Protocol of the Session on March 16, 2016

Sie haben diese Aktuelle Debatte anberaumt und sie klingt teilweise gut, aber etwas Entscheidendes bleiben Sie schuldig, und das ist eine ehrliche und offene Debatte um die Versäumnisse und Fehler der vergangenen Jahre. Sie können keine Zukunft in diesem Land gestalten, wenn Sie sich nicht damit auseinandersetzen, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist. Stattdessen findet sich wieder ein Schlagwort, welches der Landtagspräsident in seiner Neujahrsrede erwähnt und der Ministerpräsident übernommen hat. Es wurde jetzt noch einmal vom Innenminister erklärt, indem er sagte, mit dem starken Staat sei im Wesentlichen der Ausbau der Polizei und der Justiz gemeint.

Das ist richtig, dafür sind wir auch, aber zur Demokratie gehört noch mehr. Es geht nicht nur um die innere Sicherheit, sondern auch darum, die politische Kultur zu stärken und die Demokratie auszubauen. Wenn es Ihnen ernst ist, sei die Frage erlaubt, ob es vorbei ist mit Dingen wie Handygate, ob es vorbei ist mit Dingen wie dem Misstrauen gegenüber Demokratieinitiativen, ob es vorbei ist damit, Menschen, die missliebige Meinungen haben, zu sanktionieren, und ob es vorbei ist, dass Sie Jagd auf linke Abgeordnete im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen in Dresden und Sachsen generell machen. Wir haben heute auch dazu noch einen Tagesordnungspunkt.

Wir brauchen keinen starken Staat in dem Sinne, wie Sie ihn sich vorstellen, insbesondere meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wir brauchen einen souveränen und handlungsfähigen Staat, der Kritik als Bereicherung versteht und sie nicht im Keim ersticken will. Weil Sie Politik immer nur als Instrument des Machterhalts und als Bedrohung Ihrer eigenen Macht verstehen, will ich Ihnen vorschlagen, den Versuch zu unternehmen, einmal nach Baden-Württemberg zu schauen. Da ging es um die Debatte zu „Stuttgart 21“. Der dortige Ministerpräsident ist vor allem über das Thema „Stuttgart 21“ ins

Amt gekommen. Es hat eine unglaubliche Zuspitzung im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen und in der öffentlichen Debatte gegeben, aber es hat auch eine öffentliche Debatte gegeben. Man hat Argumente ausgetauscht und dies meist bundesweit vorgetragen.

Am Ende dieses Prozesses stand ein Volksentscheid, der ziemlich klar gegen die Positionen von Winfried Kretschmann ausgegangen ist. Dennoch ging der Ministerpräsident von Baden-Württemberg gestärkt aus den vergangenen Wahlen hervor. Sie sehen also, dass die Angst, eine missliebige Meinung oder eine andere Entscheidung könne Ihnen schaden, unbegründet ist. Ich bin kein besonderer Fan von Winfried Kretschmann, aber Sie könnten sich an dieser Stelle durchaus ein Beispiel nehmen. Machen Sie den Weg frei für erleichterte Volksentscheide! Das stärkt die Demokratie in diesem Land ernsthaft und ist ein sichtbares Zeichen für eine neue politische Kultur, dass künftig in Sachsen rechnerische Mehrheiten weniger wichtig sind als das Argument.

Demokratie ist mehr als die Teilnahme an Wahlen und Dialogangeboten. Es ist wichtig, die Gesellschaft zu verstehen. Deswegen fordern wir Sie auf, dass Sie jetzt endlich den im Koalitionsvertrag angekündigten Sachsenmonitor einführen, um Einstellungsmuster in der Gesellschaft zu erkennen. Das ist wirklich notwendig, denn diskriminierende und hasserfüllte Einstellungen gehen weit über das hinaus, Herr Innenminister, was Sie gesagt haben. Sich nur mit dem Extremismus und der Ablehnung des Staates auseinanderzusetzen reicht nicht, denn solche Positionen, wo es um Ausgrenzung und die Abwertung anderer Menschen geht, finden sich in allen gesellschaftlichen Schichten. Deswegen ist es wichtig, dass wir Einstellungsmuster erkennen, damit wir uns damit auseinandersetzen können.

