Protocol of the Session on February 2, 2017

(Zuruf von der AfD: Weil nichts dran war!)

Wir lesen immer wieder von steigenden Aufklärungsquoten, die das Operative Abwehrzentrum erzielt. Ich zweifle nicht am Nutzen des OAZ – ganz im Gegenteil! Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass dadurch der Verfolgungsdruck nicht wesentlich steigt. Denn es gibt Landkreise, in denen über viele Jahre hinweg besonders wenig rechtsmotivierte Taten aufgeklärt werden. Dazu gehören die Landkreise Leipzig, Nordsachsen und Bautzen.

Aber das wird wahrscheinlich demnächst nicht auf der Agenda des Innenministeriums stehen – leider. Seit gestern wissen wir, dass das OAZ zum Politischen Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum – PTAZ – umgewandelt werden soll. Herr Minister Ulbig, 2012, vor fünf Jahren, wurde das OAZ als Reaktion auf die Verbrechen des neonazistischen Terrornetzwerkes, welches sich selbst den Namen „NSU“ gegeben hatte, öffentlichkeitswirksam für den Kampf gegen Rechtsextremismus ins Leben gerufen. Es war dann auch für andere Phänomenbereiche – Links- und Ausländerextremismus – zuständig. Der Personalbestand blieb über Jahre hinweg relativ konstant, obwohl wir in dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – Rechts“ seit 2015 den anfangs geschilderten Anstieg von Straftaten verzeichnen mussten. Daraufhin gab es keine personelle Verstärkung. Jetzt soll es neues Personal geben. Woher, das soll jetzt nicht mein Thema sein. Aber es gibt auch einen Aufgabenaufwuchs.

Das Thema NSU ist noch nicht erledigt. Das muss man ganz einfach zur Kenntnis nehmen. Aber immer wieder neue Strukturen und neue Namen – das sind keine Lösungen, das ist Symbolpolitik.

Meine Damen und Herren! Was wir jetzt von der Staatsregierung erwarten können, sind nicht nur symbolische Einzelmaßnahmen, nicht nur Nachbesserungen. Was wir brauchen, ist endlich und unverzüglich ein Gesamtkonzept zur Zurückdrängung der extremen Rechten. Das braune Problem, von dem wir in Sachsen sprechen, vergeht nicht von allein.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, nun spricht Herr Abg. Schiemann für die CDUFraktion. Bitte sehr, Herr Schiemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich ist es so, dass die Große Anfrage in erster Linie schon Bekanntes aus einer Vielzahl Kleiner Anfragen zu dem von Ihnen angesprochenen Thema zusammenfasst.

Meine Vorrednerin hat auch auf Aspekte hingewiesen, die in den Neunzigerjahren dem Extremismus besonders aus dem rechten Spektrum eine Heimat in Sachsen gegeben haben, Stichwort Wurzen, Stichwort Leipzig. Das sollte man nicht vergessen. Die wichtigsten, die größten Demonstrationen haben in dieser Zeit viele Jahre lang in Leipzig stattgefunden. Es haben sich aber – das muss ich aus eigener Erfahrung sagen – natürlich auch Gewalttäter aus anderen Ländern nach Leipzig begeben und versucht, diese Stadt für politische Demonstrationen und Gewalt zu missbrauchen. Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass man mit zwei Augen sieht: Die andere Seite war auch mit dabei.

Ich glaube, dass der Freistaat Sachsen besonders mit den Erfahrungen, die wir 1991 in Hoyerswerda gemacht haben, und mit der Schaffung der Soko Rex eine Antwort

gefunden hat, dem Rechtsextremismus im Freistaat zu begegnen.

Die Soko Rex war 1991 eine ganz bedeutende Entscheidung. Man hat klar gesagt: Im Freistaat Sachsen haben Gewalttäter nichts zu suchen. Gewalttäter haben keine freie Fahrt, sondern werden sehr schnell identifiziert und dem Gericht übergeben. Eine Soko Rex haben wir auch heute nötig. Wir brauchen eine vergleichbare, starke Antwort des Staates gegenüber Entwicklungen, die es im Freistaat Sachsen gibt, besonders im Bereich rechtsextremistisch motivierter Straftaten.

