1. Wie viele Verfahrensakten welcher Staatsanwaltschaften mit welchen Aktenzeichen, die den V-Mann Ralf Marschner betreffen, wurden von welchem Hochwasser an welchem Ort vernichtet und von welchen sind noch Kopien in welcher Dienststelle in Sachsen vorhanden?
2. Wie viele sonstige Verfahrensakten, die im Bezug zum NSU und seinem Umfeld stehen, wurden außerdem von welchem Hochwasser an welchem Ort vernichtet, und von welchen sind noch Kopien in welcher Dienststelle in Sachsen vorhanden?
Die Beantwortung der beiden Fragen erfolgt auf der Grundlage der zu der sogenannten 129er-Liste erstellten Übersicht über die bei den sächsischen Staatsanwaltschaften recherchierten Verfahren bezüglich der in der Liste aufgeführten Personen. Die auf der 129er-Liste aufgelisteten Personen werden dem mutmaßlichen Unterstützerkreis des NSU zugerechnet. Die zu diesen Personen erstellte Übersicht der bei den sächsischen Staatsanwaltschaften geführten Verfahren wurde dem 3. Untersuchungsausschuss der 5. Wahlperiode des Sächsischen Landtags mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa vom 1. Oktober 2013, im Sächsischen Landtag eingegangen am 4. Oktober 2013, übersandt. Nach Beendigung der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses wurden unter anderem diese Unterlagen zurückgesandt und erneut dem 1. Untersuchungsausschuss der 6. Wahlperiode des Sächsischen Landtags mit Schreiben vom 10. Juli 2015, eingegangen am 14. Juli 2015, zugeleitet.
In dieser Auflistung, die als „VS-Vertraulich“ eingestuft worden ist, war vermerkt worden, welche Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft Chemnitz durch Hochwasser vernichtet worden sind.
Eine Auswertung der oben genannten Auflistung ergab zu Frage 1, dass eine Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft Chemnitz betreffend ein gegen Ralf Marschner geführtes Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen 380 Js 39323/01 durch das Hochwasser im Jahr 2010 vernichtet worden ist. Polizeiliche Akten konnten zu diesem Verfahren nicht recherchiert werden.
Zu Frage 2 wurde in Auswertung der Auflistung ermittelt, dass insgesamt die Akten zu 77 Verfahren der Staatsanwaltschaft Chemnitz aus der sogenannten 129er-Liste durch das Hochwasser in den Jahren 2002 bzw. 2010 vernichtet worden sind. Wie bereits in der Antwort vom
20. Mai 2016 zu der Kleinen Anfrage, Drucksache 6/4979, mitgeteilt, konnten die betroffenen, durchnässten Akten aufgrund der Umstände nach dem Hochwasser vor deren Entsorgung nicht einzeln registriert werden.
Von diesen insgesamt 77 Verfahren sind bei der sächsischen Polizei zu 44 Verfahren noch Akten beim OAZ bzw. der Polizeidirektion Chemnitz vorhanden. Die Aktenzeichen der Verfahren, deren Akten bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz durch die Hochwasser vernichtet wurden und die bei der Polizei noch vorhanden sind, kann in öffentlicher Sitzung des Sächsischen Landtags nicht mitgeteilt werden, da diese Aktenzeichen der oben genannten als VS-Vertraulich eingestuften, anhand der 129er-Liste erstellten Übersicht entnommen werden müssten.
Im Hinblick auf aktuell stattfindende weitere Prüfungen bezüglich der sogenannten 129er-Liste, im Rahmen derer ein Abgleich der bei Justiz und Polizei vorhandenen Aktenbestände erfolgt, können sich darüber hinausgehend weitere Erkenntnisse ergeben. Ein Abschluss dieser Prüfungen war innerhalb der zur Beantwortung der mündlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
Kursfahrten/Exkursionen von Schülerinnen und Schülern aus Leipzig zum 100. Deutschen Katholikentag (Frage Nr. 7)
Mehrere Schulen in der Stadt Leipzig führen außerplanmäßige, teils mehrtägige Kursfahrten/Exkursionen mit Schülerinnen und Schülern zum 100. Deutschen Katholikentag durch. Diese Kursfahrten/Exkursionen sind für die Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern kostenpflichtig. Darüber hinaus ist es nicht geklärt, wie der ausgefallene Unterricht kompensiert werden soll.
