Protocol of the Session on December 16, 2016

Ja, Frau Junge, ich gehe vollkommen mit Ihnen mit: Politische Erwachsenenbildung ist Teil des lebenslangen Lernens. Das kann ich sofort unterstreichen. Ich kann auch unterstreichen, dass es die politische Erwachsenenbildung in der Form, wie Sie sie vorgetragen haben – wir haben in der Vergangenheit auch sehr kontrovers darüber diskutiert – sehr schwer hat. Ich komme gleich zu Lösungsansätzen. Ich kann auch bestätigen, dass es solche Statistiken gibt, die dies nachweisen.

Ich habe gelesen, dass es bestimmte Appelle an die Politik und an die Öffentlichkeit gibt, politische Bildung als notwendige Voraussetzung für Demokratie anzuerkennen. Das haben wir in Sachsen getan, was ich gleich belegen werde. Wie die Appelle aussehen, weiß ich noch nicht.

Wahrscheinlich werde ich dann in der zweiten Runde aufgeklärt.

Frank Richter sagt richtig, dass der Anteil der politischen Bildung an der Weiterbildung in Sachsen abnimmt. Das hat aber auch Gründe. Auf die Gründe gehe ich gleich ein. Er sagt richtig – das haben Sie bereits erwähnt –, es gibt zu wenig Dialog- und Beteiligungsformen, besonders im ländlichen Raum.

Hier mache ich einmal einen kurzen Break. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Ich werde Ihnen ein Beispiel nennen, wo nicht die Weiterbildungseinrichtung, sondern wir von der politischen Ebene genau solche Foren angeboten haben. Wir haben am 17. November – also keine Urlaubszeit, keine Sommerzeit –, mithin zu einer Jahreszeit, in der es jeder ermöglichen kann, um 18 Uhr – also auch eine christliche Zeit, zu der man politische Bildung genießen kann – in der Großen Kreisstadt Weißwasser das Thema Strukturwandel behandelt, ein ganz wichtiges Thema in unserer Region. Dazu haben wir eingeladen. Das heißt, dass sowohl von der politischen Seite her Bürgermeister, Stadträte, Gemeinderäte, Kreisräte, aber auch wichtige Vertreter aus Industrie, Wirtschaft bzw. von der Bevölkerung eingeladen wurden.

Wir haben 1 000 Einladungskarten verschickt und das auch über die Presse mitgeteilt. Nun raten Sie einmal, wie viele Menschen zu diesem wichtigen Thema gekommen sind – ich habe durchgezählt, ich habe mit im Podium gestanden –: Es waren genau 40. Zu einem wichtigen politischen Thema für die Region, nämlich wie sich die Region entwickeln wird, haben es die Menschen nicht für nötig erachtet – auch Bürgermeister nicht, auch in meinem unmittelbaren Umfeld –, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und mitzudiskutieren. Das bedeutet, wir haben es tatsächlich schwer, Menschen zu bewegen, politische Bildung anzunehmen.

Bevor ich fortsetze und Vorschläge nenne, möchte ich noch einmal inhaltlich auf Ihren Berichtsantrag eingehen. Sie haben vom Ministerium verlangt, dem Landtag über den aktuellen Stand der politischen Erwachsenenbildung im Freistaat Sachsen zu berichten. Das hat das Ministerium getan, indem es Ihnen mitgeteilt hat, dass die verabschiedete Weiterbildungskonzeption für den Freistaat Sachsen vom 04.03. wesentliche Schwerpunkte, die im Weiterbildungskontext bis 2020 verankert sind, abbildet. Das Kultusministerium hat zur politischen Weiterbildung mitgeteilt: „Einen wichtigen Beitrag zu selbstbestimmtem Leben und aktiver Teilhabe leistet die politische Bildung. Weiterbildungsangebote in diesem Bereich befähigen und motivieren zu politischem Engagement und vermitteln Kenntnisse über politische Strukturen und Prozesse sowie regionale, nationale, europäische und globale Entwicklungen. Daher ist diesem Bereich auch zukünftig besondere Aufmerksamkeit zu widmen.“

Es wurde Ihnen auch mitgeteilt, dass sich eine interministerielle Arbeitsgruppe, die durch das Sächsische Staatsministerium Kultus koordiniert wird, unter anderem mit dem

Controlling dieser Umsetzungsaktivitäten befasst. Das wissen Sie bereits.

