Protocol of the Session on April 21, 2016

Evident und unumstritten ist: Der Besitz auch legal erworbener Waffen, wie jüngst wieder eine Studie des Kriminologen Dietrich Oberwittler feststellte, stellt stets ein potenziell tödliches Risiko dar. Eine große Anzahl von Waffen und Waffenbesitzern in einer Gesellschaft ist kein Mehr an Sicherheit, sondern ein Weniger an Sicherheit.

(Frank Kupfer, CDU: Schwachsinn, populistischer Schwachsinn!)

Das ist evident und kriminologisch, glaube ich, relativ klar.

Das deutsche Waffenrecht will dieses Risiko beschränken und sieht genau deshalb strenge Voraussetzungen für die Waffenbesitzer und für den Erwerb waffenrechtlicher Erlaubnisse vor. Ja, Deutschland hat ein strenges Waffenrecht. Ich sage – auch mit Blick auf die teils hanebüchenen Liberalisierungsforderungen der AfD in dieser Frage –: Das ist auch gut so!

(Carsten Hütter, AfD: Können Sie die bitte mal nennen?)

Herr Poggenburg hat da jüngst interessante Ausführungen gemacht, Herr Hütter. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Ihrer Partei beschäftigen.

(Zuruf von den LINKEN: Richtig!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kupfer, am 13. Januar 2016 jubilierten Sie als Präsident des Sächsischen Schützenbundes über einen Mitgliederzuwachs von 8,58 %. 1 142 neue Mitglieder seien das Ergebnis der vielfältigen Aktionen des Schützenbundes und seiner Vereine zur Mitgliedergewinnung. So analysierten Sie damals.

(Frank Kupfer, CDU: Jawohl!)

Herr Lippmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Herr Hütter, bitte.

Herr Lippmann, wie kommen Sie zu der Aussage, dass wir eine Liberalisierung des Waffenrechtes gefordert haben?

Herr Hütter, ich weiß nicht, ob Sie danach schauen, was Fraktionsvorsitzende in anderen Parlamenten machen. Herr Poggenburg, meines Wissens Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt – vielleicht habe ich da nach der letzten Wahl etwas verpasst –,

So weit ist es richtig.

– hat unmittelbar nach der Wahl gefordert, unter anderem die Pflicht des Kleinen Waffenscheins für die Mitführung von Signal- und Schreckschusswaffen abzuschaffen. Das können Sie gern der Presse entnehmen. Ich entnehme Ihrer Nachfrage, dass Sie das offensichtlich bisher nicht getan haben.

Zurück zur Frage der Mitgliedersteigerung. Wer behauptet, dass dieser Zuwachs allein aufgrund von Werbekampagnen entstanden ist, hat offensichtlich aus Angst vor der Wahrheit den Kopf so tief in den Sand gesteckt, dass er nichts mehr wahrnimmt. Die Zahlen zeigen vielmehr einen Trend, der in Sachsen seit Beginn des Vorjahres immer stetiger zu verzeichnen ist. Immer mehr Sachsen versuchen die Voraussetzungen zu erfüllen, an Schusswaffen zu gelangen. Ein paar Zahlen zur Verdeutlichung: Die Zahl der Schusswaffen ist innerhalb des letzten Jahres von 138 692 auf 142 857 gestiegen, ein Plus von immerhin 3 %. Die Zahl der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Sachsen ist von insgesamt 33 246 auf 34 915 gestiegen, ein Anstieg um gleich einmal 5 %, wobei allein 1 228 waffenrechtliche Erlaubnisse in den Monaten November und Dezember ausgestellt wurden.

Es zeigt sich ein ähnliches Bild bei den sogenannten Kleinen Waffenscheinen, die zum Führen von frei verkäuflichen Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen berechtigen. Die Anzahl stieg von 6 708 im Jahr 2014 auf insgesamt 8 293 Erlaubnisse im Jahr 2015. Allein in den letzten zwei Monaten des vergangenen Jahres wurden 700 neue Kleine Waffenscheine in Sachsen ausgestellt.

Das deckt sich mit den entsprechenden Verkaufszahlen bei den Händlern. Noch deutlicher wird das bei den abgelegten Sachkundeprüfungen im Schießsport, die eine Voraussetzung sind, um in Deutschland eine Waffenbesitzkarte zu beantragen. Allein 2015 wurden insgesamt 526 solcher Prüfungen bei Schießsportvereinen abgelegt. Das sind achtmal soviel wie im Jahr zuvor. Auch hier zeigt die Kurve einen deutlichen Aufwärtstrend im Jahresvergleich. Allein 180 dieser Sachkundeprüfungen wurden in den letzten zwei Monaten des vergangenen Jahres abgelegt.

(Frank Kupfer, CDU: Was ist daran schlimm?)

Nun kann man behaupten: Das hat alles mit allem nichts zu tun und erst recht nichts miteinander. Es bestünde kein Zusammenhang mit der aufgeheizten Stimmungslage in der Bevölkerung. Aber dann verschließt man entweder die Augen vor der Realität oder streut sich gehörig Sand in die Augen.

