Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauen Sie einmal in Ihr E-MailPostfach und dort auf eine E-Mail vom 7. September dieses Jahres. Damals haben Sie von einer Frau Heike Werding eine E-Mail bekommen. Sie bezeichnet sich in dieser Mail als „Botschafter der Deutschen Völker und Stämme“ und schreibt uns ihre Sicht der Dinge. Man kann erst einmal schmunzeln, wenn man den Titel „Botschafter der Deutschen Völker und Stämme“ hört. Aber in dieser E-Mail wird – auch da kann man vielleicht noch ein wenig schmunzeln – erklärt, dass es Deutschland gar nicht gibt, dass wir in einer Deutschland GmbH leben. Wir werden informiert – das ist auch ein Zitat, es ist ein Brief: „Hiermit sind Sie über Ihre eigentliche Rolle informiert.“ Also wir sind quasi eine Ich-AG in einer Deutschland GmbH. „Hiermit sind Sie über Ihre eigentliche Rolle informiert und damit für die Vortäuschung Ihrer volksvertretenden Position haftbar.“
Dann wird erläutert, was diese gute Frau damit meint, und da hört der Spaß auf. Ich zitiere weiter: „Wir behalten uns vor, in einer wiederaufgebauten naturstaatlichen Gerichtsbarkeit die Sippenhaft durchzusetzen.“ Das ist eine Drohung gegen unsere Familien. Das zeigt uns, wie ich finde, unsere Toleranzspanne gegenüber dieser Reichsbürgerbewegung war in den letzten Jahren viel zu hoch.
Das meine ich auch an uns selbst gerichtet. Wer von uns hat sich mit dieser E-Mail auseinandergesetzt und gesagt, wir müssen bitte prüfen, ob das so geht, dass wir hier
bedroht werden? Aber wir sehen auch, wir müssen das Problem der Reichsbürger ernst nehmen. Reichsbürger, also jene, die den deutschen Staat ablehnen, dessen Existenz leugnen, unsere Rechtsordnung ablehnen, keine Steuern zahlen wollen, sind längst ein Problem, nicht nur für unsere Verwaltung. Sie leugnen nicht nur die Existenz unseres Staates, sondern sie leugnen auch die Grundwerte unserer Gesellschaft, die Gültigkeit des Grundgesetzes und damit einhergehend die Würde des Menschen für alle in Deutschland. Die Gewaltenteilung in unserem Staat, die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit und die Minderheitenrechte werden durch diese Reichsbürger infrage gestellt. Reichsbürger sind in den allermeisten Fällen antidemokratisch, antisemitisch, rassistisch, chauvinistisch und autoritär eingestellt. Reichsbürgerinnen und Reichsbürger – das gehört dazu – sind damit Teil der extremen Rechten in Deutschland. Das müssen wir klar benennen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Beispiele aus Sachsen wurden genannt. Ich will an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass der Polizist Wolfgang P. am 19.10.2016 durch die Hand eines Reichsbürgers erschossen wurde, uns alle tief betrübt hinterlässt und ein Stück weit auch aufgerüttelt hat. Ich glaube, wir sind es diesem Polizisten schuldig, dass wir uns mit dem Thema „Reichsbürger“ noch einmal intensiver beschäftigen.
Damit sind wir bei der Frage, was wir tun müssen. Wir brauchen eine stärkere Beobachtung der Reichsbürgerbewegung durch das Landesamt für Verfassungsschutz. Wir müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und Ämtern noch stärker dabei unterstützen, weil sie jeden Tag mit diesem Unfug konfrontiert sind. Natürlich müssen wir Reichsbürger, die Waffen besitzen, hart überprüfen und entwaffnen. Wie soll ich jemandem, der die deutschen Gesetze ablehnt, vertrauen, dass er sich an die Waffengesetze hält? Das funktioniert nicht. Deshalb müssen den Reichsbürgern die Waffen abgenommen werden.
Selbstverständlich kann jemand, der den deutschen Staat ablehnt, zum Beispiel nicht in der Polizei die Rechte des deutschen Staates durchsetzen. Das ist unvereinbar. Wir dürfen nicht nur im Bereich der Repression hart und entschieden agieren, sondern ich finde, wir müssen an die gesellschaftlichen Ursachen heran. Aber dazu werde ich in meinem zweiten Redebeitrag kommen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Harmlose Spinner? Bewaffnete Staatsfeinde? – Die lange verkannte Gefahr ‚Reichsbürger‘ in Sachsen“ ist das Thema. Dazu erst einmal ganz klar: Die AfD erklärt im Gegensatz zu anderen, meine Damen und Herren, dass die AfD jegliche Art von Gewalt gegen Personen und Sachen ablehnt. Grundsatz. Dies gilt ausnahmslos unter Beachtung des alleinigen Gewaltmonopols des Staates auf der Grundlage bestehender Gesetze.