Sie haben weiterhin aufgefordert – ich glaube, es sind fünf Punkte –, zu berichten, wie zum Beispiel eine stabile und flächendeckende Absicherung der politischen Bildungsarbeit im Freistaat Sachsen umgesetzt wird. Auf sechs Seiten hat Ihnen das Kultusministerium mitgeteilt, was alles getan wird. Ich glaube, es würde langweilig werden, wenn ich das alles vortrage. Unter anderem – und das fand ich sehr interessant – wurde Ihnen mitgeteilt, dass in den Jahren von 2010 bis 1015 circa 16 000 Veranstaltungen stattfanden, dass in dem genannten Zeitraum Innovationszuschüsse an die Evangelische Akademie Meißen, an „Arbeit und Leben Sachsen“, an das BischofBenno-Haus usw. geleistet wurden und dass politische Themen ausgezeichnet bzw. Projekte bewilligt wurden. Dabei geht es um „Freiheit in Vergangenheit und Gegenwart“, „Herz, Geist, Verstand“, „Aufklärung mit allen Sinnen“, Zivilcourage und Gewaltprävention und, und, und.

Weiterhin gibt es den Innovationspreis Weiterbildung, der in den letzten Jahren in den verschiedenen regionalen Strukturen unseres Landes viermal ausgereicht wurde. Das wurde Ihnen alles mitgeteilt. Es wurde Ihnen auch mitgeteilt, wie die Zusammenarbeit der Träger der Weiterbildung mit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Staatsministerium für Kultus erfolgt. Darauf brauche ich jetzt nicht einzugehen. Es wurde Ihnen mitgeteilt, wie die politische Bildung zukünftig im Freistaat Sachsen ausgebaut wird, usw.

Nun frage ich mich, warum Sie heute dieses Thema in diesem Hohen Haus noch einmal auf die Tagesordnung heben. Ich bin dafür, dass in der Erwachsenenbildung, was wichtig ist für lebenslanges Lernen, politische Bildung Einzug hält und vor allem gelebt wird. Ich möchte an dieser Stelle allen Mitarbeitern, die sich dieser Aufgabe gewidmet haben, herzlich danken, vor allem auch den Volkshochschulen in Sachsen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die unterschiedlichen Herausforderungen hinweisen, vor denen in Stadt und Land diese Institutionen stehen – einmal auf inhaltlicher Seite, aber auch auf organisatorischer Seite. Inhaltlich deshalb, weil sich die Interessenlagen, vor allem von Menschen aus der Stadt und auf dem Land, unterscheiden. Es ist auf der einen Seite inhaltlich, auf der anderen Seite organisatorisch schwieriger, Menschen in der Fläche zu erreichen gegenüber denen, die in einer Stadt wohnen und vielleicht irgendwo zur Miete in einem Wohnblock ihre Unterkunft haben.

Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen und die bei der gesamten politischen Bildung im Freistaat notwendig ist. Wie erreiche ich die Menschen, um sie von der Notwendigkeit politischer Bildung zu überzeugen? Das ist meiner Meinung nach eine unlösbare Aufgabe.

Wenn man rein politische Fortbildungsangebote – ich glaube, ich habe das vorhin in meinem Beispiel beschrieben – macht, ist der Erfolg infrage gestellt. Auch hier sehe ich eine Differenzierung zwischen der Interessenlage der Menschen in Stadt und Land.

