Protocol of the Session on February 3, 2016

Erstens. Es bedarf einer Verständigung zwischen den Medien und der Polizei über Sicherheitskonzepte bei Versammlungslagen. Dazu muss man sich gemeinsam an einen Tisch setzen und vor allem über Machbares reden.

Es kann auch nicht das Ziel sein, Medienberichterstatter bei schwierigen Demolagen zukünftig in einer Art betreuten Wanderkessel an der Demo vorbeizuführen, sondern hier braucht es einen Austausch.

Zweitens. Es braucht eine Intensivierung des Verfolgungsdrucks. Der Angriff auf Medienberichterstatter ist kein Kavaliersdelikt. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass diese Taten folgenlos bleiben. Dies setzt auch ein höheres Anzeigeverhalten bei den Betroffenen voraus. Ich warne aber an diesem Punkt nach dem Ruf nach Strafrechtsverschärfung. Es ist notwendig, das bestehende Strafrecht anzuwenden und nicht die nächste Sau durchs Dorf zu treiben und zu denken, wir lösen Probleme durch Strafrechtsverschärfung.

Drittens. Herr Minister, ein Appell an Sie: Schulen Sie Ihre Einsatzführer und Ihre Polizistinnen und Polizisten, was den Umgang mit Journalistinnen und Journalisten angeht. Es darf nicht passieren, dass Polizisten sich lieber um hanebüchene Anzeigen wegen Verstößen gegen das Kunsturhebergesetz kümmern und Identitätsfeststellungen gegen diese Journalisten betreiben, während daneben vermeintlich besorgte Bürger Böller werfen. Das ist unverhältnismäßig, in Niederau aber genau so geschehen.

Viertens. Wir brauchen eine Debatte über die Durchsetzung der freien Medienberichterstattung durch das Versammlungsrecht und damit auch durch vollziehbare Auflagen in den Versammlungsbescheiden. Dies könnten die Versammlungsbehörden durchaus tun und damit notfalls auch Maßnahmen gegen eine Versammlung vollziehen.

Es gibt sicherlich noch mehr Maßnahmen. Dies muss zügig umgesetzt werden, Herr Minister. Hier greift der Antrag leider zu kurz. Da hätten wir uns mehr gewünscht, und wir hätten auch eine Debatte im Innenausschuss für sinnvoller erachtet.

Gleichwohl schließe ich mit dem Appell an Sie, Herr Minister: Handeln Sie, machen Sie das Thema zur Chefsache! Es steht mehr auf dem Spiel, als uns lieb ist, nämlich eine der wesentlichen Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht?

(Staatsminister Markus Ulbig: Selbstverständlich!)

Herr Ulbig, wir üben das immer wieder. Ich höre das sehr gern, wenn Sie „selbstverständlich“ sagen. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Selbstverständlich will ich auch zu diesem

Thema und zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen, zumal ich im Rahmen der Debatte teilweise persönlich angesprochen worden bin.

Deshalb will ich zunächst als Vertreter der Staatsregierung, aber auch überzeugt aus meiner Person heraus deutlich und klar machen, dass Angriffe auf Journalisten am Rande und inmitten von Versammlungen zu verurteilen sind; denn sie sind ein Angriff auf selbige, sollen Pressevertreter einschüchtern und eine objektive Berichterstattung verhindern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was mit „Lügenpresse“-Rufen beginnt, endet in letzter Zeit regelmäßig mit Tätlichkeiten. Deshalb muss und wird der Staat hart durchgreifen. Wenn solche Angriffe von der Polizei beobachtet werden oder wenn sie von Betroffenen gemeldet werden, wird dem nachgegangen. Die Angreifer werden verfolgt, festgenommen und – davon bin ich fest überzeugt – von der Justiz entsprechend behandelt und letztendlich verurteilt – so wie übrigens am Montag in Leipzig am Rande der Legida-Versammlung geschehen – wie Sie, Frau Köditz, es geschildert haben –, zumindest bis zum Zeitpunkt der Festnahme; denn bei dem geschilderten Angriff auf ein Kamerateam konnte einer der Angreifer nach einer Identifikation durch das Ordnerpersonal festgenommen werden.

