Das war Kollege Lippmann. Wir sind am Ende der ersten Runde angekommen und eröffnen eine weitere. Für die einbringende CDU-Fraktion spricht jetzt erneut Herr Kollege
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich – dem Thema angemessen – sehr bemüht deutlich zu machen, dass die Ereignisse der letzten Monate und die Entwicklung, die wir seit über einem Jahr zu verzeichnen haben, eine sachliche und abgewogene Debatte erfordern. Wir müssen mit den Instrumenten einer demokratischen Gesellschaft – im Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit auf der einen Seite und mit den entstehenden und sich verändernden Sicherheitsrisiken auf der anderen Seite – umgehen.
Ich bedaure, dass die Debatte diesen Verlauf genommen hat. Ich möchte an der Stelle etwas deutlich sagen.
Ich beginne mit der Fraktion GRÜNE. München, Ansbach, Würzburg – das ist kein Schüren von Ängsten, sie sind Realität. Sie sind eine Realität, der wir uns in einer unterschiedlichen Wahrnehmung stellen müssen. Auf der einen Seite sind es Einzeltäter und Strukturen, die offensichtlich doch mit dem IS vernetzt waren. Auf der anderen Seite ist es die Frage, wie die Reaktionsmechanismen der Sicherheitsbehörden und Rettungskräfte funktionieren. Wir werden uns diesen Herausforderungen stellen müssen, ohne den Terroristen auf den Leim zu gehen und unsere eigene Demokratie infrage zu stellen. Insoweit geht es nicht um schwarz und weiß, wie Sie die Diskussion gern führen möchten. Es geht um das Abwägen von zwei Seiten ein und dergleichen Medaille.
Der Vorwurf eines Sicherheitsrisikos der Innenminister im Wahlkampfmodus ist wohl ein gar schwaches. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verantwortung – dies gilt für alle anderen Parteien in Regierungsverantwortung gleichermaßen –, bedeutet, diesen Ausgleich zu finden. Es ist kein Instrumentenkasten konservativer Politik mit dem Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit auf der einen Seite und der Frage nach der Beantwortung eines Sicherheitsempfindens der Bevölkerung und des Schutzes – eine zentrale Aufgabe des Staates in Bezug auf einzelne Maßnahmen – auf der anderen Seite. Wohl wahr ist, dass
die Burka keine zentrale Debatte über Sicherheitsrisiken darstellt. Sie ist aber eine Frage unserer Gesellschaft, unserer Normative und unseres Zusammenlebens und der Regeln. Sie ist ebenso eine Frage nach der Symbolik. Deswegen ist diese Diskussion durchaus angebracht und zulässig. Sie spiegelt ebenfalls den Diskussionsbedarf unserer Bevölkerung wider.
Die Frage nach der Videoüberwachung und der Speicherung der Daten in einem verantwortungsvollen Ausgleich, Herr Gebhardt, ist eine, über die wir in der Tat diskutieren müssen. Wenn ich darüber rede, dann muss ich der Polizei diese Befugnisse an die Hand geben, damit sie entsprechend reagieren kann. Der Staat darf keinen Täterschutz praktizieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deswegen ist es erforderlich, dass – unter entsprechender Kontrolle, Auflagen und Wahrung der Grundrechte – die Polizei über die Eingriffsbefugnisse verfügt. Dies muss im gesamten Bundesgebiet und in den einzelnen Ländern harmonisiert werden.
Herr Gebhardt, Sie sagten, dass dies eine heuchlerische Debatte sei. Das kann ich Ihnen zurückgeben. Sie kommen mit einer allgemeinen Antwort auf die Frage nach zunehmender Gewalt, Aggressivität und im Übrigen auch einer Zunahme der Gefährdungslagen – beispielsweise in Sachsen im Bereich Leipzig von linksextremistischen Straftätern –, Einzeltätern, terroristischen Strukturen, Beschaffungskriminalitäten sowie Cybercrime daher. Ihre Antwort ist folgende: internationale Solidarität.