1. Inwieweit sind diese zusätzlichen, kostenpflichtigen Kursfahrten/Exkursionen zum 100. Deutschen Katholikentag verfassungsgemäß (Trennung Staat – Kirche, Unentgeltlichkeit des Schulbesuchs)?
2. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Organisation und Durchführung von außerplanmäßigen und kostenpflichtigen Kursfahrten/Exkursionen von Schülerinnen und Schülern sächsischer Schulen zum 100. Deutschen Katholikentag?
Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Schulen und Schulaufsicht handeln verfassungskonform. Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht verboten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 SchuIG für den Freistaat Sachsen). Die Schule muss aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und
Im Sommer des vergangenen Jahres fragte die Stadt Leipzig als verantwortlicher Schulträger bei der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig (SBAL), wegen der Nutzung von Schulgebäuden als Quartiere für den bevorstehenden 100. Katholikentag 2016 nach. Daraufhin fand am 18. August 2015 eine Beratung der SBAL mit Vertretern der Stadt Leipzig und den Schulleitungen von in Betracht kommenden Schulen sowie Vertretern des Organisationsteams des Katholikentages statt. Durch diesen frühzeitigen Termin konnte die mögliche Nutzung der Schulgebäude langfristig, noch vor dem ersten Schultag, in die Schuljahresplanung eingehen. Die SBAL sagte der Stadt Leipzig als Schulträger und dem Organisationsteam zu, bei der Quartierfrage behilflich zu sein. Die Zusage begründete sich aus der gesellschaftlichen Bedeutung des Katholikentages für die Stadt Leipzig und den Freistaat Sachsen.
Nach Auskunft des Organisationsteams würden die möglichen Schulen ab dem späten Mittwochnachmittag bis zum Sonntagabend (zwei Unterrichtstage) für die übliche Nutzung als schulischer Lernort nicht zur Verfügung stehen. Durch die Kollegien und Schülerschaften seien keine besonderen Vorarbeiten notwendig. Daraufhin erging an alle Schulleitungen die Aussage, dass für diese Tage der Unterricht nicht ersatzlos ausfallen kann. Vielmehr – daher auch die frühzeitige Orientierung noch vor dem ersten Schultag des Schuljahres 2015/2016 – sollen außerschulische Lernorte genutzt werden, um Projekte, Veranstaltungen, Exkursionen durchzuführen, die sonst im Schuljahresverlauf zu anderen Zeitpunkten stattgefunden hätten. Somit erfolgt lediglich eine andere Unterrichtsverteilung, aber kein Unterrichtsausfall. Zusätzliche Kosten ergeben sich aus dieser Vorgehensweise nicht.
Ein Besuch des Katholikentages ist ebenfalls möglich – hierfür bietet der Veranstalter einen Sonderpreis von 12 Euro für die Tageskarte an (normal: 52 Euro). Angeboten werden Foren zu Zukunftsthemen wie „Solidarität und
das Miteinander von Menschen“, „Migration“, „Menschenrechte“, „Grenzen des Wachstums von Technik und Wissenschaft“, „Armut und Familie“, „Globalisierung und Klimagerechtigkeit“ und kulturelle Veranstaltungen. Der Katholikentag bietet somit als außerschulischer Lernort vielfältige Vertiefungsmöglichkeiten über den Regelunterricht hinaus. Selbstverständlich sind auch die Gottesdienste und zahlreiche spirituelle kulturelle Angebote offen für alle Interessierten.
Zu keiner Zeit wurde jedoch dazu aufgerufen, den Katholikentag im konfessionellen oder gar missionarischen Sinn zu besuchen.
Diese Vorgehensweise entspricht den Regelungen im Schulgesetz des Freistaates Sachsen. Insbesondere obliegt die Gestaltung von Unterricht und anderen Schulveranstaltungen dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Der Schulträger, hier die Stadt Leipzig, in dessen Eigentum und Verantwortung die Schulgebäude stehen, entscheidet im Benehmen mit dem jeweiligen Schulleiter über deren vorübergehende Mehrzwecknutzung. Dass die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule infolge der Veranstaltungen des Katholikentages in Leipzig gefährdet sein könnte, ist nicht ersichtlich. Auch eine unverhältnismäßige Mehrbelastung von Schülern und Eltern geht damit nicht einher.
6. Sächsischen Landtags ist abgearbeitet. Das Präsidium hat den Termin für die 36. Sitzung auf Mittwoch, den 22. Juni 2016, 10 Uhr, festgelegt. Die Einladung und die Tagesordnung dafür gehen Ihnen zu.
Die 35. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend und ein schönes Wochenende.