Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion GRÜNE das Wort. Es wird jetzt ergriffen von Herrn Dr. Lippold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Betreiber von Braunkohletagebauen unterliegen nach Beendigung der Auskohlung vielfältigen Nachsorgepflichten. Diese resultieren aus dem Verursacherprinzip und sind insbesondere in § 55 Bundesberggesetz konkretisiert.
Eine aktuelle wissenschaftliche Studie mit dem Titel „Finanzielle Vorsorge im Braunkohlebereich“ kommt zu alarmierenden Ergebnissen. Das ist für uns der Anlass für diese Aktuelle Debatte. Denn anders als in der Vergangenheit, als es für jedes Bergbauvorhaben immer ein Folgevorhaben gab, aus dessen Gewinnen die Folgekosten des beendeten Vorhabens bezahlt werden konnten, gibt es in einer Zeit, in der das letzte Vorhaben ausläuft, eine neue Situation.
Damit wir uns richtig verstehen, meine Damen und Herren: Niemand unterstellt hier Unternehmen, dass sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen wollen. Wir stellen aber sehr wohl die Frage, ob sie es können, und wir stellen die Frage, wem wir in in diesem Hause verpflichtet sind, wenn das droht.
Doch nun zu den Fakten: Dazu schauen wir einmal in den Konzernabschluss der JTSD Bergbau GmbH für das Jahr 2014. Sie hielt alle Anteile an der hier vielleicht besser bekannten MIBRAG, war ihrerseits wieder Tochter der EPE, und die war wieder Tochter der EPH. Ich spare mir jetzt die ganze Aufzählung, weil das etwas mühsam ist bei all den Steueroasen, in die man dann kommt. In diesem Abschluss steht, dass die Rekultivierung für das Bergwerk Vereinigtes Schlehenhain von MIBRAG im Jahr 2040 beginnen soll – ich zitiere –: „Wir erwarten, nach 2030 mit der Akkumulation erheblicher Barreserven zu beginnen, um den Rekultivierungsplan für das Bergwerk Vereinigtes Schlehenhain zu finanzieren.“
Die IG BCE, meine Damen und Herren, geht übrigens davon aus, dass sich noch maximal 15 Jahre mit der Braunkohleverstromung Geld verdienen lässt. Das Unternehmen will also just dann mit der Akkumulation der nötigen Barreserven für den Erfüllungsbetrag der Rückstellungen beginnen, wenn selbst nach Einschätzung der
IG BCE als entschlossener Verfechterin des Braunkohlegeschäfts damit definitiv kein Geld mehr zu verdienen ist.
Dass es auch mit dem Verdienen in den nächsten 15 Jahren Essig sein könnte, das können Sie sich von jenen bestätigen lassen, die das seit vielen Jahren selbst betreiben. Vattenfall verschenkt soeben den modernsten Braunkohlekraftwerkspark Europas einschließlich immenser Kohlereserven und legt noch 1,7 Milliarden Euro obendrauf. Der eigenen, der schwedischen Regierung legt man die Zustimmung zu diesem Verlustgeschäft mit der Begründung nahe, ein Weiterbetrieb würde noch erheblicher höhere Verluste bedeuten.
Erst in der gestrigen Debatte wurde wieder sinngemäß verkündet, der laufende Bergbau zahle für den Bergbau von gestern – ein Spruch, der sagen soll, dass man alles irgendwie im Griff habe. Hier zitiere ich wieder aus diesem Jahresabschluss: „Wir haben derzeit zahlungswirksame Kosten in Höhe von etwa 2 bis 3 Millionen Euro pro Jahr für laufende Rekultivierung und andere Maßnahmen.“ Eine Fortführung dieser laufenden Rekultivierung auf dem heutigen Niveau würde also das Unternehmen in den nächsten 20 Jahren etwa 50 Millionen Euro kosten.
Die 2012 gutachterlich geschätzten Rekultivierungskosten im mitteldeutschen Revier lagen auf dem Preisniveau von 2012 aber bei 324,7 Millionen Euro. Mit einer Inflationsrate, die im Jahresabschluss steht, landet man dann in 20 Jahren bei einer knappen halben Milliarde. Da die laufende Rekultivierung bis dahin nur etwa 50 Millionen Euro kostet, bleibt ein Kostenrucksack von 90 % bis zum bitteren Ende stehen.
Nein, meine Damen und Herren, der laufende Bergbau löst mitnichten das Problem der Rekultivierung, insbesondere dann nicht, wenn der Bergbau ausläuft. Es ist eben nicht alles im Griff, sondern es wird künftig viel, viel Geld gebraucht, und zwar nach dem Bundesberggesetz Geld aus dem Unternehmen. Das Unternehmen will jedoch nach eigener Aussage Barmittel dann anhäufen, wenn es das nach einhelliger Einschätzung nicht mehr kann.
