Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe lange überlegt: Worin liegen die Ursachen? Ist es Unvernunft? Ist es der Wille, einer Region zu schaden? Ist es ein Aufbegehren – eigentlich haben Sie es mir schon bestätigt – gegen unseren Staat, gegen unsere Wirtschaft? Oder ist es sogar fehlende Lebenserfahrung? Oder ist es einfach – das sage ich Ihnen ganz deutlich, Herr Böhme – fehlende menschliche Reife?
Oder ist es ein Überschreiten von Hemmschwellen, die es so nicht geben kann? Diese sind nicht nur in der Lausitz nicht tolerierbar. Vor allen Dingen ist es auch ein Angriff auf Privateigentum, das wir schützen sollen und nicht vernichten!
Was wäre denn zum Beispiel für ein Aufschrei durchs Land gegangen – ich habe die Bilder gesehen, wo sogenannte Aktivisten auf der Bandanlage gesessen haben –, wenn diese Bandanlage in Betrieb gegangen wäre? Es hätte Tote und Verletzte gegeben, und Sie wären die ersten gewesen, die nach dem Staat geschrien hätten, der seine Bürger nicht schützt.
Ich persönlich habe viele Jahre im Bergbau gearbeitet. Ich habe sehen müssen, wie Kinder ihre Väter verloren haben. Ich habe sehen müssen – damit komme ich auf Sie, Herr Böhme, zu sprechen, wo ich Ihnen politische und moralische Unreife vorgeworfen habe – –
Ich habe auch gesehen – das war keine Erfindung des Kapitalismus, sondern des Sozialismus; ich habe nämlich zu DDR-Zeiten dort gearbeitet –, wie Menschen um ihr Leben gerannt sind. Solche Dinge möchte ich in der Lausitz nicht sehen, und ich möchte sie auch nicht in meiner Region sehen. Schreiben Sie sich das bitte hinter die Ohren!
Kommen wir jetzt zu einem anderen Punkt, der auch angesprochen wurde und der Ihnen sicherlich am Herzen liegt: Vattenfall hat lange überlegt, ob das Kraftwerk Schwarze Pumpe abgeschaltet werden soll. Für mich als Bürger der Stadt Hoyerswerda ist das eine Katastrophe, denn das hiesige Klinikum lebt von Vattenfall und der Fernwärme, die dort produziert wird. Hätten Sie das moralische Gesicht gehabt, den Patienten zu zeigen, dass wir keine Energie und keine Fernwärme mehr haben? Sie hätten es nicht gemacht; Sie hätten es wieder auf den Staat geschoben, denn Sie selbst sind ja nie schuld.
Deshalb – darin gebe ich meinen Vorrednern recht – muss ein solches Handeln bestraft werden, und Sie sollten sich schämen,
meiner Heimat und den Menschen in meiner Heimat so etwas angetan zu haben. Sie sollten aber auch den Mut haben, zu den Menschen in meiner Heimat zu gehen. Sie sollten den Mut haben, zu Betriebsversammlungen der IG BCE zu gehen. Sie sollten den Mut haben, auf Veranstaltungen in Hoyerswerda zu sprechen und dazu Stellung zu nehmen.
Abschließend möchte ich Ihnen noch einen Ausspruch Ihrer beliebten Rosa Luxemburg mit auf den Weg geben: „Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“
Sie hatte damit recht, und hier sind wir einer Meinung. Sie hatte nur nicht eingeräumt, dass es Leute wie Sie gibt, die diesen Spruch mit Füßen treten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Energiewende ist eine der zentralen politischen Herausforderungen unserer Zeit. Denn es geht um eine große wirtschaftliche Bedeutung. Gerade in einem Industrieland hat die Frage von Energiekosten eine zentrale Bedeutung. Sie ist
genauso von ökologischer Bedeutung, denn die Herausforderung unserer Zeit besteht darin, unsere wirtschaftliche Fähigkeit mit dem Anspruch einer ökologischen Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Es gibt eine große soziale Bedeutung, weil es darum geht, Strom und Energie für alle Menschen bezahlbar zu machen. Es geht natürlich auch um eine regionalpolitische Herausforderung, denn in Sachsen geht es um nicht weniger als rund 8 000 Arbeitsplätze in der Lausitz.
Natürlich ist ein solches Thema auch Gegenstand harter politischer Debatten in diesem Land. Wir müssen aber diesen Strukturwandel, der vor uns liegt und der im Übrigen von niemandem infrage gestellt wird – außer vielleicht von den Atomkraftbefürwortern – im Dialog mit den Menschen organisieren. Dialog bedeutet nicht Hausfriedensbrüche, Sachbeschädigung, Werksstürmungen, entgleiste Züge und Bedrohungen – das sind Straftaten. Das muss man so deutlich sagen. Dessen werden sich die Polizei und die Staatsanwaltschaft annehmen.