Es muss allen klar sein, was die Polizei im Rahmen ihres Auftrages, im Rahmen von angemeldeten Versammlungen leisten kann und was sie nicht leisten kann. Sie muss in allererster Linie für den Schutz aller Versammlungsteilnehmer sorgen. Selbstverständlich – das will ich klar und deutlich aussprechen – spielt bei der Lagebeurteilung auch die Gefährdung von Journalisten eine Rolle, und es werden entsprechende präventive Maßnahmen ergriffen. Dabei geht es um Raumschutz um die Veranstaltung herum, eventuelle Schutzzonen an definierten Gefahrenstellen oder einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit. Selbstverständlich nimmt unsere Polizei Hilfegesuche von Journalisten bei solchen Veranstaltungen ernst, genauso, wie bei Straftaten die Strafverfolgung durchgeführt wird.

Das, was die Polizei bei solchen Veranstaltungen allerdings nicht leisten kann – das ist ein Stück weit die Grenze –, ist so etwas wie ein Personenschutz für jeden einzelnen Journalisten. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir uns darüber unterhalten, aber auch sachlich miteinander sprechen.

Herr Pallas, Sie haben recht, auch ich hätte mir gewünscht, dass wir die Beratung in den Ausschüssen durchgeführt hätten. Dabei hätten wir manches vertiefen können. Herr Lippmann, das, was Sie als eine Ihrer Forderungen angesprochen haben, haben wir schon in der Pipeline – wenn ich es etwas flapsig sagen darf –, nämlich, dass wir das direkte Gespräch suchen und auch mit dem Journalistenverband ins Gespräch kommen.

Ich bin dankbar, dass die Zustimmung, das große Interesse bei den Pressevertretern vorhanden ist. Wir werden dieses Gespräch zeitnah im Innenministerium durchführen, um einerseits Verständnis füreinander zu finden,

vielleicht Chancen und Möglichkeiten zu definieren, aber auch Missverständnisse auszuräumen. Es geht darum, die Erwartungshaltung, die gegenseitig vorhanden ist, auszutauschen.

Am Ende bleibt ganz klar die Positionierung: keine Toleranz gegenüber Angriffen auf Journalisten und eine klare Verurteilung solcher Angriffe. Es darf auch in der öffentlichen Diskussion, in der Wahrnehmung kein sogenannter Gewöhnungseffekt eintreten. Deshalb ist eine deutliche Positionierung der Demokraten, was dieses Thema betrifft, notwendig.

Der Staat mit seinen Sicherheitsbehörden wird entsprechende Übergriffe klar verfolgen und deshalb dafür sorgen, dass diejenigen, die sich gegenüber Journalisten strafrechtlich verantworten müssen, letztendlich ihrer Strafe zugeführt werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Meine Damen und Herren! Das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE; Herr Abg. Neubert.

(Falk Neubert, DIE LINKE: Ein Redebeitrag!)

Ein Redebeitrag, noch nicht das Schlusswort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind zwei Punkte, die mich vor dem Schlusswort noch einmal ans Mikrofon treten lassen.

Das eine sind zwei Zumutungen von Frau Petry, die ich gern zurückweisen möchte. Sie sagen hier, dass der Antrag zu kurz greift und Ursache und Wirkung durcheinanderbringt. Wir reden hier über Gewalt gegen Journalisten. Wenn man das umdreht, was Ihren Worten zugrunde liegt, würden Sie hiermit unterstellen, dass Journalisten als Erste diese Gewalt ausüben. Das weise ich entschieden zurück.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Die zweite Zumutung von Ihrer Seite ist, dass Sie um eine Akzeptanz in der Betrachtung von Medien, um eine Akzeptanz von Pegida & Co. werben, dass diese Demonstranten in der Art gegen Journalisten vorgehen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Akzeptanz von Meinungsfreiheit – das muss man vielleicht genau überlegen!)