Wir sehen als GRÜNE durchaus ein Problem. Aus unserer Sicht braucht es jetzt wirksame Maßnahmen, um mit dieser Herausforderung umzugehen, und – ich sage es ganz deutlich – keinen Innenminister, der trotz einer bestehenden Fachaufsichtspflicht das Problem lediglich an die Kommunen verweist und sagt, dass er damit weitgehend nichts zu tun hätte. Herr Innenminister, auch Sie haben hier eine Verantwortung. Denn den steigenden Zahlen von Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnissen in Sachsen steht ein kaum noch wahrnehmbarer Kontrolldruck gegenüber. In einigen Landkreisen Sachsens existiert eine funktionierende Waffenkontrolle quasi nur noch auf dem Papier. Gerade einmal 29 Angestellte der Kommunen nehmen die waffenrechtliche Kontrolle von insgesamt 26 500 Schusswaffenbesitzern mit knapp

143 000 Schusswaffen wahr. Statistisch gesehen werden Schusswaffenbesitzer in Sachsen damit höchstens alle 30 Jahre kontrolliert. Da scheint Lottospielen eine lukrativere Veranstaltung zu sein. Ich sage ganz deutlich: Das ist leider kein Witz, sondern traurige Realität.

Das zeigt, wir haben kein vorrangiges Gesetzesproblem, sondern vor allem ein Vollzugsproblem, dem man sich stellen muss. Genau deshalb hat meine Fraktion diesen Antrag vorgelegt. Vor diesem Hintergrund fordern wir GRÜNE, dass die sichere Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen regelmäßig auch ohne Anlass kontrolliert wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass Waffenbesitzer regelmäßig vor Ort einer Kontrolle unterzogen werden.

Sie ergänzt damit die alle drei Jahre vorzunehmende Regelprüfung hinsichtlich Zuverlässigkeit, persönlicher Eignung und waffenrechtlichem Bedürfnis, und ganz klar ist: Der Innenminister hat als Chef der obersten Waffenbehörde dafür zu sorgen, dass solche Kontrollen auch tatsächlich stattfinden und dokumentiert werden. Dazu braucht es – das ist mir bewusst – eine Aufstockung des Personals in den kommunalen Waffenbehörden. Diese wären dann aber notwendigenfalls durch den Innenminis

ter mit den Maßnahmen der Fach- und Rechtsaufsicht zu vollziehen.

Zudem fordern wir, dass bekannte Angehörige der extremen Rechten und Mitglieder von Bürgerwehren zukünftig jährlich überprüft werden, ob sie überhaupt noch die notwendige waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzen. Mitgliedern der NPD sollen Waffenbesitzkarten und andere waffenrechtliche Erlaubnisse gänzlich entzogen werden.

(Frank Kupfer, CDU: Sagen Sie bitte gleich mal, auf welcher Grundlage! Nicht nur erzählen, sondern auch begründen!)

Ich sage ganz deutlich: Waffen im Besitz von Neonazis sind mehr als nur die sprichwörtliche Lunte am Pulverfass, und zumindest hierzu ist ausgeurteilt, unter anderem durch das Verwaltungsgericht in Bremen, dass eine solche Verfahrensweise grundsätzlich zulässig ist. Herr Kupfer, das ist kein Mist. Ja, uns ist bewusst: Waffenrecht ist Bundesrecht, und das ist auch gut so. Wir GRÜNEN sehen nicht nur das von mir gerade geschilderte Problem eines zunehmenden Waffenbesitzes in möglicherweise unzuverlässigen Teilen der Bevölkerung mit Sorge, sondern natürlich auch den illegalen Waffenbesitz. Wir möchten, dass sich die Staatsregierung auf Bundesebene für eine erneute Waffenamnestie einsetzt, damit illegale Waffen aus dem Verkehr gezogen werden. Man muss ganz deutlich sagen: Die letzte Amnestie war ein voller Erfolg. Was ich nicht verstehe, ist, warum sie seitdem nicht wiederholt wurde. Das gilt es zu beheben.

Aus unserer Sicht sollte das Waffengesetz auf Bundesebene – dafür muss sich die Staatsregierung einsetzen – auch dahin gehend geändert werden, dass es grundsätzlich verboten wird, funktionsfähige Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen an ein und demselben Ort aufzubewahren. Dann würde sich ein solcher Fall, wie er sich Mitte März in Leipzig zugetragen hat, bei dem ein Täter Schusswaffen und Munition aus einem Stahlschrank entwendete, nicht wiederholen.

Sehr geehrter Herr Kupfer, Sie haben angekündigt – wir haben es zur Kenntnis genommen –, dass Sie durchaus bereit sind, auch mit Schützen über die aktuellen Entwicklungen zu diskutieren.

(Frank Kupfer, CDU: Aber garantiert nicht in die Richtung, in die Sie wollen! Garantiert nicht!)

Sie können trotzdem gern die Vorschläge der GRÜNEN-Fraktion zum Landesschützentag am Samstag mitnehmen.

(Frank Kupfer, CDU: Ja, die lachen gern!)

