Protocol of the Session on November 9, 2016

relativ genau eingestuft und anerkannt worden. Es gibt dazu übrigens einen sehr interessanten widerstreitenden Schriftwechsel.

Mit Blick auf die anderen Redner muss ich allerdings diesen fröhlichen Gedankenaustausch zu diesem ernsten Thema unterbrechen. Wir hören uns zum Schlusswort.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Gibt es noch Redebedarf vonseiten der anderen Fraktionen? – Das sieht nicht so aus; mir liegen keine Rednervorschläge mehr vor. Dann frage ich die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Klepsch, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag beruht auf der Annahme, dass eine unbekannte Anzahl junger Menschen, die als Flüchtlinge im Freistaat Sachsen aufgenommen wurden, sich zu Unrecht als Minderjährige ausgeben, um so die für die Kinder und Jugendlichen bestimmten Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und den besonderen Abschiebeschutz für unbegleitete Minderjährige in Anspruch nehmen zu können.

Die Staatsregierung hat ein großes Interesse daran, dass die für Kinder und Jugendliche bestimmten Ressourcen tatsächlich den minderjährigen Schutzbedürftigen zukommen. Wie groß die Zahl missbräuchlicher Altersangaben tatsächlich ist, lässt sich nicht exakt angeben. Es liegt im Wesen einer Dunkelziffer, eben im Verborgenen zu bleiben.

Das Problem, dass über 18-Jährige als unter 18-Jährige behandelt werden, grenzt sich aber von selbst ein ganzes Stück ein. Wer 20 Jahre alt ist und sich als 17 ausgibt, hat nicht viel davon, weil er ohnehin in Kürze als volljährig gelten wird.

(Zuruf von der AfD: Und die Kosten pro Monat?)

Wer wirklich 16 Jahre alt ist, braucht sich nicht jünger auszugeben.

Mit Kindern in einem Heim untergebracht, ständig von Betreuern umsorgt, vom Jugendamt vielleicht bevormundet zu werden, obendrein täglich zur Schule gehen zu müssen, das wäre für manche junge Menschen wohl eine Strafe, der sie sich keineswegs freiwillig aussetzen würden.

Bedenken Sie bitte, dass die Mitarbeiter der sächsischen Jugendämter bei den knappen Unterbringungskapazitäten in den Jugendhilfeeinrichtungen froh sind über jeden Platz, der für echte Minderjährige zur Verfügung steht. Wir reden das Problem, das der Antrag anspricht, nicht klein, sollten es ohne konkreten Anlass aber auch nicht künstlich aufbauschen.

Die Vorstellung, wenn wir alle unbegleiteten Minderjährigen ohne gültigen Pass einer ärztlichen Altersfeststellung unterziehen würden, wüssten wir anschließend mit Sicherheit, wer jünger als 18 Jahre ist und wer nicht, ist eben nicht korrekt. Meine Vorredner haben das noch einmal sehr treffend ausgeführt.

Große Teile der Ärzteschaft sprechen sich seit Jahren gegen eine Mitwirkung an ärztlicher Altersschätzung aus oder halten diese aus standesrechtlicher Sicht für unzulässig. Auch das ist aus ärztlicher Sicht konsequent, völlig legitim. Auf die Empfehlungen der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer haben bereits Herr Kiesewetter und Frau Nagel hingewiesen.

Kurz noch einmal zurück. Im Kern geht es um Folgendes: Das geltende Recht, genauer § 42 f SGB VIII, sieht derzeit ein Stufenverfahren zur Altersfeststellung vor. Zunächst hat das Jugendamt die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen. Gibt es Hinweise, dass Ausweispapiere fehlen oder gefälscht sind oder dass begründete Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen, sieht das Gesetz eine Altersschätzung und Altersfeststellung durch qualifizierte Inaugenscheinnahme vor.

Eine solche Inaugenscheinnahme würdigt den Gesamteindruck. Dieser umfasst neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die im Gespräch gewonnen Informationen zum Entwicklungsstand. Daneben können die Jugendämter Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Urkunden, Dokumente oder Akten einbeziehen usw. Nur wenn danach noch Zweifel bestehen, hat das Jugendamt auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder eben von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen.

Kern des vorliegenden Antrags ist die Idee, dass falsche Altersangaben einfach aufgedeckt werden könnten, wenn bei fehlenden Ausweispapieren immer eine ärztliche Begutachtung durchgeführt würde.

Damit würde die Altersschätzung durch qualifizierte Inaugenscheinnahme als Beweismittel praktisch ausgeschlossen. Wir brauchen uns keine Illusionen darüber zu machen, dass die Altersschätzung durch qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht mehr ist als eine – wie der Name schon sagt – Schätzung.

(André Wendt, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke.

Es handelt sich um eine Schätzung, wenn sie sich auf eine Beurteilung des äußeren Erscheinungsbilds und der psychologischen Reife des Betreffenden beschränkt.

Der Antrag übersieht aber, dass die bisherige Regelung dem Jugendamt eine viel weiter gehende Ermittlungsbe

fugnis überträgt. Diese geht über das bloße Ansehen des Betroffenen hinaus und sieht auch die Auswertung anderer Dokumente und Aussagen und vor allem den wechselseitigen Abgleich vor. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Rangfolge hat aus unserer Sicht durchaus einen Sinn.

