Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse über die Drucksache 6/232 abstimmen. Wer dafür ist, hebt bitte die Hand. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei Stimmen dafür und zahlreichen Stimmenthaltungen hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Meine Damen und Herren! Mit der Aussprache beginnt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Ich erteile Frau Dr. Maicher von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Am 26. Mai 2014 präsentierten Vertreterinnen und Vertreter der Koalition im Bundestag die Einigung mit den Ländern bei der Bildungsfinanzierung. Teil der Einigung ist die vollständige und dauerhafte Übernahme der Kosten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes durch den Bund ab Januar 2015. Für den Freistaat Sachsen ergibt sich daraus eine jährliche Ersparnis in Höhe von 85,9 Millionen Euro. So weit der Rahmen. Warum nun dieser Antrag?
Bund und Länder haben vereinbart, die frei werdenden BAföG-Mittel zur Finanzierung der Bildungsausgaben im Hochschulbereich und im Schulbereich zu verwenden. Dies beinhaltet jedoch keine Zweckbindung. Auf Anfrage der Bundestagsfraktion der GRÜNEN ließ die Bundesregierung wissen, man vertraue darauf, dass die Länder die Mittel tatsächlich für Schulen und Hochschulen einsetzen.
Zur Verwendung der BAföG-Mittel gab es bisher lediglich mündliche Zusagen, die Gelder den Schulen und Hochschulen zugute kommen zu lassen. Einen bindenden Beschluss gibt es dazu bisher nicht. Um es deutlich zu sagen: Sachsen gilt in puncto Haushaltsführung zwar als Musterschüler, aber beim sachgerechten Einsatz oder der Weitergabe von Bundesmitteln nimmt es die Staatsregierung nicht immer ganz genau. Insofern sind Vertrauen und Zusagen schön und gut, mir und meiner Fraktion genügen sie jedoch nicht.
Wir wollen hier im Parlament, dem gesetzgebenden Organ, einen Beschluss herbeiführen, der regelt, wie die BAföG-Gelder verwendet werden sollen. Natürlich erwarte ich darüber hinaus auch klare Aussagen zu den Vorstellungen und Plänen der neuen Staatsregierung.
Wir haben unsere Vorstellungen formuliert. Wir wollen ein Landesprogramm Schulsozialarbeit auflegen und die Hochschulen und Studentenwerke stärken. Wir finden den Vorschlag sinnvoll, sich bei der Verteilung zwischen Kultus- und Hochschulbereich an der Verteilung von Schüler-BAföG und Studierenden-BAföG zu orientieren.
Das Thema Schulsozialarbeit hat den Landtag bereits in der letzten Legislaturperiode mehrfach beschäftigt. Doch noch immer ist diese wichtige Leistung an der Schnittstelle von Schule und Jugendhilfe von Projektmitteln und
Projektfristen abhängig. Auch der Koalitionsvertrag bleibt dahin gehend vage. Dort heißt es lediglich, man wolle die Träger der Kinder- und Jugendhilfe stärken oder stärker unterstützen. Die Entlastung der Länder bei der BAföGFinanzierung bringt dem Freistaat im Kultusbereich knapp 30 Millionen Euro jährlich. Damit gibt es endlich eine Chance, ein Landesprogramm für Schulsozialarbeit aufzulegen und es solide und vor allem dauerhaft zu finanzieren. Finanziell sichert ein eigenes Landesprogramm und damit ein eigenes Budget für Schulsozialarbeit die weiteren Angebote der Kinder- und Jugendhilfe direkt ab.
Eine Bemerkung noch zum zweiten Anstrich, zur Schulsozialarbeit im Koalitionsvertrag, in dem es heißt, man wolle sich auf Bundesebene für eine Regelung im SGB VIII einsetzen. Das, meine Damen und Herren, ist schon fast etwas dreist; denn im Bundestag forderte DIE LINKE kürzlich in einem Antrag, eine ebensolche Regelung in das Sozialgesetzbuch aufzunehmen. Aber dort waren gerade CDU- und SPD-Fraktion alles andere als offen für diesen Vorschlag – ich zitiere –: „Es ist falsch, mithilfe des SGB VIII quasi durch die Hintertür eine Zuständigkeit Richtung Berlin zu erkämpfen“, so Heinz Wiese, CDU.
Insgesamt liest sich diese Debatte vom 16. Oktober wie eine Steilvorlage für unseren Vorschlag und eine gute Empfehlung an Sie, meine Damen und Herren von der Koalition. So sagt Christina Schwarzer, CDU – ich zitiere –: „Schulsozialarbeit müssen die Länder und die Kommunen selbst machen. Jetzt liegt der Ball dort, diese großen Einsparungen sinnvoll zu nutzen. Mein Rat an Länder und Kommunen lautet: Setzen Sie etwas von dem Geld für die Schulsozialarbeit ein.“ Ulrike Bahr, SPD, ergänzt: „Im Zuge dessen“ – gemeint ist die BundLänder-Vereinbarung – „sehe ich auf Länderseite durchaus Spielraum für nachhaltige Investitionen in die Schulsozialarbeit. Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg.“ – Meine Damen und Herren, Sie müssen sich schon entscheiden, wie der schwarz-rote politische Wille denn aussieht.
