Moment, er fußt darauf. Ich möchte etwas vorwegnehmen: dass Sie im Grunde genommen versuchen, eine Problematik als Popanz hochzuziehen und die andere Problematik komplett wegzulassen.
Im Landkreis Leipzig. Die Fälle in Leipzig von 2015 – ich rede von politisch motivierter Gewalt, egal, ob das rechts oder links ist –: 2015 gab es insgesamt 53 Brandstiftungen, davon im Leipziger Land 12 und in Nordsachsen drei, in Summe 68. 2016 gingen die Fälle bereits hoch auf 90, in Leipzig 13, im Leipziger Land und in Nordsachsen 16 auf 119 Fälle. Wenn Sie sich einmal vergleichbare Großstädte ansehen: im Jahr 2016 in Leipzig 100, in Dresden 33 und in Chemnitz 28.
Das ist zum Beispiel auch extremistische Gewalt und das beschäftigt unsere gesamte Gesellschaft. Genau das verunsichert die Gesellschaft, und insofern bin ich Marko Schiemann besonders dankbar, dass er gesagt hat, dass wir uns als Fraktion komplett gegen extremistische Gewalt aussprechen. Da ist es uns völlig egal, ob das von rechts oder von links ist; denn das ist wie Feuer und Wasser. Das eine bedingt das andere und das brauchen wir in unserer Gesellschaft überhaupt nicht.
Zum Beispiel des Vorredners Kollegen Homann: Herr Homann hat die Beispiele von Europa gebracht. Aber was er weggelassen hat, möchte ich hier noch einmal besprechen: Er sprach von den islamistischen Opfern in Europa. Den polnischen Lkw-Fahrer, der in Berlin durch einen Islamisten ums Leben gekommen ist, und weitere elf Opfer hat er ausgelassen. Das finde ich nicht in Ordnung, denn auch das ist extremistische Gewalt. Das ist Terror. Es ist völlig egal, ob das politisch motiviert von Islamisten passiert, von rechts oder von links. Wir brauchen in unserer Gesellschaft überhaupt keine Gewalt.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Da die Debatte sehr breit angelegt war, möchte ich aus der Sicht der Staatsregierung klar und deutlich sagen: Wir, die Staatsregierung, treten jeder Form von Extremismus konsequent entgegen, und wir verfolgen jede Form von Straftaten, auch aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität.
Ich werde mich in meinen Ausführungen a) kurz und b) im Rahmen der Großen Anfrage äußern und im Wesentlichen zu dem Themenkomplex Rechtsextremismus sprechen. Deshalb kann ich zuerst klar sagen: Ja, es ist noch einmal deutlich zum Ausdruck gekommen, wir haben in Sachsen ein Problem mit dem Rechtsextremismus. Ja, und dieses Problem stagniert auf hohem Niveau. Wenngleich im Jahr 2016 die Gewaltdelikte in diesem Bereich insgesamt etwas zurückgegangen sind – konkret von 213 auf 152 –, liegen die Fallzahlen aber nahezu unverändert hoch, bei 2 343.
Es ist richtig, Polizei und Verfassungsschutz beobachten dabei mit wachsender Sorge das Vorgehen von Rechtsextremisten gegenüber Asylbewerbern, deren Aufnahmeeinrichtungen und Unterstützern. Fremdenfeindliche Attacken machen nach wie vor rund 30 % aller rechtsextremen Straftaten in Sachsen aus.
Ich werde jetzt nicht weiter ins Details gehen, aber Sie alle wissen, dass in Sachen politisch motivierter Kriminalität allgemein Dresden und Leipzig unsere Hochburgen sind und dass aber gerade beim Rechtsextremismus – ganz anders im Vergleich zum Linksextremismus – auch die ländlichen Regionen besonders stark betroffen sind. Das geht auch aus den Antworten auf diese Große Anfrage hervor.
Ein zweites Thema ist mir wichtig. Es ist anders, als es hier teilweise geäußert worden ist. Wir überlassen den rechtsextremen Straftätern nicht das Feld. Ganz im Gegenteil: Bei uns in Sachsen verspüren die Rechtsextremisten einen sehr konsequenten und hohen Verfolgungsdruck. Dafür steht sichtbar die Arbeit unseres OAZ. Insofern bin ich dankbar dafür, dass wenigstens das hier ziemlich einhellig anerkannt wurde.
Ich will es deutlich sagen, weil das Thema PTAZ und der Vorschlag von mir gestern noch angesprochen worden ist: Es geht natürlich um einen Ausbau der vorhandenen Expertise. Deswegen habe ich deutlich gesagt, dass das auch mit einer Steigerung des Personals einhergehen wird. Vor diesem Hintergrund brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, dass an der Qualität in diesem Bereich Abstriche gemacht werden.
