Protocol of the Session on November 10, 2016

(Ines Springer, CDU: Das war früher so!)

Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist zudem untersagt, die Öffentlichkeit zu informieren,

(Ines Springer, CDU: Das steht im Internet!)

und erst im Nachhinein können sie akzeptieren oder ablehnen, jedoch ohne eine Mitwirkungsmöglichkeit noch zu haben.

Das Abkommen selbst lässt demokratische Grundsätze ebenso außer Acht, und das, ohne mit der Wimper zu zucken. Investoren können Staaten verklagen. Die regulatorische Kooperation kann Unternehmen direkt in den Aushandlungsprozess einbinden.

Schlussendlich: Das Abkommen ist zudem noch unumkehrbar. Gewillte Politikerinnen und Politiker können auch in zehn Jahren das Abkommen nicht mehr rückgängig machen, da Deutschland nicht mehr allein, das heißt unabhängig von der EU, aus dem Vertrag wieder aussteigen könnte.

(Zuruf des Abg. Svend-Gunnar Kirmes, CDU)

Das alles sind Gründe, warum die Proteste gegen TTIP, CETA und TiSA letztendlich immer lauter geworden sind. Alle – die einfachen Menschen auf den Straßen – fühlen sich natürlich weder gehört noch vertreten. Beispielsweise gab es zuletzt die Proteste am 17. Februar, wo in sieben

Städten deutschlandweit mehrere Tausend Menschen wieder auf die Straße gegangen sind. Ich finde es wichtig, dass genau diese Kritik nicht übergangen wird – genauso wie die Kritik von Vereinen und Umweltverbänden –; denn es ist unheimlich wichtig, dass diese Debatten ergebnisoffen geführt werden.

Nicht nur der Protest der Bürgerinnen und Bürger wurde und wird übergangen, auch über 2 000 Städte, Gemeinden und Regionen haben europaweit die Forderung nach einer TTIP-freien Zone unterzeichnet. Auch in Deutschland haben sich mehr als 350 Kommunen und Landkreise gegen TTIP positioniert und, ja, auch im Freistaat Sachsen gibt es Resolutionen und Beschlüsse, die sich kritisch mit den Freihandelsabkommen auseinandersetzen.

Beispielsweise sei hier die Resolution Leipzig vom 25. Februar letzten Jahres oder die Ablehnung der Stadt Chemnitz vom 17. Dezember genannt. Allen ist eines gemein: Sie werden von der Staatsregierung nicht beachtet und die Staatsregierung muss aber nicht allein mit den Folgen von TTIP umgehen, sondern jede einzelne Gemeinde, alle Kommunen sowie alle Bürgerinnen und Bürger Sachsens selbst. Dafür sollten die Staatsregierung und auch die Koalitionsfraktionen eigentlich Verantwortung übernehmen.

Eine Möglichkeit der Einflussnahme gibt es jedoch noch: Sowohl CETA als auch TTIP könnten nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat ratifiziert werden müssen. Das ist jetzt natürlich rein hypothetisch. Hier würde dann unsere Staatsregierung ins Spiel kommen. Eine Enthaltung der Staatsregierung könnte in Kombination mit einer Enthaltung oder Gegenstimme aller grün und rot mitregierten Länder die Ratifizierung des Abkommens noch stoppen. Hier hätte also die Sächsische Staatsregierung die Möglichkeit, die Interessen der Bevölkerung ernst zu nehmen und tatsächlich zu vertreten. Das heißt, sie sollte sich zumindest ernsthaft und ergebnisoffen mit der tausendfach geäußerten Kritik auseinandersetzen, bevor sie sich der scheuklappenartigen Befürwortung diverser Freihandelsabkommen anschließt.