Trotzdem könnte ich mir Folgendes vorstellen: Man sollte jedes Fortbildungsangebot inhaltlich mit politischer Bildung unterlegen – zum Beispiel kann der Dozent oder Lehrer, der das macht, beim Erlernen einer Fremdsprache politische Bezüge herstellen. Gleiches gilt bei berufsbegleitenden Fortbildungsangeboten. Selbst wenn ich einen Kochkurs belege oder den Segelschein oder die Jagderlaubnis erwerbe, kann ich bei der Vermittlung jederzeit politische Bezüge herstellen. Das stelle ich mir unter politischer Bildung vor.

Ein zweites Problem: Wenn ich im ländlichen Raum keine Mindestteilnehmerzahl erreiche, sollte man die Finanzierbarkeit ermöglichen, um auch dort die Machbarkeit der politischen Bildung umzusetzen. Aufsuchende Bildungsarbeit oder Lernen vor Ort: Hier ist die Frage, ob diese Formen auch die Erfolge haben, die wir uns versprechen, eine neue Qualität in der Erwachsenenbildung bringen und mehr politische Bildung vor Ort realisieren. Sie sehen, dass es Möglichkeiten gibt, deren Folgen wir noch nicht voraussehen können.

Herr Bienst, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, bitte schön.

Bitte.

Vielen Dank, Kollege Bienst. Nach dreieinhalb Tagen intensiver Beratung im Plenum mag die Konzentration etwas gelitten haben. Könnten Sie mir bitte den Zusammenhang zwischen der politischen Erwachsenenbildung und dem Jagd- und Segelschein einmal erleuchten? Das hat sich mir nicht erschlossen.

Das mache ich gern.

Danke schön.

Ich gehe einmal von einer ganz allgemeinen Bildung aus.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Sehr gut. Ich kann natürlich in jedem Fachbereich eine fachliche Vermittlung von Beispielen der Gesellschaft durchführen. Fangen wir noch einmal bei der Sprache an. Wenn ich zum Beispiel eine Sprache – Englisch, Russisch, Spanisch oder eine andere Sprache – vermittle, dann kann ich natürlich politische Aspekte in dieser anderen Sprache diskutieren. Ich komme zum Kochkurs. Jetzt sind Sie gespannt, nicht wahr?

(Enrico Stange, DIE LINKE: Klar!)

Wenn ich in einem Kochkurs über Rezepte spreche – ich habe zwar noch keinen mitgemacht; ich werde das einmal machen –, dann kann ich doch die aktuellen politischen Aspekte, die momentan im Land eine Rolle spielen, in irgendeiner Form besprechen. Ist das denkbar? Sicherlich ja.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Aber wie?)

Das Gleiche kann ich auch mit anderen Fachinhalten tun. Ich kann den Bezug zum aktuellen Leben grundsätzlich herstellen. Das kostet mich vielleicht 5, 10 oder 15 Minuten Zeit. Damit kann ich einen politischen Diskurs, ich meine ein Streitgespräch, sowohl in meinem Unterricht als auch in den Pausen durchführen. Es gibt dazu keine politische Überschrift. Ich binde es in meinen Unterricht ein.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Probieren Sie es einmal, vielleicht haben Sie damit Erfolg.

Herr Bienst, Herr Stange hat es verstanden. Sie können fortfahren.

Ich danke.

(Lachen des Abg. Svend-Gunnar Kirmes, CDU)

Es gibt Möglichkeiten, deren Erfolge wir noch nicht voraussehen können. Man sollte es einmal ausprobieren und vielleicht in einem Jahr darüber sprechen. Herr Kollege Stange, ich komme darauf zurück, worüber ich soeben gesprochen habe.

Ich hoffe, dass wir mit einem gezielten Einsatz der Mittel und mit einer zeitnahen Evaluation der Erfolge und Misserfolge neuer pädagogischer Organisationsformen, gerade bei der politischen Bildung, über weitere Unterstützungen im nächsten Doppelhaushalt nachdenken können. Die bereits gegebenen Antworten des SMK vom 31. Mai 2016 waren ausreichend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Kürze der Zeit neue Erkenntnisse gewonnen wurden.

