Protocol of the Session on April 21, 2016

(Andrea Dombois, CDU: Das haben wir schon die ganzen Jahre gemacht!)

Wir haben ein modernes Strafvollzugsgesetz mit hohen Anforderungen an die Anstalten und Bediensteten, mit Blick auf eine menschenwürdige Behandlung und Resozialisierung. Es ist mit Sicherheit ein sehr zukunftsorientiertes Gesetz. Wir haben dafür aber viel zu wenig Geld und viel zu wenig Personal. Aus diesem Grund möchte ich diese zwei Punkte etwas näher betrachten.

Als Antwort auf unsere Kleine Anfrage mit der Drucksache 6/3226 gab es zum 1. November 2015 insgesamt 3 447 Gefangene in den sächsischen Justizvollzugsanstalten inklusive der Jugendarrestabteilung und des Krankenhauses. Für diese zunächst gering klingende Zahl war ein Personalsoll von 1 798 Beamten vorgesehen. Erreicht aber wurde ein Personalbestand von lediglich 1 704 Beamten. Das sind fast 100 Beamte weniger als geplant.

Die Justizbediensteten, wie sich aus einer weiteren Kleinen Anfrage von uns mit der Drucksache 6/3171 ergab, sind zum überwiegenden Teil bereits älter als 40 Jahre. So sind 36 % zwischen 41 und 50 Jahren und knapp 34 % zwischen 51 und 60 Jahren alt. Das bedeutet, dass 70 % aller Beschäftigten zwischen 41 und 60 Jahren alt sind. Das ist eine ähnlich gravierende Entwicklung wie im Justizbereich, dort vornehmlich bei der Richterschaft. Die Folge dieser Altersstruktur sind die zwangsläufig zu erwartenden Altersabgänge, welche nicht durch neue Anwärter ausgeglichen werden können. So ist langfristig mit einem Abgang von bis zu 50 Bediensteten oder mehr pro Jahr zu rechnen, während die Zahl der Anwärter derzeit bei gerade einmal 20 pro Jahr liegt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Regierung ernst macht und ab dem Jahr 2018 die Kapazität auf 40 Anwärter pro Jahr erhöht wird, wird dies nicht ausreichen. Dabei müssen die Bediensteten bereits jetzt Überstunden in erheblichem Umfang leisten. Im Mittel fallen derzeit pro Person mehr als 40 Überstunden an. In der Justizvollzugsanstalt in Zwickau sind es sogar knapp 100 Überstunden.

In der Folge braucht man sich nicht zu wundern, dass angesichts der Arbeitsbelastung und der Altersstruktur die Anzahl von 32 bis 36 Krankheitstagen pro Jahr weit über dem Durchschnitt liegt. Nur zum Vergleich: Der deutsche Arbeitnehmer ist im Schnitt laut Statistik des Statistischen Bundesamtes nicht einmal zehn Tage im Jahr krankgeschrieben.

Wenn man in die Glaskugel sieht, dann erkennt man, dass sich die Problematik weiter verschärfen wird. Daran trägt die Regierung Schuld, die trotz des Personalmangels weitere Stellen streicht. So kamen zwar im Jahr 2015 fünf neue Stellen für den psychologischen Dienst, eine Stelle für Ergotherapeuten und zwei Sozialarbeiter hinzu; gleichzeitig wurden jedoch 25 Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst abgebaut. Auch das Jahr 2016 gestaltet

sich nicht besser: Zwei Sozialarbeiter sollen hinzukommen. Demgegenüber werden 30 Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst abgebaut.

Schließlich bestehen große Lücken bei der Gewinnung von Anstaltsärzten, insbesondere im Bereich der Psychiatrie. Hintergrund soll der allgemeine Ärztemangel sein. Diesen Ärztemangel könnte man, den entsprechenden Willen vorausgesetzt, leicht beheben. Dazu müsste man den Ausbau der medizinischen Fakultäten forcieren und damit die Anzahl der Studienplätze erhöhen. Allein im Jahr 2014/2015 wollten nach der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion über 6 500 Bewerber in Dresden und Leipzig ein Studium der Humanmedizin aufnehmen. Sie konnten dies nicht, weil der Numerus clausus entgegenstand und schlicht nicht genügend Studienplätze zur Verfügung standen. 2014 haben lediglich 530 Bewerber tatsächlich in Leipzig und in Dresden ein solches Studium aufgenommen.

Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Universitäten mit ihrem Selbstverwaltungsrecht längst am wirtschaftlichen Bedarf vorbei arbeiten, sodass Studiengänge wie Afrikastudien, Ägyptologie, Altorientalistik, Arabistik die Kapazitäten belegen – um nur einige weitgehend exotische Studiengänge der Universität Leipzig mit den Anfangsbuchstaben A zu benennen.

Man braucht eigentlich keine Glaskugel, um die Probleme zu erkennen. Man braucht auch keinen Zauberstab, um sie zu lösen; denn eine Lösung ist ganz simpel: Stellen Sie einfach mehr Personal ein. Geld scheint ja an sich genügend zur Verfügung zu stehen.

(Zuruf von der CDU: Natürlich!)

Das ist so.

(Zuruf von der CDU: Ja, ja!)

Wenn Sie sehen, wie viel Geld wir für die Einwanderung und für das Asylthema zur Verfügung stellen, dann ist das Geld ja definitiv da.

(Zuruf von den GRÜNEN: Kreativ, ja!)

Kommen wir nun zur Überbelegung: Eine JVA gilt bereits als überbelegt, wenn die belegten Plätze die Kapazitäten zu 90 % ausschöpfen. Nach unserer Kleinen Anfrage ist die JVA Chemnitz demnach mit 117 % Belegung hoffnungslos überlastet, die JVAs Dresden sind mit 91,3 %, Görlitz mit 91,4 %, Zeithain mit 93,9 % und Zwickau mit 95,2 % überlastet. Nun sehen wir uns an, dass nach Ihrer eigenen Großen Anfrage der Ausländeranteil in den JVAs im Jahr 2010 bei 14 % lag und mittlerweile bei durchschnittlich 17,7 % liegt. In der JVA Leipzig liegt der Ausländeranteil bei 35 %. Zum Vergleich: Der Anteil der Ausländer in Sachsen liegt bei gerade einmal 2,2 %.

Der Ausländeranteil ist auch nicht etwa deshalb erhöht, weil Ausländer Straftaten gegen das Aufenthaltsrecht begehen; diese Straftaten werden nämlich regelmäßig nicht mit Freiheitsstrafen sanktioniert. Man muss in Deutschland in der Regel schon schwerwiegende Delikte

begehen oder Intensivstraftäter sein, damit eine Freiheitsstrafe vollzogen wird.

(Zuruf von den GRÜNEN: Gehen Sie einmal in eine Massenunterkunft!)

(Zuruf von den GRÜNEN: Gehen Sie einmal in eine Massenunterkunft!)

Herr Wurlitzer, lassen Sie sich nicht unterbrechen.

Dass nun die Anzahl der Inhaftierten im Zuge des Massenzustroms an Asylbewerbern weiter steigen wird, ist abzusehen und dürfte nicht einmal die Befürworter der Willkommenskultur verwundern. Darauf muss man sich einstellen.

Eigentlich sollten Richter ihre Urteile unabhängig von der Belegung der JVAs fällen. Tatsächlich wissen Richter sehr wohl um die mangelnden Kapazitäten, was dazu führen kann, dass die Strafurteile etwas milder ausfallen oder eine Freiheitsstrafe letztlich zur Bewährung ausgesetzt wird.

Im krassen Gegensatz dazu verhält sich die Regierung, die zusammen mit dem Freistaat Thüringen eine gemeinsame Justizvollzugsanstalt errichten will. Die gemeinsame Justizvollzugsanstalt wird Sachsen eine Belegungskapazität von 450 Haftplätzen verschaffen. Im Gegenzug werden jedoch die beiden Justizvollzugsanstalten Zwickau und Zeithain geschlossen, die 557 Haftplätze haben. Das macht insgesamt ein Minus von 107 Haftplätzen und verursacht überdies auch noch Kosten von 150 Millionen Euro.