Weil ich aber genauso gut wie Sie weiß, dass das nicht passieren wird – egal, wie sehr ich mir das wünsche, oder egal, wie gut die Argumente oder Anträge sind –, lege ich Ihnen heute etwas Niedrigschwelligeres ans Herz: Ergreifen Sie Partei für Demokratie, Mitwirkung und Transparenz. Machen Sie es wie ich und meine Fraktion. Stimmen Sie dem Antrag der GRÜNEN zu. Er könnte ja auch zu einem positiven Abschluss der Neuverhandlungen, wie die Staatsregierung es sich wünscht, führen, aber in jedem Fall führt es dazu, dass die Öffentlichkeit und die Bevölkerung den Prozess nachvollziehen können; und das muss doch auch in Ihrem Interesse sein.

Ein eventuell darauf folgender Neustart müsste – dessen bin ich mir sicher und auch einer Meinung mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – natürlich auf der Grundlage demokratischer, also eigentlich selbstverständlicher Prämissen erfolgen, deren Einhaltung unabhängig und streng kontrolliert wird.

Meine Damen und Herren! Eigentlich ist die Kritik doch eine Chance. Warum sollen denn die Kritikpunkte von Nicht-Regierungsorganisationen uns nicht vor groben Fehlern bewahren können oder geäußerte Kritikpunkte nicht vielleicht sogar zu einer Verbesserung und Tragbarkeit des Abkommens führen? Für eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung wäre die Auseinandersetzung mit Kritik auf jeden Fall ein probates Mittel.

Aus diesen aufgezählten Gründen können der sofortige Stopp der TTIP-Verhandlungen an dieser Stelle und ein kompletter Neuanfang die einzige Konsequenz sein. Die europaweiten Proteste und Berichterstattungen zeigen, welche Relevanz die Debatten um die aktuellen Freihandelsabkommensverhandlungen haben.

Bitte, liebe Staatsregierung, liebe Koalitionsfraktionen, geben Sie mir keinen Grund, Donald Trump als Präsidenten doch noch etwas Gutes abgewinnen zu müssen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Leichte Unruhe)

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Abg. Baumann-Hasske.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren erneut über TTIP, und wir haben aktuell in der Tat auch neue Verhältnisse. Der Antrag ist schon älter als das jetzt unterzeichnete CETA-Abkommen, und er ist natürlich älter als die Präsidentenwahl in dieser Woche in den USA, die für diese Zusammenhänge neue Voraussetzungen geschaffen haben.

Man konnte zunächst bei diesem Antrag noch den Eindruck gewinnen, er sei grundsätzlich gegen Freihandel gerichtet. Beim näheren Hinsehen und nach der Erläuterung, die wir vorhin hatten, kann man feststellen, dass er durchaus auch Freihandel befürwortet.

Ich kann mich allerdings der grundsätzlichen Globalisierungskritik von Frau Klotzbücher, so wie sie eben geäußert wurde, nicht anschließen. Ich halte die schädlichen Folgen von Globalisierung auch für ein großes Problem, das ist überhaupt keine Frage. Aber deswegen kann man nicht hingehen und sagen, wir wollen keine Globalisierung; denn Globalisierung werden wir nicht verhindern können. Ich glaube auch, dass Donald Trump die Globalisierung nicht wird verhindern können, selbst wenn er das im Präsidentschaftswahlkampf lautstark von sich gegeben hat.

Wenn sich die USA dem Freihandel entziehen wollen sollten, wenn es tatsächlich dazu käme, dann müssen sie das tun. Sie können sich das vielleicht sogar bis zu einem gewissen Grad leisten, weil sie eine große Volkswirtschaft sind. Aber die meisten anderen werden keinen Protektionismus aufbauen, und ich denke, dass dieser Protektionismus auch negative Folgen für den Welthandel und für die wirtschaftliche Entwicklung auf der Welt hätte.

Insofern, bin ich der Auffassung, sollen Freihandelsabkommen abgeschlossen werden – ich möchte das noch

einmal ausdrücklich unterstreichen –; denn sie sind geeignet, Globalisierung zu gestalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! CETA ist Ende letzten Monats nach einem harten Ringen unterzeichnet worden. Die Proteste auf der Straße gegen TTIP und CETA hatten ja durchaus in vielen Inhalten ihre Berechtigung. Ich bin der Auffassung, dass es gut so ist, dass die Zivilgesellschaft von dieser Kritik erfasst ist, sie deutlich äußert und auf diese Art und Weise auch Einfluss nimmt auf die Verhandlungen, die dazu stattfinden.

