchste Zeit, im Sinne der Opfer rechter Gewalt aktiv zu werden. Die Betroffenen brauchen unsere Solidarität, und sie brauchen Sicherheit. Es geht bei dem in Rede stehenden Erlass um nachdrückliche Klarstellung, dass die Möglichkeiten, die das Aufenthaltsgesetzes bereits jetzt bietet, von den Ausländerbehörden auch genutzt werden. Es geht hier nicht um eine Form der Bevorteilung, wie man das in der Debatte ab und an hört, sondern darum, Menschen für erlittenes Unrecht zu entschädigen. Was könnte für jemanden schlimmer sein, der vor Krieg und Verfolgung geflohen ist, nach einem rassistischen Angriff, den er erleiden musste, auch noch im oder nach dem Strafverfahren abgeschoben zu werden, wie es beispielsweise einem algerischen Asylsuchenden geschah, der im Juni 2013 in Dresden erst beleidigt und dann zusammengeschlagen wurde? Er wollte als Nebenkläger im Strafverfahren auftreten. Aber die Ausländerbehörde verlängerte seinen Aufenthalt nicht, und er konnte seine rechtsstaatlichen Rechte nicht wahrnehmen.

Im schlimmsten Fall kann also die Abschiebung der Betroffenen sogar dazu führen, dass die Täter mangels entsprechender Zeugenaussagen straffrei bleiben. So werden rassistische Täter quasi vor Strafverfolgung geschützt. Das kann und darf nicht sein.

Tatsächlich – und darauf komme ich jetzt – bietet das Aufenthaltsgesetz schon jetzt entsprechende Möglichkeiten, einerseits mit § 60 Abs. 2 die Abschiebung auszusetzen, wenn die Anwesenheit des oder der Betroffenen im Strafverfahren als nötig erachtet wird, andererseits aber auch, nach Abschluss des Strafverfahrens ein Bleiberecht zu ermöglichen. Dafür bedient sich der Erlass aus Brandenburg des § 25 Abs. 5 Satz 1 Aufenthaltsgesetz. Das erhebliche öffentliche Interesse an einem Verbleib des Opfers einer rechten Gewalttat sowie die dringenden humanitären Gründe wirken nach Beendigung des Strafverfahrens fort, werden so zu einem inlandsbezogenen Abschiebehindernis, und auf dieser Grundlage kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Das hat Brandenburg in dem Erlass niedergeschrieben. Auch die Kommunikation – und daran hakt es oft zwischen Ausländerbehörde, Staatsanwaltschaft, Polizei und Betroffenen – wird in dem Erlass klar geregelt, sodass Fehlentscheidungen oder durchgerutschten Informationen weitestgehend der Riegel vorgeschoben wird, sofern das geht.

Warum also sollten wir uns hier in Sachsen diese positive Auslegung des Aufenthaltsrechtes im Sinne der Opfer

rechter Gewalt nicht zu eigen machen? Auch in Sachsen sollten die entsprechenden Ermessensspielräume genutzt werden. Den kommunalen Ausländerbehörden soll im Rahmen des Sonderaufsichtsrechtes durch die Staatsregierung dieser Weg gewiesen werden – denken wir –, die Möglichkeiten auszuschöpfen.