Dazu fällt mir eine wunderschöne Fabel ein, die sich um den Fuchs und den Igel dreht. Der Fuchs empfiehlt dem Igel, dass er erst einmal sein Stachelkleid ablegen solle, bevor man zueinander finde. Die Demokratie und der Igel sind gut beraten, das Stachelkleid in der Diskussion mit dem Fuchs erst einmal anzubehalten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ja, es gibt einen Bezug zu Baden-Württemberg und Bayern. Wir möchten nicht auf andere Leute zeigen. Wir sehen, dass sich die Sicherheitslage in unserem Land verändert hat. Wir müssen auch diesen Fragestellungen begegnen.
Mein Einstieg in die Debatte war das Zeichen, deutlich zu machen, dass wir diese Herausforderungen nicht instrumentalisieren und keine ideologische Spirale schüren, in die Sie, Herr Gebhardt, uns gerade treiben möchten. Es geht um den Ausgleich einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik.
Eine internationale Solidarität als Antwort auf diese Fragestellung ist zu wenig. Allerdings gebe ich Ihnen recht, dass wir eine gemeinschaftliche Verantwortung dafür haben, auf die Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung – nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in der Welt – zu antworten.
Folgendes möchte ich in die Richtung der AfD sagen: Ich fand folgenden Punkt sehr beeindruckend und gebe ihn aus meiner Wahrnehmung wider. Herr Wippel sagte, es habe leider nicht diejenigen getroffen, die die Verantwortung dafür tragen. Das ist sehr gewagt. Ich glaube nicht, dass wir die Kontrolle über Deutschland abgegeben haben.
Nein, wir haben uns der Verantwortung zu stellen und die Sicherheitsrisiken aufzunehmen. – Eine dritte Runde werde ich Ihnen sicherlich nicht ersparen können.
Wir befinden uns immer noch in der zweiten Runde. Nun gibt es Bedarf für eine Kurzintervention durch Kollegen Lippmann an Mikrofon 3.
Vielen Dank, Herr Präsident. Die Gelegenheit zur Kurzintervention, nachdem Herr Hartmann mich angesprochen hat, werde ich mir nicht nehmen lassen. Herr Hartmann, Folgendes ist doch klar: Sie reden die ganze Zeit von einem Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit. Sie wissen genau, dass das am Ende nicht stattfinden wird. Wir konnten in den vergangenen Jahren immer dann, wenn es um den Ausgleich von Freiheit und Sicherheit ging, am Ende ein Überwiegen der Sicherheit gegenüber der Freiheit verzeichnen. Deshalb glaube ich Ihnen kein Wort.
Es ist auch Folgendes deutlich zu sagen: Weder die Ausweitung der Videoüberwachung noch die durch den Innenminister geforderten Maßnahmen wie Bodycams, Gesichtserkennungssysteme und eine polizeiliche Vorhersagesoftware werden Terroranschläge verhindern können. Sie werden einzig und allein massiv die Bürgerrechte in unserem Land einschränken. Wir werden dafür einen hohen Preis in Bezug auf die Freiheit zahlen.
Ich wünsche mir in den Debatten vor allen Dingen Folgendes: Ich wünsche mir die Erkenntnis, dass das Ziel von Terrorismus nicht nur das Töten von Menschen und Verbreiten von Schrecken ist. Es geht vor allem um einen Angriff auf unsere Werteordnung und freiheitlichdemokratische Grundordnung. Wir sollten endlich aufhören, den Fehler zu machen, das Geschäft des Terrorismus
mittelbar dadurch zu erfüllen, indem wir aus Angst vor dem Terrorismus unsere eigene Freiheit und Werteordnung beschränken. Stattdessen sollten wir sagen, dass wir ein sicheres und freies Land sind. Das ist auch gut so.
Auf die Kurzintervention von Herrn Kollegen Lippmann wird nun Herr Hartmann an Mikrofon 5 reagieren. Bitte.
Herr Lippmann, ich weiß nicht, ob ich Ihre Glaubensfragen lösen kann. Das könnte ein tauglicher Versuch am untauglichen Objekt sein.