Dasselbe gilt auch im Hochschulbereich. In einem Beitrag für die „FAZ“ wurde die Bildungsministerin Wanka deutlich und stellte fest, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen durch die Länder dringend erhöht werden müsse; und zumindest in diesem Punkt gebe ich ihr recht. Die sächsischen Hochschulen liegen nach Auskunft des Bundesamtes für Statistik bei ihrer Grundfinanzierung am unteren Ende des deutschlandweiten Vergleiches, und erst
im Mai waren sich in der Debatte zu einem Antrag meiner Fraktion zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses fast alle Fraktionen einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Ja, und es stimmt: 2012 hatte noch jeder fünfte MittelbauMitarbeiter ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, an den Universitäten nur noch jeder zehnte. Befristungen sind im Wissenschaftsbereich kein Novum und auch nicht von vornherein abzulehnen, zum Beispiel bei Qualifizierungsstellen. Aber wenn 24 %, also fast ein Viertel aller befristeten Stellen, eine Vertragslaufzeit von weniger als sechs Monaten aufweisen, dann wird dieses System ad absurdum geführt.
In der vergangenen Woche machten die Lehrbeauftragten bundesweit auf ihre prekäre Situation aufmerksam, auch hier im Freistaat. Die Wahrheit ist, dass an den Musikhochschulen bis zu 47 % der Lehraufgaben von Lehrbeauftragten übernommen werden. An den Universitäten haben wir einen Lehrbeauftragtenanteil von bis zu 17 %.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das alles hängt – nicht nur, aber eben auch – mit der Grundfinanzierung unserer Hochschulen zusammen. Die nun frei werdenden BAföG-Gelder bieten uns die Chance, zumindest einen ersten Schritt hin zu einer auskömmlichen Hochschulfinanzierung zu machen. Wir schlagen deshalb vor, dass 53,6 Millionen Euro den Hochschulen direkt über die Zuschüsse zum laufenden Betrieb zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, statt sie in einem weiteren Fonds unter der Kontrolle des Wissenschaftsministeriums versickern zu lassen.
Und auch, wenn ihre Belange in den lautstarken Protesten des letzten halben Jahres etwas mehr in den Hintergrund gedrängt wurden: Wir vergessen die Studentenwerke nicht. Sie leisten nicht nur eine enorm wichtige Arbeit bei der Bereitstellung von bezahlbarem studentischem Wohnraum, sie übernehmen auch eine breite Palette an notwendigen Beratungsangeboten und natürlich der Mensaversorgung. Gleichzeitig reichen die Landeszuschüsse von derzeit 5,9 Millionen Euro pro Jahr kaum aus, um die Mensaversorgung zu gewährleisten. Die Folge ist: Die Zeche zahlen die Studierenden über ihren Semesterbeitrag.
Ich habe die aktuellen Zahlen vorliegen. Seit dem Wintersemester 2010/2011 ist der Semesterbeitrag um bis zu 20 Euro gestiegen. Drei von vier Studentenwerken planen nach Auskunft der Staatsregierung bereits die nächste Erhöhung um bis zu 10 Euro, und trotz steigender Semesterbeiträge haben sich die Mensaessen seit 2010 kontinuierlich verteuert.
Wir sehen hier einen dringenden Handlungsbedarf und schlagen deshalb vor, 3 Millionen Euro aus der BAföGErsparnis den Studentenwerken zukommen zu lassen. Auch dies kann nur ein erster Schritt sein, nicht mehr und nicht weniger, aber es würde zumindest den finanziellen Mehrbedarf decken, den auch die Studentenwerke für den Bauunterhalt und die Betriebskosten der Mensen errechnet haben. Der Freistaat muss sich darüber hinaus seiner
Verantwortung stellen, im nächsten Doppelhaushalt die Studentenwerke auf eine insgesamt verlässliche finanzielle Grundlage zu stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist deutlich geworden, dass die frei werdenden BAföGMittel für Sachsen eine wirkliche Chance darstellen, im Bildungs- und Hochschulbereich wichtige und vor allem nachhaltige Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Ich appelliere deshalb an Sie: Lassen Sie uns diese Chance nutzen und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Für die einbringende Fraktion GRÜNE war das Frau Dr. Maicher. Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Mackenroth.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute, an unserem ersten sozusagen richtigen Arbeitstag, gleich eine Debatte über unsere Hochschulen führen. Ich vermute mal, es wird in dieser Legislaturperiode nicht die letzte sein, und das ist auch gut so.
Das Kapitel Hochschule ist wichtig. Es hat eine herausragende Bedeutung in unseren Koalitionsverhandlungen gehabt, und die neue Koalition bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich und völlig unmissverständlich zur Bedeutung unserer Hochschulen für den Standort Sachsen und deren zukünftige gesellschaftliche Entwicklung.