Wichtig bleibt – das möchte ich wiederholen –: Es ist so, dass man natürlich mit beiden Augen sehen muss. Weder rechtsextremistische noch linksextremistische Straftaten dürfen im Freistaat Sachsen geduldet werden.

Frau Kollegin Köditz, Sie haben recht: Es gibt eine qualitative Weiterentwicklung hin zu Netzwerken. Solche Netzwerke finden sich natürlich in allen politischen Strukturen wieder, die nicht im demokratischen Spektrum handeln wollen. Diese Netzwerke gibt es auch im Bereich linksextremistisch agierender Täter.

Dennoch sage ich Ihnen: Ich habe es satt, dass wir uns hier im Parlament immer wieder mit Straftätern aus dem politischen Spektrum befassen müssen! Ich habe das satt! Ich würde mich freuen, wenn wir im Freistaat Sachsen dazu kommen würden, solche Themen hier nicht mehr diskutieren zu müssen. Es wäre der beste Weg für unser Land und für die Menschen, die hier wohnen, hätten Extremisten in unserem Land kein Zuhause mehr und würden auch Gäste aus diesem Bereich nicht geduldet. Das wäre der beste Weg.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Volkmar Winkler, SPD, und Valentin Lippmann, GRÜNE – Zuruf des Abg. André Schollbach, DIE LINKE)

Auch in Dresden. Herr Kollege Schollbach, dann schauen Sie als Stadtrat einmal, was Sie tun können, denn das ist nicht nur eine Aufgabe des Freistaates Sachsen. Bei diesen Themen sind natürlich auch die Kommunen in der Verpflichtung.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Gesamtkonzept!)

Ja, Frau Kollegin Köditz, ich weiß eben nicht, ob ein Gesamtkonzept das alles lösen kann. Wenn Sie jetzt sagen, dass wir eine Vielzahl von Konzepten des Freistaates und der kommunalen Ebene brauchen, die passfähig sind, dann ist das durchaus richtig.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das ist dann ein Gesamtkonzept!)

Dann habe ich Sie gut verstanden; so haben Sie es gemeint. – Herr Kollege Schollbach, Sie haben es gehört: Damit sind auch Sie in Dresden zu Engagement aufgefordert, sind aufgefordert, etwas gegen Extremismus zu tun, wie Frau Kollegin Köditz es angesprochen hat.

(André Schollbach, DIE LINKE: Wir sind da sehr engagiert!)

Ja, ich glaube das. Aber es ist sehr einfach, immer zu sagen: Ich habe alles getan, aber die anderen, die Bösen, haben nichts auf den Weg gebracht.

Wir brauchen langfristige Lösungen, die die Gewalt aus unserer Gesellschaft verdrängen. Gewalt darf weder geduldet noch toleriert werden. Wer mit Gewalt versucht, den Staat oder die friedlichen Bürger des Freistaates Sachsen herauszufordern, dem muss man mit allen Mitteln des Rechtsstaats begegnen. Das gilt für alle Formen von Kriminalität, besonders aber für jene Form der politischen Kriminalität, die mit Gewalt verbunden ist. Gewalt in jeder Form ist kein Mittel politischer Auseinandersetzung und ist deshalb mit aller Entschiedenheit abzulehnen.

Meinungsfreiheit und Demokratie, Versammlungsfreiheit und Demonstrationen sind legitime und nutzbare Rechte für alle Bürger im Freistaat. Gewalt, Steine- oder Flaschenwerfen gehören nicht dazu, sondern sind als schwere Straftat zu verfolgen.

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Freistaates Sachsen spricht von circa 2 500 Rechtsextremisten im Freistaat und von 750 Linksextremisten, die hier wohnen. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man das einfach aushält: 2 500 Rechtsextremisten und 750 gewaltbereite Linksextremisten. Jetzt frage ich Sie – Entschuldigung, Herr Präsident, wenn ich das jetzt tue; das steht mir nicht zu –, ob es hier im Saal jemanden gibt, der sich für eine dieser Gruppen einsetzen würde? Ich glaube nicht, dass hier in diesem Saal jemand bereit wäre, sich für Extremisten einzusetzen.