Ich möchte an dieser Stelle Folgendes deutlich sagen: Es geht genau um die Frage nach der Wahrung unserer Freiheitsrechte einerseits und der Findung des höchstmöglichen Maßes an Sicherheit andererseits. Genau wie Herr Pallas gesagt hat, eine absolute Sicherheit kann es nicht geben. Es geht aber um das höchstmögliche Maß. Deswegen ist es erforderlich, auch über die Eingriffsbefugnisse und Einsatzmittel zu sprechen.
Ich werde Ihre Auffassung nicht teilen, dass die Videoüberwachung per se eine Einschränkung der Freiheitsrechte darstellt. Ich kann Ihnen aber sagen, was Maßnahmen zur Einschränkung von Freiheitsrechten sind: Das sind der Schutzgewahrsam, Sperrstunden, die entsprechende Überwachung und Dokumentation Ihres Handelns. Was an der Überwachung öffentlicher Plätze oder der entsprechenden Datenerfassung, eines Informationsaustausches oder einer Vernetzung freiheitseinschränkend ist, weiß ich nicht. Im Übrigen kann ich Ihnen das auch in Bezug auf die Diskussionen zum NSU sagen: Ein entsprechender Datenaustausch oder eine Informationsweitergabe hätten bestimmte Handlungsmuster rechtzeitiger erkennen lassen.
Deswegen lassen wir uns von Ihnen nicht aufdrücken, dass es hier um die Beschränkung von Freiheitsrechten geht. Es geht genau um das Gegenteil. Wir möchten unsere Freiheit gewährleisten und das höchstmögliche Maß an Sicherheit dagegensetzen. Ich bleibe bei meinem Bild: Es geht nicht um schwarz-weiß. Es geht um zwei Seiten der gleichen Medaille.
Das war die Reaktion von Herrn Kollegen Hartmann auf die Kurzintervention. Nun folgt Kollege Pallas. Sie haben für die einbringende SPD-Fraktion in dieser zweiten Runde das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst mit einer Reaktion auf das eben Gesagte in den verschiedenen Beiträgen beginnen.
Ich beginne mit dem Beitrag von Herrn Wippel, der eine Reihe von Ansatzpunkten bietet, um sich näher mit dem Wesen der AfD und den Mechanismen, die sie bedient, auseinanderzusetzen. Zunächst einmal habe ich mich sehr gewundert, dass Sie die Behauptung aufstellen, dass
Deutschland die Kontrolle über die Sicherheit abgegeben hätte. Ich weiß nicht, in welchem Land und welcher Stadt Sie leben.
Wenn Sie einmal aus dem Sächsischen Landtag in die Richtung des Elbe-Radweges schauen, oder sich daran erinnern, wie Sie heute hierhergekommen sind, dann haben Sie vermutlich keine marodierenden Horden fremdländisch aussehender Menschen gesehen, die mordend und brandschatzend durch die Landen ziehen. In welcher Welt leben Sie? Was haben Sie für eine Vorstellung von unserer Gesellschaft? Das ist doch völlig irreal!
Sie haben das nicht so behauptet, aber Sie suggerieren genau das mit dem Passus „Kontrolle abgegeben“. Dass das falsch ist, haben Sie eben gerade bestätigt.
Das Nächste ist die Verknüpfung der Flüchtlingsfrage mit der Terrorgefahr. Hier muss man zunächst einmal konstatieren, dass auch vor der Flüchtlingssituation – wie wir sie seit zwei, drei Jahren als eine Art Zuspitzung haben – bereits islamistische und anders motivierte Terrorristen ihre Wege nach Deutschland gefunden haben, ohne aufgedeckt zu werden. Ich erinnere an Mohammed Atta und seine Mitstreiter, die für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich waren.
Ich will damit sagen: Es braucht nicht die Flüchtlingssituation, damit Terroristen aus dem Nahen Osten beispielsweise nach Westeuropa, nach Deutschland kommen, um hier Anschläge zu verüben. Das zu verknüpfen, kommt Ihnen natürlich zu passe, ganz klar, weil Sie dadurch weiter auf diesem Kurs fahren können, dass Sie die Ängste, die Befürchtungen in einem Teil der Bevölkerung mit der Verknüpfung zum Terrorismus noch schüren und verstärken können.