CETA ist in entscheidenden Punkten nachgebessert worden, und zwar nicht nur von der Wallonie als einer bestimmten Region in Europa, die gerade schon genannt wurde, sondern bereits vorher dadurch, dass Kriterien aufgestellt wurden und dass nachverhandelt wurde. Es war ausgesprochen erfreulich, dass die kanadische Regierung nach einem Regierungswechsel bereit war, auf solche Forderungen einzugehen, und von sich aus die Bedingungen so verändert hat – und sich zum Ziel erklärt hat, die Bedingungen so zu verändern –, dass CETA Vorbildcharakter haben kann.

Insofern halte ich es für ganz wichtig einzubeziehen, dass CETA durchaus diese Vorbildfunktion für TTIP haben kann.

Kommen wir zu TTIP. TTIP ist, wie vorhin richtig ausgeführt wurde, mehrfach für tot erklärt worden. Auch unser Bundeswirtschaftsminister hat gesagt, TTIP sei wohl erledigt. Trotzdem sind wir nicht der Auffassung, dass man aus TTIP jetzt erklärtermaßen aussteigen sollte. Sie haben vorhin gesagt, das wäre ein selbstbewusstes Zeichen der Europäischen Union, um einen Neustart der Verhandlungen zu ermöglichen. Ich denke, dass dieses selbstbewusste Zeichen der Europäischen Union nicht als solches verstanden würde, sondern es würde als ein Rückzug vor dem Druck der Straße verstanden.

Das Problem, das wir haben, ist, dass wir in Deutschland, in Belgien, in Österreich und in einigen anderen Staaten eine Wahrnehmung dieser Gesamtproblematik haben, dass sich aber die große Mehrheit der europäischen Staaten – über 80 % – für diese Freihandelsabkommen überhaupt nicht interessiert.

Ich würde, wenn wir so etwas täten, dies als ein Zeichen der Europäischen Union für den Protektionismus halten; das wäre das Problem. Es ginge ein Zeichen in die Welt, dass Europa protektionistisch agieren will, weil es Freihandelsabkommen nicht will, und das würde ich für sehr problematisch halten.

Deswegen, meine ich, sollten wir TTIP nicht absagen, sondern weiterverhandeln, und zwar so, wie es inhaltlich CETA und dem, was bei CETA möglicherweise noch ergänzt wird, entspricht – also CETA als Blaupause verwenden –, und schauen, ob wir das mit den Amerikanern aushandeln können. Wenn die Amerikaner das nicht wollen, wenn Herr Trump seine Drohungen wahr macht, dann soll er das protektionistische Signal in die Welt senden und sagen, die USA koppeln sich ab. Das wäre

meines Erachtens dann die Lösung, wenn es zu einem Scheitern der Verhandlungen kommen sollte.

Ansonsten sollten wir diese Verhandlungen in der Tat mit den Inhalten von CETA füllen und sehen, ob wir zu einem Ergebnis kommen. Würden wir das schaffen, dann hätten wir, glaube ich, ein neues Signal für fairen Welthandel gesetzt.

Ich will auch nicht vergessen, dass es natürlich auch noch multilaterale Verträge gibt, die wir gerne nachbessern würden. Natürlich wäre es besser, diese ganzen Inhalte multilateral aushandeln zu können. Natürlich wäre es gut, wenn wir das GATT entsprechend ergänzen könnten. Wir wissen aber alle, dass wir seit dem Jahr 1993 in den Verhandlungen über das GATT nicht weitergekommen sind, dass die Verhandlungen stocken und dass sehr sinnvolle Regelungen, die ergänzt werden sollten, nicht umgesetzt werden konnten.