Meine Redezeit geht zu Ende, deswegen will ich es an dieser Stelle damit belassen. Machen Sie den Sachsenmonitor und dann können wir uns gemeinsam unabhängig von dieser ideologisierten Extremismustheorie damit auseinandersetzen, was in dieser Gesellschaft falsch läuft und warum Sachsen als braunes Bundesland in dieser großen Zeitung dargestellt wurde. Erst dann können wir etwas ändern. Dazu sind wir gern bereit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich rufe die AfDFraktion auf; Herr Abg. Wippel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Lieber Kollege Hartmann, natürlich kommen wir gar nicht umhin, auch über bundespolitische Fehler zu sprechen, denn diese wirken sich schließlich in Sachsen aus. Der Bund bestellt und in Sachsen haben wir die Probleme und müssen sehen, wie wir damit zurechtkommen. Kollege Hartmann, Ihr Einwurf, dass die AfD keine Vorschläge gemacht habe, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Wir haben in den Haushaltsverhandlungen schon eindeutig eine höhere Polizistenzahl gefordert, da hätten Sie einfach

zustimmen können. Wir haben das sogar vorgerechnet und im Grunde hat auch die Expertenkommission nichts wirklich anderes gemacht.

Bei der Asyldebatte und wie man damit umgehen könnte haben wir rechtzeitig Vorschläge gemacht. Ich möchte hier auf die Drucksachen 6/454 und 6/1065 verweisen.

Zum einen ging es um die Verkürzung der Dauer der Asylverfahren, zum anderen ging es damals um die Anerkennung weiterer sicherer Herkunftsländer. All diese Dinge wurden von Ihnen abgelehnt. Monate später sind sie von Ihnen in Regierungshandeln umgesetzt worden. So viel zum Thema „Demokratie“.

(Beifall bei der AfD)

Ich möchte auf die Drucksachen 6/1390 und 6/3219 „Mutige Schritte im Asylverfahren wagen“ verweisen. Dort haben wir einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen vorgestellt, die man ergreifen sollte. Einige davon sind – trotz Ihrer Ablehnung – mittlerweile in Regierungshandeln umgesetzt worden. Also, so schlecht können wir an dieser Stelle gar nicht gewesen sein.

Kollege Pallas, zu Ihnen ganz klar: Ich bin froh, dass Sie nicht im Bundestag sitzen, denn wer das deutsche Staatsvolk für eine abwegige Größe hält, der sollte sich vielleicht einmal das Grundgesetz ansehen,

(Albrecht Pallas, SPD: Ihre Rede war abwegig!)

denn das Grundgesetz baut zuerst einmal auf dem deutschen Staatsvolk auf.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Das lässt tief blicken. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nun die Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hartmann, Sie können doch stolz sein. Sie können sächsische Identität pflegen und dazu einen Beitrag leisten, solange das Menschen nicht ausgrenzt mit Aussagen, was alles nicht hier nach Sachsen oder zu Sachsen gehört oder was nicht zu unserer angeblichen Leitkultur passt. Das ist genau die Rhetorik, die Ängste verstärkt, und das führt zu Abschottungstendenzen. So wird Integration nicht gelingen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Natürlich, Herr Hartmann, haben wir uns intensiv mit Ihren Kabinettsbeschlüssen beschäftigt. Wir haben die Zahlen darin nachgerechnet, die Ankündigungen, haben das hin- und hergerechnet, geprüft und gefragt, wie Sie das machen wollen. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir haben mit vielfältigen Anträgen konstruktive Lösungsvorschläge

gemacht, wie man die Probleme lösen kann – ich komme jetzt mit den fünf Minuten nicht zurecht, Ihnen das noch einmal darzustellen –, zum Beispiel Initiativen, die Sie zum Teil auch übernommen haben, beispielsweise bei der interkulturellen Bildung bei der Polizei. Wir werden auch weiter konstruktive Vorschläge machen und Ihnen zur Unterstützung vorlegen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da müssen Sie sich hier nicht so aufregen.

Ich will noch einmal etwas zur politischen Bildung sagen, denn dazu haben Sie in Ihren Beschlüssen vom 4. März einiges angekündigt und versprochen. Sie wollen die politische Bildung stärken. Das ist ein gutes Ansinnen. Ich sage Ihnen aber, selbst wenn Sie dort eine Million Euro mehr Geld bereitstellen, wird das nicht automatisch zur einer Stärkung der politischen Bildung führen. Sachsen braucht jetzt endlich eine veränderte Schwerpunktsetzung bei der Ausrichtung und bei den Methoden politischer Bildung. Genau dort müssen Sie sich herantrauen, meine Damen und Herren von der Koalition.