Im Freistaat Sachsen leben zurzeit 2 550 unbegleitete minderjährige Ausländer. Ich denke, man muss an dieser Stelle einfach einmal ein Dankeschön an die Jugendämter im Freistaat Sachsen richten. Die Minderjährigen werden hier hervorragend betreut. Es erfolgt eine qualifizierte, eine professionelle Inaugenscheinnahme und damit auch eine Altersfeststellung.

Eine regelhafte ärztliche Begutachtung bei fehlendem Pass ist der Altersschätzung des Jugendamts keineswegs stets überlegen, wenn es um die Frage geht, ob ein junger Mensch das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat oder nicht. Vor diesem Hintergrund halten wir die jetzige Regelung im SGB VIII für ausreichend und auch für sachgerecht, damit die Jugendämter im Rahmen des Möglichen sicherstellen können, dass die für Minderjährige bestimmten Leistungen – bis auf wenige nicht auszuschließende Ausnahmen – dann auch tatsächlich bei diesen und eben auch nur bei diesen ankommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir kommen jetzt zum Schlusswort; Herr Wippel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Ich möchte in meinem Schlusswort noch einmal auf zwei Argumente eingehen.

Es wurde angesprochen, dass das Geld ja gar nicht so entscheidend sein könne. Frau Nagel hat quasi ungefähr gesagt: Was stellen Sie sich hier vor die Steuerzahler; das kann ja wohl nicht wahr sein.

Aber mal ganz ehrlich: Der Steuerzahler hat doch einen Anspruch darauf, dass mit dem Geld vernünftig umgegangen wird. Wir wissen, dass die Unterbringung eines UMA pro Jahr um die 60 000 Euro kostet. Die Unterbringung eines Erwachsenen kostet ungefähr ein Fünftel davon. Die Untersuchungen sind deutlich günstiger, deswegen können wir natürlich mit jedem aufgedecktem Fall, quasi Betrugsfall, sage ich jetzt einmal, wirklich Steuergeld sparen und anderweitig sinnvoll einsetzen.

Im Übrigen ist es so, dass Gesetze natürlich nur dann etwas wert sind, wenn sie auch durchgesetzt werden können. Die Sichtweise, Gesetze seien im Grunde dazu da, sie zu brechen, und es sei recht, wenn andere dafür bezahlen, ist etwas einfach.

Die Akzeptanz der Allgemeinheit gegenüber jugendlichen unbegleiteten Minderjährigen würde weiter steigen, wenn

klar wäre, dass jeder von ihnen tatsächlich einer ist, wenn wir die Fehlerquote sehr gering halten. In dem Moment, in dem wir eine zu hohe Fehlerquote haben und als Gesellschaft auch bereit sind, sie zu akzeptieren, wird das Gegenteil passieren: Die Menschen werden mit dem Verdacht, dem Pauschalverdacht überzogen, gegebenenfalls Lügner zu sein. Das vergiftet unser Klima.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Ach, das vergiftet unser Klima!)

Das wollen wir nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie eingangs erwähnt, müssen unbegleitete minderjährige Ausländer staatlicherseits in Obhut genommen werden. Sie bedürfen des Schutzes. Ebenso wichtig ist aber, dass der Schutz eben nicht in missbräuchlicher Weise von Personen in Anspruch genommen wird, die volljährig sind. Die zuverlässige Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern liegt damit im Interesse der Allgemeinheit. Sie liegt aber auch, wie eben dargestellt, im Interesse der jungen Menschen selbst.

Jeder Fall, in dem eine zuverlässige Altersfeststellung anhand von Ausweispapieren nicht möglich ist, ist ein Zweifelsfall, der eine medizinische Klärung erfordert. Die hilfsweise praktizierte bloße Inaugenscheinnahme durch Personen, die nicht einmal über eine medizinische Ausbildung verfügen, genügt nicht. Die Inaugenscheinnahme gewährleistet nicht die Anwendung der richtigen strafrechtlichen Regeln in Abhängigkeit vom Alter des Beschuldigten. Sie vermeidet nicht die missbräuchliche Inanspruchnahme von Fürsorgemaßnahmen der Jugendämter durch Erwachsene. Sie kostet zwar zuerst einmal weniger, aber ihre Fehler schlagen in fünffacher Höhe auf den Steuerzahler zurück. Nach Lage der Dinge muss eine wirklich zuverlässige Feststellung des Alters von Jugendlichen und Heranwachsenden nur durch eine medizinische Untersuchung auf der Basis der neuesten Standards erfolgen.

Bitte zum Ende kommen.

Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 6/6904 zur Abstimmung. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Danke. Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, wenige Stimmen dafür. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

Wildbienen wirksam schützen, Tracht und Lebensräume schaffen und

erhalten sowie den Einsatz bienengefährlicher Mittel reduzieren

Drucksache 6/6482, Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Stellungnahme der Staatsregierung liegt Ihnen vor. Es beginnt die einreichende Fraktion, Herr Abg. Günther. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Herr Günther, Sie haben das Wort.