Das Zweite ist: Herr Ulbig, Sie hatten zu Recht dargestellt, dass kein Personenschutz im klassischen Sinne während einer solchen Demonstration möglich ist. Der Punkt ist allerdings, dass wir derzeit tatsächlich in einer anderen Situation sind. Bisher hatten wir eine Situation – so beschreiben Journalisten –, dass sie bei Veranstaltungen geduldet waren und maximal als störend empfunden wurden. Heute aber erleben sie, dass sie als Feinde

begriffen werden. Das hat natürlich ganz andere Qualitäten hinsichtlich der Aggression, die sich gegenüber den Journalisten entlädt.

Wir haben im MDR die Debatte – bei einer Anhörung im Bundestag hat der Chefredakteur neulich dazu Stellung bezogen –, dass Journalisten nur noch freiwillig in diese Demonstrationen gehen und der Sender keine Anweisungen gibt. Journalisten gehen nicht mehr mit gelabelten Autos, auf denen „MDR“ steht, dorthin, sondern mit neutralen Autos. Journalisten trauen sich nicht, Anzeigen zu stellen, wenn sie angegriffen werden, weil sie Angst um ihre Familien haben.

(Staatsminister Markus Ulbig: Das darf nicht sein!)

Das sind Dinge, die nicht sein dürfen – Sie sagen es –, bei denen wir im demokratischen Rechtsstaat kapitulieren. Das ist der Punkt. Wir versuchen mit unserem Antrag darauf hinzuweisen, die Diskussion zu führen und eine freie, unabhängige Berichterstattung, eine Berichterstattung, die frei von solchen Einflüssen ist, zu ermöglichen. Es ist mir wichtig, das noch einmal zu erwähnen.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Eigentlich war jetzt eine dritte Rederunde eröffnet. Ich frage vorsorglich die Fraktionen, ob es weitere Wortmeldungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich zum Schlusswort auf. Für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Neubert. Bitte sehr, Herr Neubert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Der Antrag, der Ihnen vorliegt, besteht aus drei Punkten: Einmal ist das eine Analyse der Situation – aus unserer Sicht eine wichtige Grundlage, um über dieses Thema debattieren zu können, auf der einen Seite natürlich hier im Plenum, auf der anderen Seite ist es ja unbenommen, auch in geschlossenen Räumen, wo man die Diskussion noch vertiefen kann. Das eine schließt das andere nicht aus.

Das zweite Thema ist, welche Maßnahmen ergriffen wurden.

Das dritte Thema wurde in der Debatte nicht ganz so in den Vordergrund gestellt, was man nämlich unternehmen könnte und sollte, um eine Berichterstattung in der Form, wie sie hier diskutiert wurde, in Zukunft zu ermöglichen, eine Berichterstattung, die nicht solchen äußeren Einwirkungen unterliegt.

Das sind die drei Punkte, die wir hier beschließen könnten. Es ist, Herr Lippmann, nicht nur ein kleiner, sondern ein wichtiger Schritt aus unserer Sicht. Wir haben aber nie behauptet, dass das alles ist. Deswegen bitte ich hier um Zustimmung für unsere Fraktion und würde gerne abschließend mit einem Zitat des Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes enden: „Die nicht abreißende Serie von Gewalt gegen Journalisten unterstreicht die Notwendigkeit eines besseren Schutzes. Dass die Polizei die Journalisten nicht schützen kann, würde

ich nicht behaupten. Fakt ist: Sie schützt die Kollegen nicht!“

Abschließend aus der gemeinsamen Erklärung des Deutschen Journalistenverbandes, des MDR und des Sächsischen Zeitungsverlegerverbandes: „Wer Journalisten angreift und verletzt, muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zur Verantwortung gezogen werden. […] Die DJV-Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und

Thüringen, der Sächsische Zeitungsverlegerverband und der Mitteldeutsche Rundfunk erwarten von den Innenministerien und den Polizeiorganen, dass sie Angriffe auf Journalisten unterbinden. Wer die Meinungs- und Pressefreiheit derart beschädigt, greift die Demokratie insgesamt an, sehr geehrte Damen und Herren.“ Ich glaube, dass wir

uns in dieser Frage einig sind. Daher bitte ich noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 6/3203. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.