Deswegen, meine ich, sollten wir gerade unter den großen Volkswirtschaften dieser Welt versuchen, vernünftige Regelungen auszuhandeln und einzuführen und die Globalisierung so zu gestalten, um fairen Welthandel zu ermöglichen. Wenn uns das nicht gelingt, dann soll es zumindest nicht an uns gescheitert sein. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die AfDFraktion spricht Frau Dr. Petry.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dem Antrag der Fraktion der GRÜNEN wird eine TTIP-Kritik formuliert, die in der AfD ebenfalls seit geraumer Zeit ihre Heimat hat, auch wenn sich die unterschiedlichen Aspekte dieser Kritik bei den GRÜNEN bislang eher auf die mögliche Senkung von Verbraucherstandards beschränkt haben. Ich freue mich aber zu hören, dass wir jetzt offensichtlich sachlich einig darin sind, dass die sogenannten Freihandelsabkommen – ich denke, es ist wichtig, dass hier von „sogenanntem Freihandel“ gesprochen wird, weil der Titel tatsächlich irreführend ist – auch die signifikante Rechtsproblematik umfassen.

Der Verweis auf CETA, wobei man in den letzten Verhandlungsrunden angeblich einen Fortschritt erzielt habe, bleibt dennoch marginal; denn die privaten Schiedsgerichte sind nicht vom Tisch, auch wenn es nun eine Berufungsinstanz gibt. Das reicht nicht aus und wäre weiterhin ein Bypass zu den öffentlichen Gerichten, den wir in Europa nicht dulden sollten.

Ich denke, ein neuer Name würde gar nichts nützen. Insofern sollten wir grundsätzlich über die Frage nachdenken, wie Freihandel sinnvoll ist, und nicht per se konstatieren, dass jeglicher Freihandel sinnvoll ist. Nicht allein der Prozess ist das Problem, sondern die Voraussetzungen, unter denen wir in diesen Prozess hineingegangen sind, sind ebenfalls problematisch. Deswegen gibt es einiges zu klären, nicht nur zwischen den Vereinigten

Staaten von Amerika und Europa, sondern auch in Europa selbst.

Ich erinnere daran, dass es in Europa, von der CDU geführt, auch einmal Diskussionen über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten gegeben hat, das auf der Grundlage basierte, dass unterschiedliche Wirtschaftsstärken möglicherweise auch zu unterschiedlichen Wirtschaftszonen führen müssten, damit die unterschiedliche Entwicklung von Staaten mit ihrer Wirtschaft Berücksichtigung finden kann.

Wenn wir uns heute anschauen, was die übereilte EUOsterweiterung gerade den osteuropäischen Staaten gebracht hat, dann sehen wir, dass sie zu Abhängigen stärkerer Länder in Europa geworden sind. In Rumänien und Bulgarien finden wir deshalb vor allen Dingen verlängerte Werkbänke vor, aber keine europäische Gleichheit, die von Harmonisierungsbefürwortern so gern ausgerufen wird. So kann Freihandel auch Schaden anrichten.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Wenn wir sehen, dass gerade in der aktuellen Phase – dann müssen wir eben auch über die Russland-Sanktionen sprechen – Deutschland vermutlich 1 % des Wirtschaftswachstums durch diese Sanktionen verlieren wird und dass Wirtschaftsbeziehungen, die in den vergangenen 20 Jahren mühsam aufgebaut wurden, nachhaltig beschädigt wurden, während die Amerikaner ihren Außenhandel zu Russland zur gleichen Zeit

(Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Herr Dulig, hören Sie einfach einmal zu – um 6 % gesteigert haben, dann können wir an dieser Stelle nicht einfach weitermachen.

Zu behaupten, dass Export um jeden Preis angesichts hoher Target-2-Salden in Europa in jedem Fall sinnvoll ist, entbehrt ebenfalls jeder wirtschaftlichen Grundlage.

(Beifall bei der AfD)

Deswegen muss man sicherlich weiter über Freihandel reden, aber Freihandel per se als positiv darzustellen und Protektionismus zu geißeln ist einfach realitätsfremd.