Es dürfte das ureigene Interesse auch aller Sportschützen und ihrer Vereine sein, dass ihre Mitglieder zuverlässig sind und nicht der Eindruck entsteht, den wir momentan haben: dass Personen, die potenziell unzuverlässig sind oder gegebenenfalls ein Problem darstellen, zu Waffen streben. Dazu braucht es neben den erforderlichen staatlichen Kontrollen auch wache Vereine, die ungewöhnlich

hohe Zuwächse von Mitgliedern, waffenrechtliche Erlaubnis und Schusswaffen in Sachsen auch in die gesellschaftlichen Entwicklungen einordnen und solche Entwicklungen nicht per se begrüßen, sondern ihnen mit einem wachen Blick begegnen und sie mit entsprechenden Maßnahmen flankieren.

Ihre Zeit!

Auch deshalb bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Punktlandung! – Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist aufgerufen. Es spricht Herr Abg. Hartmann. Bitte, Sie haben das Wort.

Danke. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute, zum Abschluss des Plenartages, ein durchaus ernstes Thema. Gleichwohl glaube ich, dass dieser Antrag nicht konsequent gestellt ist und das Thema verfehlt. Denn wenn Sie das, was Sie meinen, konsequent diskutieren, dann dürften Sie nicht sagen: „weniger Waffen“, sondern „grundsätzlich keine Waffen für mehr Sicherheit“; denn es genügt schon eine Waffe in den falschen Händen, um eine Gefährdungslage bis zu körperlicher Verletzung oder Tod zu führen.

In der Tat: Waffen sind kein Spielzeug. Aber – und auch das gehört dazu – die überwiegende Zahl der Waffenbesitzer geht verantwortungsbewusst mit den Schusswaffen um. Deshalb bin ich einigermaßen irritiert, wenn ich einmal in den Ansatz nehme, dass in Sachsen allein im von Herrn Kupfer genannten Sächsischen Schützenbund 15 000 Schützen organisiert sind, dass fast 12 000 Jäger hinzukommen, und wenn ich noch das private Sicherheitsgewerbe dazuzähle, so ist dies der überwiegende Teil aller Schusswaffenbesitzer bzw. -träger im Freistaat Sachsen.

Ihr Antrag – wenn Sie mir erlauben, ihn in einen gewissen Kontext zu setzen – hat zumindest einen Hauch von Kriminalisierung und Unterstellung unredlicher Absicht in Richtung derer, die Schusswaffen tragen oder erwerben. Dabei ist – das muss man der Vollständigkeit halber sagen – der Umgang mit und der Besitz von Schusswaffen und Munition in Deutschland sehr streng geregelt und bedarf einer besonderen Erlaubnis. Wenn wir in die internationalen Maßstäbe schauen, die in Deutschland für den Schusswaffenerwerb, den Schusswaffenbesitz und das Führen von Schusswaffen als separater Tatbestand angesetzt werden, sowie auf die Kontrollmechanismen, so hat Deutschland im europäischen, aber auch im internationalen Maßstab sehr strenge Regeln.

Woran ist eigentlich überhaupt die Möglichkeit gebunden, in Deutschland Schusswaffen zu erwerben oder zu führen? Man muss das 18. Lebensjahr vollendet haben, die erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung

besitzen – dies bedarf des entsprechenden Nachweises einer Kontrolle –, die Sachkundeprüfung ist erforderlich, und auch das Bedürfnis muss nachgewiesen sein.

Darüber hinaus will ich der Vollständigkeit halber sagen, da Ihren Worten zu entnehmen war, sehr geehrter Herr Kollege Lippmann, möglicherweise unzuverlässigen Teilen der Bevölkerung – so weit Zitat Ihrer Rede – den Zugang zu Schusswaffen zu ermöglichen: Das ist auf der Grundlage der geltenden Regelungen und der Voraussetzungen nicht ganz so einfach, wie Sie den Eindruck vermittelt haben.

Im Übrigen: Allein der Besitz einer Waffe ist noch nicht der Tatbestand, einen Missbrauch zu unterstellen. Das hat schon einen gewissen Aspekt der Panikmache. Natürlich stellen Schusswaffen – egal, ob legal oder nicht – und der viel schwierigere Problembereich, den Sie überhaupt nicht auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen regeln, sowie ihr illegaler Erwerb

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Da haben Sie nicht zugehört, Herr Hartmann!)

ein potenzielles tödliches Risiko dar. Damit ist aber nicht gesagt, dass dieses Risiko – vor allem von legalen Waffen – auch tatsächlich realisiert wird; denn nach dieser Logik dürften Sie auch keinen Fuß mehr auf die Straße setzen, auf der Autos fahren. Dann könnten Sie, weil der missbräuchliche Einsatz des Fahrzeuges auch nicht auszuschließen ist, den Titel Ihrer Debatte gleich ändern in: „Mit Konsequenz gegen illegalen Autobesitz und unzuverlässige Autobesitzer – weniger Autos für höhere Sicherheit im Freistaat Sachsen“.