Vorhin ist mehrfach der Bau des Haftkrankenhauses in Leipzig angesprochen worden. Dieser Bau hat sich bis jetzt verzögert, und so richtig kann auch niemand sagen, wann es losgeht. Da gibt es immer nur Prognosen, und danach hängt es momentan daran, dass er 1 Million Euro mehr Kosten verursachen wird, als geplant worden sind; dies nur einmal zum Vergleich.

Ziehen Sie jetzt endlich die Konsequenzen, bauen Sie JVAs aus! Nehmen Sie mehr Geld in die Hand, sorgen Sie für mehr Personal, damit das moderne und anspruchsvolle Strafvollzugsgesetz auch tatsächlich vollständig umgesetzt werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist an der Reihe. Für die Fraktion spricht Frau Abg. Meier. Bitte sehr, Frau Meier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass CDU und SPD hier diese Große Anfrage gestellt haben. In der Regel kann ich gegenüber dem Justizminis

terium auch nicht beanstanden, dass die Anfragen unzureichend beantwortet werden, wie es leider bei anderen Ministerien der Fall ist. Dennoch ist es interessant, dass Fragen beantwortet werden, die gar nicht gestellt wurden. Aber so haben wir alle etwas davon. Von daher bin ich dankbar. Aber lassen Sie mich auf die Inhalte zu sprechen kommen. Da stechen vor allem drei Dinge ins Auge.

Wir haben es heute schon gehört: Vor allem bei den neu aufgenommenen Gefangenen gibt es eine erhebliche Suchtproblematik vor allem mit Crystal Meth sowie erhebliche psychische Auffälligkeiten und psychische Erkrankungen. Hinzu kommt, dass viele tatsächlich Analphabeten sind.

Dem wurde – das ist mein zweiter Punkt – damit begegnet, dass es im Stellenbestand in 2015 einen Aufwuchs um zehn Stellen im sozialpsychologischen Bereich gab. Das ist ein gutes Signal; aber es ist angesichts der Probleme absolut nicht ausreichend. Dem steht – das haben wir heute schon gehört – in den letzten zwei Jahren der Abbau von 55 Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst gegenüber. Diese Beamten beaufsichtigten die Gefangenen nicht nur und betreuen sie, sondern sie sind gleichzeitig auch deren Ansprechpartner in allen Lebenslagen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass hier Raubbau an der Gesundheit der Beamtinnen und Beamten betrieben wird. Wenn wir uns die Krankenstände anschauen, die im Schnitt, wie wir heute schon gehört haben, bei 35 Tagen und in einzelnen Anstalten sogar bei 45 Tagen liegen, dann brauchen wir uns auch nicht über die hohen Zahlen an Überstunden zu wundern. Dass dies ein Teufelskreis ist, liegt auf der Hand. Ihn müssen wir durchbrechen, und das können wir nur, indem wir mehr Personal einstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der sozialtherapeutische Ansatz, der seit Inkrafttreten des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes vorgesehen ist, ermöglicht individuelle Behandlungsmaßnahmen. Dies ist mit entsprechendem Personal verbunden, aber das, meine Damen und Herren, darf nicht auf Kosten des allgemeinen Vollzugsdienstes gehen. Dass Sachsen und Bayern im Bundesvergleich die Länder mit den niedrigsten Haftkosten sind, ist ja nur ein Indiz dafür.

Ob der jetzt angekündigte Stopp des Stellenabbaus ausreichen wird, also die Aufhebung der kw-Vermerke, ist anzuzweifeln. Ich denke, wir werden dazu sicherlich auch den einen oder anderen Änderungsantrag in den Haushaltsverhandlungen stellen.

Nun komme ich zu meinen dritten Punkt, bei dem es um den Resozialisierungsgedanken geht, den Sie verbunden mit verschiedenen Maßnahmen in Therapie- und Behandlungsangeboten vorsehen. Es ist ein durchaus gutes Angebot, das es hier in Sachsen gibt. Manche Konzepte, die innerhalb des sächsischen Strafvollzugs angeboten werden, tragen deutlich Modellcharakter, der zumindest nach dem bisherigen Evaluationsstand positive Entwicklungen mit sich bringt, und dies sowohl für die Gefangenen als natürlich auch für das Anstaltsklima insgesamt,

aber selbstverständlich perspektivisch auch für die Gesellschaft.