Außerdem erinnere ich hierzu beispielhaft an das Ermittlungsverfahren gegen die sogenannte Freie Kameradschaft in Dresden. Bei aller Fahndungsarbeit – das will
ich an dieser Stelle nochmals deutlich sagen – braucht es besonders beim Kampf gegen Rechtsextremismus einen ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz. Dieser besteht neben der Repression aus Beobachtung und Prävention.
Deshalb möchte ich noch ein paar Worte zum Thema Beobachtung sagen. Frau Köditz, Ihre Einstellung zum Landesamt für Verfassungsschutz kenne ich mittlerweile. Aber die Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz wurden gerade in Sachsen in den letzten Jahren vor neue Herausforderungen gestellt. Anders, als Sie das beobachtet haben, schreiben sie nicht nur zur „Identitären Bewegung“, wo sie sich im Moment aufhalten, etwas auf, sondern sie sind dabei, auch weitere Erkenntnisse zu gewinnen.
Das Thema Reichsbürger ist mittlerweile ein bundesweites Beobachtungsobjekt. Wir sind dabei, gemeinsam mit dem OAZ für Sachsen ein Lagebild auf den Tisch zu legen und es bundesweit entsprechend abzugleichen.
Deswegen ist es natürlich so, dass die Kleinen Anfragen, die Sie zuletzt gestellt haben und die zeitnäher an den Erkenntnissen gewesen sind, Informationen Ihnen gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, die in den Anfragen vorher noch nicht vorhanden gewesen sind.
Bei der Prävention ist an erster Stelle unser Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ zu nennen, welches bei meiner Kollegin Köpping in sehr guten Händen ist und dort sachgerecht bearbeitet wird. Darüber hinaus haben wir gemeinsam eine Reihe toller Projekte unterstützt und unter anderem das Demokratiezentrum in Sachsen auf die Beine gestellt. Dieses hält für jeden ein umfangreiches Beratungsangebot bereit, egal, ob Täter, Opfer, Schüler oder Eltern. Allein im Jahr 2015 konnten darüber hinaus 580 Beratungen realisiert werden.
Außerdem beteiligt sich der Freistaat Sachsen erfolgreich an mehreren Bundesprogrammen. Auch hier sind alle Formen von Menschenfeindlichkeit, von politisierter oder vorgeblich religiös legitimierter Gewalt und politischer Radikalisierung Gegenstand präventiver Arbeit und damit auch der Förderung.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Landesprogramm zum begleiteten Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene des Freistaates erwähnen. Hierbei handelt es sich um ein Projekt des Landespräventionsrates gemeinsam mit nicht staatlichen Organisationen. Das ist eine mühsame Geschichte. Aber durch die Mitarbeiter des Aussteigerprogrammes wurden insgesamt 39 langfristige Beratungsprozesse mit Aussteigern und deren Umfeld gestaltet, die bis dato in vier Fällen mit Aussteigern und in sieben Fällen mit deren Umfeld erfolgreich abgeschlossen wurden.
Schlussendlich ist mir eines noch wichtig: Die Antwort auf die Große Anfrage ist auch ein Beispiel dafür, wie gut und kontinuierlich die sächsischen Behörden zusammenarbeiten. Die unterschiedlichen Ministerien bis hin zu den
einzelnen Polizeidirektionen schafften es in kurzer Zeit, auf die 559 Fragen zu antworten. Das will ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich sagen: Das hätte man vielleicht auch mal erwähnen können, weil es keine Selbstverständlichkeit ist, so eine Menge an Zahlen in dieser kurzen Zeit zusammenzutragen.
Eine Verlängerung, das mag ja sein, aber trotz alledem hätten Sie vielleicht mal ein Wort des Dankes sagen können, unabhängig davon, wie Sie die Inhalte entsprechend bewerten. Das wollte ich an dieser Stelle nochmals sagen.
Ich will jetzt zum Abschluss sagen. Die Staatsregierung tritt jeder Form von Extremismus entgegen. Wir brauchen hierbei keine Nachhilfe. Wenn suggeriert wird, dass die Staatsregierung in diesem Komplex untätig wäre, will ich dem deutlich entgegentreten. Ich habe es vorgetragen, dass es eine Menge an Angeboten demokratischer Partizipation und politischer Bildung gibt. Die Staatsregierung baut diese zudem ständig aus.