Andere Landesregierungen hat das zumindest aufhorchen lassen – ich zitiere wieder aus dem Konzernabschluss –: „Derzeit erwägt das Bundesland Sachsen-Anhalt die Einholung von Sicherheiten für geschätzte Rekultivie
rungskosten von Bergbauunternehmen, und ähnliche Anforderungen könnten von anderen Ländern, in denen wir Bergbaubetriebe besitzen, gestellt werden.“ Erstaunlich, dass sie das „könnten“. Hören wir dazu heute mal etwas von der Koalition und von der Staatsregierung, etwas Substanzielles? Oder beschränken Sie sich wieder auf Durchhalteparolen und Vorwürfe, die GRÜNEN wollten hier nur schlechtreden? Das höre ich mir jetzt erst einmal an und bringe dann die Einzelheiten in der zweiten Runde.
Das war die Antragstellerin, die Fraktion GRÜNE, vertreten durch Herrn Kollegen Dr. Lippold. Die weitere Reihenfolge ist jetzt: CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, die Staatsregierung vielleicht in dieser, vielleicht in der nächsten Runde. Das Wort ergreift jetzt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Heidan.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Lippold, ich glaube, Sie machen ein bisschen Spiegelfechterei mit Ihrem Antrag zur Aktuellen Debatte; denn Sie wissen nicht, wie Sie die Grundsicherung mit Energie a) der Wirtschaft und b) der Bevölkerung gewährleisten können. Sie wissen ganz genau, worum es hier geht. Wir haben – und da appelliere ich auch an die GRÜNEN-Politiker – die Sicherheit der Grundversorgung der Bevölkerung und der Unternehmen zu gewährleisten. Reden Sie das bitte nicht immer schlecht. Wir wissen, wie in den letzten Jahren die erneuerbaren Energien ausgebaut wurden. Die könnten das normalerweise abdecken. Aber wir haben ein Problem: In der Nacht ist es finster, und tagsüber ist es manchmal windstill. Das müssen Sie endlich einmal begreifen, dass, wenn Sie hier aus den Grundsicherungsenergien – –
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Darum geht es hier gar nicht! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Haben Sie eigentlich den Sinn der Debatte verstanden?)
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Heidan, können Sie sich vorstellen, dass wir gerade bei den Sicherheitsleistungen über ein anderes Thema als über Energieversorgung im Freistaat Sachsen sprechen?
Wir müssen hier sehen, dass in der Energieversorgung a) die Atomkraftwerke, b) die Braunkohlekraftwerke und c) die gas- oder ölbetriebenen Kraftwerke die Grundsicherung darstellen. Das können die regenerativen Energien noch nicht leisten, so weit sind wir technologisch noch nicht.
Sehr geehrter Herr Heidan, können Sie sich vorstellen, dass andere Bergbautreibende im Freistaat Sachsen eine Sicherheitsleistung erfüllen müssen, um Rückstellungen für die Nachsorge zur Sanierung ihrer Hinterlassenschaften zu bilden, damit wir das als Freistaat dann auf irgendeinem Bankkonto haben? Können Sie sich das vorstellen?
Sie haben offensichtlich keine Ahnung, was Rückstellungen und was Rücklagen sind. Sie haben jetzt gerade von Rücklagen gesprochen. Nach dem Deutschen Berggesetz sind Rückstellungen finanziell zu prüfen. Aber ich habe es Ihnen schon immer einmal gesagt: Die LINKEN sind in der Betriebswirtschaft doch etwas müde, zumindest in der neuen Form unserer Marktwirtschaft.
Ja, Herr Präsident, hier läuft die Zeit, ich beantworte nur die Zwischenfrage. So geht es natürlich auch nicht.
Ich möchte präzisieren: Können Sie sich vorstellen, dass bergbautreibende Unternehmen Sicherheitsleistungen an den Freistaat zahlen müssen, damit der Freistaat Geld zur Verfügung hat, um im Eventualfall die Sanierung der Eingriffe in die Natur und Umwelt zu übernehmen?
Ich hätte mir das sehr gut vorstellen können, wenn wir die Hinterlassenschaften des DDRBergbaus nicht übernehmen müssten.
Das war doch die Ursache, warum die LMBV heute noch sanieren muss. Das kann ich mir gut vorstellen, Frau Dr. Pinka.
Es gibt Betriebspläne, die aller zwei Jahre vom Oberbergamt kontrolliert werden. Es gibt Betriebspläne, die darauf abzielen, dass die Firmen das leisten können. Es gibt Rückstellungen finanzieller Art, die von Herrn Dr. Lippold gerade genannt wurden, in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Das sind Rückstellungen, die in der Bilanz von Vattenfall enthalten sind. So einfach ist das. Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen,
dass es im Bergbau etwas anders abläuft als in anderen Bereichen. Das ist aber durchaus vergleichbar mit anderen Industriezweigen, die das auch machen müssen. Genauso ist es.