Unsere Hochschulen sind Orte geistiger Begegnung, kritischer Impulsgeber für unser Land und Anziehungsmagnet für motivierte junge Menschen, und unsere Koalition untersetzt dieses Bekenntnis auch finanziell. Dafür haben wir Lob von allen Seiten bekommen, sogar von den Fachbruderschaften – was bei mir schon ein wenig den Verdacht geweckt hat, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben müssen.
Wir haben unter anderem folgende – teilweise wirklich spektakulären – Ergebnisse erzielt und vereinbart: „Wir wollen, dass viele junge Menschen bei uns studieren, dass sie dauerhaft eine berufliche Perspektive in Sachsen finden. Unsere Hochschulen sollen und werden ihr Angebot qualitativ und quantitativ überprüfen und effizient strukturieren. Wir wollen den Hochschulentwicklungsplan im Dialog mit unseren Hochschulen bis 2025 fortschreiben mit dem Ziel, Studienangebote und Forschungsfelder landesweit aufeinander abzustimmen und für jeden Hochschulstandort Schwerpunkte zu setzen, und wir werden dabei den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedarf an bestimmten Studiengängen berücksichtigen“ – so heißt es im Koalitionsvertrag – „und die Exzellenz der Hochschulen sichern.“
Wir haben eine Strukturveränderung vereinbart und wollen bis 2025 zu einer Zielgröße von 95 000 Studie
renden bei dann gleichbleibendem Personal gelangen. Das ist nicht nur eine Qualitätssteigerung, sondern, Frau Dr. Maicher, die von Ihnen angesprochene Erhöhung der Grundfinanzierung. Dafür sind wir zum Abschluss einer langfristigen Zuschussvereinbarung mit einer solch langen Laufzeit bereit und werden auf den geplanten Stellenabbau – unser Ministerpräsident sagte es heute Morgen – von 754 Stellen ab 2017 verzichten.
Zu den Studentenwerken heißt es: „Studentenwerke sind das Rückgrat der sozialen Infrastruktur an unseren Hochschulstandorten und geben wichtige Impulse für das studentische Leben. Wir bekennen uns zu den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur und werden den Landeszuschuss deutlich erhöhen sowie durch mehrjährige Vereinbarungen Planungssicherheit schaffen.“ – Auch dies ist eine Formulierung, die überall gut angekommen ist.
Bevor ich nun auf den Antrag der GRÜNEN im Einzelnen eingehe, lassen Sie mich noch einmal sagen, dass ich es einfach großartig finde, dass der Bund die BAföG-Mittel ab 2017 vollständig übernimmt. Hierdurch spart unser Freistaat im Bereich der Hochschulen 43,6 Millionen Euro ein. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal dafür danken – ein hervorragendes Resultat –, insbesondere auch unserem Generalsekretär Michael Kretschmer, der an diesem Ergebnis einen großen Anteil hat.
Die GRÜNEN möchten, so der Titel ihres Antrages, die freien BAföG-Mittel in Schulen und Hochschulen investieren und die Hochschulen und Studentenwerke stärken. Genau das tun wir, genau das findet sich im auszugsweise von mir wiedergegebenen Koalitionsvertrag.
Mit dem ersten Punkt Ihres Antrages kann ich inhaltlich problemlos mitgehen, dennoch brauchen wir dazu eine pauschale, lediglich deklaratorisch wirkende Aufforderung an die Staatsregierung nicht. Ich zitiere den Antrag: „Ein bindender parlamentarisch gestützter Beschluss ist zu der Zeit weder sinnvoll noch zielführend, weil er der Staatsregierung ihre Verantwortung für die Vorlage eines Haushaltsentwurfes nicht abnehmen kann.“
Im zweiten Teil des Antrags legen die GRÜNEN ihre Vorstellung über die Verwendung der frei werdenden BAföG-Mittel im Einzelnen dar. Diese Vorstellungen decken sich nicht mit unseren, jedenfalls nicht vollständig. Sie wissen, dass die Staatsregierung für die Verwendung der Mittel bereits im Doppelhaushalt 2015/2016 Vorschläge gemacht hat.
Unsere Sorge war, dass diese frei werdenden 54 Millionen Euro im Haushalt versickern. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass diese Mittel künftig gesondert veranschlagt werden. Wir wollen, dass diese Mittel den Hochschulen gesondert zur Verfügung stehen, sozusagen als Sahnehäubchen obendrauf kommen.
Auch ansonsten wollen wir das inhaltlich übliche Verfahren einhalten. Zuerst wird die Staatsregierung einen Vorschlag machen, und dann werden wir im Rahmen der Haushaltsdebatte darüber befinden und unseren Aufgaben nachkommen. Die Antragsteller wollen in diesem Punkt nichts anderes als vorweggenommene Haushaltsverhandlungen. Das machen wir verständlicherweise nicht mit. Ich werde daher meiner Fraktion empfehlen, Ihren Antrag abzulehnen.
Bei der Gelegenheit möchte ich sagen, dass ich mich auf die Zusammenarbeit mit unserer neuen Wissenschaftsministerin freue. Ich gratuliere ihr namens meiner Fraktion und namens unserer Hochschulpolitiker ausdrücklich zur Ernennung und freue mich auf fünf gute Jahre für unsere Hochschulen und Universitäten.