Ich möchte eines zum Schluss sagen: Am Kampf gegen Extremismus mitzuwirken, ist nicht nur eine Aufgabe staatlicher Behörden, sondern es sind die Menschen im Lande an allen Stellen aufgerufen, entsprechend mitzumachen. Ich erwarte, dass diese Auseinandersetzung, die stattfindet, auch auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgt.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE ist abgeschlossen. Wir haben aber noch einen Entschließungsantrag zu beraten. Ich rufe auf den Antrag in der Drucksache 6/8350 und gebe jetzt die Gelegenheit, den Entschließungsantrag einzubringen. Frau Köditz, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den letzten Gedanken von Herrn Ulbig finden Sie sogar im Entschließungsantrag auf Seite 2 unter Nummer 8: „Die erfolgreiche und wirkungsvolle Zurückdrängung der extremen Rechten in Sachsen ist daher eine gesamtgesellschaftliche und langfristig angelegte Aufgabe, die der Anstrengungen vieler bedarf.“
Ich möchte diesen Entschließungsantrag noch einmal mit einbringen. Schauen Sie sich ihn bitte an. Es geht keineswegs nur um Gewalt und um Straftaten überhaupt. Wir haben in unserer Großen Anfrage verschiedene Bereiche nachgefragt: Strukturen, Versammlungsgeschehen, Treffobjekte und die Frage nach der Nutzung welcher Medien.
Es ist immer nur auf die Gewaltfrage zu reduzieren: Damit werden wir die extreme Rechte weder langfristig noch nachhaltig zurückdrängen können.
Ich bitte darum, dass uns auch bewusst wird bei den verschiedenen Phänomenbereichen der politisch motivierten Kriminalität: Wenn wir die bekämpfen wollen, müssen wir uns die Arbeit machen, die Gegenstände zu unterscheiden, denn die Motivationen für die Straftaten sind unterschiedlich.
Deswegen haben wir uns als LINKE dieses Mal der Thematik „Extreme Rechte“ zugewandt, weil wir der Meinung sind, dass wir ein Gesamtkonzept zur Zurückdrängung brauchen. Ich freue mich, Herr Minister, dass Sie sich immer wieder im Plenarsaal hinstellen und die Sache thematisieren. Aber ein Gesamtkonzept – da bin ich etwas im Widerspruch zu Herrn Lippmann – erwarte ich nicht von Ihnen, sondern dieses Gesamtkonzept erwarte ich von der gesamten Staatsregierung.
Ich schließe mich gern Ihrem Dank an die Mitarbeiter der Ministerien für die zügige Beantwortung an. Aber ich möchte einfach, dass Sie sich zusammensetzen und in allen Bereich zusammentragen, was notwendig ist, um eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Wir freuen uns auch über das Fördermittelprogramm. Aber das ist kein Handlungskonzept. Ich bitte Sie ganz einfach, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Vielen Dank, Frau Köditz. Meine Damen und Herren, gibt es hierzu Wortmeldungen? – Herr Lippmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Vielen Dank, Herr Präsident. Wir werden dem Entschließungsantrag zustimmen. Frau Köditz, natürlich ist es nicht Aufgabe des Innenministers allein, eine solche Gesamtstrategie vorzulegen, sondern der kompletten Staatsregierung und auch darüber hinausgehend. Wir werden aber dem Entschließungsantrag auch deswegen zustimmen, weil er fokussiert ist auf das zentrale Thema, das wir momentan in Sachsen haben.
Insoweit, Herr Pohle, möchte ich Ihnen in einem Punkt etwas mitgeben: Wir können gerne – und da gebe ich Ihnen recht – über die verschiedenen Punkte politisch motivierter Kriminalität in diesem Hause sprechen, aber dann bitte dort, wo es hingehört. Worauf ich nämlich keine Lust habe, ist, dass permanent bei Debatten zu linksmotivierter Kriminalität und Gewalt jeder Hinweis, es gebe auch Rechtsextreme in Sachsen, von Ihnen und der CDU als Bagatellisierung und Relativierung durch die Gegend getrieben wird und dann hier beim Thema Rechtsextremismus eine großartige Debatte über andere Phänomenbereiche geführt wird. Ich finde das inkonsequent, da müssten Sie sich mal entscheiden, wofür Ihre Fraktion steht.
Wir stimmen dem Antrag auch deswegen zu, weil Sie im Innenausschuss vorletzte Woche einen Antrag, der sich mit der politisch motivierten Gewalt am 12.12.2015 in Leipzig auseinandergesetzt und diese scharf verurteilt hat, nicht zugestimmt haben. Deswegen wollen wir die Probleme benennen und fokussieren. Deswegen ist ein solcher fokussierter Entschließungsantrag, wie DIE LINKE ihn vorgelegt hat, richtig, und wir werden ihm zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, recht schönen Dank. Frau Köditz, ich hatte in meinem Redebeitrag schon angesprochen, weshalb wir diesem Antrag nicht zustimmen können: weil er einfach inhaltlich gesehen so kompatibel ist zu der gesamtgesellschaftlichen Problematik von Extremismus. Allein hier in der Überschrift: Wo ist der Unterschied der Entwicklung der extremen Rechten zur Entwicklung der extremen Linken oder zu extremistischer Gewalt in besonderer Form?