(Beifall des Abg. Svend-Gunnar Kirmes, CDU)

Wir werden den Antrag ablehnen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall des Abg. Christian Piwarz, CDU, und der Staatsministerin Brunhild Kurth)

Meine Damen und Herren! In der Aussprache geht es mit der SPD-Fraktion weiter. Frau Abg. Friedel, bitte sehr.

Herr Präsident, vielen Dank! Ich habe dem Redebeitrag des Kollegen Bienst gar nicht mehr so viel hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE – Heiterkeit)

Ich möchte auf ein, zwei Dinge aufmerksam machen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE bezieht sich ausschließlich auf das Thema der politischen Erwachsenenbildung. Ich halte das für richtig, weil hier die größte Unsicherheit oder das größte Problem besteht. Es ist nicht so, dass in Sachsen keine Weiterbildung stattfindet. Von den fünf uns zur Verfügung stehenden Weiterbildungssäulen – allgemeine, kulturelle, berufliche, politische und wissenschaftliche – ist die politische Erwachsenenbildung das Sorgenkind. Die Sachsen sind an sich, diese Statistik haben Sie sicherlich vor ein paar Wochen in der Zeitung gesehen, Weiterbildungsweltmeister. In kaum einem anderen Bundesland nehmen so viele Menschen an Weiterbildungen teil. Das betrifft größtenteils die berufliche Weiterbildung. Der Bereich der politischen Weiterbildung steht dahinter sehr zurück.

Ich war ebenfalls auf der Veranstaltung, auf der Prof. Hufer war. Ich habe mir das angehört. Ich habe an mancher Stelle mitdiskutiert. Das, was aus der Veranstaltung übrig blieb, ist folgende Frage: Warum ist das so? Es gab ein paar Antworten dazu, aber noch nicht genug. Wir versuchten uns selbst daran, Antworten zu finden. Das sind auch noch nicht genug. Natürlich hat Herr Prof. Hufer festgestellt, dass die Weiterbildung in Sachsen besser finanziert sein könnte und fehlende Ressourcen eine Hürde sind, warum es weniger Angebote, gerade im ländlichen Raum, mit Blick auf die politische Weiterbildung gibt.

Das ist aber nicht das einzige Problem. Dieses Problem haben wir in den letzten zwei Tagen behoben, indem wir die Mittel für die Erwachsenenbildung um stolze 17 %, also 1 Million Euro, erhöht haben.

Es gibt ein weiteres Problem. Sie haben es angesprochen. Wie gelingt es, die Erwachsenen- und Weiterbildung attraktiv zu machen? Das ginge vielleicht mit Bildungsurlaub. Das ist ein Punkt, über den man nachdenken müsste. Dazu haben wir die Diskussion in Sachsen noch nicht ausreichend geführt.

Die geringe Nachfrage muss doch noch mehr Ursachen haben. Herr Kollege Bienst hat versucht, darauf Antworten zu finden und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das werde ich vielleicht irgendwann auch versuchen. Das machen viele andere auch. Dort liegt der Hase im Pfeffer. Das vermisse ich an Ihrem Antrag. Ich würde es aber auch als eine vornehme Zurückhaltung werten. Ihr Antrag ist ein reiner Berichtsantrag. Er ist erfüllt. Insofern ist er für uns erledigt. Demzufolge müssen wir nicht weiter darüber befinden.

Ich sage einmal etwas Positives. Ihr Antrag hält sich mit Lösungsmöglichkeiten zurück, aus gutem Grund, hoffe ich. Sie sind der Überzeugung, dass es kein politisches Gremium oder der Landtag sein kann, der Vorschläge und Vorschriften dazu macht, wie die politische Bildung durchzuführen ist. Das müssen die Weiterbildungsinstitutionen selbst tun. So ist es nun einmal in einem freien Land und einer pluralistischen Gesellschaft. Wenn das der Grund für die Zurückhaltung ist, dann unterschreibe ich