Ich denke auch – Herr Krauß hat darauf hingewiesen –, dass wir nicht zulassen dürfen, dass dieser Dialog von Neonazis übernommen wird. Ich glaube, wir alle verurteilen es auch an dieser Stelle, wenn ein Protestcamp – egal von wem – von Neonazis angegriffen wird. Ich glaube aber auch, dass wir in der gesamten Debatte zusehen müssen, dass wir keine Fehler wiederholen. Wenn wir in Sachsen in den letzten Jahren eines gelernt haben, dann ist es der Fakt, dass uns Schwarz-Weiß-Debatten in diesem Land nicht weiterhelfen.
(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Valentin Lippmann, GRÜNE: Dann sagen Sie das einmal Ihrem Koalitionspartner!)
Ich glaube, es macht keinen Sinn und es bringt nichts. Wir tun den Gewalt- und Straftätern, die in der Lausitz unterwegs waren, einen Gefallen, wenn wir alle 2 000 Demonstrierenden mit diesen 300 Gewalttätern in einen Sack stecken. Ich denke, wir tun diesen Menschen einen Gefallen, wenn wir die Naturfreunde-Jugend oder den BUND in einer Reihe mit diesen nennen, nur weil sie damals einen friedlichen Aufruf unterschrieben haben, der dann von einigen Leuten instrumentalisiert und zu Gewalt missbraucht wurde. Ich glaube, wir dürfen diesen Fehler nicht machen.
Genauso infam finde ich es, an dieser Stelle den Kolleginnen und Kollegen der IG BCE zu unterstellen, sie würden gemeinsame Sache mit Neonazis machen. Das sind die Kolleginnen und Kollegen, die seit über zehn Jahren in Sachsen mit uns gemeinsam den Kampf gegen rechts aufgenommen haben. Das ist genauso infam!
Lassen Sie uns nicht, wie in den vergangenen Monaten so oft, allzu schnell Stempel verteilen. Lassen Sie uns nicht in das Schwarz-Weiß-Schema hineinfallen, sondern mit einer klaren Haltung gegenüber der Ablehnung von Gewalt und Kriminalität, aber auch mit zwei klaren Signalen aus dem heutigen Tag hinausgehen. Das ist zu merken. Wir senden ein klares Signal an die Kolleginnen und Kollegen, an die Kumpel in der Lausitz, die dort täglich ihre Arbeit tun, ihren Beitrag leisten, die ihre Familien ernähren und die bereit sind, sich dem Strukturwandel zu stellen. Das, meine ich, haben wir heute getan.
Aber lassen Sie uns auch zu einem friedlichen Dialog über die Lausitz einladen. So wie ich die Lausitzerinnen und Lausitzer kennengelernt habe, sind das bodenständige Leute, die ihre Heimat mögen, die gern da bleiben wollen, die wissen, dass sich die Lausitz verändern wird und verändern muss, die aber vor allem eines wollen, und darauf haben sie ein Recht: das ist Sicherheit. Sie möchten in ihrer Region bleiben können.
Es ist eine Aufgabe der Politik, ihnen diese Sicherheit zu geben. Lassen Sie uns alle, die ein Interesse an einem friedlichen Dialog über die Lausitz haben, einladen. Das ist, meine ich, eine wichtige Botschaft für heute.
Für die einbringende SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Homann. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Kollege Böhme.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rohwer und Herr Hirche, die Quintessenz Ihrer Reden war – zumindest habe ich das so wahrgenommen –, dass Sie sich – Entschuldigung! – einen Scheiß für die Zukunft der kommenden Generationen, für diesen Planeten und für die nächsten 50 Jahre interessieren. Sie erfüllen genau damit das Klischee des Politikers, der nicht länger als bis zur nächsten Legislaturperiode, geschweige denn an kommende Generationen, denken kann.
(Beifall bei den LINKEN – Alexander Krauß, CDU: Zum Glück haben wir solche Weltverbesserer wie Sie!)
Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft, nicht nur wegen des Rechtsrucks in Europa und hier im Lande, sondern auch, wenn es um eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten geht. Der Klimawandel schreitet immer weiter fort, scheinbar unaufhaltsam, und Sie sitzen hier in den Sesseln und diskriminieren Leute, die sich um die Zukunft Gedanken machen, die sich um eine lebenswerte Zukunft streiten.
Herr Hirche, ich lasse mir doch von Ihnen nichts über Moral oder moralische Wertigkeiten erzählen, von Ihnen, die Leute an die Wand stellen lassen wollen und die Todesstrafe wieder fordern. Ich lasse mir doch von Ihnen nichts über Moral erzählen! Wo kommen wir denn da hin!?