Wie definiert man Reichsbürger? Wir haben eben gehört, es gibt keine Definition. Es gibt verschiedene Gruppierungen, Gruppen. Also kann man sie auch nicht in einer Gruppe zusammenfassen. Wie viele es bundesweit sind, wissen wir auch nicht. Das ist die Einschätzung, die auf die Kleine Anfrage von Frau Köditz gekommen ist. Das ist, glaube ich, so gewesen.
Als sich am 23.05.1949 nach einem langen Krieg, der am 8. Mai 1945 zu Ende war, die Chancen für den Neuanfang durch das Grundgesetz eröffneten, war das ein Ereignis, das für uns von großer Bedeutung ist. Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang gehe ich auf Artikel 5 Grundgesetz ein. Artikel 5 beinhaltet die Meinungsfreiheit. Diese wird von einigen in letzter Zeit etwas kurz gefasst. Somit sind alle Straftaten von Menschen, die sich als Reichsbürger bezeichnen, die von Einzeltätern. Diese müssen auch als solche betrachtet werden.
Die Politik ist verpflichtet, Fragen zu beantworten. Das muss sie so gut wie möglich tun. Wir müssen, so haben wir das gemacht, drei Gruppen – lose Meinungsgruppen – unterscheiden. Es gibt keine Struktur. Es gibt Menschen, die sich mit der Geschichte beschäftigen. Sie stellen Fragen zum Volk, zum Status der Bundesrepublik Deutschland, zum nicht vorhandenen Friedensvertrag, zur UN-Feindstaatenklausel, zu den ehemaligen Ostgebieten, zu Besatzungsfragen auf deutschem Boden, zum Eintragen der Bundesrepublik in ein Handelsregister, dem Wegfall des Artikels 23 des Grundgesetzes und dem Austausch gegen den Europaartikel – Artikel 144 enthält einen Bezug zu Artikel 23, der gar nicht mehr vorhanden ist. Ebenfalls stellen sie die Frage, ob Deutschland wirklich souverän ist.
Wenn dies ein Grund wäre, allein das Stellen solcher Fragen mit den Reichsbürgern zu verbinden, dann stellt sich mir die Frage, was mit der Rede von Gregor Gysi am 18. November 2013 war. Er hat in seiner guten Art und Rhetorik, die bei ihm fantastisch ist, das wissen wir, klare Fragen gestellt. Er hat zum Beispiel Fragen zu den Pariser Verträgen gestellt, sie kamen im Jahr 1955 mit den Vorbehalten der Alliierten zustande, obwohl Deutschland angeblich souverän war. Er hat weiterhin die Geheimdienstfrage gestellt. Er hat die Sicherheit für Edward Snowden infrage gestellt oder danach gefragt. Ist er deswegen ein Reichsbürger? Nein. Er hat einfach gefragt. Ein einheitliches Gespenst an die Wand zu malen ist in diesen Fällen unangebracht, meine Damen und Herren.
Es gibt eine weitere Gruppe von Personen, sie wurde schon genannt. Die lehnen die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Hierbei stoßen wir auf so eine Art Sektierertum und ähnliche Strukturen. Man kann mit den Leuten teilweise ins Gespräch kommen. Ich habe mir diesen Unsinn teilweise auch angehört. Ich konnte einige fragen und überzeugen. Sie können nicht die Rosinentheorie anwenden: Auf der einen Seite benutzen sie den Staat und auf der anderen Seite nicht. Wir haben ihnen Folgendes erklären können: Wer soll Deutschland eigentlich vertreten? Die Leute, auf die sie sich beziehen, sind schon lange tot. Wir können Bismarck nicht aus dem Sarg herausholen. Das ist auch Unsinn. Man kann mit den Leuten reden. Man kann sie teilweise in die Gesellschaft zurückholen und integrieren. Man muss sie nicht mit einem Knüppel schlagen. Die Rosinentheorie lehnen wir ab.
Es gibt noch eine dritte Gruppe von Menschen, die kriminell sind. Es sind Kriminelle. Sie sind nicht bereit, sich an einem demokratischen Disput zu beteiligen und diesen zu akzeptieren. Sie sind auch als solche zu behandeln. Georgensgmünd und Reuden sind Beispiele dafür. Der Grundsatz lautet wie folgt: Politisch motivierte Straftaten sind keine Rechtfertigung für Gewalt und Drohung. Das sage ich einmal ganz bewusst in diese Richtung hier drüben.