Ich bin selbst Anstaltsbeirätin in Zeithain und komme daher regelmäßig in Kontakt mit den Bediensteten, aber natürlich auch mit den Gefangenen. Gerade in Zeithain – das haben wir heute schon gehört – gibt es die Suchttherapiestation, auf die ich jetzt gern noch einmal besonders eingehen möchte, denn der hier verfolgte Ansatz wird von Gefangenen und Bediensteten als sehr gut bewertet. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man, da es diese Therapiestation noch nicht so lange gibt, selbstverständlich noch nicht sagen, ob das wirklich gut ist, aber auf jeden Fall ist es ein guter Ansatz, und die Prognosen sind doch sehr vielversprechend.

Darüber hinaus – das ist sicherlich der wichtigste Aspekt – ist die Zeit in der Haft für die Betroffenen keine Zerreißprobe unter Suchtdruck und ein Warten auf eine stationäre Suchttherapie nach der Haft, sondern die Zeit wird aktiv zur Behandlung genutzt. Somit bleiben auch Leerlaufzeiten aus. Diesen Gedanken haben Sie auch in Ihrem Entschließungsantrag aufgegriffen.

Allerdings kommt jetzt das große Aber, denn in Sachsen besteht eine – ich wiederhole: eine – solche Therapiestation mit 20 Plätzen für insgesamt 3 500 Gefangene. Wenn man davon ausgeht – dies belegen ja Studien –, dass 50 bis 70 % Prozent der Gefangenen tatsächlich eine Suchtproblematik haben, dann reden wir also bei 3 500 Gefangenen von 2 000 Personen. Angesichts dieser Zahlen ist diese eine Therapiestation ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal von dieser Station in Zeithain real nur diejenigen profitieren, die dort einsitzen. Sicher kommen noch ein paar hinzu.

Das große Problem ist aber, dass Frauen in Chemnitz von diesem Behandlungsangebot ausgeschlossen sind. Auch die Jugendlichen in Regis-Breitingen können davon nicht profitieren. Das kann und darf nicht sein! In Torgau sollen jetzt 40 Plätze in der suchttherapeutischen Station eingerichtet und zur Verfügung gestellt werden. Aber 60 Plätze – 40 und die anderen 20 dazu – sind bei diesen großen Zahlen ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Staatsregierung hat auf die Große Anfrage geantwortet, dass sie jetzt prüft, ob es nicht möglich sei, in Chemnitz und in Regis-Breitingen eine Suchtstation einzurichten. Da frage ich mich: Wie viele Prüfaufträge wollen Sie in dieser Legislaturperiode denn noch anstrengen? Hier müssen Sie nicht mehr prüfen; die Zahlen liegen auf der Hand. Es ist vor allem wichtig, dass endlich gehandelt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um dem Anspruch auf Resozialisierung, die neben dem Schutz der Gesellschaft vor Straftätern und weiteren Straftaten den Hauptaspekt des Strafvollzugs ausmacht, gerecht zu werden, braucht es eben eine kontinuierliche und konsequente Verbesserung des Therapieangebots, das allen Gefangenen – Frauen, Männern und Jugendlichen – offensteht. Das heißt keinesfalls, dass alle Angebote in

allen Haftanstalten vorgehalten werden müssen. Es heißt vielmehr, dass Angebot und Nachfrage in quantitativer Hinsicht im vernünftigen Verhältnis stehen sollen.

Zum Ende meiner Rede möchte ich noch etwas grundlegender werden. Wenn wir uns die Gefangenenzahlen anschauen, stellen wir fest, dass die betroffenen Gefangenen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren und ein Großteil davon Männer sind. 90 % der Gefangenen sind Männer. Das Problem ist also männlich, das muss man an dieser Stelle einmal konkret formulieren.

(Jörg Urban, AfD: Das ist ja rassistisch!)