Bei den politisch motivierten Gewalttaten liegt der Schwerpunkt leider – ich sage leider – in den neuen Bundesländern. Bei rechtsextremistischen Gewalttaten, bezogen auf eine Million Einwohner und das Jahr 2015, belegt der Freistaat Sachsen nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg den dritten Platz in Deutschland. Das ist nicht angenehm, aber es gehört dazu. Bei den linksextremistischen Straftaten steht der Freistaat Sachsen an erster Stelle vor Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Das ist in der Statistik nachlesbar; wenn Sie möchten, kann ich das noch entsprechend zitieren.

Nun zu den Details aus dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst: Bei politisch motivierter Kriminalität von rechts erreicht die Zahl der Straftaten im Jahr 2015 die Zahl 2 415. Damit erfolgte ein starker Anstieg auf das Niveau des Jahres 2008. Im Jahr 2015 beobachten wir das höchste Niveau rechtsextremistischer Straftaten seit Beginn der Statistik im Jahr 2001.

Meine Frage ist nun: In den Jahren 2009 bis 2013 gab es eine starke Reduzierung von Straftaten im rechtsextremistischen Bereich. Nach 2009 war die Zahl der Straftaten gefallen, und erst nach 2014 ist dieser massive Anstieg zu verzeichnen.

Mir muss einmal jemand Folgendes erklären: Womit hängt es zusammen, dass zwischen 2009 und 2013 diese Reduzierung stattgefunden hat? Liegen die Ursachen in

Maßnahmen von Kommunen, sind das Maßnahmen des Freistaates? Welche Maßnahmen sind das? Das wäre für mich wichtig. Aber wichtig ist zu wissen: 2005 ist ein Punkt, mit dem wir nicht zufrieden sein können.

Anders ist es im Bereich PMK links. Hier gibt es seit 2006 einen stetigen Anstieg der Straftaten mit dem höchsten Anstieg im Jahre 2015. Ab 2006 haben wir bis 2015 einen linearen Anstieg auf 1 058 Straftaten. Das können Sie alles der PMK rechts und links und auch den Darlegungen zu den Gewalttaten entnehmen.

Besorgniserregend ist der Anstieg bei den Tätergruppen PMK Gewalt. Wenn Sie sich die Statistik PMK Gewalt vornehmen, dann finden Sie für das Jahr 2014 bei Rechts 86 Straftaten und 213 Straftaten für das Jahr 2015. Bei der PMK Gewalt Links stieg die Zahl von 157 Gewaltstraftaten im Jahr 2014 auf 292 Gewaltstraftaten im Jahre 2015. Dies können Sie der polizeilichen Kriminalstatistik des Freistaates Sachsen entnehmen.

Die Zahlen im Bund spiegeln eine ähnliche Steigerung wider. Sie zeigen, dass im Bereich der PMK Gewalt im Bund im rechtsextremistischen Spektrum die Zahl von 1 029 Straftaten von 2014 auf 1 485 Straftaten gestiegen ist und im Bereich Gewalt Links von 1 664 Straftaten im Jahr 2014 auf 2 246 Straftaten im Jahr 2015. Das ist die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes. Dort können Sie das entsprechend nachlesen.

Diese Zahlen zeigen einen brutalen Zuwachs politisch motivierter Gewalt. Wenn ich die Zahlen hier nenne, dann geht es mir nicht um Relativierung und auch nicht um Gegenrechnung. Ich halte es für brutal, wenn politisch motivierte Gewalt in dieser Rasanz ansteigt. Es geht darum, zu sehen, wie stark die politisch motivierte Gewalt im Freistaat Sachsen zugenommen hat. Es ist für uns alarmierend, dass die Gewalt gegen Polizisten, gegen Ausländer, aber auch gegen jeweils die andere Gruppierung zunimmt. Die Extremisten von links, die Extremisten von rechts begegnen sich ebenfalls mit einer Vielzahl von Straftaten. Dabei wurden in den Phänomenbereichen PMK Rechts und PMK Links im Jahre 2015 in der Bundesrepublik Deutschland die höchsten Fallzahlen seit Einrichtung des Meldedienstes im Jahr 2001 erreicht.