Meine Damen und Herren! Es wird immer Fragen geben, die man stellen wird und darf. Daran bemisst sich ein demokratisches System. Meine Damen und Herren! Die pauschale Verurteilung von Menschen, die zwar nicht als organisierte Bewegung festgestellt, aber doch als Gefahr gesehen werden, ist kein rechtmäßiger Ansatz. Wer vor einer anderen Meinung oder anderen Fragen Angst hat, weil er dadurch Macht – konkret gesagt den parlamentarischen Sitz – verlieren könnte, ist kein demokratischer Politiker, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor Jahren wären wir wahrscheinlich noch belächelt worden, wenn wir in diesem Hohen Hause eine Debatte über Reichsbürger geführt hätten. Wir wären nicht etwa belächelt worden, weil das Problem nicht schon damals sichtbar war, sondern weil unter anderem die Sicherheitsbehörden und die Staatsregierung eine erschreckende Leidenschafts- und Interesselosigkeit bei diesem Thema an den Tag gelegt hätten.
In weiten Teilen der Bundesrepublik galten Reichsbürger viel zu lange als Spinner. Die Probleme wurden verharm
lost. Vonseiten der Sicherheitsbehörden wurden sie als Randerscheinung abgetan. Ebenso wurde stets negiert – Herr Hartmann, Sie haben es auch wieder getan –, dass es einen weitgehenden Zusammenhang einer Reichsbürgerbewegung gibt. Wir sind in den letzten Jahren etwas schlauer dazu geworden.
Insbesondere die enge Verbindung zwischen rechtsextremem Gedankengut und Reichsbürgern wurde durch die Sicherheitsbehörden nach Auffassung meiner Fraktion viel zu lange unterschätzt. Die Einzelfallapologetik, wie sie auch heute wieder an den Tag gelegt wurde, muss beendet werden. Sowohl Rechtsextreme als auch Reichsbürger lehnen unsere Verfassungsordnung nicht nur ab, sondern bekämpfen diese mitunter mit Gewalt. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Diese Zusammenhänge muss man auch vonseiten der Sicherheitsbehörden ernst nehmen. Der Umgang mit Reichsbürgern ist vor diesem Hintergrund auch symptomatisch für den Umgang mit Rechtsextremismus in den letzten Jahren.
Herr Spangenberg, Sie haben soeben Fragen gestellt. Ich stelle einmal eine Frage zurück. Sie sagten nämlich gerade, dass man Fragen stellen darf. Kann es sein, dass die Relativierung, die Sie bei dem Problem hier im Plenum an den Tag gelegt haben, daraus resultiert, dass es in Ihrer Partei eine erhebliche Anzahl von Menschen gibt, die zumindest eine geistige Nähe zu Reichsbürgern haben, wenn nicht sogar auch ganz gute persönliche Kontakte? Vielleicht erklärt das Ihren Redebeitrag.
Es gilt Folgendes zu konstatieren: Reichsbürger sind hochgefährliche Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Frau Köditz und Herr Hartmann haben auf den Vorfall mit dem „Deutschen Polizei Hilfswerk“ hingewiesen. Das spricht für sich.
Sehr geehrter Herr Lippmann, wissen Sie Folgendes: Die AfD führt mit jedem ein Aufnahmegespräch, der in die AfD eintreten möchte. Es wird unter anderem der Status abgefragt, ob er Reichsbürger ist oder nicht. Wenn er ein solcher ist, dann wird er nicht aufgenommen. Wissen Sie das?
Jetzt widersprechen Sie sich selbst. Wenn Herr Spangenberg sagt, dass es Reichsbürger nicht gibt, Sie aber gleichzeitig abfragen, ob man Reichsbürger ist, dann haben Sie ein intellektuelles Problem.
Ja, es kann durchaus sein. Es gibt aber diverse Fälle, unter anderem auch in Sachsen-Anhalt, die offenkundig geworden sind. Es gab durchaus die eine oder andere Verbindung zwischen der AfD und den Reichsbürgern. Somit scheint Ihr Aufnahmesystem nicht zu funktionieren, wie Sie es gern hätten. Es ist auch möglich, dass sich Reichsbürger beispielsweise in der Polizei oder im Staatsdienst befinden. Das zeigt aber auch, dass sie nicht von Anfang an ihre Gesinnung offenkundig vor sich hertragen.
Sie haben das System gerade angeprangert. Wir fragen mit unseren Fragebögen nach, ob jemand einen Personalausweis hat. Würden Sie mir in folgendem Punkt recht geben: Wenn jemand sagt, er habe keinen Personalausweis, weil er ihn abgegeben hat, weil er die Bundesrepublik nicht anerkennt, dann kann das durchaus ein Indiz für einen Reichsbürger sein und wir haben die Möglichkeit, ihn anhand dessen auszusortieren?
Ich gehe aber davon aus, dass Beamte, die sich bei der Polizei beworben haben, irgendwann einmal ein Personaldokument vorgelegt haben. Trotzdem haben wir nun das Problem. Ich glaube nicht, dass dies in irgendeiner Weise das Problem löst, welches Sie lösen möchten. Das ist, mit Verlaub, Ihr Problem.