Ein Beispiel sind die immer wieder von uns eingeforderten Überlegungen, tragfähige, mehrjährige Förderperspektiven für Demokratieinitiativen hier in Sachsen zu entwickeln.

Sie müssen sich aber auch mit der Arbeitsweise und der Struktur der Landeszentrale für politische Bildung beschäftigen. Das müssen wir diskutieren. Sie müssen an das Problem herangehen, dass sich Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit politischer Bildung verunsichert und alleingelassen fühlen, weil ihnen die Unterstützungsstrukturen fehlen. Sie müssen an das Problem herangehen, dass sich Schulen zunehmend als endpolitisierter Raum betrachten. Das alles sind Themen, die Sie angehen müssen, wenn Sie Geld bereitstellen. Sonst kommt am Ende wieder mehr Enttäuschung heraus.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wird noch eine weitere Runde bei der 1. Aktuellen Debatte gewünscht? – Herr Hartmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Richter von der Fraktion DIE LINKE hat uns mit dem Dreiklang beglückt, die CDU hat alles getan, die CDU ist nicht schuld, und in Sachsen ist der Extremismus nicht schlimmer als anderswo.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Das ist eine Zusammenfassung, die ich so nicht teile und die an der Wirklichkeit vorbeigeht.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nein!)

Natürlich haben wir Erkenntnisse aus der aktuellen Situation und aus der Vergangenheit für uns reflektiert,

und natürlich haben auch wir dazugelernt. Aber auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte. Erstens. So katastrophal, wie Sie es gern darstellen, war und ist die Situation in Sachsen nicht.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Zweitens. Wir haben uns der aktuellen Herausforderung gestellt. Ich beziehe mich auf diese Aktuelle Debatte und nicht auf das, was wir sonst noch so an Debatten führen. In den letzten Monaten haben wir sehr umfänglich über ein Problem von Rechtsextremismus – – Ich glaube, es war in der letzten Plenarsitzung, in der wir deutlich gemacht haben, dass wir in Sachsen aktuell ein Problem mit Rechtsextremismus haben und uns damit auseinandersetzen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben das schon lange, nicht aktuell!)

Der Staat braucht Dialogbereitschaft, und er braucht auch Dialogfähigkeit. Insoweit, Herr Gebhardt, gehört auch das Zuhören dazu.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich muss Ihnen nach Ihrer Rede auch wieder die Frage stellen: Ist das wirklich alles?

Zur AfD: Bundespolitische Probleme sind zweifelsohne die Ausgangslage. Es hilft Ihnen in diesem Hohen Hause aber nichts, wenn Sie permanent die bundespolitischen Rahmenbedingungen adaptieren und meinen, daraus eine Problemrhetorik zu betreiben. Sie bleiben trotzdem frei von Lösungsvorschlägen. Damit meine ich nicht, dass Sie in diesem Hohen Haus nicht auch schon Vorschläge gemacht haben. Nun müssen Sie sich aber nicht selbst überhöhen und meinen, dass Ihre Vorschläge der Kern des Regierungshandelns waren. Im Übrigen: Sichere Herkunftsländer, Herr Wippel, sind Sache des Bundes.

Wir als CDU haben schon im März 2015 unsere Asyl- und Integrationspositionen aufgestellt. Diese haben heute noch ihre Gültigkeit und fließen jetzt in diesen Prozess mit ein. Ich muss Sie fragen: War das wirklich alles?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit zurück zum Kern des Themas. Ich habe vorhin gesagt, wir haben uns entschieden, und die Staatsregierung hat es mit dem Kabinettsbeschluss vom 4. März vorgelegt: 1 676 zusätzliche Stellen werden nunmehr für die Polizei zur Verfügung stehen, nämlich 676 Stellen unter Wegfall der kwVermerke – das ist Kabinettsbeschlusslage und kommt jetzt in die Umsetzung – und gleichzeitig 1 000 zusätzliche Stellen zuzüglich der 550 Wachpolizisten für die Übergangssituation.