Klar ist für uns eines: Es gibt keine guten und schlechten Gewalttäter. Ich warne jeden von uns, den Gedanken zu hegen, dass man Gewalt mit Gegengewalt bekämpfen kann. Dieses Recht besitzt niemand. Keiner hat das Recht, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Gewaltmonopol des Staates obliegt lediglich der Polizei, über polizeiliche Maßnahmen Gewalttätern entsprechend Einhalt zu gebieten. Wer Gewalt anwendet und die Werte und Gesetze unseres Landes missachtet, der ist und bleibt ein Straftäter und ist zu verfolgen. Niemand hat das Recht, sich über dieses Gesetz zu erheben.

Die stark gewachsenen Zahlen bei der politisch motivierten Gewalt drängen zum Handeln.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie reden irgendwann auch zu der Großen Anfrage?)

Na selbstverständlich. Sie werden mir aber überlassen, dass ich die Große Anfrage entsprechend interpretiere, so wie ich das mache.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

Sie haben doch die Gelegenheit, das aus Ihrer Sicht genauso zu tun.

Die Antwort auf die Große Anfrage macht dies ganz besonders deutlich. Besonders im Phänomenbereich der rechtsextremistischen Gewalt wird dies deutlich.

Den Ursachen von politisch motivierter Gewalt muss endlich begegnet werden. Die sächsische Polizei setzt mit ihrer Arbeit klare und deutliche Grenzen. Der sächsischen Polizei ist hierbei besonders zu danken. Ich glaube, dass die Polizisten ständig zwischen den Fronten stehen und eine Vielzahl von anderen Aufgaben deshalb nicht erfüllen können, weil sich in unserem Land Menschen tummeln, die mit Gewalt versuchen, ihre politischen Ziele umzusetzen.

Wichtig für uns ist und bleibt, dass das OAZ natürlich die Aufgabe behält, die ihm vormals vom Innenminister übertragen worden ist, und Gelegenheit erhält, sie entsprechend umzusetzen. Wir brauchen das Operative Abwehrzentrum natürlich auch zur Bekämpfung der politisch motivierten Gewalt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Änderung, die hier angesprochen worden ist, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit abträglich wirkt. Wir müssen das OAZ stärken. Die dort Tätigen haben die Erfahrungen und müssen sowohl personell als auch in Bezug auf ihre Ausstattung so ausgerüstet werden, dass sie ihre Aufgabe bewältigen können.

Dennoch muss man sich meines Erachtens auch anderen Ursachen der Gewalt in den politischen Auseinandersetzungen widmen. Aus der Antwort auf die Große Anfrage geht auch der Unterschied hervor, in welchen sozialen Schichten sich die jeweils agierenden Personen bewegen. Ich glaube, dass soziale Fragen in den letzten 20 Jahren sehr stark unterschätzt worden sind. Hartz IV ist nicht die Antwort auf Lösungen innerhalb eines Aufholprozesses; Hartz IV zeigt auf, wie es nicht geht. Das ist kein Aufholprozess, sondern ein Prozess, in den Menschen aus der Gesellschaft gedrängt werden.

(Beifall bei den LINKEN – Kerstin Köditz, DIE LINKE: Es muss mehr für Jugendarbeit getan werden!)

Bei der Aufgabe, mehr für Jugendarbeit zu tun, sind die Kommunen gefordert. Ich gehe davon aus, Herr Kollege Schollbach, das werden Sie mit in die Stadt Dresden nehmen, und Sie werden sich auch für die jungen Leuten engagieren, damit es dort ein plurales Angebot für Jugendarbeit gibt.

Die Schule hat nach wie vor eine sehr große Aufgabe. Ich meine, hier ist auch für die Jugendbildung mehr zu tun,